Stadtgespräche - Umweltinstitut München

Nr. 71 Juni 2015
www.muenchner-stadtgespraeche.de
Münchner
Stadtgespräche
Wirbel
ums
Wasser
Wer es nutzt, wer es verschmutzt –
und wer es schützt
VIRTUELLES WASSER
Versteckte
Verschwendung
NITRAT
Unsichtbare
Gefahr
PRIVATISIERUNG
Monopoly ums
Wasserwerk
die seite zwei
aus dem referat für gesundheit und umwelt
Die renaturierte Isar
Erholung für Mensch und Natur
D
ie Renaturierung der Isar zwischen
südlicher Stadtgrenze und Deutschem
Museum konnte nach elfjähriger Bauzeit 2011 abgeschlossen werden. Seither ist
die Isar nicht nur Ausdruck eines besonderen
Lebensgefühls, sondern auch ein Beispiel für
eine gelungene naturnahe Erholungsmöglichkeit mitten in der Stadt. Die Landeshauptstadt
München und das Wasserwirtschaftsamt verwirklichten ein vorbildliches Gewässerentwicklungs- und Renaturierungsprojekt.
Bei der Planung und Umsetzung musste verschiedensten Interessen Rechnung getragen werden: Einerseits sollten die Lebensbedingungen und die Lebensraumvielfalt für
isartypische Tier- und Pflanzenarten maßgeblich verbessert und der Hochwasserschutz
ausgebaut werden. Andererseits sollte die Isar
auch zum Erholungsraum für Münchnerinnen
und Münchner werden.
Das Projekt ist gelungen – das Flussbett aus
Beton ist Vergangenheit. Die Isar zeichnet
sich heute durch ihren naturnahen Charakter aus. Am Fluss wird überdies Energie durch
die Stadtwerke München produziert und es
konnten wichtige Überschwemmungsgebiete
im Falle von Hochwassereinflüssen gesichert
werden.
Vielfältige Flusslandschaft
Mit der Renaturierung ist die Anziehungskraft der Isar gestiegen. Münchnerinnen und
Münchner fühlen sich heute wohl am Fluss.
Die Isar ist ein maßgeblicher Erholungsraum
in der Stadt geworden und die Ansprüche für
die Freizeitgestaltung sind gestiegen. Ob Surfen, Baden, Boot- oder Floßfahrten – im Som-
mer ist die Isar Münchens Mittelpunkt. Um die
Beeinträchtigungen des Naturhaushalts möglichst gering zu halten und gleichzeitig den Badebetrieb und Wassersport zu gewährleisten,
muss die sogenannte Bade- und Bootverordnung dem neuen Flussverlauf angepasst werden. Die Verordnung, die im Herbst 2015 dem
Stadtrat vorgelegt werden soll, regelt, wo innerhalb des Stadtgebietes das Baden und
Bootfahren künftig erlaubt sein wird.
Die Neuregelung ist eine Herausforderung.
Durch die Renaturierung hat die Isar nicht nur
ein naturnahes Gesicht bekommen. Tiere und
Pflanzen breiten sich nun auch an anderen
Stellen als früher aus. So sind beispielsweise
Laichplätze von seltenen Fischen wie Huchen
und Koppen schützenswert. Diese Bereiche
müssen selbstverständlich bei der Novellierung der Bade- und Bootverordnung gewürdigt werden. Mit dem neuen Flussverlauf ist
auch ein neuer Versicherungsschutz für Freizeitsuchende notwendig.
Persönlich hoffe ich sehr, dass die künftige
Regelung möglichst so ausgestaltet sein
wird, dass sowohl den Interessen der naturnahen Freizeitgestaltung als auch den Belangen des Naturschutzes Rechnung getragen
werden kann.
Leider werde ich die Novellierung der
Bade- und Bootverordnung als berufsmäßiger
Stadtrat nicht mehr abschließend begleiten
können. Nach 17 Jahren als Referent für Gesundheit und Umwelt und insgesamt 22 Jahren als berufsmäßiger Stadtrat scheide ich
zum 31. Mai aus dem Amt aus. Ich bin jedoch sehr zufrieden, dass diese für Natur und
Fluss und für die Münchnerinnen und Münchner wichtigen Weichen in die richtige Richtung
gestellt werden konnten.
Joachim Lorenz (RGU)
FOTOS Fotolia
Michael Namberger
TEXT
Zur Person
Joachim Lorenz ist seit 22 Jahren berufsmäßiger Stadtrat in München. Seit
1998 ist er als Referent für Gesundheit und Umwelt tätig. Joachim Lorenz
scheidet am 31. Mai 2015 altersbedingt
aus dem Amt aus.
Im Referat für Gesundheit und Umwelt arbeiten rund 900 Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter. Zum Referat zählen neben den drei Hauptabteilungen Umwelt,
Gesundheitsvorsorge und Gesundheitsschutz auch zwei Betriebe – die
Städtischen Friedhöfe München sowie
die Städtische Bestattung.
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Liebe Leserinnen und Leser,
stellen Sie sich einmal folgendes Szenario vor: Aufgrund anhaltender Dürre wird die deutsche
Bevölkerung zum drastischen Wassersparen angehalten. Ab sofort ist es verboten, den Rasen zu
sprengen, auch die samstägliche Autowäsche ist ab sofort tabu und geduscht werden darf nur
noch wöchentlich. Schwer vorstellbar? Genau das passiert gerade im US-Bundesstaat Kalifornien, der die schlimmste Dürre seit 1200 Jahren erlebt.
Auch wenn Kalifornien weit weg ist, hat diese Katastrophe etwas mit uns zu tun. Denn in dem
sonnigen Bundesstaat fließen 80 Prozent des Wassers in die Landwirtschaft, die wiederum auch
die europäischen Länder mit Lebensmitteln wie Rosinen, Nüssen, Artischocken und Wein versorgt. Deutschland, eigentlich ein sehr wasserreiches Land, importiert rund die Hälfte des verbrauchten Wassers über Produkte aus dem Ausland – da ist es fraglich, ob unsere herkömmlichen Sparbemühungen nicht am Problem vorbeigehen (siehe Artikel auf Seite 9). In unserem
Heft erfahren Sie unter anderem, wie viel Wasser wirklich in unseren Konsumgütern steckt und
wie wir unseren „Wasserfußabdruck“ deutlich verringern können.
Verschwendung
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Eine spannende Lektüre wünscht
Joy Mann
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Inhalt
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04
08
09
10
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Die renaturierte Isar
Erholung für Mensch und Natur
Nachhaltige Wassernutzung
Wo sich Wassersparen wirklich lohnt
Klimaschutz mit Nebenwirkungen
Wasserkraftwerke beeinflussen unsere Ökosysteme
Versteckte Verschwendung
Wie wir die globalen Wasserressourcen verbrauchen
3000 Liter Wasser für ein Steak
So viel Wasser steckt in unseren Konsumgütern
Flaschenwasser
Der beste Marketingtrick unserer Zeit?
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20
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Unsichtbare Gefahr
Nitrat im Trinkwasser
Monopoly ums Wasserwerk
Ein öffentliches Gut wird privatisiert
Wird unser Wasser zur Ware?
TTIP & Co. und die kommunale Wasserversorgung
Wasser schützen, Fracking verbieten
Wie die Erdgasindustrie unser Grundwasser gefährdet
Riskante Teilchen
Wie kommt Mikroplastik in unsere Nahrung?
Impressum, Kontakte, Termine
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Umweltinstitut München e.V.
Zur Notwendigkeit von Suffizienz
Nachhaltige
Wassernutzung
Über den sorgsamen Umgang mit der knappen Ressource
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asser ist Leben – diese Einsicht wird seit Jahrtausenden
von Völkern in aller Welt geteilt. Auf den ersten Blick scheint
Sorglosigkeit berechtigt zu sein, denn mehr als zwei Drittel der Erde sind von Wasser bedeckt. Und selbst wenn man das salzige Meerwasser und das für den menschlichen Verbrauch nicht verfügbare Süßwasser wie die polaren Eismassen abzieht, bleiben 12.000
Kubikkilometer Trinkwasser übrig. Es scheint mehr als genug für alle zu
geben, besonders in regenreichen Ländern wie Deutschland. Trotzdem
mahnen Umweltschützer(innen) auch bei uns einen sorgsamen Umgang mit dem kostbaren Nass an. Eine übertriebene Forderung?
Viele Menschen in Deutschland sparen bewusst Wasser, etwa mithilfe von Spartasten an Toiletten. Gleichzeitig erleben wir hierzulande
aber auch Verschwendung und rücksichtslose Schadstoffeinleitungen.
Ein nachhaltiger Umgang mit Wasser wird nicht nur durch fehlende
Achtsamkeit und ein kurzfristig ausgerichtetes Nutzungsinteresse behindert, sondern auch durch die Komplexität der Prozesse des „Verbrauchs“ von Wasser.
Ist Wassersparen überflüssig?
Die Deutschen gelten als „Weltmeister“ beim Wassersparen. Der hiesige Trinkwasserverbrauch ist mit täglich etwa 120 Litern je Einwohner
ausgesprochen niedrig – ein Erfolg langjähriger Kampagnen. Zu Beginn
der 1990er Jahre betrug der deutsche Pro-Kopf-Verbrauch noch 145
Liter, in den USA und Japan ist er weiterhin deutlich mehr als doppelt
so hoch wie bei uns.
Es tauchen aber zunehmend Zweifel auf, ob das Wassersparen in
Deutschland sinnvoll ist. Die verfügbare Wassermenge im eigenen Land
scheint mehr als ausreichend zu sein, und für die Behebung der Wasserknappheit in weit entfernten Ländern ist unser Wassersparen offenbar irrelevant. Manche Expert(inn)en in der Wasserwirtschaft warnen
sogar vor zu großen Sparbemühungen, weil das Wasser- und Abwasserleitungsnetz auf größere Mengen ausgelegt ist und die Fließgeschwindigkeit vor allem des Abwassers so gering werden könnte, dass
Verstopfungen drohen.
Allerdings: Niemand kann bisher die Folgen des Klimawandels verlässlich vorhersagen. Dies gilt zum Beispiel für die Folgen des allmählichen
Abschmelzens der Alpengletscher. Bislang binden sie im Winter große
Wassermengen als Eis und Schnee, während im Sommer kontinuierlich
Schmelzwasser in Flüsse abgegeben wird. Die Gletscher haben also
eine Ausgleichsfunktion für Bäche und Flüsse.
Entfällt dieser Puffer, kann es bei heftigen Niederschlägen im Gebirge verstärkt zu Hochwasserkatastrophen an den Unterläufen der Flüsse und – meist in den Sommermonaten – zu längeren Niedrigwasser-
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perioden kommen. Das hat Auswirkungen auf die Grundwasserbildung
in ufernahen Zonen. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Schadstoffbelastung in vielen oberflächennahen Grundwasserleitern zunimmt, vor
allem durch industrielle Bodenbelastungen sowie Nitrate und Pestizide
aus der Landwirtschaft. Es ist deshalb geboten, die tiefer liegenden
Grundwasservorräte zu schonen.
Zu wenig beachtet wird zudem der enge Zusammenhang zwischen
Wasser- und Energieverbrauch. So ist hierzulande die Zahl der „Warmduscher“ beträchtlich, und auch für viele andere Zwecke wird das
Wasser erwärmt oder erhitzt, bevor es genutzt wird. Ein besonders
großes Einsparpotenzial beim häuslichen Wasserverbrauch bietet der
Bereich Baden/Duschen/Körperpflege, denn hierfür werden 36 Prozent des Trinkwassers verwendet. Auf die Toilettenspülung entfallen
27 Prozent des Verbrauchs. Wasserspararmaturen helfen beim sorgsamen Umgang und gehören inzwischen in den meisten Neubauten
zum Standard. Wasser zu sparen dient der nachhaltigen Bevorratung
dieses unverzichtbaren Lebensmittels und hilft zudem, Kosten zu mindern. Ein solches Verbrauchsverhalten kann dann auch die Grundlage dafür bilden, die Leitungsnetze schrittweise dem verringerten Verbrauch anzupassen.
In vielen Entwicklungsländern ist die Wassersituation hingegen dramatisch: Eine wachsende Zahl von Ländern leidet unter Wasserstress. Eine
Folge davon ist, dass die innergesellschaftlichen Konflikte um das rar
gewordene Gut zunehmen, in Afrika vor allem zwischen Ackerbauern
und umherziehenden Viehzüchtern. Auch wachsen die Spannungen um
die Wasserverteilung grenzüberschreitender Gewässer, so unter den elf
Anrainerstaaten des Nils und seiner Zuflüsse.
Trotzdem ist die Wasserverschwendung in vielen Entwicklungsländern immer noch beträchtlich, vor allem dadurch, dass ein Drittel
oder sogar fast die Hälfte des Leitungswassers durch Leckagen verloren geht, bevor es die Kunden erreicht. Mittlerweile wird in vielen Städten im Süden der Welt versucht, diese Verluste durch die Erneuerung
der Leitungsnetze drastisch zu senken. Erfreulicherweise finden Wasserspartechniken bei Wasserhähnen und Toiletten auch in Ländern mit
Wasserstress vermehrt Verwendung.
Landwirtschaft ist größter Wasserverbraucher
Etwa 70 Prozent der menschlichen Wassernutzung (ohne Berücksichtigung von Kühlwasser) entfallen auf die Landwirtschaft, in vielen Entwicklungsländern ist der Anteil noch deutlich höher. Dennoch
werden in der Landwirtschaftspolitik die Fragen der Verfügbarkeit von
Wasser häufig zu wenig berücksichtigt. Es ist aus ökologischer Sicht
unsinnig, in Wüstenstaaten wie Libyen und Saudi-Arabien unter ho-
„Es tauchen zunehmend Zweifel auf, ob das
Wassersparen in Deutschland sinnvoll ist“
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Etwa 70 Prozent der menschlichen Wassernutzung entfallen auf die Landwirtschaft. In vielen Entwicklungsländern ist der
Anteil noch deutlich höher und wird bis 2025 nochmals um mehr als ein Viertel steigen. Gründe dafür sind die wachsende
Weltbevölkerung und der gedankenlose Umgang mit der knappen Ressource.
hem Wassereinsatz Weizen anzubauen – was erfreulicherweise die
saudische Regierung inzwischen eingesehen hat. Meist werden hierfür fossile Grundwasservorräte geplündert, die unter gänzlich anderen klimatischen Bedingungen entstanden sind und sich angesichts
gegenwärtiger minimaler Niederschläge nicht erneuern. Das Wasser,
das heute Weizen oder Zitrusfrüchte wachsen lässt, geht dem Land
für immer verloren.
Die Motorpumpe ist für viele Wasservorräte in Wüstenstaaten das,
was die Motorsäge für Regenwälder in den Tropen ist: Sie ermöglicht
eine rücksichtslose Zerstörung knapper natürlicher Ressourcen.
Besonders erschreckend ist die Situation am Aralsee in Zentralasien.
Die verschwenderische Bewässerung riesiger Baumwollfelder begann
bereits in den 1950er Jahren zu Zeiten der Sowjetunion. Auch heute wird noch so viel Wasser aus den beiden Zuflüssen Amu Darja und
Syr Darja auf die Felder geleitet, dass kaum noch Flusswasser in den
See strömt, der durch Verdunstung aber ständig große Mengen Wasser verliert. Die Folge ist, dass der einst viertgrößte Binnensee der Welt
auf etwa ein Zehntel seiner Fläche geschrumpft ist, verteilt auf mehrere Restflächen. Der einzige Lichtblick zeigt sich darin, dass Kasachstan
im nördlichen Seegebiet mit Unterstützung der Weltbank einen Damm
errichtet hat und nun so viel Wasser aufstaut, dass wieder eine etwas
größere Seefläche entsteht.
Durch effiziente Bewässerungstechniken sind beträchtliche Einsparungen möglich. Vor allem die Tröpfchenbewässerung, bei der leicht
poröse, dünne Schläuche das Wasser direkt zu den Wurzeln der Pflan-
zen leiten, hat sich bewährt. Diese Bewässerungsmethode hat auch
den Vorteil, dass die Felder nicht versalzen, wie es bei einer flächendeckenden Überflutung der Felder rasch passiert. Neben der Menge ist
es wichtig, in welchem Zustand das verwendete Wasser in das Grundwasser oder Oberflächengewässer abgegeben wird, vor allem, ob die
Nitrat- und Pestizidrückstände hoch sind.
Auch gilt es, Alternativen zur Nutzung des knappen Grund- und
Flusswassers sowie des teuren Wassers aus Meerwasserentsalzungsanlagen zu finden. Unter anderem auf der arabischen Halbinsel gibt es
Erfolg versprechende Ansätze dafür, gründlich gereinigtes Brauchwasser für Bewässerungszwecke zu verwenden. Da dieses Wasser viele
Nährstoffe enthält, haben die Bauern zusätzlich den Vorteil, auf Kunstdünger weitgehend verzichten zu können – eine wirklich nachhaltige
und preiswerte Lösung von Wasserproblemen.
Hohe Nitratbelastung im Grundwasser
Bei uns stehen bei der landwirtschaftlichen Wassernutzung die Auswirkungen des Einsatzes von Agrarchemie auf Grundwasser und Gewässer
im Mittelpunkt der Debatte. Nach Angaben des Bundesumweltamtes
weisen rund 50 Prozent aller Grundwasser-Messstellen in Deutschland
erhöhte Nitratkonzentrationen nach, wobei 14 Prozent des Grundwassers die Nitratgrenzwerte nicht einhalten.
Damit das Wasser aus der Leitung keine überhöhten Nitratbelastungen
aufweist, sind aufwendige und teure Reinigungsmaßnahmen erforderlich. Auch andere Agrarchemikalien stellen Gefahren für das Grundwasser und damit zumindest potenziell auch für das Trinkwasser dar.
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Biohöfe tragen wesentlich weniger zur Schadstoffbelastung des Grundwassers bei und leisten auf diese Weise einen Beitrag zu einer nachhaltigen Wassernutzung.
durch die zeitweisen Überflutungen zu versalzen drohen. Ohne dieses
Süßwasser ist aber kein Überleben für Pflanzen und Menschen möglich.
Medikamenten-Cocktail aus der Leitung
Die Erfahrungen, die die Menschen in der Karibik, in der Südsee und auf
den Malediven mit den Folgen des Klimawandels bereits gemacht haben, erklären, warum die Regierungen dieser Inselstaaten bei UN-Klimakonferenzen so vehement für den Abschluss eines ambitionierten internationalen Klimaschutzabkommens eintreten.
Diese Forderung wird von anderen Entwicklungsländern unterstützt,
die ebenfalls schon heute unter Wasserknappheit leiden und denen von
der Klimaforschung prognostiziert wird, dass die Niederschläge in Zukunft nicht nur weiter abnehmen, sondern auch im Jahresverlauf unvorhersehbarer eintreten werden.
Auch bei der industriellen Wassernutzung spielen Fragen der Wassermenge und der Schadstoffbelastung des Abwassers eine entscheidende Rolle. Sorge bereiten weiterhin die Medikamentenrückstände im
häuslichen Abwasser und in den Abwässern von Kliniken und Praxen. In
Deutschland sind etwa 3000 medizinische Wirkstoffe zugelassen und
gelangen ins Abwasser. Es ist unmöglich, sie alle in den Kläranlagen
herauszufiltern, zumal zusätzlich eine unbekannte Zahl neuer Verbindungen entsteht, wenn die Stoffe im Wasser aufeinandertreffen.
Die Medikamentenreste stellen eine ernste Bedrohung für Mensch
und Natur dar. So hat man unterhalb von Kläranlagen eine zurückgehende Vermehrungsfähigkeit von Fischen beobachtet. Es wird nicht
ausreichen, immer aufwendigere Kläranlagen zu bauen; die Auswirkungen chemischer Produkte auf das Wasser müssen noch gründlicher
analysiert werden, zudem sollten Industrie und Konsumenten möglichst
auf Stoffe verzichten, die in Kläranlagen nicht aus dem Wasser entfernt
werden können.
Wenig Beachtung in der Debatte über nachhaltigen Umgang mit Wasser
findet bisher die Nutzung von Flusswasser für die Kühlung von Kraftwerken. Allein in Deutschland werden jedes Jahr etwa 25 Milliarden
Kubikmeter Kühlwasser in die Gewässer zurückgeleitet. Umweltschützer fordern höhere Investitionen in Kühltürme und andere technische
Lösungen, damit die Flüsse nicht weiterhin so stark aufgeheizt werden,
denn das hat (unter anderem) negative Auswirkungen auf den Sauerstoffgehalt der Gewässer.
Folgen des Klimawandels
In vielen Teilen der Welt wird der globale Klimawandel die Wasserprobleme verschärfen. Klimaforscher(innen) gehen davon aus, dass Länder, die schon heute unter Wasserstress leiden, in Zukunft noch häufiger lang anhaltende Dürren zu erwarten haben.
Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung ist 2013 zum Ergebnis gekommen, dass selbst bei einer Begrenzung der globalen Erwärmung auf zwei Grad Celsius zusätzlich zu der heute eine Milliarde
Menschen weitere 500 Millionen Menschen einer gravierenden Wasserknappheit ausgesetzt wären. Stiege die Temperatur bis zum Ende
des Jahrhunderts ungebremst, wären noch einmal zusätzlich mindestens 500 Millionen Menschen von Wasserknappheit betroffen. Dies gilt
zum Beispiel für die westafrikanische Sahelregion südlich der Sahara.
Aber auch ein Zuviel an Wasser schafft Probleme. In Ländern wie
Bangladesch nehmen Zahl und Heftigkeit von Starkregen, Taifunen und
Stürmen ständig zu. Für Inseln und flache Küstenregionen werden die
Gefahren dadurch verschärft, dass die Meeresspiegel steigen.
Die Bewohner(innen) von flachen Atollen im Südpazifik müssen befürchten, dass ihre Heimat bald für immer im Ozean versinkt. Noch akuter ist für sie das Problem, dass die Süßwasserlinsen unter ihren Atollen
Selbst im Falle einer sofortigen konsequenten Klimaschutzpolitik ist die
globale Erwärmung bereits so weit vorangeschritten, dass die Folgen
nicht mehr gänzlich gestoppt oder rückgängig gemacht werden können. Das erhöht die Dringlichkeit einer Vielzahl von Maßnahmen einer
nachhaltigen Wassernutzung. Wo das Wasser knapper wird, ist es zum
Beispiel unverzichtbar, die Leckagen der Leitungsnetze zu beseitigen.
Ebenso muss die Wasserinfrastruktur wie Wasserwerke und Kläranlagen so ausgebaut werden, dass sie vermehrten Extremwetterereignissen standhält. Große Bedeutung hat es auch, den Wasserverbrauch der
Landwirtschaft und der Industrie so zu begrenzen, dass der unverzichtbare Bedarf eines Landes auch bei sinkenden Niederschlägen gedeckt
werden kann.
Es zählt jeder Tropfen
Menschheit und Natur sollen auch in Zukunft über ausreichend sauberes Wasser verfügen – es zählt daher jeder Tropfen. Nur die Umsetzung umfassender Konzepte nachhaltiger Wassernutzung ist geeignet, die globalen, nationalen und regionalen Wasserprobleme zu lösen.
Parallel zum sparsamen Umgang mit dem Wasser gilt es, die Schädigungen durch Schadstoffe aller Art auf ein Minimum zu reduzieren und
die Verursacher für die entstehenden Kosten zur Reinigung von Grundwasser, Feuchtgebieten und anderen Gewässern heranzuziehen.
Individuelle Bemühungen zum Wassersparen und zur Verminderung
der Belastung des Wassers mit Schadstoffen bleiben der berühmte
Tropfen auf den heißen Stein, wenn nicht gleichzeitig umfassende politische und wirtschaftliche Konzepte zum sorgsamen Umgang mit dem
Wasser verwirklicht werden.
TEXT
Frank Kürschner-Pelkmann
Freier Journalist, Hamburg
FOTOS Fotolia
Pixelio / Kurt Michel
Umweltinstitut München e.V.
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Klimaschutz mit Nebenwirkungen
Wasserkraftwerke erzeugen emissionsarm Strom. Doch sie greifen dabei stark in die
betroffenen Ökosysteme ein.
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asserkraft ist weltweit die am intensivsten genutzte erneuerbare Energiequelle. Wasserkraftwerke liefern 16 Prozent
der globalen Stromproduktion und haben einen Anteil von
85 Prozent an der Erzeugung von Elektrizität aus erneuerbaren Energien.
Auch in Deutschland hat die Wasserkraft eine lange Tradition, diese hat
sich jedoch in den letzten 120 Jahren grundlegend gewandelt. Während bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts Wasserkraft hauptsächlich
in Mühlen genutzt wurde, wird der Strom heute in fast allen Fällen mit
Hilfe von Generatoren erzeugt.
In den letzten 25 Jahren lag der Anteil der Wasserkraft konstant
bei etwa drei bis vier Prozent an der deutschen Stromerzeugung. Die
Produktion dieser relativ geringen Strommenge erfolgt in bundesweit
etwa 7700 Wasserkraftwerken, von denen sich knapp 4200 in Bayern
befinden. Den Löwenanteil der Energie liefern etwas über 200 größere Anlagen, die sich vor allem an den alpinen Flüssen Isar, Iller, Inn und
Lech befinden. Lediglich acht Prozent der Elektrizität aus Wasserkraft
kommt aus den über 4000 Kleinanlagen mit einer Leistung von unter
1000 Kilowatt.
Unterschätzte ökologische Auswirkungen
Kleine Erzeugungseinheiten werden im Kontext der heimischen dezentralen Energiewende oft positiv gesehen. Denn sie sind zumeist im Besitz von Privatleuten, während die Großanlagen von Energiekonzernen
betrieben werden, und sie erzeugen Strom da, wo er verbraucht wird.
Doch es gibt einen Haken: Die Auswirkungen von Kleinwasserkraftanlagen auf die natürlichen Fließgewässer als artenreiche Lebensräume sind
im Vergleich zu ihrer Größe und Leistung massiv. Gerade durch ihre Vielzahl und Verteilung greifen sie schwerwiegend in die betroffenen Ökosysteme ein. So stellen die Anlagen eine Barriere für die flussaufwärts
wandernden Fische dar. Auch die inzwischen gängigen Fischtreppen haben das Problem nicht zufriedenstellend lösen können. Durch Kanalableitungen werden oftmals die Restwassermengen so reduziert, dass im
eigentlichen Flussbett nicht mehr ausreichend Wasser fließt, um die dort
und in den angrenzenden Auen vorhandene Biodiversität zu erhalten.
Da die Wasserkraftwerke zudem durch die Strömung transportierte
Feststoffe zurückhalten, setzt unterhalb der Anlage Erosion ein, während sich oberhalb vermehrt Sedimente ablagern. Dies hat Einfluss auf
den begleitenden Grundwasserspiegel und damit auf die ansässige
Flora und Fauna. Schließlich erwärmt sich das Wasser in den Staubereichen durch die geringere Fließgeschwindigkeit. Gleichzeitig sinkt der
Sauerstoffgehalt. Auch das bleibt nicht ohne negative Konsequenzen für
die biologischen Prozesse und die Lebensgemeinschaften in und um
die betroffenen Gewässer.
Klimaschutz nicht ohne Naturschutz
NaturschützerInnen empfehlen daher, vom weiteren Ausbau der Wasserkraft abzusehen. Bestehende Anlagen sollten reaktiviert, modernisiert und nach ökologischen Kriterien umgebaut werden. Ziel ist es, die
Vorgaben des Klimaschutzes mit denen der Wasserrahmenrichtlinie in
Einklang zu bringen. Daher kommt auch das Umweltbundesamt in seiner Studie „Energieziel 2050“ zu dem Schluss, dass die Wasserkraft ihr
technisch-ökologisches Potenzial bereits ausgeschöpft hat.
TEXT
FOTO
Franziska Buch
Stadtwerke München (SWM)
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Verschwendung
Von klein auf wird uns beigebracht, dass es nur ein paar einfache Dinge zu beachten gilt, um selbst
zum vorbildlichen Wassersparer zu werden: Duschen statt Baden, Wassersparaufsätze für den Wasserhahn, beim Zähneputzen unbedingt das Wasser abstellen. Das gibt uns ein gutes Gefühl und
schont auch noch den Geldbeutel. Und dennoch ist Deutschland keine „Nation der Wassersparer“,
denn wir verbrauchen viel mehr Wasser, als wir denken – die Rechnung dafür zahlen andere.
S
eit 1991 ist die Nutzung von Trinkwasser in Privathaushalten und
Kleingewerbe in Deutschland von 144 Liter auf 121 Liter pro
Person und Tag gesunken. Doch abgesehen von den Nachteilen,
die der geringe Wasserverbrauch vor allem in ländlichen Regionen mit
sich bringt (siehe Artikel Seite 5), gehen die Bemühungen am eigentlichen Problem vorbei: Der größte Wasserkonsum findet indirekt über
Produkte wie Lebensmittel, elektronische Geräte oder Kleidung statt.
Wir leben auf zu großem Fuß
Berücksichtigt man das in Lebensmitteln und Industriegütern enthaltene „virtuelle Wasser“, so ergibt sich ein „Wasserfußabdruck“ von
5288 verbrauchten Litern pro Person und Tag – das entspricht etwa 25
Badewannenfüllungen. Die größte Wasserverschwendung findet damit
anderswo statt: Deutschland bezieht rund die Hälfte seines verbrauchten Wassers über ausländische Produkte. Im internationalen Vergleich
liegt die Bundesrepublik damit im oberen Drittel, selbst wasserarme
Länder wie Saudi-Arabien importieren deutlich weniger. Damit beanspruchen wir die Wasserressourcen in anderen Ländern – und tragen
zur Verschärfung des globalen Wassermangels bei.
Den Großteil des „unsichtbaren“ Wassers in den Verbrauchsgütern
schluckt die Landwirtschaft. Paradoxerweise sind es gerade die wasserreichen Länder, die besonders wasserintensive Produkte wie Fleisch,
Tomaten oder Zierpflanzen aus jenen Ländern importieren, die davon zu
wenig haben.
Nur etwa sechs Prozent der in Deutschland vermarkteten Tomaten werden auch hier produziert. Damit wir zu jeder Jahreszeit frische Tomaten
kaufen können, muss ein Großteil unseres Bedarfs mittels künstlicher
Bewässerung in den warmen, aber sehr trockenen Regionen Südeuropas angebaut werden. Besonders schlecht sieht die Wasserbilanz jedoch bei der Fleischproduktion aus: Für ein Kilogramm Rindfleisch werden 15.000 Liter Wasser benötigt, pro Kilogramm Schweinefleisch sind
es immerhin noch 4800 Liter.
Nachhaltig, regional und ökologisch
einkaufen
Wer beim Einkauf Wasser sparen möchte, hat mehrere Optionen: Sparsamer Fleischkonsum, saisonale und regionale Lebensmittel aus ökologischem Anbau sind empfehlenswert, elektronische Geräte sollten
lieber repariert als weggeworfen und ersetzt werden, gleiches gilt für
Bekleidung. Doch letztendlich ist die Politik gefragt, damit endlich Strategien entwickelt werden, um den „Wasserfußabdruck“ insbesondere
der Industrieländer langfristig zu verringern und die weltweiten Wasserressourcen gerechter zu verteilen.
TEXT
FOTO
Joy Mann
Fotolia
Umweltinstitut München e.V.
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3000 Liter Wasser
für ein Steak
Wie viel Wasser steckt in unseren Konsumgütern?
D
er Begriff „Virtuelles Wasser“ beschreibt, welche saubere Wassermenge für die Herstellung und den Transport eines Produktes verwendet,
verdunstet oder verschmutzt wird. Und unser Bedarf ist enorm: Im internationalen Vergleich gehört Deutschland zu den zehn größten Importeuren von virtuellem Wasser. Schon für ein Frühstück mit Kaffee, Brötchen und Ei werden mehrere Badewannen voll Wasser verbraucht.
Wie viel Wasser in unseren Alltagsprodukten steckt, zeigen die folgenden Grafiken.
TEXT
FOTOS
Joy Mann
Fotolia
= 50 Liter Wasser
Tomaten (1 kg)
184 Liter
Schokolade (100 g)
1.700 Liter
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Eier (1 kg)
3.300 Liter
Baumwolle (1 kg)
oder 1 Jeans
11.000 Liter
Rindfleisch (1 Kg)
15.450 Liter
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Umweltinstitut München e.V.
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Der beste Marketingtrick
unserer Zeit?
Wasser ist das Lebensmittel Nummer eins und wird von uns nur allzu gerne in der
praktischen Plastikflasche gekauft. Gesünder als Leitungswasser ist das Wasser aus
der Flasche nach Meinung von Experten selten – verursacht aber ein
ökologisches Desaster.
A
uf den Flaschen von Mineral- und Tafelwasser locken schneebedeckte Berge, saftige Wiesen und kristallklare Seen. Für die
von Mineralwasserherstellern versprochene Wellness-Idylle
bezahlen wir gerne mehr – und verursachen mit unserem Wasser aus
der Plastikflasche Müllberge und Probleme bei der lokalen Bevölkerung. Warum sind so viele Menschen bereit, Geld für Wasser auszugeben, auch wenn es frei Haus verfügbar ist?
Weltweit werden ca. 89 Milliarden Liter Wasser jährlich in Plastikflaschen abgefüllt. 80 Prozent dieser Flaschen werden nicht recycelt.
Dabei ist der Konsum an Wasser aus der Flasche sehr unterschiedlich
verteilt. Während Europa, Nord- und Südamerika mehr als 150 Liter
pro Kopf konsumieren, sind es in weiten Teilen der Welt – noch – kaum
mehr als 24 Liter. Vor allem in den USA boomt das Flaschenwasser:
2011 konsumierte jeder US-Bürger, egal ob Mann, Frau oder Kind, 222
Flaschen, das sind vier Flaschen Wasser pro Woche.
In Deutschland sieht die Situation ähnlich dramatisch aus. Mit viel
Kohlensäure, medium oder still – die Bundesbürger lieben Mineralwasser. Laut Stiftung Warentest trägt jeder Deutsche rund 137 Liter Flaschenwasser jedes Jahr nach Hause (Zahl von 2011). Früher machten regionale Brunnenbetriebe das große Geschäft, heute kommt das
meiste Wasser aus der preiswerten 1,5-Liter Flasche vom Discounter –
und die bestehen meist aus Plastik. Insgesamt landen 70 Prozent der
Mineralwässer in Einwegflaschen im Handel, Tendenz steigend.
Überteuert und qualitativ nicht besser
Kritiker bezeichnen Flaschenwasser als einen der besten Marketingtricks unserer Zeit. Denn dass sich hinter der Bezeichnung „Tafelwasser“ ein extrem überteuertes, mit Kohlensäure versetztes Leitungswasser verbirgt, ahnen die Wenigsten.
Und auch die Qualität von Quell- und Mineralwässern ist kaum besser als die von Leitungswasser, im Gegenteil: Leitungswasser ist das am
besten kontrollierte Lebensmittel überhaupt und wird auf mehr gesundheitsschädliche Substanzen getestet als Mineral- und Quellwasser, da
die Trinkwasserverordnung mehr Grenzwerte als die Mineral- und Tafelwasserverordnung vorschreibt.
Auch wenn qualitativ selten besser, ist das Wasser aus der Flasche erheblich teurer. Zwei Liter Mineralwasser kosten im Durchschnitt einen
Euro. Für den gleichen Euro bekommt man ca. 200 (!) Liter Leitungswasser. Abgesehen vom Preis sprechen vor allem ökologische Aspekte
für das Wasser aus der Leitung.
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Ökobilanz der Plastik-Flasche: Ein Desaster
Die spezifischen Umweltbelastungen von Mineralwasser wurden in einer Studie des Interessenverbands Schweizer Wasserversorger (SVGW)
untersucht und mit der Ökobilanz von Trinkwasser aus dem Hahn verglichen. Gekühltes sprudelndes Mineralwasser in der Einwegflasche hat
demnach eine 3,5 Mal so hohe Umweltbelastung wie gekühltes sprudelndes Trinkwasser aus dem Hahn. Wesentliche Aspekte sind dabei die
Verpackung und der Transport.
Ähnliches belegte auch 2009 eine amerikanische Studie des Pacific Institute: Die Wissenschaftler errechneten, dass allein für die Herstellung der Plastikflaschen weltweit 50 Millionen Barrel Öl im Jahr benötigt werden – das ist ungefähr der Ölbedarf der USA für zweieinhalb
Tage. Die Transport- und Energiekosten lassen sich wesentlich schwerer berechnen, da manche Flasche Kontinente überquert, andere hingegen nur in die nächstgelegene Stadt reisen. Festhalten lässt sich dennoch, dass die Ökobilanz sich mit kürzeren Transportwegen verbessert,
da hier weniger Kraftstoffe verbraucht und damit auch weniger Emissionen freigegeben werden.
Pfand bei Plastikflaschen bedeutet nicht gleich Recycling. Neben der
Produktion und dem Transport der Flaschen ist ein weiteres Problem
der Plastikmüll der Einweg-Flaschen, denn: Plastik verschwindet nicht
einfach. Bereits jetzt türmt sich Plastik zu hohen Bergen am Rande der
Städte und an Stränden, es schwimmt im Meer und in den Flüssen –
mit verheerenden Folgen für Tiere und Ökosystem. Noch in Hunderten
von Jahren wird jedes Stückchen Plastik, das nicht verbrannt wurde, irgendwo auf der Erde zu finden sein.
Volle Flaschen, trockene Brunnen
Die Erfolgsstory des Flaschenwassers kommt meistens nur den Herstellern zugute. Werden Wasserrechte an private Firmen verkauft, bleibt
die Versorgung der mittellosen Bevölkerung oft auf der Strecke – in Europa, aber vor allem auch in Ländern, in denen es traditionell an Wasser mangelt.
Immer wieder werden Fälle bekannt, in denen ganze Dörfer sprichwörtlich auf dem Trockenen sitzen, nachdem Firmen die Nutzungsrechte an lokalen Wasservorkommen erworben haben und die Quellen
leersaugen. Im südindischen Plachimida pumpte Coca Cola jahrelang
jeden Tag Hunderttausende Liter Trinkwasser ab, um es in Flaschen abzutransportieren. Die Brunnen der umgebenden Dörfer trockneten aus.
Nach langen gerichtlichen Auseinandersetzungen musste Coca Cola
den Betrieb einstellen. Aus Pakistan ist ein ähnlicher Fall bekannt, verantwortlich war hier der Großkonzern Nestlé.
Während so einerseits lokale Wasservorkommen zu einem kostbaren
Gut werden, investieren Unternehmen große Summen, um Menschen
aus ärmeren Bevölkerungsschichten zum Kauf von Flaschenwasser zu
animieren. Wie die Einführung eines neuen Mineralwassers in einem
Land des Südens funktioniert, hat Nestlé vor einigen Jahren mit seiner
Marke „Pure Life“ eindrucksvoll demonstriert. Um auch Menschen mit
kleinem Einkommen anzusprechen, veranstaltet der Konzern neben der
konventionellen Werbung Gesundheitsseminare, in denen etwa Kran-
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13
kenschwestern über die negativen Folgen des Konsums von Leitungswasser aufklären. Dazu der Wasseraktivist Jens Loewe: „Mit ihrem
Wasser versprechen Unternehmen wie Nestlé und Danone Gesundheit
und langes Leben – aber in den meisten Fällen ist Leitungswasser genauso gut, zumal wenn die Leute es abkochen.“
Und Maude Barlow, ehemalige UN-Chefberaterin, erklärt angesichts
der Tatsache, dass mehr Kinder an einer schlechten Trinkwasserversorgung sterben als an AIDS, Kriegen oder Tropenkrankheiten: „Wenn ein
Unternehmen wie Nestlé kommt und sagt, ‚Pure Life’ sei die Antwort,
mit dieser Marke der Bevölkerung ihr eigenes Grundwasser für viel Geld
verkauft und behauptet, dass ihr Brunnenwasser nicht trinkbar ist, dann
ist das mehr als verantwortungslos – das ist ein krimineller Akt.“
Heute ist Pure Life das zweiterfolgreichste Flaschenwasser der Welt –
nach Aqua von Danone. Weitere internationale Konzerne, die den weltweiten Markt für Mineral- und Tafelwasser beherrschen sind Coca Cola,
Pepsi und Unilever. Die Konzerne haben sich für oft sehr wenig Geld
Wasserrechte für große Gebiete und lange Zeiträume gesichert. Das
Geschäft mit dem Wasser ist lukrativ: Anlageberater empfehlen mittlerweile Investitionen in Flaschenwasser. In Ländern wie China, Thailand,
Indonesien, Mexiko oder Brasilien liegen die Zuwachsraten beim Absatz
über Jahre zwischen sechs und zwölf Prozent pro Jahr.
Doch solange noch immer viele Menschen keinen Zugang zu sauberem
Trinkwasser haben, ist es wesentlich wichtiger, die öffentliche Wasserversorgung auszubauen, als für die meisten Menschen kaum finanzierbares Flaschenwasser zu bewerben, das auch noch ein Müllproblem
mit sich bringt.
Vom „Müllproblem“ zum neuen Zuhause
Doch es besteht Hoffnung: Nicht überall wird der Trend zum Plastikwasser fortgesetzt. Einige Schulen und Universitäten haben mittlerweile Plastikflaschen verbannt, oft auf Druck von Studentenorganisationen.
In einem begrenzten Rahmen lässt sich mit Plastikflaschen auch Sinnvolles tun – zum Beispiel, indem man ihnen ein zweites Leben gibt.
Dare, die nigerianische Organisation für erneuerbare Energien, baut mit
wenig Aufwand Flaschenhäuser in Nigeria und Hug it Forward errichtet
Schulen aus Plastikflaschen in Guatemala.
Die Flaschen werden ihnen bestimmt nicht so schnell ausgehen:
Mit unseren bereits produzierten Bergen an Plastikmüll können ganze
Dörfer gebaut werden. Wir können also getrost aufhören, weiter Plastikwasser zu konsumieren.
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Indra Jungblut / RESET-Redaktion
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Umweltinstitut München e.V.
06/2015
Nitrat
Die unsichtbare Gefahr im
Trinkwasser
Zwei Drittel des Trinkwassers in Deutschland werden aus dem Grundwasser gewonnen. Doch durch
die intensive Landwirtschaft steigen die Nitrateinträge – mit ernsten Folgen für unsere Gesundheit: Im Körper kann Nitrat zu krebserregenden Nitrosaminen umgewandelt werden. Bei Kleinkindern führt es zusätzlich zur lebensgefährlichen Blausucht, eine Erkrankung, die den Sauerstofftransport ins Blut beeinträchtigt. Dass es auch anders geht, zeigt die Trinkwassergewinnung der
Stadtwerke München im Mangfalltal.
I
n Deutschland misst das Umweltbundesamt an 723 Messstellen regelmäßig die
Grundwasserqualität. Nur 29 Prozent liefern Wasser ohne Nitrat, weitere 22 Prozent
sind geringfügig belastet. Die andere Hälfte
der Messstellen liefert problematische Werte – 14 Prozent liegen sogar deutlich über
dem Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter.
Daraus kann kein Trinkwasser mehr gewonnen werden.
Das Problem ist seit Jahren bekannt und
die Bundesrepublik wäre nach europäischen
Richtlinien verpflichtet, es zu lösen. Inzwischen
läuft sogar ein Vertragsverletzungsverfahren: Wenn die Vorgaben nach der EU-Nitratrichtlinie nicht bald erfüllt werden, sind saftige
Strafzahlungen nach Brüssel fällig.
In Deutschland enthält das Grundwasser mehr
Nitrat als in allen anderen europäischen Ländern – mit Ausnahme von Malta, das sich als
winziger Inselstaat in einer Sondersituation
befindet. Die beste Maßnahme gegen Nitrat
im Grundwasser wäre eine Verschärfung der
Düngeverordnung. Doch dagegen wehrt sich
eine mächtige Lobby: die Agrarindustrie und
der Bauernverband.
Wie das Nitrat im Grundwasser landet
Den größten Anteil an der Nitratbelastung des
Wassers hat die industrielle Landwirtschaft.
Stickstoff aus der Düngung wird von Mikroorganismen im Boden zu Nitrat umgewandelt.
Was nicht von den Pflanzen aufgenommen
werden kann, wird vom Regen ausgewa-
schen. So landet es im Grundwasser oder in
Flüssen, Seen und Meeren.
Wann, wie und wie viel gedüngt wird, beeinflusst, wie viele Nährstoffe aus dem Boden
ausgewaschen werden: Je mehr Stickstoff auf
die Flächen kommt, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Teil davon als Nitrat im
Wasser landet. Wird zum falschen Zeitpunkt
gedüngt, können die Pflanzen nur einen geringen Teil der Nährstoffe aufnehmen, der Rest
wird ausgewaschen.
Relevant ist auch, wie gut der Stickstoff im
Dünger gebunden ist. Festmist und Gründüngung werden von den Bodenlebewesen langsam und kontinuierlich ab- und in den Humus
eingebaut. In Gülle, Jauche und den meisten
synthetischen Düngern sind die Nährstoffe da-
Münchner Stadtgespräche Nr. 71
gegen gelöst verfügbar und werden so leichter
ausgewaschen.
Belastung durch Massentierhaltung und Biogas
In Deutschland wird vor allem zu viel gedüngt.
So besteht auf den deutschen Äckern ein
Stickstoffüberschuss von 96 Kilogramm pro
Hektar und Jahr. Das liegt zum einen daran,
dass die LandwirtInnen ihre Pflanzen so gut
wie möglich mit Nährstoffen versorgen wollen.
Da der Preis für Stickstoff gering ist, wird lieber etwas zu viel gedüngt als zu wenig.
In Regionen, in denen viele Tiere gehalten
werden, werden über Eiweißfuttermittel sehr
viele Nährstoffe importiert. In der Massentierhaltung entsteht so viel Gülle, dass sie nicht
sinnvoll auf den eigenen Feldern ausgebracht
werden kann. Denselben Effekt gibt es rund
um große Biogasanlagen. Das „Futter“ wird
von weit her angeliefert, Gülle oder Gärreste
weit zu transportieren lohnt sich jedoch nicht.
Das schlägt sich in einer schlechten Trinkwasserqualität nieder.
Besonders häufig überschritten werden
Nitrat-Grenzwerte im Wasser daher in Gegenden, in denen viel Massentierhaltung betrieben wird: in Niedersachsen, in Teilen von
Nordrhein-Westfalen, Thüringen und in Niederbayern. Dort landen nicht nur überschüssige Nährstoffe, sondern auch besonders viele
Antibiotika und Hormone im Wasser. Auch der
Zustand der Ostsee ist besorgniserregend:
Das Meer tauscht nur wenig Wasser mit den
Ozeanen aus und die Flüsse bringen seit Jahrzehnten zu viele Nährstoffe aus der Landwirtschaft mit.
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hören der Stadt München am Taubenberg und
im Mangfalltal mehr als 1800 Hektar Wald, die
ökologisch vorbildlich bewirtschaftet werden.
Doch die Wasserschutzzone im Mangfalltal
ist vor Ort nicht bei allen beliebt. Während die
Stadt München das Wasser – immerhin rund
3400 Liter Wasser pro Sekunde – aufgrund
uralter Gewohnheitsrechte kostenlos entnehmen darf, entstehen den Kommunen und Betrieben vor Ort Bürokratie, Kosten und Einschränkungen. Versuche, aus der Verbindung
mit Münchens Wasser eine Vermarktungsstrategie für die Produkte der ökologischen Landwirtschaft aus der Region zu machen, sind
bisher gescheitert.
Doch die Münchner Wasserwerke bemühen sich, Einschränkungen mit Geldzahlungen
auszugleichen. Vor allem die Landwirtschaft
profitiert davon. Über die Prämien aus bayerischen und europäischen Mitteln hinaus bekommen die Bio-Betriebe in und um die Wasserschutzzone Geld aus München, wenn sie
sich einem der Bio-Anbauverbände anschließen und deren strenge Richtlinien einhalten.
So ist das größte zusammenhängende ökologisch bewirtschaftete Gebiet in Deutschland
entstanden.
Pro Liter Wasser kostet dieses Programm
0,0005 Cent – auf Dauer wird damit jedoch
sogar Geld gespart, weil keine Aufbereitung
nötig ist: Aus den Wasserhähnen in München
kommt das Wasser völlig ohne Aufbereitung
und Zusätze. Wenn Sie das nächste Mal ein
Glas Leitungswasser trinken, denken Sie daran, dass es indirekt auch ein Produkt der ökologischen Landwirtschaft ist.
Bestes Leitungswasser dank
Bio-Landwirtschaft
Eine Ökologisierung der
Landwirtschaft muss her
Dass es auch anders geht, zeigt das Leitungswasser der Stadt München. Nicht ohne Grund
zählt es zu den saubersten in ganz Europa:
Das Trinkwasser für die mehr als 1,4 Millionen
Menschen wird zu einem großen Teil aus Brunnen rund um den Taubenberg im Landkreis
Miesbach, etwa 40 Kilometer südlich von München, gewonnen. Dieser hat den höchsten Anteil von Biobetrieben in ganz Deutschland. Von
den meist sehr kleinen Betrieben arbeitet mehr
als jeder vierte nach Bio-Richtlinien. Zudem ge-
Das Münchner Beispiel zeigt: Eine Ökologisierung der Landwirtschaft ist der richtige Weg,
um die hohe Nitratbelastung im deutschen
Grundwasser in den Griff zu bekommen.
Um die EU-Wasserrahmenrichtlinie einzuhalten, müssten die landwirtschaftlichen Betriebe genau dokumentieren, wie sie ihren
Stickstoff einsetzen. Die Obergrenze, wieviel
pro Jahr und Hektar gedüngt werden darf,
muss gesenkt werden – vor allem aber muss
sie unabhängig davon gelten, ob organische
Ökologische Landwirtschaft: Mehr
Auslauf, geringere Belastung des
Grundwassers
oder synthetische Stickstoffdünger eingesetzt
werden. Eine Stickstoff-Überschuss-Abgabe würde LandwirtInnen einen ökonomischen
Anreiz geben, effizienter mit dem Nährstoff
umzugehen. Sie würde vor allem die großen
Tiermastbetriebe treffen.
Tierhaltung muss wieder an die Fläche
gebunden werden: Betriebe, die ihre Tiere zum
größten Teil von der eigenen Fläche ernähren
können – wie es in der ökologischen Landwirtschaft Standard ist – haben auch kein Problem mit zu viel Gülle. Und die Größe von Biogasanlagen sollte begrenzt sein.
Auf Druck der EU ist in Berlin derzeit eine Novelle der Düngeverordnung in Arbeit. Doch
dem Entwurf von Landwirtschaftsminister
Christian Schmidt mangelt es an der nötigen
Schärfe, um das Nitratproblem wirklich in den
Griff zu bekommen. Dazu wäre, so ein Gutachten des Sachverständigenrats für Umweltfragen der Bundesregierung, eine Halbierung
der Stickstoffeinträge nötig. Dabei ist Eile geboten: Selbst wenn ab sofort kein Nitrat mehr
in den Boden eingebracht wird, kann es lange
dauern, bis der Nitratgehalt im Grundwasser
wieder abnimmt.
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FOTOS
Karl Bär
Fotolia
Bodenatlas - Heinrich-Böll-Stiftung, BUND, IAS, Le Monde diplomatique
Umweltinstitut München e.V.
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Monopoly ums Wasserwerk
Wasser sollte als öffentliches Gut und das Recht auf Wasser als eines der ältesten
Rechte überhaupt anerkannt werden. Das scheint jedoch im Privatisierungs- und
Liberalisierungswahn vergessen zu sein.
V
or etwa zwanzig Jahren fand der Informatiker Truman Collins mit umfangreichen Computersimulationen
heraus, welche Strategien beim „Monopoly“Spielen besonders erfolgreich sind. Unter anderem riet er: Bleiben Sie im Gefängnis, kaufen
Sie die Münchner Straße, und lassen Sie die
Finger vom Wasser- und vom Elektrizitätswerk!
Für die Wirklichkeit kam Collins` gut gemeinter
Rat leider zu spät: Anfang der 1990er Jahre
wurde das erste Wasserwerk in Deutschland
einem privaten Betreiber übergeben und mit
dem sogenannten „Rostocker Modell“ die Ära
der rein öffentlichen Daseinsvorsorge im Bereich der Wasserwirtschaft beendet.
Bei den Befürwortern herrschte Goldgräberstimmung in den ersten Jahren der Privatisierung. Euphorisch wurde den privaten Dienstleistern eine höhere Effektivität zugeschrieben.
Ihre Investitionsbereitschaft sollte die kommunalen Kassen entlasten. Dies werde sich für
die Kunden in jedem Fall auszahlen, weil das
Wasser gar nicht anders als preiswerter werden könne.
Totengräberstimmung hingegen beherrschte die Gegenseite: Die Trinkwasserversorgung war die letzte noch nicht gefallene Bastion gegen die Liberalisierungslust
dieser Jahre, der Post und Bahn, Strom und
Telefon schon lange zum Opfer gefallen waren. Wenigstens das Wasserwerk sollte gehalten werden!
Wasser eine öffentliche Kernaufgabe ist, ein
globaler common sense – mit der Ausnahme
Frankreichs, das bereits zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts auf eine private Wasserversorgung setzte.
Selbst für neoliberale Theoretiker wie Ludwig von Mises, der ansonsten kaum Grenzen der (allseits wohltuenden) Wirkung des
Marktes sah, waren „Wasser und Luft […]
überhaupt freie Güter“.
Ein öffentliches Gut
wird privatisiert
Der Bruch mit dieser Vorstellung ist folglich
bemerkenswert. Erstaunlich ist auch die gedankliche Fehlerkette, die ihn verursacht hat.
Die Liberalisierung der Wasserversorgung
wurde erstmals im Vorfeld der Umweltkonferenz von Rio de Janeiro im Jahr 1992 vehement gefordert. Befürworter erhofften sich,
dass eine ökonomische Betrachtung von Wasserdienstleistungen vor allem die unzureichende und oftmals marode Wasserversorgung in vielen Entwicklungsländern durch ein
In der Tat: Keine andere Ressource und kein
anderer Dienstleistungsbereich waren in der
Vergangenheit weltweit und quer durch alle
politischen, kulturellen und religiösen Lager so
selbstverständlich dem öffentlichen Bereich
zugeordnet wie Wasser und Wasserdienstleistungen. Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein
war das Verständnis, dass die Versorgung mit
Münchner Stadtgespräche Nr. 71
investitionsstarkes und effektiveres System
ersetzen würde.
Würde erstens, so die Argumentation, Wasser nur kostendeckend abgegeben,
könnte damit privates Kapital angelockt werden. Zweitens seien private Betreiber zwangsläufig effektiver als öffentliche. Drittens könne
der Markt die Konkurrenz beleben und dies
lasse die Preise fallen. Viertens würden davon vor allem die Kunden profitieren, weil sie
kostengünstiger und zuverlässiger ihr Wasser
erhalten.
Der Markt wird es nicht
richten
Verblüffend an diesen Vorstellungen ist ihr
grundlegender Mangel an Einsicht in ökonomische Handlungsmotive und ihr Unverständnis für die Eigenart der Wasserversorgung.
Erstens sind technische Infrastrukturen immer
kostspielig und rechnen sich oftmals nicht.
Genau dieses Argument hatte bereits Adam
Smith bewogen, bestimmte Aufgaben von öffentlichem Interesse, darunter auch die öffentliche Wasserversorgung, gerade nicht dem
Markt zu überlassen.
Infrastrukturmaßnahmen im Wasserbereich
sind besonders dann teuer und amortisie-
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ren sich nie, wenn lange Leitungen für wenige zahlungsschwache Kunden gebaut werden
müssen. Wenn man also Kapital gewinnbringend einsetzen möchte, wird man eines jedenfalls unterlassen: In die Wasserversorgung
ländlicher Gebiete in Entwicklungsländern zu
investieren. Das ist auch nicht passiert. Gerade einmal etwa 50 Milliarden US-Dollar sind
seit Beginn der Privatisierungswelle in die
Wassertechnologie von Entwicklungsländern
geflossen. Fast das Zehnfache dessen aber
wurde allein im Jahr 2005 in den Telekommunikationssektor dieser Ländergruppe privat
investiert.
Auch für die Behauptung, private Betreiber
seien effektiver als öffentliche, konnte bisher
kein Beweis erbracht werden. Nach mehr als
einem Jahrzehnt, in dem mit größter Selbstverständlichkeit wieder und wieder behauptet
wurde, dass die private Wirtschaft effektiver
und transparenter sei, machte sich einer der
früheren Befürworter der Privatisierungsagenda aus der Abteilung für Policy Research der
Weltbank auf die Suche nach Belegen dafür
und kam 2005 zu dem Ergebnis, dass es „keinen signifikanten statistischen Nachweis für
eine unterschiedliche Effizienz privater und öffentlicher Betreiber gibt.“
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Die Anbieter müssen keine
Konkurrenz fürchten
Auch die Hoffnung auf Kostensenkung durch
eine Liberalisierung der Wasserversorgung
hätte man aus guten Gründen gar nicht erst
hegen sollen.
Denn im engeren Sinne wird unter Liberalisierung ein „Wettbewerb im Markt“ verstanden, ein Wettbewerb also, bei dem der
Endkunde zwischen verschiedenen Anbietern
wählen kann. Der Wettbewerb führt zu niedrigeren Preisen und höherer Effizienz, weil die
Anbieter möglichst viele Kunden für sich gewinnen wollen und das gelingt in der Regel,
wenn man preiswerter als die Konkurrenz ist.
Allerdings handelt es sich bei Wasser um ein
ganz spezielles Gut: Anders als Schuhe oder
Autos ist die Trinkwasserversorgung an eine
netzgebundene Infrastruktur gebunden. In der
Regel agiert hier der Anbieter als Monopolist,
der Kunde am Ende der Leitung kann diesen
nicht wählen.
Wenn bei netzgebundenen Infrastrukturen
dennoch Wettbewerb im Markt stattfinden
soll, muss das Gebietsmonopol aufgehoben
werden, um dem Kunden Wahlfreiheit zu ermöglichen. Bei der Stromversorgung oder bei
Lesetipp
se provokanten Thesen lenken den ungemütlichen Rundgang, auf dem Petra
Dobner die ökologischen Probleme
Deutschlands benennt, mit dem Thema
Wasserprivatisierung die ganze Welt in
den Blick nimmt und über die Würdigung
funktionierender Abwassersysteme wieder nach Deutschland zurückkehrt.
In Deutschland zu Hause Wasser zu
sparen ist Unsinn, teures Mineralwasser in Flaschen zu kaufen auch. Die-
Anschaulich erklärt die Autorin, wie sich
Wasserpreise zusammensetzen, wo
wirklich der globale Wasserhaushalt angezapft wird und warum sozial-ökologische Steuerung so komplex ist. Überall
auf der Welt hängen Wohlergehen, Gesundheit und Lebenserwartung davon
ab, ob es gelingt, qualitativ hochwertiges
Trinkwasser und eine effektive Reinigung
von Abwässern bereitzustellen.
Das Buch „Quer zum Strom. Eine
Streitschrift über das Wasser“ von
Prof. Dr. Petra Dobner (96 Seiten;
14,90 Euro; Gebunden; ISBN 978-38031-3647-3) ist im Wagenbach Verlag erschienen.
Zur Autorin:
Petra Dobner, 1964 am linken Niederrhein geboren, studierte Politikwissenschaft und Philosophie an der
Freien Universität Berlin. Zunächst
Lehrstuhlinhaberin für Politikwissenschaft in Hamburg, hat sie seit 2012
eine Professur für Systemanalyse und
Vergleichende
Politikwissenschaft
an
der
Martin-Luther-Universität
Halle-Wittenberg inne.
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Umweltinstitut München e.V.
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BürgerInnen wollen die
Rekommunalisierung
Damit wären wir wieder in Deutschland angekommen: Insgesamt waren Mitte der neunziger Jahre in Deutschland 6655 Wasserversorgungsunternehmen und etwa 8000
Abwasserentsorgungsunternehmen aktiv, der
überwiegende Teil hiervon, 85 Prozent, befindet sich in kommunalem Besitz.
Viele BürgerInnen wehren sich gegen eine Privatisierung der Wasserversorgung.
Spätere Rekommunalisierungen sind mit enormen Kosten verbunden.
Telekommunikationsdiensten funktioniert das,
weil entweder jeweils eigene Leitungsnetze
geschaffen werden oder verschiedene Anbieter ein Durchleitungsrecht haben.
Den Kunden fehlt die
Wahlfreiheit
Einer Liberalisierung der Wasserversorgung
setzt diese infrastrukturelle Voraussetzung enge
Grenzen. Als tendenziell lokale Ressource wird
Wasser mit unterschiedlichen Qualitäten angeboten, und eine Mischung unterschiedlicher
Wässer innerhalb des selben Leitungssystems
kann zu Qualitätsminderungen führen. Hydraulische Gegebenheiten, korrosionschemische
und mikrobiologische Wassereigenschaften sowie betriebliche Aspekte, ein ganzes Set von
technischen Anforderungen also, machen es
unwahrscheinlich, dass Durchleitungen möglich und somit eine Kostenentlastung der Kunden erreicht werden kann.
Als natürliches Monopol widersetzt sich
Wasser daher den Möglichkeiten, die einem liberalisierten Telekommunikations- oder Energiemarkt offenstehen: dass der Endkunde seinen Anbieter über den Preis bestimmt. Folglich
kann die Privatisierung der Wasserversorgung
zwar eine Konkurrenz um den Markt entfachen, aber keine Konkurrenz im Markt. Hat
sich ein Anbieter in der Ausschreibung dieser Dienstleistung gegen seine Konkurrenz
erst einmal durchgesetzt, so muss der Kunde
bei ihm, und nur bei ihm, die entsprechenden
Leistungen beziehen. Auch der private Anbieter bleibt daher ein Monopolist.
Deshalb wurde auch die Hoffnung enttäuscht,
dass der Wasserpreis sinken werde. Der Anstieg der Wasserpreise nach der Privatisierung in Buenos Aires und Manila, vor allem
aber im bolivianischen Cochabamba, wo mehrere Menschen bei Auseinandersetzungen um
die Wasserversorgung starben und hunderte verletzt wurden, führte nicht nur zu massiven Protesten der Bevölkerung, sondern
auch zu einer weitgehenden Rücknahme der
geschlossenen Verträge.
Zum Zeitpunkt dieser späten Erkenntnis war
aber schon jahrelang auf der Basis dürrer Begründungen die Privatisierungsagenda vorangetrieben worden und wird es ungeachtet solcher Ergebnisse weiterhin: Ein unmittelbares
Ergebnis ist, dass noch immer internationale Entwicklungshilfen von der Bereitschaft
abhängig gemacht werden, private Unternehmen in die Wasserversorgung einzubeziehen. Gleichzeitig erhalten aber 95 Prozent
aller Menschen der Welt ihr Wasser von öffentlichen Versorgern. Wichtige Finanz- und
Restrukturierungshilfen für den öffentlichen
Sektor, der die wesentliche Last immer noch
trägt, werden auf diesem Altar geopfert.
Festzuhalten ist auch ein zweites Resultat:
Die ursprünglich als Entwicklungshilfe geforderte Privatisierung der Wasserversorgung
fand am Ende doch noch lukrative Geschäftsfelder – allerdings in ganz anderen Weltregionen, nämlich vor allem in Nordamerika und
Europa.
Deutschlands Trinkwasserversorgung galt
als vorbildlich im Hinblick auf eine jederzeitige und flächendeckende Versorgung mit hygienisch einwandfreiem Wasser. Obwohl die
funktionierende Wasserversorgung selbst also
wenig Anlass gab, die tradierten Strukturen
aufzubrechen, lieferte die Finanznot der Kommunen eine Anreizstruktur für eine verstärkte
Privatisierungsbewegung in den 1990er Jahren. In Ostdeutschland standen erhebliche Rekonstruktionsaufgaben der Versorgungsnetze
an, aber auch im Westen wurden die Wasserwerke verstärkt in haushaltspolitische Kalküle
einbezogen.
Nach mehr als zwanzig Jahren zeigen sich
aber deutliche Zweifel, dass dieser Kurs der
richtige war. Die Ablehnung einer Privatisierung von Wasserbetrieben und, sofern diese in
der Vergangenheit vollzogen wurde, die Befürwortung einer Rekommunalisierung steht bei
den Bürgern hoch im Kurs.
Hierfür spielen nicht nur die Preise eine
Rolle, sondern auch die klare Intuition, dass
Wasser keine Ware ist und die Wasserversorgung nicht nach Marktprinzipien gestaltet werden kann und darf: Sie kann nicht dem Markt
unterworfen werden, weil ein natürliches Monopol nicht über Preise steuerbar ist, und sie
darf es auch nicht, weil Wasser für jeden Einzelnen, für Industrie, Landwirtschaft und Energieversorgung essentiell ist.
Prof. Dr. Petra Dobner
Martin-Luther-Universität,
Halle-Wittenberg
FOTOS S. Hofschlaeger / pixelio.de
Wagenbach Verlag
Jakob Huber / Campact
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Münchner Stadtgespräche Nr. 71
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Wird unser Wasser
zur Ware?
Wie TTIP & Co. die kommunale Wasserversorgung gefährden
I
m Jahr 2014 verabschiedete die Europäische Union eine neue
Richtlinie über die Vergabe von öffentlichen Aufträgen. Die ursprünglichen Pläne der EU-Kommission sahen vor, dass die Kommunen auch ihre Wasserversorgung öffentlich und europaweit auszuschreiben hätten. Eine Privatisierungswelle bei der kommunalen
Wasserversorgung wäre die Folge gewesen.
Doch stattdessen wurde die Kommission von einer Protestwelle
überrollt: Mehr als 1,7 Millionen EU-BürgerInnen unterzeichneten eine
Europäische Bürgerinitiative, die die Kommission aufforderte, das Menschenrecht auf Wasser durch- und umzusetzen. Mit Erfolg: Die Wasserversorgung verschwand aus der Vergaberichtlinie. Weitergehende Forderungen aus der Europäischen Bürgerinitiative wurden jedoch von der
Kommission ignoriert. Als Teil der „Troika“ besteht sie in Griechenland
weiterhin auf Privatisierungen, auch bei der Trinkwasserversorgung.
Schiedsgerichte ersetzen den Rechtsstaat
Aktuell verhandelt die EU-Kommission Freihandelsabkommen mit den
USA (TTIP) und Kanada (CETA) sowie ein multilaterales Abkommen über
den Handel mit Dienstleistungen (TiSA). Sie verfolgt damit erneut eine
Politik, die die Privatisierung von kommunalen Dienstleistungen fördert.
Zwar beteuert die Kommission immer wieder, dass diese Abkommen nicht auf eine Privatisierung der Wasserversorgung zielen. Ob das
stimmt, wissen wir allerdings erst, wenn die Abkommen fertig ausgehandelt sind – und dann sind Änderungen kaum noch möglich.
Doch selbst ohne eine Ausschreibungsverpflichtung und eine erzwungene Marktöffnung droht ein Problem für Kommunen, die ihre Wasserversorgung bereits in private Hände gegeben haben: In den Abkommen
sind Investitionsschutzkapitel vorgesehen, auf deren Basis Konzerne vor
internationalen Schiedsgerichten auf Schadensersatz klagen können.
Schadensersatz in Millionenhöhe
Eine Rekommunalisierung der Wasserwirtschaft könnte vor diesem Hintergrund unmöglich oder aber sehr teuer werden, wie ähnlich gelagerte
Fälle aus anderen Investitionsschutzabkommen beweisen.
1994 wurde die Wasserversorgung im Großraum Buenos Aires an
die französische Firma Suez verkauft. In der argentinischen Währungskrise 2001 verlangte Suez eine 40-prozentige Preiserhöhung. Hinter
Ausbauverpflichtungen blieb das Unternehmen deutlich zurück. 2006
wurde die Privatisierung rückgängig gemacht und als schlechte Erfahrung verbucht. Doch Suez ging vor ein Investitionsschiedsgericht und
bekam im April 2015 über 400 Millionen Dollar Schadensersatz für die
seit 2006 entgangenen Gewinne zugesprochen.
Ein ähnlicher Fall steht uns gerade innerhalb der EU ins Haus: Der
niederländische Versorgungskonzern United Utilities klagt gegen Estland vor einem Investitionsschiedsgericht, weil eine Preiserhöhung für
das Trinkwasser in der estnischen Hauptstadt Tallinn seit 2011 von der
Aufsichtsbehörde abgelehnt wird.
Diese Beispiele zeigen: Der Investitionsschutz betrifft auch die Wasserversorgung. Er schützt einseitig die Interessen privater InvestorInnen.
Es wird durch diese Abkommen schwieriger, Privatisierungen zu kontrollieren und rückgängig zu machen. Deshalb bleibt zu hoffen, dass
die Proteste gegen TTIP, CETA und Co. die Pläne der EU-Kommission
noch vereiteln.
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Karl Bär
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Umweltinstitut München e.V.
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„Wasser schützen,
Fracking verbieten!“
Fracking wird zur neuen Gefahr für unser Grundwasser. Dagegen
formiert sich massiver Widerstand in der Bevölkerung.
V
on Kopf bis Fuß in Schutzanzüge gekleidete „Wissenschaftlerinnen“ begutachten giftgrüne Flüssigkeiten
durch riesige Lupen, während Arbeiter mit
Gasmasken eine „Fracking-Probebohrung“
in die Erde treiben. Diese Installation, im vergangenen September vor dem Bundesumweltministerium aufgebaut, sollte zeigen, welche Gefahren unserem Grundwasser drohen.
Denn die Bundesregierung plant ein Gesetzespaket, das Fracking in Deutschland grundsätzlich erlauben soll.
Schon einmal, im Jahr 2013 unter der
schwarz-gelben Koalition, ist ein Fracking-Gesetzesentwurf gescheitert. Die Bundestagsabgeordneten betroffener Bundesländer kippten
das Gesetz, noch bevor es vom Bundeskabinett, bestehend aus der Kanzlerin und den
MinisterInnen, beschlossen werden konnte.
Die aktuelle Regierung hat diese Hürde bereits genommen: Am 1. April 2015 wurde der
neue Gesetzesentwurf im Bundeskabinett verabschiedet. Doch auch hier bestimmte der
Protest von Umweltorganisationen und BürgerInnen vor dem Kanzleramt in Berlin die Berichterstattung in den Medien.
Noch im selben Monat schloss sich der Umweltausschuss des Bundesrats, bestehend
aus den UmweltministerInnen der Bundesländer, der Forderung nach einem generellen
Fracking-Verbot an. In der Plenarsitzung des
Bundesrats im Mai stimmte zwar die Mehrheit
der Bundesländer nicht dafür, doch auch sie
wollen wesentlich schärfere Regelungen als
die von den Regierungsparteien vorgelegten:
Die Länder empfehlen ein vollständiges Verbot
für Kohleflözgas-, Schiefergas- und Erdölfracking. Das ebenfalls umweltschädliche, aber
schon seit einigen Jahrzehnten in Niedersachsen praktizierte Tight Gas-Fracking wollen sie
hingegen nicht antasten. Nun stehen die Bundestagsabgeordneten unter Druck, die noch
vor der Sommerpause über das Gesetzespaket abstimmen sollen.
Verschwendung immenser
Wassermengen
Die Kritik, die die Fracking-GegnerInnen eint,
hat viel mit dem Wasser als einer unserer Le-
Münchner Stadtgespräche Nr. 71
bensgrundlagen zu tun. Da ist zum einen der
immense Wasserverbrauch, der notwendig
ist, um diese Technik zur Förderung von Erdgas oder Erdöl einzusetzen: Pro Fracking-Vorhaben
werden
bis zu 20 Millionen Liter Wasser, versetzt mit
Sand und einem
Chemikalien-Gemisch, in die
Erde gepumpt.
Diese Wassermengen werden dem Wasserkreislauf unwiederbringlich entzogen.
06/2015
wurde eine Studie der US-Geologiebehörde
veröffentlicht, die zu dem Ergebnis kommt,
dass durch Versenkbohrungen ausgelöste
Erdbeben in den USA zunehmen – und damit
21
reine Chemikalien. Die verwendeten Substanzen unterscheiden sich je nach geologischer
Formation und Tiefe. Darunter befinden sich
krebserregende, erbgut- und hormonverändernde sowie reproduktionstoxische Stoffe,
Nervengifte und Allergene. Daraus resultieren direkte Gesundheitsgefahren für die
AnwohnerInnen
der
Fracking-Gebiete, die
von Hautreizungen und Kopfschmerzen über
Atemwegserkrankungen und Fortpflanzungsstörungen bis hin zu erhöhten Krebsraten reichen. Damit ist unser Grundwasser in akuter
Gefahr.
Das ist auch der Grund, warum sich nicht
nur aus den Reihen der Bürgerinnen und Bürger sowie der Umweltorganisationen Protest regt. Auch die öffentliche Wasserwirtschaft, die Unternehmen und Beschäftigten
der Lebensmittelherstellung sowie die Brauereien gehen auf die Barrikaden. Denn mit dem
Grundwasser steht auch die Grundlage ihrer
Produktion auf dem Spiel.
Bis zu 20 Millionen Liter Wasser, versetzt mit
Sand und Chemikalien, werden bei einem
Fracking-Vorgang in die Erde gepumpt.
Mindestens die Hälfte des Wassers verbleibt
direkt nach dem Fracking im Untergrund. Die
verbleibende Menge wird als „Flowback“ zurück an die Oberfläche gepumpt. Dieser wird
zum Teil für nachfolgende Fracking-Vorhaben
verwendet. In vielen Fällen wird der Flowback
allerdings auch einfach zurück unter die Erde
gepresst.
Das gleiche geschieht mit dem unterirdisch vorkommenden Lagerstättenwasser, das
mit Schwermetallen sowie giftigen und radioaktiven Substanzen angereichert ist und bei
der Öl- und Gasförderung an die Oberfläche
gelangt. Denn die oberirdische Aufbereitung
dieser verseuchten Flüssigkeiten ist aufwändig und den Firmen schlicht zu teuer.
Vergiftungsgefahr durch
Tausende Liter Chemikalien
Mit dieser Praxis der Verpressung von giftigen Flüssigkeiten in den Untergrund gehen
gleich mehrere Risiken einher. Im April 2015
auch die Risiken für die umliegende Bevölkerung. Die Langzeitfolgen der Verpressung von
Flowback und Lagerstättenwasser sind noch
völlig unklar.
Kurzfristig können sowohl bei der Entsorgung
von Frackingflüssigkeit und Lagerstättenwasser als auch im Zuge des Fracking-Vorhabens
selbst giftige und radioaktive Substanzen in
das Grundwasser gelangen. Hier reichen die
Möglichkeiten von Unfällen an der Oberfläche
– etwa beim Abtransport des giftigen Lagerstättenwassers oder durch schlecht abgesicherte Bohrplätze – über Fehler in Bohrlochdesign oder -konstruktion bis hin zu veralteten
Anlagen. Unterirdisch besteht die Möglichkeit, dass sich die künstlich erzeugten Risse
mit bereits natürlich vorhandenen Rissen im
Gestein verbinden und giftige Substanzen auf
diesem Wege in Grundwasserleiter gelangen.
Zwar ist der prozentuale Anteil der Chemikalien mit etwa 0,2 Prozent am Fracking-Gemisch
sehr gering. Bei 20 Millionen Liter Wasser
handelt es sich jedoch bereits um 40.000 Liter
Klimawandel verstärkt Druck
auf die Wasserressourcen
Und schließlich sind da auch noch die indirekten Auswirkungen auf das Wasser durch
die Verstärkung des Klimawandels. Denn es
ist bereits wissenschaftlich erwiesen, dass
drei Viertel der Erdöl- und Erdgasreserven ungenutzt unter der Erde bleiben müssen, wenn
wir katastrophale Folgen der Klimaerwärmung
verhindern wollen.
Was ist Fracking?
Fracking (Kurzform von „hydraulic fracturing“) ist die Bezeichnung für eine Methode zur Förderung von Erdgas oder
Erdöl, das so fest im Gestein eingeschlossen ist, dass die
sonst üblichen vertikalen Bohrungen nicht ausreichen, um
es an die Oberfläche zu befördern.
Hierbei handelt es sich um die sogenannten unkonventionellen Öl- und Gasvorkommen wie das in Sandstein vorkommende Tight Gas, Kohleflöz- und Schiefergas sowie
Schieferöl.
Um die Energieträger aus dem Gestein zu lösen, wird an die
senkrechte Bohrung eine horizontale Bohrung angeschlossen und ein Gemisch aus Wasser, Sand und giftigen Chemikalien unter hohem Druck in die Tiefe gepumpt. Auf diese Weise entstehen Risse im Gestein, durch die das Öl oder
Gas entweichen kann.
Weitere Informationen zu den Risiken von Fracking finden
Sie auf der Webseite des Umweltinstitut München e.V. unter
www.umweltinstitut.org/fracking
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Umweltinstitut München e.V.
Doch die Förderung unkonventioneller fossiler Ressourcen, die mit besonders großen
Umweltschäden verbunden ist, zielt genau in
die entgegengesetzte Richtung: Das fossile
Energiesystem soll zementiert werden, solange die Energiekonzerne hier noch kurzfristig Profite realisieren können. Die langfristig
entstehenden Schäden werden auf die Allgemeinheit und insbesondere auf künftige Generationen abgewälzt. So verstärkt auch Fracking die globale Erwärmung und damit den
Druck auf die Wasserressourcen.
Fracking gefährdet den
Klimaschutz
Die Auswirkungen des Klimawandels auf die
Verfügbarkeit von Wasser sowie auf die Art und
Häufigkeit von Niederschlägen wurde auch auf
der Eröffnungsveranstaltung der Messe „Wasser Berlin International“ im März 2015 von
zahlreichen Experten diskutiert. AktivistInnen
verschiedener Umweltschutzorganisationen
nahmen dies zum Anlass, um Umweltministerin Barbara Hendricks in ihrer Eröffnungsrede mit einem stillen Protest zu konfrontieren:
„Wasser schützen, Fracking verbieten!“ stand
auf den Schildern, die sie während der Ansprache im Publikum hoch hielten.
Zwar ist Erdgas in der Verbrennung weniger
emissionsintensiv als der klimaschädlichste
aller Energieträger, die Kohle. So wird bei der
Erdgasverstromung nur etwa ein Drittel der
Menge an CO2 ausgestoßen, die bei der Kohleverstromung anfällt. Doch entweicht bei der
Erdgasförderung im Allgemeinen und bei Fracking im Besonderen stets das besonders klimawirksame Gas Methan in die Atmosphäre.
Es ist rund 25 Mal klimaschädlicher als Kohlenstoffdioxid. Nur wenn die Effekte der Methanleckagen unberücksichtigt bleiben, lässt
sich der komparative Vorteil gegenüber der
Kohle überhaupt aufrechterhalten.
Im Übrigen ist dieser Vergleich sowieso hinfällig, denn im Sinne der deutschen Energiewendepolitik werden Energieeinsparungen und
der Umstieg auf erneuerbare Energien künftig unsere Versorgungssicherheit gewährleisten. Und dieser Weg ist in jedem Fall sowohl
umweltfreundlicher als auch effektiver bei der
Schaffung von Arbeitsplätzen als Fracking.
06/2015
eine sichere Energieversorgung für die deutsche Bevölkerung zu garantieren. Denn zu
beidem leistet Fracking, so auch der offizielle
Standpunkt des Bundesumweltministeriums,
keinen Beitrag.
Stattdessen wäre aber Rechtssicherheit für
die erdgasfördernde Industrie hergestellt, die
aktuell aufgrund verschiedener De-facto-Moratorien nicht gegeben ist. Den Risiken für
unser Grundwasser stünde keinerlei gesellschaftlicher Nutzen gegenüber.
TEXT
FOTOS
Franziska Buch
Jörg Farys
Sollten die Bundestagsabgeordneten trotz des
massiven Protests vor der Sommerpause für
das vorgeschlagene Gesetzespaket stimmen,
dann tun sie es nicht, um Klimaschutz oder
Das Thema Fracking erhitzt die Gemüter: KritikerInnen warnen vor der Verseuchung des Grundwassers und kritisieren den
hohen Flächen- und Wasserverbrauch beim Einsatz der Fördertechnik.
Münchner Stadtgespräche Nr. 71
06/2015
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Riskante Teilchen
Plastik ist in unserem Leben allgegenwärtig, denn es gibt kaum ein Material, das so günstig herzustellen und dabei so vielfältig einsetzbar ist. Doch die praktischen Kunststoffe haben auch eine
Kehrseite: sie sind nur schwer abbaubar. Denn während organische Materialien langsam verrotten, kann Plastik nicht durch Mikroorganismen abgebaut werden. Wird der Plastikmüll nicht
korrekt entsorgt, verbleibt er deshalb für Jahrzehnte in unserer Umwelt. Mit der Zeit entstehen durch Abrieb und Sonneneinstrahlung immer kleinere Fragmente, die für das menschliche
Auge kaum noch sichtbar sind – das sogenannte „Mikroplastik“. Es ist mittlerweile überall in der
Umwelt nachweisbar.
A
uch über Pflegeprodukte gelangen kleinste Plastikteilchen in die
Umwelt, als Bindemittel oder Füllstoff sind sie in Bodylotions,
Make-up, Mascara und sogar in Shampoo oder Zahncreme zu
finden. Auch viele Reinigungscremes und Peelings werden mit winzigen
Kunststoffkügelchen angereichert, die als Schleifmittel dienen.
Über das Abwasser gelangt das zugesetzte Mikroplastik schließlich
in die Kläranlagen, doch die sind mit den winzigen Partikeln überfordert: Eine Pilotstudie des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum
für Polar- und Meeresforschung (AWI) ergab, dass herkömmliche Klärwerke das Mikroplastik nicht vollständig aus den Abwässern herausfiltern können. Die Plastikteilchen gelangen deshalb nahezu ungehindert
in Flüsse, Seen, Meere und ins Grundwasser.
Die Belastung ist enorm: An den Stränden Englands besteht bereits jedes zehnte „Sandkorn“ aus Plastik. Allein im Mittelmeer schwimmen ca.
250 Milliarden Kunststoffpartikel mit einem durchschnittlichen Gewicht
von je 1,8 Milligramm – eine unvorstellbare Zahl.
Mikroplastik belastet bayerische Seen
Plastikmüll ist längst kein reines Problem der Ozeane mehr, auch in den
Binnengewässern erhöht sich der Anteil kontinuierlich. Im Uferbereich
des italienischen Gardasees entdeckten Forscher im Jahr 2013 genauso viele Plastikteilchen wie an den Meeresstränden. Die winzigen Partikel geraten entweder direkt oder über Mülldeponien in den See und in
ufernahe Gebiete.
Auch die beliebten bayerischen Badeseen sind nicht so sauber, wie
es sich auf den ersten Blick vermuten lässt: Eine im Frühjahr 2015 veröffentlichte, vom Umweltministerium Bayern beauftragte Studie kam zu
dem Ergebnis, dass die bayerischen Gewässer „überraschend stark“
mit Mikroplastik belastet seien. Besonders viele Mikropartikel treiben im
Starnberger See, am Ufer fanden sich 831 Partikel pro Quadratmeter.
Der Müll zieht Umweltgifte an
Noch lässt sich das vollständige Ausmaß der Verschmutzung nicht erfassen, es gibt jedoch viele Hinweise auf die schädliche Wirkung von
Mikroplastik. Denn nicht nur das Plastik an sich enthält krebserregende
und giftige Bestandteile wie Bisphenol A, Styrolverbindungen oder
Weichmacher, sondern es zieht auch noch andere langlebige Umweltgifte wie das Insektizid DDT und krebsauslösende Chlorverbindungen
wie PCB an, die sich an der Kunststoffoberfläche ablagern. Werden die
winzigen Partikel von Fischen, Meeressäugetieren oder Vögeln mit ihrer
natürlichen Nahrung verwechselt, gelangen sie über die Nahrungskette
auch in den menschlichen Körper.
Partikel in Bier, Honig und Wasser
In unzähligen Nahrungsmitteln sind die Mikropartikel mittlerweile nachgewiesen worden, im Honig, im Mineralwasser und im Bier. Sogar in
der Luft ist bereits synthetisches Material nachweisbar. Wie sich diese
Belastung auf unsere Gesundheit auswirken wird, ist noch völlig unbekannt. Klar ist jedoch: Sind die Kunststoffpartikel erst einmal in unsere Umwelt gelangt, können sie dort kaum mehr – oder nur mit riesigem
Aufwand und hohen Kosten – wieder entfernt werden. Ein erster wichtiger Schritt wäre ein Verbot von Mikroplastik in Verbrauchsprodukten,
wie es mittlerweile auch vom bayerischen Umweltministerium gefordert wird. Für Verbraucherinnen und Verbraucher wäre dies keine Einschränkung, denn es gibt zahlreiche pflanzliche Alternativen.
Es ist an der Zeit, unseren sorglosen Umgang mit Plastik zu überdenken, damit noch eine Chance besteht, dieses globale Problem in den
Griff zu bekommen.
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Joy Mann
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06/2015
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Termine
Do., 09. Juli, 20:00 Uhr
Fr., 31. Juli (Anmeldeschluss)
Watermark (Filmreihe Green Visions)
„Mehr Grün für München“
Wasser hat die Oberfläche des Planeten
geschaffen und formt sie unablässig weiter. Wasser ist die Voraussetzung jeder
Existenz; ohne Wasser zerfällt alles zu
Staub. In spektakulären Bildern zeigt der
Film, wie Menschen mit Wasser umgehen
und damit die Welt verändern.
Die Regisseure Burtynsky & Baichwal dokumentieren, wie sich die Erde durch
menschliche Aktivität verändert – als Chronisten des ökokatastrophalen Zeitalters.
Bei dem Wettbewerb des Baureferats München sind komplett begrünte Höfe gefragt,
originell zusammengestellte Arrangements
aus Kübelpflanzen, liebevoll bepflanzte Beete, lauschige Sitzplätze oder einladend gestaltete Spielbereiche für Kinder.
Prämiert werden sowohl professionell angelegte als auch von Laien gestaltete Anlagen. Berücksichtigt werden außerdem persönliches Engagement und Kreativität. Es
winken Preise im Wert von 125 Euro bis
500 Euro.
www.mvhs.de
www.muenchen.de/gartenbau
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