Seite als PDF anzeigen

(http://www.csu.de/verbaende/kv/wuerzburg- stadt/)
Kreisverband Würzburg-Stadt
Meldung
Artikel vom 23.07.2015
MR
CSU KV Würzburg-Stadt
TTIP Segen oder Fluch?
Markus Ferber
1994 wurde Markus Ferber im Alter von
erst 29 Jahren in das Europäische
Parlament gewählt
1999 - 2014 war er Vorsitzender der
CSU-Europagruppe im Europäischen
Parlament
2005 wurde Markus Ferber zum
Bezirksvorsitzenden der CSU Schwaben
Ca. 7 0 Personen trotzten dem heiß-schwülen Wetter und den Versuchungen des
Kiliani-Volksfests, um sich persönlich über T TIP zu informieren. Der CSUKreisverband Würzburg hatte zur Podiumsdiskussion „T TIP - Jetzt red i„ geladen.
Anschließend sollten interessierte Würzburgerinnen und Würzburger aus erster
Hand Ihre Fragen zum Freihandelsabkommen beantwortet bekommen. Mit
Markus Ferber, erster stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für
Wirtschaft und Währung im Europäischen Parlament, konnte hier eine
ausgewiesene Kapazität zum Thema nach Würzburg gewonnen werden. Neben
ihm nahmen Dipl.-Betriebswirt (BA) Christoph Müller, Vorstandsmitglied der
Koenig & Bauer AG und Paul Lehrieder, MdB und Vorsitzender des Ausschusses
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf dem Podium Platz. Nach der
Einführung in die Materie durch den Kreisvorsitzenden und
Landtagsabgeordneten Oliver Jörg berichtete zuerst Markus Ferber von der IstSituation.
Was hat TTIP mit Greenpeace gemeinsam?
Es gehe darum, so der Europaabgeordnete, das Beste aus beiden
Wirtschaftsräumen USA & Europa zusammen zu bringen. Derzeit wundern sich
übrigens auch die Amerikaner über unseren, aus ihrer Sicht an manchen Stellen
laschen Verbraucherschutz, ergänzte er. Wichtig sei: Beschlossen ist noch
nichts. Die Diskussion wird zu gegebener Zeit geführt. Dabei hat das
Europaparlament ganz klar beschlossen, dass kommunale Daseinsvorsorge
weiterhin regional möglich sein solle. Hierbei, so ergänzte Ferber - für manchen
im Raum völlig überraschend - sei man übrigens mit den Amerikanern einer
Meinung. Auch dort sind in der Regel kommunale Dienste, wie etwa die
Wasserversorgung, in lokaler Hand. Völlig anders sei dies in Frankreich, wo eher
privatwirtschaftliche Firmen damit beauftragt seien. Christoph Müller von König
und Bauer berichtete, dass die rund 6.000 im Werk Beschäftigen einen Umsatz
von ca. 1 Mrd. Euro bei einer Exportquote von 80-90% erwirtschaften.
Selbst wenn Druckmaschinen nur mit durchschnittlich 3% Zoll belegt seien,
summiere sich dies auf einen Millionenbetrag pro Jahr, alleine im Geschäft mit
den USA. Geld, das sinnvoller investiert werden könnte. Auf Grund
unterschiedlicher technischer Vorschriften muss die in Würzburg ansässige
Aktiengesellschaft jeweils eine Konstruktion jeder Maschine für Europa und
China sowie eine eigene für die USA vorhalten. Hier entstünde durch T TIP
ebenfalls erhebliches Einsparpotenzial, so Müller. Das war nur ein Beispiel von
vielen, die aufgrund unterschiedlicher Maße und Normen den Markt beiderseits
unnötig hemmen. Und auch auf Schiedsgerichte greift man gerne zurück, führt
Müller weiter aus, unter anderem, da die Entscheidungen dort in absehbaren
Zeiträumen getroffen werden. In Indien geht nun endlich, nach 23 Jahren
Verhandlungspause, ein Altfall von König und Bauer vor einem ordentlichen
Gericht weiter.
Dr. Christine Bösch, Justiziarin bei König und Bauer, ergänzt, es sei ein Vorteil
von Schiedsgerichten, das jeweils geltende Landesrecht wählen zu können. Wäre
für einen französischen Kunden sein und für den deutschen Lieferanten dessen
nationales Recht am besten, würden sie sich kaum einigen. Der Ausweg läge
dann darin, sich etwa auf Schweizer Recht zu verständigen. Da die Schweiz ihre
ordentlichen Gerichte aber frei von solchen Streitigkeiten halten will, gäbe es
hier als sinnvollen Ersatz nur Schiedsgerichte. Paul Lehrieder wies darauf hin,
dass Deutschland mit CETA und T TIP nicht die ersten Abkommen dieser Art
abschließen. Derzeit bestünden bereits mit rund 160 Nationen
Freihandelsabkommen. Alle diese Verträge ermöglichten, wie nun bei T TIP, auch
unsere Werte in die Verträge hineinzuverhandeln.
Eine Frage, die sicherlich viele Bürger bewegt, stellte Oliver Jörg an das Podium.
Er wollte wissen, ob das Europäische Parlament überhaut etwas an den ja
angeblich im Geheimen stattfindenden Verhandlungen ändern könne. Markus
Ferber erläuterte daraufhin, wie die Verhandlungen durchgeführt werden und
welche doch überraschend starke, aber in den Medien bisher leider wenig
beachtete Rolle das Europäische Parlament dabei hat. Das US
Handelsministerium verhandelt mit der Europäischen Kommission. Die EUKommission wiederum hat ein demokratisches Mandat für diese Verhandlungen
vom Europäischen Parlament. Die EU-Kommission erstattet regelmäßig im
zuständigen Ausschuss Bericht über den Verhandlungsstand.
Auch ein Beirat ist eingerichtet, besetzt mit Gewerkschaften, Industrie und
Nichtregierungsorganisationen, der ebenfalls regelmäßig informiert wird. Ferber
fügte an, dass sogar der Stadtrat in Würzburg nichtöffentliche Sitzungen hat,
und auch die Vorstandssitzungen von Greenpeace sind nicht öffentlich. Wichtig
sei, dass die Abgeordneten im Europaparlament als Vertreter der Bürgerinnen
und Bürger eng in den Prozess eingebunden sind. Eine der ersten von Jörg
eingesammelten Zuschauerfragen nach den Auswirkungen von
Freihandelsabkommen auf die Dritte Welt beantworte Paul Lehrieder, dass auch
er es für eine wichtige Gesamtaufgabe hält, bestehende Fehler in jeglichen
Freihandelsabkommen zu korrigieren, wie etwa den befürchteten Kollaps des
afrikanischen Hühnermarktes durch den Export billiger europäischer
Hühnchenteile nach Afrika. Markus Ferber erläuterte auf einen Zuschauereinwurf,
dass Korruptionsbekämpfung leider nicht in T TIP geregelt werden kann, weil
Strafrecht in der EU Sache der Nationalstaaten ist. Auch er wünsche sich hier
bessere Regeln. Auf die Publikumsfrage, ob wir T TIP überhaupt brauchen,
entgegnete Christoph Müller mit der Frage, was denn die Alternative sei?
Man müsse sehen, wie nah sich Europa und die USA auch kulturell seien. Würden
wir diese Koalition der westlichen Kulturen verhindern, würden wir uns einem
ganz anders gestrickten Asianstandart gegenüber sehen und müssten mitunter
die, auch kulturell abweichenden, Vorgaben der Chinesen erfüllen. Beruhigen
konnte Paul Lehrieder besorgte Zuschauer, als er aus einem Bericht zitierte, aus
dem eindeutig hervorgeht, dass die nationale Gesetzgebung auch künftig bei
T TIP ausgeklammert bleibt und auch nicht durch Schiedsgerichte ausgehebelt
werden könne. Die im Publikum anwesende Vorsitzende der CSUStadtratsfraktion, Dr. Christine Bötsch, stellte die Frage, ob die Verhandlungen
nicht ein „Friss-oder-stirb- Verfahren“ sei, wenn die Verhandlungen geheim sind
und die Parlamente nur zustimmen sollen. Ferber erläuterte daraufhin, das
Parlament habe im Mai 2013 eine Entschließung formuliert, bei der es
verschiedene Positionen gefordert habe, die sich auch so in der Verhandlung der
Kommission wiederfinden. Und erst vor einer Woche, so Ferber, hat das
Parlament nochmals Kriterien festgelegt, wie es das endverhandelte Abkommen
bewerten wird. Beim Investorenschutz wird etwa nur ein Freihandelsabkommen
angenommen, bei dem die Schiedsgerichte mit einem Richter besetzt sind, das
Verfahren öffentlich ist, und eine Revisionsmöglichkeit besteht.
So weiß die Kommission, wenn sie nicht in der Lage ist zu liefern, wird sie keine
Zustimmung der Europaparlamentarier bekommen. In diesem Zusammenhang
wurde auf den insgesamt demokratischen Prozess hingewiesen. Neben dem
Deutschen Bundestag müssen am Ende auch die Landesparlamente zustimmen.
Und auch der Bayerische Landtag hat sich bereits intensiv mit der Thematik
befass, weiß MdL Oliver Jörg zu berichten. Auch bestünde nach Ferbers Worten
sehr wohl die Möglichkeit, in Dokumente Einsicht zu nehmen, und damit
festzustellen, wo etwas in die falsche Richtung läuft. Dadurch besteht für die
Parlamentarier die Chance, zusammen mit den Kollegen des Bundestag und des
Landtags, politischen Druck aufbauen. Es wird kein Freihandelsabkommen geben,
bei dem wir über den Tisch gezogen werden, ergänzte der erste
stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft und Währung im
Europäischen Parlament. Auch die Befürchtung aus dem Kreis der Zuhörer, das
T TIP-Abkommen sei für die Ewigkeit und könne nie wieder geändert oder gar
abgeschafft werden, konnte Markus Ferber entkräften. „Dieses Abkommen hat
keinen Ewigkeitscharakter!“. Er verwies darauf, dass jedes
Völkerrechtsabkommen gekündigt oder ersetzt werden kann.