Vortrag - lph

Wann ist Cybercrime ein Fall für die
Staatsanwaltschaft ?
Von Staatsanwalt Martin Reiter, IuK-Koordinator bei der Staatsanwaltschaft Saarbrücken
Stichpunkte für den Vortrag am 18.02.2016 im Audimax der Universität Saarbrücken.
- Vorstellung und Annäherung an das Thema:
Aufbau des Vortrags
A. Allgemeine Erwägungen zum Verhältnis Schule - Strafverfolgung
B. Ablauf des Strafverfahrens in Jugendsachen
C. Straftatbestände im Rahmen des Cybermobbing
A. Allgemeine Erwägungen zum Verhältnis Schule - Strafverfolgung
Der Erziehungsgedanke im Jugendstrafrecht:
§ 2 JGG
Ziel des Jugendstrafrechts; Anwendung des allgemeinen Strafrechts
(1) Die Anwendung des Jugendstrafrechts soll vor allem erneuten Straftaten eines Jugendlichen oder Heranwachsenden entgegenwirken. Um dieses Ziel zu erreichen, sind die Rechtsfolgen und unter Beachtung des elterlichen Erziehungsrechts auch das Verfahren vorrangig
am Erziehungsgedanken auszurichten.
Der Erziehungsauftrag der Schule ist in § 2 JGG nicht erwähnt. D.H., dass die Erziehung im
Jugendstrafverfahren neben der Erziehung durch die Schule stattfindet. Oft findet im Strafverfahren
keine Abstimmung mit der Schule statt. Manchmal kommt es sogar zu erheblichen Spannungen
zwischen Strafverfolgern und Erziehern, zu erläutern am Negativbeispiel Abenteuerspielplatz.
§ 53 StPO
Zeugnisverweigerungsrecht der Berufsgeheimnisträger
(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind ferner berechtigt
1. Geistliche über das, was ihnen in ihrer Eigenschaft als Seelsorger anvertraut worden
1
oder bekanntgeworden ist;
Verteidiger des Beschuldigten über das, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut
2.
worden oder bekanntgeworden ist;
Rechtsanwälte und sonstige Mitglieder einer Rechtsanwaltskammer, Patentanwälte,
Notare, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, Steuerberater und
Steuerbevollmächtigte, Ärzte, Zahnärzte, Psychologische Psychotherapeuten, Kinderund Jugendlichenpsychotherapeuten, Apotheker und Hebammen über das, was ihnen
3. in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekanntgeworden ist; für
Syndikusrechtsanwälte (§ 46 Absatz 2 der Bundesrechtsanwaltsordnung) und
Syndikuspatentanwälte (§ 41a Absatz 2 der Patentanwaltsordnung) gilt dies
vorbehaltlich des § 53a nicht hinsichtlich dessen, was ihnen in dieser Eigenschaft
anvertraut worden oder bekanntgeworden ist;
Mitglieder oder Beauftragte einer anerkannten Beratungsstelle nach den §§ 3 und 8
3a. des Schwangerschaftskonfliktgesetzes über das, was ihnen in dieser Eigenschaft
anvertraut worden oder bekanntgeworden ist;
Berater für Fragen der Betäubungsmittelabhängigkeit in einer Beratungsstelle, die eine
Behörde oder eine Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts
3b.
anerkannt oder bei sich eingerichtet hat, über das, was ihnen in dieser Eigenschaft
anvertraut worden oder bekanntgeworden ist;
Mitglieder des Deutschen Bundestages, der Bundesversammlung, des Europäischen
Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland oder eines Landtages über Personen,
4.
die ihnen in ihrer Eigenschaft als Mitglieder dieser Organe oder denen sie in dieser
Eigenschaft Tatsachen anvertraut haben, sowie über diese Tatsachen selbst;
Personen, die bei der Vorbereitung, Herstellung oder Verbreitung von Druckwerken,
Rundfunksendungen, Filmberichten oder der Unterrichtung oder Meinungsbildung
5.
dienenden Informations- und Kommunikationsdiensten berufsmäßig mitwirken oder
mitgewirkt haben.
Lehrer, auch Vertrauenslehrer oder Schoolworker kommen hier nicht vor. Betreuer auf
Abenteuerspielplätzen auch nicht.
D.H. nach einer Anzeige besteht für Erzieher und Lehrer die Bürgerpflicht zur Mitwirkung im
Strafverfahren, also:
d.h. persönliche, nicht nur schriftliche Zeugenaussage im Ermittlungsverfahren:
a. bei der Polizei (§ 163 StPO - Erscheinen ist derzeit noch keine gesetzliche Pflicht, Gesetzesänderung geplant).
b. Erscheint der Zeuge nicht, droht ihm die Vernehmung durch den Staatsanwalt oder Ermittlungsrichter, gegebenenfalls mit polizeilicher Vorführung oder Erzwingungshaft (§ 161a StPO).
c. persönliche Pflicht zur Aussage im Hauptverfahren, Berufung auf frühere schriftliche Äußerungen
und Inhalte von Vernehmungen sind wegen des sogenannten Unmittelbarkeitsgrundsatzes nicht
zulässig. Außerdem hat der Zeuge die Pflicht, sich auf die Vernehmung vorzubereiten (§ 244 StPO).
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d. Die Schule hat auch die für die Ermittlungen notwendigen Schriftstücke/Daten (z.B. E-Mails)
herauszugeben, soweit sie nicht mittelbar von den Zeugnisverweigerungsrechten geschützt sind (z.B.
psychologische Gutachten). Hier droht zwar keine Durchsuchung, weil es sich um amtlich verwahrte
Schriftstücke handelt, aber die Herausgabe kann notfalls über das Ministerium durchgesetzt werden
(§ 96 StPO). Ein allgemeines Herausgaberecht aus Gründen des Datenschutzes ist dem Strafverfahren
fremd.
Dagegen sind die Rechte des Schulleiters oder Lehrers als Anzeiger auf die Rechte jeden anderen
Anzeigers beschränkt.
Möglich ist es, Zeugen oder Beschuldigte als Zeugenbeistand bei polizeilichen Vernehmungen zu
begleiten, wenn der Betroffene und der Polizist zustimmen und die entsprechenden
Verhaltensregeln („Keine Einmischung in die Vernehmung“) eingehalten werden.
Dies ist jedoch nicht sinnvoll, wenn der Begleiter selbst unmittelbarer Zeuge von Tathandlungen oder
beweisrelevanten Geschehnissen war, da so eine Vermischung von eigenem Erleben und vom
Betroffenen beschriebenen Erlebens stattfinden kann.
In allen Fällen empfiehlt es sich, vorher mit der Polizei einen Vernehmungstermin zu vereinbaren, da
die Sache dann –je nach Strafvorwurf- gegebenenfalls sofort vom spezialisierten Polizisten bearbeitet
wird (Anmerkung: Es gibt bei der Polizei keine Fachleute für Cybermobbing).
B. Ablauf des Strafverfahrens in Jugendsachen
In der Regel beginnt das Strafverfahren mit einer Anzeige. Diese kann bei der Polizei oder bei der
Staatsanwaltschaft erfolgen. Empfehlenswert, weil zeitsparend ist immer eine Anzeige bei der
Polizei. Die Polizei (Ermittlungsperson, bis 2009 Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft) hat nun
grundsätzlich bis zu 2 Monate Zeit, in der Sache zu ermitteln, bevor sie das Verfahren der
Staatsanwaltschaft als der Herrin des Ermittlungsverfahrens vorzulegen hat.
Nach Zunächst prüft der Staatsanwalt –wie jeder gute Beamte- ob er überhaupt zuständig ist und ob
eine Strafverfolgung möglich ist.
a. Zuständigkeit:
Die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft richtet sich grundsätzlich danach, wo der Tatort (§ 9 StGB)
liegt, also Handlungs- oder Erfolgsort der Tat, oder ob der Beschuldigte im Zuständigkeitsbezirk der
Staatsanwaltschaft wohnt (§ 8 StGB). Gesonderte Regeln gelten für jugendliche und heranwachsende
Beschuldigte, wo die Zuständigkeit vorrangig am Wohn- bzw. Aufenthaltsort stattfindet. D.h., wenn
das Opfer in Homburg durch einen Jugendlichen aus Zweibrücken in strafbarer Weise terrorisiert
wird, wird das Verfahren an die Staatsanwaltschaft Zweibrücken abgegeben. Dies kann das Verfahren
um Wochen verlängern. Dasselbe gilt, wenn der Beschuldigte umzieht oder für eine längere Zeit in
eine auswärtige Erziehungsmaßnahme verlegt wird.
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b. Strafmündigkeit:
§ 19 StGB
Schuldunfähigkeit des Kindes
Schuldunfähig ist, wer bei Begehung der Tat noch nicht vierzehn Jahre alt ist.
Da die Taten von Kindern noch nicht verfolgt werden können, ist die Anzeige in aller Regel sinnlos.
Ausnahmeweise, etwa bei Serientätern, können Anzeigen gegen Kinder dergestalt von Nutzen sein,
dass dann nach dem Erreichen der Strafmündigkeit die jeweilige Vorgeschichte interessant ist.
c. Strafbarkeit
Dann prüft der Staatsanwalt, ob das angezeigte Verhalten überhaupt strafbar ist. Dies ist beim den
dem Cybermobbing zuzuordnenden Verhaltensweisen oftmals nicht der Fall, was im Folgenden noch
auszuführen ist.
Zitat des Bundesjustizministers Heiko Maas aus der Deutschen Richterzeitung (Januar 2016, 8,9):
„Als im Herbst letzten Jahres das Foto des ertrunkenen Flüchtlingskindes Aylan Kurdi um die Welt ging
und ein Berliner auf Facebook postete: Wir trauern nicht, sondern wir feiern es!, stand die
Staatsanwaltschaft schon am nächsten Morgen vor der Tür des Hetzers. Richtig so! All das sind
wichtige Signale, die den rechten Straftätern deutlich machen: Was in der analogen Welt verboten ist,
ist auch in der digitalen Welt nicht erlaubt und wird bestraft.“
d. Ermittlungsmaßnahmen gegen unbekannte Täter
Liegt eine Internetstraftat vor und ist der Täter unbekannt, soll der Täter ermittelt werden. Es
bestehen hier verschiedene Ermittlungsansätze, wobei immer auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Ermittlungen im Verhältnis zum Schaden und der zu erwartenden Sanktion zu
beachten ist. Konkret verbleiben folgende Ermittlungsansätze, falls die IP-Adresse des Täters bekannt
ist:
aa. Handelt der Täter mithilfe eines Diensteanbieters, der seinen Sitz in den USA unterhält und der
keinen Ansprechpartner außerhalt der USA zur Verfügung stellt, bestehen keine Ermittlungsansätze.
Erfahrungsgemäß beantworten die USA außerhalb der Bereiche Terrorismus, Kapitaldelikte und
(teilweise) schweren Drogendelikten keine oder kaum Rechtshilfeersuchen.
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Dies gilt derzeit (was sich aber jederzeit ändern kann) beispielsweise für Google, WhatsApp,
Facebook oder Skype.
bb. Handelt der Täter mithilfe eines Diensteanbieters, der seinen Sitz im Ausland hat und im Ausland
zur Verfügung stellt, können die deutschen Ermittlungsbehörden dort anfragen. Die
Ermittlungsbehörden sind hier aber auf den guten Willen der Anbieter angewiesen. Die Ermittlungsbehörden können in keiner Weise auf das ob, das wann und den Inhalt der Antwort Einfluss
nehmen.
Dies gilt derzeit beispielsweise für Ebay und Paypal
cc. Handelt der Täter mithilfe eines Diensteanbieters im Ausland außerhalb der USA und bestehen
entsprechende Rechtshilfeersuchen, so können theoretisch Auskünfte mittels von
Rechtshilfeersuchen erfolgen. Praktisch dauern diese Ersuchen in aller Regel mindestens 6 Monate,
oft auch 1-3 Jahre (oder werden nie beantwortet wie z.B. aus Italien und teilweise Spanien). Bei
diesen Zeitabläufen sind die gesuchten Daten oftmals bereits gelöscht, bis die ausländischen
Ermittlungsbehörden sie einfordern. Außerdem kostet die Übersetzung selbst einfacher
Rechtshilfeersuchen (Anschreiben, richterlicher Beschluss, gesetzliche Bestimmungen) ab etwa 2.000
Euro. Die (kurze) Antwort darauf regelmäßig 300-500 Euro.
dd. Handelt der Täter mithilfe eines Diensteanbieters im Inland, kann man bei diesem recht einfach
gemäß § 100 j StPO die sogenannten Bestandsdaten abfragen, wobei auch hier teilweise ein
richterlicher Beschluss notwendig ist.
Wurde bei den Bestandsdaten gelogen (bei Telefonie seltener, bei Freemailern („web.de“) oder
Chats fast immer), sind die Daten nutzlos.
ee. Handelt der Täter mithilfe eines Diensteanbieters im Inland, kann man bei diesem gemäß § 100 g
StPO die sogenannten Verbindungsdaten abfragen, wobei ein richterlicher Beschluss notwendig ist.
Die Voraussetzungen hierfür sind deutlich höher als für die Bestandsdaten. Das Problem ist, dass in
Deutschland nach dem Wegfall der Vorratsdaten kaum noch Daten gespeichert werden. Die meisten
in Deutschland tätigen Freemailer speichern keinerlei Daten (und werben auch noch damit). Im
Bereich Telefon betragen die Speicherfristen derzeit 2-4 Wochen.
Da Mobbing sich regelmäßig über einen längeren Zeitraum hinzieht und die ersten Phasen des
Mobbings vom Opfer oftmals nicht mitgeteilt werden, führt das Fehlen der Vorratsdatenspeicherung
hier faktisch dazu, dass keine erfolgversprechenden Ermittlungsansätze bestehen.
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Weiß der Täter, dass man Nachrichten auch über Proxy- oder Anonymisierungsserver laufen lassen
kann, sind die Möglichkeiten sowieso gleich null. Diese Kenntnisse (und noch viel mehr) kann sich
jeder 14 jährige in einschlägigen Chats problemlos anlesen.
Überspritzt kann man formulieren, dass beim unbekannten Täter bei Straftaten im Bereich
Cybermobbing keine erfolgversprechenden Ermittlungsansätze bestehen, wenn der Täter die Tat
nicht per SMS mittels eines von seinen Eltern angemeldeten Mobiltelefons (oder gleich dem
Festnetzanschluss der Eltern) begeht und das Opfer sie unmittelbar nach Tatbegehung anzeigt und
zufällig auf internetaffine Polizisten, Staatsanwälte und Ermittlungsrichter trifft.
e. Ermittlungsmaßnahmen gegen bekannte Täter
Gibt es Hinweise auf den Beschuldigten, so gibt es folgende Ermittlungsansätze:
aa. Zeugenbeweis:
Gibt es Zeugen für die Tatbegehung selbst oder hat sich der Beschuldigte mit der Tat gebrüstet, kann
man auf dieser Grundlage möglicherweise einen Tatnachweis führen. Wenn mehrere als Täter
(vielleicht teilweise gemeinschaftlich, teilweise allein) in Frage kommen, werden diese Beweismittel
bisweilen nicht ausreichen, um die individuelle Schuld zu klären. Hier kommen oft auch Lehrer als
Zeugen ins Spiel.
bb. Verantwortliche Vernehmung - Geständnis
Wird der Beschuldigte verantwortlich vernommen und ist geständig, ist der Tatnachweis in aller
Regel geführt. Nur im Fall eines Geständnisses hat der überführte Täter eine Chance, dass das
Ermittlungsverfahren ohne Anklage im Rahmen der Diversion wegen geringer Schuld eingestellt wird
(§ 45 JGG).
Gleichwohl besteht auch hier immer die Gefahr eines falschen Geständnisses, etwa wenn die wahren
Täter Druck ausgeübt haben oder aus falsch verstandenem Gruppenverhalten.
Erscheint der Beschuldigte zur verantwortlichen Vernehmung nicht oder beruft sich der Beschuldigte
auf sein Aussageverweigerungsrecht, besteht die Gefahr des Beweismittelverlusts durch Löschung
von Daten oder Zerstörung oder Verstecken des Tatmittels.
cc. Durchsuchung und Sicherstellung von Beweismitteln und Tatwerkzeugen
Mittels eines Durchsuchungsbeschluss kann die Person, Wohnung und ggfalls das Fahrzeug des
Beschuldigten oder Dritter durchsucht werden (§§ 102, 103 StPO) und es können Gegenstände aus
Beweismittel (§ 94 StPO) oder Einziehungsgegenstände (§ 111 k StPO) sichergestellt werden.
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Problematisch ist, dass in einem typischen deutschen Familienhaushalt regelmäßig eine Vielzahl von
Geräten sichergestellt werden können, die alle als Beweismittel und Einziehungsgegenstand in
Betracht kommen. Erfolgt also auch während der Durchsuchung kein Geständnis, so müssen die
Beweismittel sachverständig untersucht werden.
Die Untersuchung von Computern und Telefonen dauert im Saarland in Verfahren normaler
Kriminalität etwa 1 ½ Jahre.
Die Kosten der Auswertung sind je nach Datenumfang erheblich. Bei mehreren Datenträgern
kommen da schnell fünfstellige Beträge zusammen. Bei Jugendlichen trägt diese (Verfahrens-) Kosten
der Staat, bei Heranwachsenden können diese Kosten im Fall der Verurteilung auf diesen abgewälzt
werden.
Jedoch sind diese realistischen Folgen der Durchsuchung bereit bei der Frage relevant, ob die
Durchsuchung im Verhältnis zum Schaden sowie zu der zu erwartenden Strafe noch verhältnismäßig
ist.
Im Fall des Cybermobbbings wird dies nur selten der Fall sein.
Dies gilt insbesondere, dass durch den Nachweis, von welchem Gerät aus eine Tat verübt wurde,
noch lange nicht der Beweis geführt ist, dass der Beschuldigte die Tat verübt hat. Der Nachweis ist
insbesondere dann schwierig, wenn mehrere Personen Zugriff auf den Computer/das Telefon hatten
(Eltern, Geschwister, enge Freunde, Klassenkameraden).
In manchen Fällen wird man gleichwohl die Maßnahmen durchziehen müssen, wie z.B. im Bereich
des Cybermobbing mittels kinderpornographischen Schriften, wozu ich später noch komme.
Erneutes, jetzt verkürztes Zitat des Bundesjustizministers:
„Was in der analogen Welt verboten ist, ist auch in der digitalen Welt nicht erlaubt und wird
bestraft.“
Die Praxis wird dieser Maxime nicht gerecht.
f. Hauptverfahren und Vollstreckung
Den Teil mit dem Ablauf des Hauptverfahrens kann man sich sparen. Ist der Beschuldigte geständig
und reuig, wird er pädagogisch wie im Strafverfahren keine großen Probleme machen. In solchen
Fällen dauert das Strafverfahren erfahrungsgemäß nicht lange, weil Jugendstaatsanwälte und
Jugendrichter sehr fleißig sind. In aller Regel dauert es von der Anzeige bis zur Verurteilung nicht viel
länger als 3 Monate.
Ist der Beschuldigte nicht geständig und nur ein ganz kleines bisschen clever, wird es fast nie zur
Anklage kommen. Kann ein Nachweis über die Auswertung der Beweismittel doch geführt werden,
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ist mit einer Verurteilung des Täters erst nach mehr als 2 Jahren zu rechnen. In diesem Fall ist das
Strafverfahren für Erziehungszwecke ungeeignet.
C. Straftatbestände im Rahmen des Cybermobbing
Ist Cybermobbing strafbar?
Die Antwort lautet ganz klar: nein.
Im deutschen Strafrecht gilt der schon den Römern bekannte Rechtssatz: „Nulla poene sine lege“
(Keine Strafe ohne Gesetz – der etwa im Dritten Reich nicht beachtet wurde). Da das Wort
Cybermobbing nicht im StGB (und in den Nebengesetzen) vorkommt, ist es auch nicht strafbar. Es
gibt aber einzelne strafbare Verhaltensweisen, die dem Phänomen Cybermobbing zugeordnet
werden können. Hierbei sind die Hoffnungen, dass mit dem scharfen Schwert des Strafrechts
pädagogische Schieflagen erfolgreich bekämpft werden können, zu dämpfen. Viele Straftatbestände
setzen für ihre Verfolgung deutlich höhere Voraussetzungen, als dies dem Laien bekannt ist. Dies soll
anhand verschiedener Beispiele beleuchtet werden:
Zum Begriff des Cybermobbings schreibt Wikipedia:
„Mit den aus dem Englischen kommenden Begriffen Cyber-Mobbing, auch Internet-Mobbing, CyberBullying sowie Cyber-Stalking werden verschiedene Formen der Diffamierung, Belästigung,
Bedrängung und Nötigung anderer Menschen oder Firmen mit Hilfe elektronischer
Kommunikationsmittel über das Internet, in Chatrooms, beim Instant Messaging und/oder auch
mittels Mobiltelefonen bezeichnet. Dazu gehört auch der Diebstahl von (virtuellen) Identitäten, um in
fremden Namen Beleidigungen auszustoßen oder Geschäfte zu tätigen usw.“
a. Nachstellung § 238 StGB – Verstoß gegen das Gewaltschutzgesetz
Der genaue Wortlaut des sogenannten Mobbingparagraphen lautet, soweit er hier relevant ist:
„(1) Wer einem Menschen unbefugt nachstellt, indem er beharrlich
1. (…)
2. unter Verwendung von Telekommunikationsmitteln oder sonstigen Mitteln der Kommunikation
oder über Dritte Kontakt zu ihm herzustellen versucht,
3. unter missbräuchlicher Verwendung von dessen personenbezogenen Daten Bestellungen von
Waren oder Dienstleistungen für ihn aufgibt oder Dritte veranlasst, mit diesem Kontakt aufzunehmen,
4. ihn mit der Verletzung von Leben, körperlicher Unversehrtheit, Gesundheit oder Freiheit seiner
selbst oder einer ihm nahe stehenden Person bedroht oder
5. eine andere vergleichbare Handlung vornimmt
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und dadurch seine Lebensgestaltung schwerwiegend beeinträchtigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu
drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (…)
Die unter Ziffer 2-5 genannten Voraussetzungen werden in einer Vielzahl von Mobbingfällen erfüllt
sein. Ein beharrliches Nachstellen wird bereits ab der dritten Nachstellungshandlung angenommen,
was ebenfalls in Cybermobbingfällen schnell erreicht ist. Jedoch muss hier aufgepasst werden. Die
Nachstellung liegt nur vor, wenn der Täter dem Opfer nachstellt.
Ist das Ganze ein hin und her, liegt keine Nachstellung mehr vor. Daher sollte sich ein Opfer darauf
beschränken, dem Täter –möglicherweise auch wiederholt- klarzumachen, dass es das Verhalten in
Zukunft nicht wünscht. Geht das Opfer aber inhaltlich auf den Täter ein –etwa bei früheren Partnern
auf zurückliegende Probleme der Beziehung-, tritt das Opfer in einen Dialog. Dann liegt keine
Nachstellung mehr vor. Dies gilt übrigens auch dann, wenn der Täter mit dem Opfer in Kontakt
bleibt, obwohl ihm das durch einen gerichtlichen Beschluss nach dem Gewaltschutzgesetz untersagt
wurde.
Das Nadelöhr der Vorschrift liegt aber versteckt am Ende des Paragraphen. Danach muss das Opfer in
seiner Lebensgestaltung schwerwiegend beschädigt sein.
Lebensgestaltung meint nur die äußere Gestaltung des Lebens. Nicht gemeint sind innere Folgen der
Nachstellung. Somit ist für die Verwirklichung des Tatbestandes der Nachstellung nicht relevant, ob
das Opfer Angst hat oder psychisch geschädigt ist. Relevant sind nur äußere Veränderungen und
diese müssen (in der Summe) schwerwiegend sein.
Ob eine Abmeldung aus Facebook oder der Wechsel der Telefonnummer hier ausreicht, ist eher
zweifelhaft. Ausreichend ist etwa, wenn infolge der Nachstellung (aber nicht wegen schlechter
Leistungen) ein Schulwechsel oder ein Umzug erfolgt.
Insgesamt ist die Zahl der Verurteilungen wegen Nachstellung sehr gering.
b. Körperverletzung
Wenn das Verhalten des Täters beim Opfer rein psychische Auswirkungen hat, etwa Angstzustände,
so stellt dies auch keine Körperverletzung dar. Haben die psychischen Erkrankungen aber erhebliche
körperliche Auswirkungen, kann eine Körperverletzung vorliegen.
Der Tatnachweis ist aber ganz enorm schwierig. Es muss im Rahmen der sogenannten Kausalität der
Nachweis geführt werden, dass die Erkrankung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
nicht eingetreten wäre, wenn das Opfer nicht gemobbt worden wäre. Da Mobbingopfer aber oftmals
ohnehin psychisch eher schwächere Personen sind („Opfertypen“) und sich in der Schule in aller
Regel auch noch in der Pubertät befinden, wird sich kaum ein medizinischer Sachverständiger finden,
der eine solche Ursachenkette belegt.
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c. Bedrohung (§ 241 StGB)
(1) Wer einen Menschen mit der Begehung eines gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person
gerichteten Verbrechens bedroht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe
bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer wider besseres Wissen einem Menschen vortäuscht, dass die
Verwirklichung eines gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten Verbrechens
bevorstehe.
Der enge Wortlaut des § 241 StGB bewirkt, dass eine Vielzahl von bedrohlichen Äußerungen nicht
strafbar sind (was die Täter zum Glück selten wissen).
Der Täter muss mit der Begehung eines Verbrechens drohen, also einer rechtswidrigen Tat, die mit
einem Mindestmaß von einem Jahr Freiheitsstrafe oder mehr bedroht wird (§ 12 StGB). Was
darunter liegt, nennt man Vergehen.
Zu den Verbrechen gehört nicht die Körperverletzung, die im Mindestmaß mit nur 5 Tagessätzen
Geldstrafe belegt ist (§§ 223, 40 StGB). „Ich schlag Dir auf die Fresse“ „ Ich breche Dir die Beine, 12
Mal, jeweils“ – Straflos
Hierzu gehört nicht die gefährliche Körperverletzung, die im Mindestmaß mit nur 6 Monaten
Freiheitsstrafe belegt ist (§ 224 StGB). „Ich schlag Dir mit meinem Basie auf die Fresse“ – Straflos
Droht der Täter mit einem Totschlag oder Mord, die im Mindestmaß mit 5 Jahren oder mit
lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht sind, macht er sich wegen Bedrohung strafbar.
„Ich bring Dich um“ – Strafbar
Hier gibt es vielerlei Graubereiche:
„Ich schlag Dir auf die Fresse, dass die Faust zum Arsch rauskommt“ – Strafbar (das überlebt keiner)
„Ich schick Dich auf den Friedhof“ – Strafbar?
„Ich hau Dich um, dass Du nicht mehr aufstehst“ – Strafbar?
Ebenfalls nicht als Bedrohung strafbar sind erkennbare (jugendliche) Prahlereien:
„Ich fick Dich“ ist kaum als ernsthafte Ankündigung einer Vergewaltigung (2 Jahre Mindeststrafe) zu
verstehen. Eher als straflose Ankündigung einer Beleidigung, Nötigung, Bedrohung oder
Körperverletzung (alle Mindeststrafe jeweils 5 Tagessätze Geldstrafe)
Ebenfalls ist nur strafbar, wenn der Täter einen anderen (sein Gegenüber - auch am Computer) oder
eine ihm nahestehende Person bedroht.
Schreibt ein Schüler an den Lehrer Müller, er werde die Direktorin Meyer umbringen, so ist das nur
als Bedrohung strafbar, wenn beide sich nahestehen. Dies ist unter Arbeitskollegen nicht der Fall. Es
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ist aber dann möglich, wenn beide ein Verhältnis haben. Dann aber wegen des Erfordernis des
Vorsatzes nur dann der Schüler nachweislich von dem Verhältnis wusste.
d. Nötigung § 240 StGB
Bedroht der Täter das Opfer mit Gewalt oder einem sonstigen empfindlichen Übel, um in
rechtswidriger Weise ein Tun oder Unterlassen zu bewirken, begeht er eine Nötigung. Der
Tatbestand, der regelmäßig keine großen Probleme aufwirft, ist bei folgenden Beispielen erfüllt:
„Ich hau Dich um, wenn Du morgen in die Schule kommst“.
„Ich fick Dich, wenn Du mir nicht die Hausaufgaben schreibst“
„Ich mach Dich beim Lehrer Müller schlecht und erzähle von Deinem Pfuschversuch bei der letzten
Klassenarbeit, wenn Du weiter mit der Doro sprichst“.
Solche Verhaltensweise stellen im juristischen Sinn nur eine Nötigung, nicht aber eine Erpressung
dar, weil die Erpressung des Erstreben eines Vermögensvorteils voraussetzt.
e. Beleidigung
Das Internet ist voll mit Beleidigungen. Der Tatbestand ist schnell erfüllt. Er kann aber nur erfüllt
werden, wenn der für die Verfolgung notwendige Strafantrag vom Geschädigten (bzw. seinem
gesetzlichen Vertreter) binnen von 3 Monaten nach Kenntnis von Tat und Täter gestellt wird (§ 77,
77b StGB). Da Mobbing oft spät angezeigt wird, ist diese Frist nicht selten verstrichen.
f. Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und Verstoß gegen das Kunsturhebergesetz
(§§ 201 a StGB 33 KunstUrhG)
Die Erläuterung dieser Normen würde den gesetzten Rahmen sprengen. Durch die unzulässige
Weiterverbreitung privater Bilder werden die Straftatbestände in Deutschland millionenfach erfüllt,
ohne dass es zu relevanter Strafverfolgung kommt.
g. Fälschung beweiserheblicher Daten und Täuschung im Rechtsverkehr bei der Datenerhebung §§
269, 270 StGB
Einer der beiden Straftatbestände ist oftmals erfüllt, wenn im fremden Namen im Internet Geschäfte
getätigt werden (Identitätsdiebstahl). Es ist aber wohl nicht strafbar, wenn sich der Täter mit einer
falschen Identität im Internet in einem sozialen Netzwerk oder bei einem Freemailer anmeldet, wenn
der jeweilige Veranstalter zwar formell nur Anmeldungen mit echter Identität akzeptiert, tatsächlich
aber nichts tut, um Anmeldungen unter falscher Identität zu unterbinden.
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Alle bislang genannten Straftatbestände haben für Erwachsene nur einen relativ geringen
Strafrahmen (Höchststrafe bis 3 oder bis 5 Jahre Freiheitsstrafe). Soweit das JGG Anwendung findet,
werden die Sanktionen noch geringer. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung für weitere
Ermittlungsmaßnahmen werden sie daher nur selten ausreichen, um weitergehende Eingriffe zu
tragen.
h. Besitz – und Verbreitung Kinderpornograph. Schriften und sex. Missbrauch von Kindern.
Im Zusammenhang mit der Strafbarkeit der Verbreitung Kinder- und Jugendpornographischer
Schriften greift das Phänomens Sexting zunehmend Raum.
Sexting ist die private Kommunikation über sexuelle Themen per SMS. Im engeren Sinn handelt es
sich um Dirty Talk zur gegenseitigen Erregung. Seit Verfügbarkeit der Multimedia Messaging Services
(MMS) kann damit auch der Versand von erotischem Bildmaterial des eigenen Körpers über InstantMessaging-Anwendungen durch mobile Endgeräte verbunden sein. Das aus dem angloamerikanischen Sprachraum stammende Kofferwort setzt sich aus Sex und texting (engl. "Simsen,
SMS schreiben") zusammen. Im Deutschen wird das Wort hauptsächlich für das Versenden von
erotischen Selbstaufnahmen per Smartphone oder Internet verwendet. (Wikipedia)
In einem meiner aktuellen Fälle haben sich eine 13 Jährige und ein 14 Jähriger –natürlich nur virtuellkennen gelernt. Man war auch einen Tag zusammen, natürlich ohne sich jemals unmittelbar
begegnet zu sein. Bereits nach der zweiten Bitte des Jungen um Übersendung aussagekräftiger
Photos fertigte und schickte das Mädchen dem Jungen Photos, welche infolge der Art der Darstellung
in Verbindung mit dem Alter des Mädchens eindeutig kinderpornographische Schriften darstellten.
Der Junge, Sohn einer Lehrerin, war nach eigenen Angaben hierüber so geschockt, dass er das
Mädchen nicht nur sofort im sozialen Netzwerk sperrte, sondern die Photos auch 3 Freunden
schickte. Als Begründung gab er an, dass sich die Freunde ohnehin alles, was sie erhielten, gegenseitig schickten. Einer der Freunde erstellte dann mit dem möglicherweise noch immer schockierten
Jungen ein gefaketes Profil des Mädchens bei Facebook und lud dort die Bilder hoch. Das Bild wurde
sogleich von weiteren 2 Freunden des Jungen auf ihre Mobiltelefone heruntergeladen. Dann gelang
es den eigentlich auf Kapitaldelikte und schwere Sexualdelikte spezialisierten Polizisten des LPP in
Saarbrücken, im Rahmen umfangreicher Durchsuchungsmaßnahmen bei den erfreuten Eltern und in
der Schule der Jungen, sämtliche Mobiltelefone einzusammeln. Da die Mobiltelefone
kinderpornographisches Material enthielten und dieses Material durch einfaches Löschen nicht
vollständig verschwindet, gestaltete sich der weitere Fortgang des Verfahrens ungeachtet der
Tatsache, dass sämtliche jugendlichen Täter aus ordentlichen Verhältnissen stammten und noch nie
strafrechtlich in Erscheinung getreten waren, schwierig. Der Haupttäter wurde wegen sexuellen
Mißbrauchs von Kindern gemäß § 176 Abs. IV Ziffer 2 StGB in Tatmehrheit mit Verschaffen und
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Verbreitung kinderpornographischer Schriften gemäß § 184 b Abs. 1 Ziffer 1, Abs. 2 StGB angeklagt.
Die Einziehung des Mobiltelefons – ein I-Phone 4 S – als Tatwerkzeug wurde gemäß § 74 StGB
beantragt.
Fazit:
Dies war ein Fall für die Staatsanwaltschaft.
Aber in den allermeisten Fällen ist Cybermobbing kein Fall für die Staatsanwaltschaft.
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