Stichwort Unterdrückung Unterdrückung im homöopathischen Sinn ist ein Hinunterdrücken der Symptome in die Tiefe des Organismus. Dort schwelt die Erkrankung weiter und meldet sich verstärkt in anderer Form oder an anderer Stelle wieder. Stellen Sie sich vor, Sie drücken beim Baden einen Ball unter die Wasseroberfläche. Wenn Sie los lassen, springt der Ball aus dem Wasser. Dann versuchen Sie, den Ball in einem Eimer unter die Wasseroberfläche zu drücken. Was geschieht? Das Wasser wird verdrängt und quillt über den Rand hinaus. Sie müssen Kraft aufwenden, um dies zu erreichen. Die Krankheit eines Menschen bewegt sich ähnlich wie ein Ball auf der Oberfläche des Organismus. Der Organismus ist intelligent und hält die Krankheit in der für ihn unschädlichsten Weise. Lassen Sie diese Krankheit z. B. eine Erkältung sein mit Fieber, Schnupfen, Halsschmerzen. Wenn Sie den Organismus sich selbst überlassen oder ihn sanft unterstützen durch Naturheilmittel oder Homöopathie, wird die Lebenskraft des Patienten die Störung bald behoben haben (s. ,“Lebenskraft“, Globuli 3/1999, S.4). Wenn Sie dagegen die Krankheit möglichst schnell beseitigen wollen (damit Ihr Kind auch ja nichts in der Schule verpasst) und dem Kind auf ärztlichen Rat ein Antibiotikum geben, drückt dies die Krankheit mit Gewalt weg – nach innen in den Körper. Die Folge ist zwar ein erkältungsfreies Kind, aber sie merken, das etwas nicht stimmt. Vielleicht ist es müde, lustlos, reizbar, hat keinen Appetit, schläft schlecht, schwitzt viel oder fühlt sich sonst nicht wohl. Eine Unterdrückung hat stattgefunden. Die Erkältung kommt meist nach kurzer Zeit wieder, woraufhin wieder Antibiotika gegeben werden und so fort. Von außen nach innen Die Krankheit wendet sich nach innen und legt sich auf ein Organ, das aufgrund der individuellen Konstitution am wenigsten Widerstand leisten kann. Beispielsweise kommt es zu Mittelohrentzündungen oder eitrigen Mandelabszessen. Oft rät dann die Schulmedizin zur Mandeloperation. Damit verschwindet tatsächlich häufig die Erkältungsneigung. Dass Ihr Kind aber in der kommenden Zeit öfters gereizt und unruhig ist, in den Schulleistungen nachlässt, über Magenschmerzen klagt oder andere Probleme hat, halten Sie und ihr Arzt für eine andere Krankheit, oder Sie schieben es auf das ,,schwierige Alter“. Wieder hat eine Unterdrückung stattgefunden. Ein typisches Beispiel Viele Menschen werden fast verrückt durch den Juckreiz von Hautausschlägen und würden alles tun, um von dieser Qual loszukommen und – natürlich – wieder schön auszusehen. Denn ein Hautausschlag ist auch ein Makel. Man wird von den Leuten gemieden (so denkt man) oder nicht als vollwertig akzeptiert, man mag sich schließlich selber nicht mehr. Hier liegt es doch nahe, das der Arzt alles unternimmt, um dieses Leiden von der Haut zu vertreiben. Er hat starke Medikamente: Antihistaminika, Cortisonsalbe etc. Schließlich, nach einigen Monaten, hat er es meist geschafft, der Hautausschlag samt Jucken ist verschwunden. Aber auch dieses Mal hat eine Unterdrückung stattgefunden. In der Folge entwickeln sich oft asthmaähnliche Beschwerden. Bald sind neue Medikamente erforderlich. Mit Asthma ist der Betroffene kränker als mit dem Hautausschlag. Gelingt es, auch das Asthma zu unterdrücken, kann es zu epileptischen Krampfanfällen kommen. Sie sehen, die Krankheit wird immer schlimmer, die Lebenskraft wird immer schwächer. Der andere Ansatz der Homöopathie Die Homöopathie versucht, Unterdrückungen von vornherein zu vermeiden. So behandelt sie nicht die einzelnen Symptome – also die Anzeichen der Erkrankung-, sondern unterstützt mit dem auf den Patienten passenden Arzneimittel das Wirken seiner Lebenskraft, damit diese mit der Krankheit fertig wird. Hat aber bei einem Patienten bereits eine Unterdrückung stattgefunden, sind die ursprünglichen Krankheitszeichen nicht mehr direkt zugänglich. Sie präsentieren sich ja jetzt mit einem anderen Erscheinungsbild. Unter dem individuellen Konstitutionsmittel dringen im Laufe der Behandlung die ursprünglichen Krankheitszeichen nach und nach aus der Tiefe wieder hervor – in dem Maße, in dem sich die später entstandenen Symptome bessern. Das macht eine homöopathische Behandlung manchmal langwierig. Dafür vermag eine gestärkte und von der blockierenden Unterdrückung befreite Lebenskraft die Gesundheit von Grund auf wieder herzustellen. Dazu müssen Sie als Patient Offenheit gegenüber dem Homöopathen und Geduld aufbringen. Aber sobald sich die Krankheit löst und die Beschwerden weg zu schmelzen beginnen, werden Sie spüren, wie allmählich Ihre alte (Lebens-)Kraft zurückkehrt, wie neuer Lebensmut Sie durchflutet. Unterdrückungen der Seele Für die seelische Ebene hat Sigmund Freud (1856-1939) die Mechanismen der Unterdrückung von Symptomen bereits Anfang des 20. Jahrhunderts erkannt. Autoritäre Erziehung, die nicht auf die Bedürfnisse des Kindes eingeht, oder andere dominierende Einflüsse im Leben können einem Menschen unerträgliche Zwänge aufpfropfen. Seine Seele wehrt sich. Unter Fesseln, die wir nicht mehr bewusst wahrnehmen, leiden wir auch nicht mehr. So glauben wir. Die Psychologie nennt diesen Prozess ,,Verdrängung“. Verdrängungen sind ein Nährboden für Neurosen und Ängste. Sie melden sich aus der Tiefe immer wieder. Sie versuchen in Worten, Bildern und Träumen wieder an die Oberfläche zu kommen. Wir merken vielleicht noch, dass unsere Worte, Gedanken, Verhaltensweisen (selbst)zerstörerisch sind, aber wir können nichts mehr dagegen tun. Ähnlich dem Beispiel vom Ball im Eimer voll Wasser, braucht unser Bewusstsein immer mehr Kraft, die Meldungen aus dem Unterbewusstsein unten zu halten. Unser Leiden verschlimmert sich. Gleich, ob es sich um körperliche oder seelische Unterdrückungen (Verdrängungen) handelt, die Homöopathie wirkt nach demselben Prinzip. Mit Hilfe des konstitutionellen Mittels vermag der Leidende die Unterdrückungen sowie seine bisherigen, offenbar untauglichen Bewältigungsstrategien zu erkennen und sich damit auseinander zu setzen. Das Konstitutionsmittel wird in ihm Kräfte mobilisieren, mit seinem Problem gelassener und aktiver umzugehen. Im Lauf der Zeit wird er spüren, dass er auf dem Wege zur Gesundung ist . Schnelle Wunder sind nicht zu erwarten, aber eine Wendung hin zum Guten. aus > Globuli < 3/2001
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