Predigt zum 2. Adventssonntag (C) am 06.12.2015 in der

Predigt zum 2. Adventssonntag (C) am 06.12.2015
in der Abteikirche Königsmünster
Lesung:
Bar 5,1-9
Evangelium: Lk 3,1-6
1527 lehnte Martin Luther in seiner Predigt zum Nikolausfest die Legenden um den
heiligen Nikolaus als „kyndisch Ding“ ab. Dennoch ließ er den Nikolaus noch einige
Zeit neben dem von ihm bevorzugten Christkind als Gabenbringer in seiner Familie
gewähren, denn immerhin sind in einer Haushaltsrechnung aus dem Jahr 1535
Ausgaben für 135 Nikolausgeschenke an die von Luther und seiner Frau Katharina
betreuten Kinder sowie Jahrmarktsgeschenke für das Gesinde aufgeführt.
So konsequent, wie Luther den Nikolausbrauch am 6. Dezember bekämpfte, versuchte
er dann auch, das Beschenken durch das Christkind am 25. Dezember zu beleben. Hier
war er letztlich recht erfolgreich, denn seit langem schon findet die Bescherung
weltweit zumeist zu Weihnachten statt.
Doch ob die guten Gaben nun von einem, aufgrund seiner Barmherzigkeit verehrten,
Bischof aus Kleinasien stammen oder vom Christkind persönlich ist den Beschenkten
oft weniger wichtig. Ob Nikolaus oder Christkind beeinflusst auch den eigentlichen
Sinn dieser Geschenktradition nicht, - abgesehen davon, dass jeder Beschenkte schon in
Kindertagen zu ahnen beginnt, wer die Gaben nun wirklich in die Schuhe geschoben
oder unter den Weihnachtsbaum gelegt hat.
Denn eigentlich stehen beide für die großzügige Schenkfreude Gottes. Letztlich geht es
bei beiden vor allem um die große Gabe des Heils, die Gott uns durch seine Menschwerdung schenkt. Denn diese gilt als höchster Ausdruck der erlösenden Barmherzigkeit
Gottes, indem er sich selber uns schenkt.
Das Weihnachtsfest gilt also in besonderer Weise als Fest der Liebe Gottes zu den
Menschen, als Fest seiner Barmherzigkeit. Im Zugehen auf dieses Fest legen die
Lesungstexte des Advent eine entsprechende Spur, indem sie, wie in der heutigen
Lesung aus dem Buch Baruch, von Gottes barmherziger Zuwendung künden: Gott
macht sich zu und mit seinem Volk auf den Weg, er wird es heimführen. Er sammelt die
Zerstreuten und die ganze Schöpfung, Berge und Hügel, Täler und Ebenen, ja sogar die
Bäume und Wälder sind aufgerufen, mitzuhelfen, den Heimkehrern einen geraden Weg
zu schaffen.
Jerusalem, auf dem Tiefpunkt seiner Geschichte, geschmäht und deprimiert, soll von
Gott mit Glanz überhäuft - und dem ganzen Erdkreis unter dem Himmel präsentiert
werden. "Für immer" wird ihm auch der Name gegeben: Friede der Gerechtigkeit und
Herrlichkeit der Gottesfurcht. Zwar steht diese prophetische Vision bis heute in
völligem Gegensatz zur Wirklichkeit des irdischen Jerusalem, und doch hat sie nichts an
ihrer Faszination und aufrüttelnden Kraft verloren. Genau diese Faszination und Kraft
brauchte das Volk Israel, um aufzubrechen aus der vertraut gewordenen Fremde und
neu zu beginnen in der fremd gewordenen Heimat.
Wichtig ist dem Propheten Baruch dabei, dass all dies das Werk Gottes ist, er ist es, der
sein Volk tröstet und ermutigt, der es durch die Wüste führt, der ihm Heimat gibt und
Würde.
In dieser Tradition steht auch Johannes der Täufer, der einige Zeit später, das Volk
Israel dazu aufruft, dem Herrn den Weg zu bereiten, damit letztlich alle Menschen das
Heil sehen, das von Gott kommt. Denn Gott allein ist in seiner Barmherzigkeit Spender
alles Guten und Urheber des Heils.
Damit wird deutlich, was Nikolaus und Christkind, Baruch und Johannes verbindet: das
tiefe Vertrauen auf die Barmherzigkeit Gottes. „Die Barmherzigkeit“, so Papst Franziskus zu Beginn seiner Verkündigungsbulle zum Jahr der Barmherzigkeit, „ist das
grundlegende Gesetz, das im Herzen eines jeden Menschen ruht und den Blick bestimmt, wenn er aufrichtig auf den Bruder und die Schwester schaut, die ihm auf dem Weg
des Lebens begegnen. Barmherzigkeit ist der Weg, der Gott und Mensch vereinigt, denn
sie öffnet das Herz für die Hoffnung, dass wir, trotz unserer Begrenztheit aufgrund
unserer Schuld, für immer geliebt sind“ (Misericordiae Vultus 2)
Dieses Jahr der Barmherzigkeit beginnt am kommenden Dienstag, den achten
Dezember, mit der Öffnung der Heiligen Pforte. Der Termin ist natürlich kein Zufall,
denn zum einen feiern wir am achten Dezember das Hochfest der ohne Erbsünde
empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria, das uns daran erinnert, das Gott schon
vor der erlösenden Menschwerdung seines Sohnes, heilvoll gehandelt hat. Zum anderen
gedenkt die Kirche am diesjährigen achten Dezember des fünfzigsten Jahrestages des
Abschlusses des Zweiten Vatikanischen Konzils, zu dessen Beginn Papst Johannes
XXIII. versprach, dass die Kirche „lieber das Heilmittel der Barmherzigkeit anwenden
(wolle) als die Waffen der Strenge.“ Diese Haltung wird in den Texten des Konzils
greifbar, dem es im Blick auf die Welt und die Menschen von heute mehr um das
Verstehen und nicht um das Verurteilen ging. So konnte Papst Paul VI. zum Abschluss
sagen: “ dass die Religion dieses Konzils die Nächstenliebe ist“ und dass Lehre und Tun
der Kirche ein einziges Ziel haben „nämlich dem Menschen zu dienen. Und zwar dem
Menschen … in jeder Lebenslage“. Dieser Tradition folgend bezeichnet Papst Franziskus die Barmherzigkeit als den „Tragbalken, der das Leben der Kirche stützt“ (MV
10) und stellt dieses Jahr unter das Motto „Barmherzig wie der Vater“.
Als ersten Schritt, diesem Leitwort zu folgen, fordert er dazu auf, das Wort Gottes zu
hören und den Wert der Stille wiederzuentdecken. Denn „Auf diese Weise ist es
möglich, die Barmherzigkeit Gottes zu betrachten und sie uns anzueignen und zum
eigenen Lebensstil werden zu lassen“ (MV 13). Zu diesem Lebensstil gehört, so Papst
Franziskus, nicht zu richten und nicht zu verurteilen, vielmehr das Gute im anderen
wahrzunehmen und zu vergeben, sind wir doch selbst so sehr auf die Vergebung durch
Gott und unsere Nächsten angewiesen. „Angerührt von seiner Barmherzigkeit können
auch wir Tag für Tag barmherzig mit den anderen sein“ (MV 14).
Schließlich erinnert er sowohl an die sieben leiblichen Werke der Barmherzigkeit:
die Hungrigen sättigen, den Durstigen zu trinken geben, die Nackten kleiden, den
Heimatlosen ein Obdach gewähren, die Kranken pflegen, die Gefangenen besuchen und
die Toten bestatten.
Als auch an die sieben geistlichen Werke der Barmherzigkeit:
die Zweifelnden beraten, die Unwissenden unterrichten, die Sünder ermahnen, die
Trauernden trösten, die Lästigen geduldig ertragen, Verletzungen vergeben und beten
für die Lebenden und die Verstorbenen.
Diese Konkretionen der Barmherzigkeit können dem, der sie aus eigener Kraft leisten
will, Druck machen. Sie sind aber für den, der Gottes Barmherzigkeit an sich erfahren
hat, eine natürliche Folge dieser Erfahrung, die sich an andere mitteilen will.
Ein berührendes und zuversichtlich stimmendes Zeugnis von der Barmherzigkeit Gottes
findet sich bei dem Kirchenlehrer Ephräm der Syrer, der Mitte des vierten Jahrhunderts
schreibt: „Deine große Schuld kommt nicht einmal dem kleinsten Tröpflein seiner
Barmherzigkeit gleich; ..., ja selbst die Ungerechtigkeit der ganzen Welt überwältigt
nicht das Meer seiner Barmherzigkeit Gnade.“
Oder noch kürzer und mit den Worten des hl. Benedikt gesagt:
„Und an Gottes Barmherzigkeit niemals verzweifeln. (RB 4,74)
Fürbitten Zweiter Advent (C) 06.12.15
Gott ist unterwegs zu uns Menschen, weil er uns nach Hause bringen will in seine
Barmherzigkeit. Vor ihn bringen wir unsere Anliegen und Bitten:
- Für Menschen, die Wege ebnen, in Konflikten Lösungen erarbeiten
und anderen helfen, zu ihrem Recht zu kommen.
Ruf: Gott, barmherziger Vater: Wir bitten dich erhöre uns.
- Für Menschen, die Flüchtlinge aufnehmen, ihnen das Einleben erleichtern und mit
ihnen Zukunftschancen ausloten.
Ruf: Gott, barmherziger Vater: Wir bitten dich erhöre uns.
- Für Menschen, die sich in Wissenschaft, Wirtschaft und Politik darum bemühen, die
heraufziehende Klima-Katastrophe noch aufzuhalten.
Ruf: Gott, barmherziger Vater: Wir bitten dich erhöre uns.
- Für Menschen, die mit anderen mitgehen, wenn Wege dunkel werden, Ängste
auszuhalten sind und Trauer zu teilen ist.
Ruf: Gott, barmherziger Vater: Wir bitten dich erhöre uns.
- Für Papst Franziskus, der am Dienstag das Heilige Jahr der Barmherzigkeit eröffnet,
und für alle Männer und Frauen, die Zeugnis geben von deiner Barmherzigkeit.
Ruf: Gott, barmherziger Vater: Wir bitten dich erhöre uns.
Barmherziger Gott, alle Menschen sollen das Heil sehen, das von dir kommt.
Du sprichst uns an. Du lädst uns an deinen Tisch.
Dir danken wir - heute und morgen und bis in deine Ewigkeit. Amen