Volksliedaufzeichnungen aus Liechtenstein von Josef Bitsche In memoriam Dr. h. c. David Beck Volksliedaufzeichnungen aus Liechtenstein von Josef Bitsche Es empfiehlt sich, einem Aufsatz über Volkslieder eine kurze Begriffsbestimmung voranzustellen; die Erfahrung zeigt nämlich, dass jeder Leser oder Zuhörer sich darunter etwas anderes vorstellt. Über den Begriff «Volkslied» ist schon 1911 ein ganzes Buch geschrieben worden. ) Doch tauchten auch nachher noch verschiedene Theorien auf, die mitunter heftig bestritten wurden. Diese Kämpfe gehören jetzt wohl der Geschichte an. Heute zählt man den Volksliedern zu, was tatsächlich von Angehörigen der unteren Volksschichten — den Unstudierten — ersonnen und weitergetragen wurde und jene Gesänge aus dem Liedschatz gebildeter Kreise, die vom einfachen Volke übernommen und nach eigenem Gutdünken zurechtgesungen wurden. In Einzelfällen darf man auch unverändert übernommene Lieder dazuzählen, so etwa Goethes «Heidenröslein» und Heines «Lorelei». ) Dass gerade diese Lieder vom Volke nicht «zerzaust» wurden, liegt an der wirklich volksnahen Text- und Melodiegestalt, ferner an der weiten Verbreitung durch Schulbücher oder andere Sammlungen volkstümlicher Lieder und schliesslich an der Ehrfurcht vor dem gedruckten Wort, die auch heute noch einem Grossteil des Landvolkes innewohnt. 1 2 Auch inbezug auf die Verbreitung und das Leben des Volksliedes mussten wir alte Vorstellungen berichtigen. In früheren Zeiten sang wirklich das ganze Volk in Stadt und Land (Großstädte im heutigen Sinne gab es damals noch nicht). Heute ist das Volkslied in den Grossstädten wirklich tot, in Kleinstädten und in Durchzugsgebieten scheintot, auf dem Lande führt es ein Aschenbrödelleben. In verkehrsreichen Gebieten war schon früher ein rascheres Kommen und Gehen der Lieder festzustellen; in Seitentälern aber, abseits der Heerstrasse, hiel49 ten sich die Lieder länger. Mittelalterliches Liedgut findet man heute nur noch bei den Bewohnern deutscher Sprachinseln im ehemaligen Ungarn und in Krain. Begreiflich, dass diese ausgewanderten Schwaben mitten in fremdsprechenden Völkern ihr vor 200 Jahren mitgebrachtes Liedgut wie einen kostbaren Schatz hüteten, umsomehr, da sie aus der Heimat kaum mit neuen Liedern bedacht wurden. Wie steht es nun mit dem Volkslied in Liechtenstein ? Schaan, Vaduz und Triesen dürften wohl als Durchzugsgebiete zu betrachten sein, während die entlegeneren Landgemeinden als Rückzugsgebiete gelten dürften. Es ist wohl kein Zufall, dass die Melodie zum Alpsegen in Balzers aufgezeichnet werden konnte. Und Alfred Hemmerle stammte aus Triesenberg. Auf beide werden wir noch zurückkommen. Abschliessendes kann hiezu nicht gesagt werden, da es bisher an Vorund Einzeluntersuchungen fehlt. Beim Durchmustern der Jahrbücher des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein fällt auf, dass nur selten Mitteilungen über das musikalische Volksgut der Bevölkerung aufscheinen. Im 16. Jahrbuch findet sich eine grössere Arbeit von Dr. A. Schädler über «Liechtensteinische Volksbräuche und Volkssagen», in der auch einige Lied- und Tanzstrophen sowie Kinderliedchen Platz fanden. Im Jahre 1931 veröffentlichte Hof rat August Mayr ein «Hirtenave aus Liechtenstein», das unter geändertem Titel auch in der Wiener Zeitschrift für Volkskunde erschienen ist. ) In beiden Zeitschriften fehlten aber die Melodien. Erst sechs Jahre später gelang es Prof. Dr. Georg Kotek aus Wien, in Balzers dem Sennen David Büchel die dazugehörige Weise zu entlocken. Der erste Abdruck der Melodie — natürlich auch mit den schönen Worten des Abendsegens — erfolgte 1938 in einer Wiener Fachzeitschrift. Später finden wir sie auch in Büchern. ) Dr. Kotek hat ausserdem «Volkslieder aus dem Fürstentum Liechtenstein» aufgezeichnet und veröffentlicht; es sind dies die übermütigen Liedchen: :i 4 50 Mätele, nümm a Vadozna Buab . . . Du hascht gmänt, du heischt mi gfanga . . . A Burabüable mag i net . . . ) 5 * ** Als ich einmal meinen lieben Freud Dr. h. c. David Beck fragte, ob in Liechtenstein nicht noch mehr alte Lieder aufzutreiben wären, sagte er kurz: «Komm mit, ich führe dich zu einem alten Sänger, der kennt eine Menge solcher Dinge». So besuchten wir denn am 7. April 1961 gemeinsam den Schustermeister Alfred Hemmerle in Vaduz. Er war schon weit über achtzig. In seinen jüngeren Jahren hat er sehr viel gesungen und musiziert, und ich durfte hoffen, wirklich wertvolles Liedgut von ihm zu hören. Diese Erwartung wurde vollauf erfüllt. In ein paar kleinen Notizbüchlein hat er seinen teuren Schatz geborgen. Mit Bleistift waren die meisten Texte eingeschrieben, Noten fehlten, die hatte er im Kopf. Daran ist ein Volksliedsammler gewöhnt. Da zückt man eben seinen eigenen Stift und bittet die Gewährsleute, ein paar Liedchen vorzusingen, etwa dieses, oder jenes, und auf jeden Fall das da . . . Meister Hemmerle zierte sich gar nicht; er machte nur bescheiden darauf aufmerksam, dass seine Stimme heute eben nicht mehr die beste sei und dass wir mit dem zufrieden sein müssten, was ihm noch einfalle und wie er es mit achtzig Jahren darbieten könne. So sang er ein Liedchen nach dem andern; und als wir ihn verliessen, hatte ich 13 Lieder und einen Sechserwalzer in der Tasche, der sich auf einem Blatte auch noch gefunden hatte. Einiges davon sei an dieser Stelle wieder in Erinnerung gebracht. -x *• * Aus der benachbarten Schweiz stammt ein Kuhreigen, der auch nach Vorarlberg herüber wanderte. In dem reichhaltigen Liederbuche «Schwyzerschlag» trägt es den Vermerk: «Appenzeller Weise nach Glutz-Blotzheim, Solothurn (1789 — 1872)».'*) Die Melodie erscheint in Liechtenstein (und auch im «Ländle») wesentlich vereinfacht, aber keineswegs schwach. 51 3 Morgens fruah, eh' d ' Sonna lacht und sich alles f4—t—f- - J — lustig macht, goh - n - i da Küahna usi, C r J1 J JM' 1 = ^ z u laß mar uf der Weid' hat der » * ''-t-j-J. J[ J J J J = • he, 4= ab am Tau •' net grus.i; bi deana Küahna Senn sei Freud'. Je ju - he, ju S ju - he, je ju - he, je ju - he, bi deana Küahna " uf der Weid' hat der Senn sei 1 I Freud'. 2. 1 ha's wohl denkt, es käm dazua, daß i gab an Küaherbua, uf am Bergli ist guat leba, nei, ma jauchzet net vergeba, bi deana Küahna uf der Weid' hat der Senn sei Freud'. Je . .. 3. Glöb und Blösch und Spiaß und Stern, kommet her, i g'seh euch gern, luagat no, i ha kan Stecka, i der Tascha han i i's Lecka, kommet, kommet alle zua, i ha Sacha gnua. Je . . . 4. Luagat au mi's Gretli a, wia es si scho schicka ka ! 52 Es ka melcha, es ka käsa, Niedel schwinga mit am Bäsa; alles, was ma könna muaß, ist am au ka Buaß. Je . . . 5. Jo, a Maitschi han i do, 's git bigost grad wenig so; wenn ma uf am Berg will bliba, muaß ma epa trachta z'wiba, muaß a Senn a Maitschi ha, das brav schaffa ka. Je . . . Das folgende Lied dürfte ein alter Schlager einer nicht genau zu bestimmenden Zeit sein. Man ist geneigt, etwa die letzten Jahrzehnte des vergangenen Jahrhunderts anzunehmen. Was sagt —,—, steht f man denn, was hört man denn, • 11 es in J der Welt ? I 1 • > • » • 1 schlägt auf, die Krämer 53 Geld, i) f. : »—* 1 . 1 ^ • —— lösen Geld. Geld, £3E B Geld, ja \ 1= * = du nicht bist, ——m Welt. 1 Die Zeitung schreibt, die —^ War' 1 f™7<-^ *< wie du regierst die Welt; wo =t=± ist Lumperei wohl auf der ganzen 1 Welt. 53 2. Geld von Silber und von Gold hat schon viel Unheil gstift', daß man es verwünschen soll, wo man es nur antrifft. Geld . . . 3. Und gehen wir zum Krämer hin im Notfall um a Kleid, da heißt es gleich: Hab'n Sie a Geld, ich geb' ja nichts Beid. 4. Und gehen wir ins Wirtshaus, der Herr den Arm ausstreckt, die Wirtin lacht voll Freundlichkeit, dem Gast die Nase lachst (?). 5. Und fängt amol das Zahlen an und hat man gleich ka Geld, da macht der Wirt a saubers Gsicht, er schimpft und flucht die Welt. 6. Und gehen wir zum Doktor hin, der weiss gleich, was uns fehlt, und gehen wir in d'Apothek', da braucht ma halt a Geld. 7. Wenn einer amol as Wible nimmt, da schaut er halt aufs Geld, der Ehestand ist ohne Geld a sehr schmale Welt. 8. Wie Schreiens doch die viela Köpf alltäglich um a Brot, denn hier ist kein's, und dort ist kein's, im ganza Haus ist Naff. (?) 9. Und wenn's amol zum Sterba kommt, da verlangt man halt a Geld, denn weil der Pfarrer ohne Geld ja keine Messe hält. 10. Drum singet recht und pfeifet hoch: Verdient euch wacker Geld, weil das das Allerbeste ist wohl auf der ganza Welt. Geld . . . Es folgt nun ein Liebesliedchen, dessen Herkunft noch im Dunkeln liegt. In Vorarlberg kennen wir Aufzeichnungen aus Bludesch (1881) und Nüziders (1905). Vöglein, der, flieg flieg zu fort, der Vöglein, Liebsten —i nieder ! Schau, was sie l gut, 54 ob sie an mich tut, hin, setz komm wie- dich dort - 1—fcr ob sie mir fern auch ! gedacht, - Voglern, gib acht ! 2. Vöglein, flieg fort, Vöglein, komm wieder, nimm meine Lieder all auf dein Gefieder. Wenn sie dich fragt und dir viel Schönes sagt, bring mirs in raschem Flug; Vöglein, sei gut ! 3. Vöglein, flieg fort, Vöglein, komm wieder, nimm meinen Liebesgruß auf dein Gefieder, sag: Er ist dein, kann ohne dich nicht sein, leb(t) nur allein für dich. Vöglein so sprich ! Fast in allen älteren Liedhandschriften Vorarlbergs findet sich ein sehnsüchtiges Liebesliedchen aus der Zeit um 1840. Meist beginnt es mit den Worten: «Von dir geschieden, bin ich bei dir», zuweilen steht die 3. Strophe am Anfang. In dieser Gestalt sang es Meister Hemmerle: ) 7 5 ± ge denk' 5 ^ Dein ich, wenn 5 ^ ich er - wach', 1 du bist mein Stern in 7 LU - £ dunkler Nacht. Am blauen ÜEE3E Himmel seh' ich dein Bild, dein Bild; beim Sternen- Schimmer strahlst du mir mild. • 2. Ja, ich muß scheiden, muß von dir fort, hör' nicht mehr dein süßes Wort. Ja, wo ich gehe, seh ich dich nicht (ja nicht), die du mein einzig, mein alles bist. 3. Nun geschieden bin ich von dir, wo du auch bist, ist mein Herz bei dir ; glückselige Stunde, o kurzes Glück (ja Glück), kehr du mir einmal doch nur zurück ! 55 Nun folgt ein Liebeslied dessen Text etwas entstellt ist: in der 2. und 3. Strophe wäre sinngemäss zu lesen: . . . so lange die jungen Leute ledig sind. . . , so bald sie aber verheiratet sind . . . In diesem Liede zeigt sich, wie sprunghaft das Denken des Volkes manchmal sein kann. Gewiß haben alle Gesätze ursprünglich einen Sinn gehabt, weil aber einzelne Strophen ausfielen, entbehrt das Liedchen heute eines logischen Aufbaues und nimmt sich fast so aus wie «zusammengesungene» Lieder, die nach dem Grundsatz des gewitzten Schneiderleins zusammenwuchsen: «Do a Fleackle, döt a Fleackle, git bis z'letzt a Underröckle». In unserm Falle ist ein völlig neues Liedchen entstanden: ) 8 Cfe i Zwei weiße t ^ ich hab sie V ^=5 *- Röselein t keine du alleine mehr ichs gefunden, L abgepflückt, sie 3 Nur hab sind ^ bist meine auf verschwunden. dieser Freude, sonst hab' ich Welt. 2. Als ledig heißen — die Mädchen küssen, und als verheirat' sein —- die Weiber lieben. Nur du. . . 3. Als ledig heißen: du holdes Täubchen, und als verheirat' sein: verfluchtes Weibchen ! Nur du . . . 4. In einem Kahne, da schwimmen Enten, und unsere Liebe, die wird niemals enden. Nur du . . . 56 Nun kommen wir zu einem eigenartigen Liede, bei dem mancher fromme Leser oder Hörer die Stirne kraus ziehen wird. Man muß Humor haben, um sich an derlei Liedern nicht zu ärgern. Wenn ich es trotzdem hier mitteile, so geschieht es, um ein neues Verbreitungsgebiet des Liedes nachzuweisen und zu den bisher bekannten Texten der guten alten Zeit des Biedermeier eine noch aus lebendem Munde aufgezeichnete Weise zu veröffentlichen. Es handelt sich dabei um ein Lied, in dem wieder einmal der hl. Petrus aufs Korn genommen wird. Dazu einige Fesstellungen. Sankt Peter ist schon bald ein Jahrtausend lang eine Lieblingsfigur deutscher Volksdichtung. Schon lange vor der Reformation machte man sich über ihn ein bisschen lustig. In den alten Osterspielen etwa nach 1100 mußte Petrus am frühen Ostermorgen zum offenen Grabe des Heilandes hinkeri ). Möglich, daß der erste Kleriker, dem diese Rolle zugedacht wurde, von Natur aus einen verkürzten Fuß hatte und deshalb nicht anders konnte. Jedenfalls mußten die späteren Träger der Petrusrolle ebenfalls hinkend mit Johannes zum heiligen Grabe eilen. Auch späterhin mußte der hl. Petrus manches hören, obwohl gewiß niemand spotten wollte. Erst seit dem siegreichen Fortschreiten der Reformation tritt manchmal ein unangenehmer Zwischenton zutage. Wie Hans Sachs mit ihm umsprang, ist hinlänglich bekannt. Mittlerweile hat sich Sankt Peter im Laufe der Jahrhunderte an derartige Sticheleien gewöhnt und tröstet sich mit dem beliebten Sprichwort: Was sich neckt, das liebt sich. Wohin käme die Menschheit, wenn der himmlische Torwart alles tragisch ernst nähme ? ] Unser Lied findet sich erstmals gedruckt in Aloys Blumauers Gedichten. ) Bei diesem Manne, dessen scharfer Witz nicht selten in öde Witzelei ausartete, der als ehemaliger Jesuiten-Novize und späterer Freimaurer sich immer mehr von der gebotenen Ehrfurcht entfernte, kann man kaum für lautere Gesinnung allem Religiösen gegenüber gutstehen. Das ist aber schliesslich nicht das Entscheidende; wesentlich ist, wie sich Sänger und Zuhörer von heute zu derartigen Liedern stellen. Man kann sie singen, ohne etwas Böses zu denken; wer sich aber dabei über mangelnde Ehrfurcht vor Gott und seinen Heiligen ärgert, dem ist nicht gut zu widersprechen. Wenn keine offensichtliche Bosheit vorliegt, tröste ich mich bei derlei Gelegenheiten mit der Feststellung, daß auch die lieben Heiligen einmal Menschen waren und daher nicht 10 57 immer den strengsten Maßstab an unser Tun und Lassen legen werden. Und Sankt Peter ist, wie schon gesagt, diesbezüglich schon etwas abgebrüht, und wenn er besonders gut aufgelegt ist, lacht er sicher nach Kräften mit, denn er war bestimmt kein Sauertopf ! Alfred Hemmerle sang das Lied von «Petrus und Malchus» wie folgt: Als die Juden unsern p 7i > — j — h g'habt, da liefen die Jünger j rg'fangcn jhab'n — Herrn hab'n m da - von. • — l - Den Petrus ll)t - .—1 'fr einer beim Mantel er- tappt : Gelt, Glatzkopf, jetzt ^ H ? haben mar di schon ! 2. Der Petrus zieht hurtig sei Seiteng'wehr 'raus und zeigt sei Gurasche als Ma, haut rechts und haut links und schreit: Flegel, laß aus, sonst kommst mar, mei Seel', bös an ! 3. Schau, wie si der Glatzkopf so mausig da macht! schreit Malchus und lacht überlaut. Platsch, wird ihm vom Petrus bei finsterer Nacht der Ohrwatschelwurz aweck g'haut. 4. Der Malchus schreit gräßlich: Au-wai, au-wai! jetz bin i a gschlagna Ma ! 58 hat und bat glei den Herrn mit Zetergeschrei: Geh' heil mir mei Loser da an ! 5. Der Meister heilt plötzlich dem Malchus sei Ohr, als war ihm kei bißle dra gschehn; und Petrus streckt greuli den Kragen empor und läßt sich fuchsteufelswild sehn. 6. Was hat mi denn jetzt mei Haua da gnutzt ? Da war i an rechta Schwanz ! Wenn i so an Sakra-Kerl z'sammabutz, so machst a du wieder ganz ! Bei Blumauer, dessen Text unleugbare Ähnlichkeit mit dieser Gestalt des Liedes aufweist, stehen noch einige Strophen mehr; auf das 2. Gesätz folgen dort noch drei weitere: Da gab ihm der Moasta den Deuta und sprach: Geh' Peata, steck eini dein Schwert; du Sprudelkopf, kommt dir glei 's Feuer ins Dach ? Dein Hitz' ist kein Pfifferling wearth. Moanst, könnt mir nit selba glei schaffn Ruah, wenn i mi lang wöhra do möcht ? Mein Vota göb selba Soldata dazua vom Himmel, — du warst mir der Recht'! Da nun das 'n Peata gar g'waltig verdroß, daß er gar der Niemand soll seyn, pumps, goht er no oamol aufs Judag'sind los und haut jetzt recht lästerli drein. Und die Schlußstrophe lautet bei Blumauer: Der Moasta sprach: Peata, schweig, red nit so dumm, und steck jetzt dein Saberl in d'Scheid; denn wer damit dreinschlagt, der kommt damit um; das merk dir, und weard einmol gscheid ! In diesem Zusammenhang muß auch die Fassung des Liedes im «Wunderhorn» erwähnt werden. Wieder sind nur geringe Abweichungen in den sechs Vaduzer Strophen festzustellen, während die übrigen Gesätze mehr von Blumauer abrücken. ) 11 59 Zusammenfassend kann gesagt werden, daß dieses Lied aus den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts stammt. Die Frage, ob Blumauer wirklich der Verfasser oder nur der Bearbeiter eines schon im Volke lebenden Liedes war, kann kaum entschieden werden, solang keine wesentlich älteren Handschriften aufgefunden werden. * *x In Hemmeries Liederbüchlein fanden sich auch noch andere Lieder, die einer Erwähnung wert sind: «Das Essen nicht das Trinken bracht' uns ums Paradies». So beginnt ein fröhliches Gesellschaftslied. Es führt uns im Geiste von Adam und Noe direkt zum «Heidelberger Faß». Der Text stammt von Wilhelm Müller, die Weise von Schneider. Es ist nachzulesen in der «Lahrer Bibel» ) 12 Wohl in allen Studentenliederbüchern findet sich das unbekümmerte Liedchen: «Ein Heller und ein Batzen, die waren beide mein». Text von A. Schlippenbach. Zwei vorzügliche Strophen dürfen nicht unterschlagen werden: 2. Die Mädel und die Wirtsleut', die rufen beid': O weh ! die Wirtsleut', wenn ich komme, die Mädel, wenn ich geh'. 5. Das war 'ne rechte Freude, als mich der Herrgott schuf: 'n Kerl wie Samt und Seide — nur schade, daß er suff! ) 13 Ein Loblied auf das Kanapee beginnt mit den Worten: Will mich einmal ein guter Freund besuchen, so soll er mir willkommen sein. ) 14 Der Text steht den beliebten Chansons nahe, die von den Grossstädten auch ins Land hinaus wanderten. Sie sind meist für den Sologesang eingerichtet und atmen «Brettl-Luft». Die Weise ist etwas eintönig. Entstanden in Berlin 1873. Sehr verbreitet und meist wenig von der Urgestalt abweichend ist das volkstümliche Lied: Freund, ich bin zufrieden, geh es wie es will. 60 Den Text schrieb Pfarrer J. Heinr. Witschel kurze Zeit vor 1800; die Melodie dürfte um 1820 herum entstanden sein. Ein Abdruck erübrigt sich an dieser Stelle, weil das Lied fast in allen älteren Liederbüchern aufscheint. ) 13 Die Brücke zur Gattung der erzählenden Lieder mag ein neuerer Gesang bilden, der in den Rheingegenden beheimatet zu sein scheint. Wir finden das Lied auch in manchen handschriftlichen Liederbüchlein Vorarlbergs. Es erweckt den Eindruck, als ob es sich hier um eine «entschärfte» Verführungsgeschichte handle. Es gab mitunter Zeitläufe, in denen die Prüderie Triumphe feierte. So naiv wie der Text ist auch die Weise: denkbar einfach aber gut sangbar: ) 10 1. Ein Schäfermädchen saß im Grünen und pflückte sich der Blumen viele; sie dachte wohl in ihrem Sinn: O, wär ich eine Jägerin ! 2. Als sie nun so saß in Gedanken, da kam ein Jäger um die Ranken; er sah sie an und sie ihn auch: Mein Kind, du bist des Jägers Braut! 3. Er setzte sich zu ihr nieder und küßte sie und sie ihn wieder; er fragte sie dann so geschwind: Wo wohnest du, mein holdes Kind ? 4. Er führte sie dann durch die Fluren und zeigte ihr die schönsten Blumen; er führte sie zum Traualtar, wo beide freudig sprachen: Ja ! In allen deutschen Gauen war einstmals sehr verbreitet das Lied vom edlen Räuber Rinaldo Rinaldini und seiner treuen Braut Rosa. «Gangsterliebchen» würde man sie heute nennen ! Der Text entstammt einem Erfolgsroman von Goethes Schwager Christian Aug. Vulpius 1800. Das Lied beginnt mit den Worten: 61 In des Waldes tiefsten Gründen, in den Höhlen tief versteckt, schlief der kühnste aller Räuber, bis ihn seine Rosa weckt. ) 17 Die weiteren Strophen können in allen Liedersammlungen des 19. Jahrhunderts nachgelesen werden. Die Weise mußte später auch dem beliebten Liede «Preisend mit viel schönen Reden . . . » von Justinus Kerner dienen. ) 18 Von hier aus ist's nicht mehr weit zur Moritat. So werden Lieder genannt, die stark kriminellen Einschlag haben und früher auf allen Jahrmärkten von Bänkelsängern zur Belustigung und Abschreckung vorgetragen wurden. Bei Meister Hemmerle fand ich zwar kein Lied solcher Art, wohl aber eine saftige Parodie auf derartige «Blüten deutscher Reimkunst». Die Einführungsstrophen seien mitgeteilt, der «Fall an sich» ist uninteressant. So manche grause Moritat passiert noch heut, die über viele Menschen bringet Not und Leid: der Vater bringt die Kinder um, die Frau den Mann, und mancher aus Verzweiflung fängt das Saufen an. So hat nun in jüngster Nacht einer eine Tat vollbracht: grausig, lausig, ruppig, struppig, hundsgemein, sperrt sein Weib in den Keller ein, rupft sie, stupft sie, knüpft sie, pufft sie, murkst sie ab, bis sie ihren Geist aufgab. ) 19 So gehts weiter durch 14 Strophen ! ! Man sieht, dieses Lied ist nicht ernst zu nehmen; der Verfasser will durch Häufung tollster Begebenheiten die ganze Gattung der Moritaten lächerlich machen. Ob es ihm gelungen ist, lässt sich füglich bezweifeln. Der Teufel lässt sich nicht durch Beelzebub austreiben. Versuche es heute jemand, die blöden Schlagertexte zu verulken; es kann ihm passieren, daß er daraufhin in allem Ernst als größter, d. h. derzeit größter Held des Tages gepriesen und auf den Schild erhoben wird. Gegen Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens. 62 Überblickt man rückschauend die Reihe dieser von A. Hemmerle gesungenen Lieder, so fällt auf, daß verhältnismäßig viele Studentenlieder dabei sind. Hatte er in seinen jungen Jahren Umgang mit einem Studenten ? Fiel ihm zufällig ein Kommersbuch in die Hände ? Diese Fragen könnten am ehesten in seiner engeren Heimat von Verwandten beantwortet werden. Zum Abschluss sei für die Freunde des Volkstanzes noch der Sechserwalzer mitgeteilt, der sich auch unter den Papieren Alfred Hemmeries befand: 63 ANMERKUNGEN ') P. Levy, Geschichte des Begriffes «Volkslied», 1911. -) Das «Heidenröslein» war ursprünglich ein Volkslied. Goethe hat es im Elsaß aus dem Munde des Volkes aufgezeichnet, leicht überarbeitet und dann u n b e k ü m m e r t in die Ausgabe seiner Gedichte aufgenommen. (Volkslied-Fassung abgedruckt bei Herder, Volkslieder II. Nr. 23). 3 ) Mayr Aug., Das Hirtenave aus Liechtenstein. Jhb. d. Hist. Ver. f. d. Fürstentum Liechtenstein 1931, S. 103. — Ein Walliser Hirten-Ave aus Liechtenstein. Zeitschr. f. Volkskunde, Wien 1931, S. 89. — Es wäre einmal zu untersuchen, ob und inwieweit dieser Alpsegen mit spätmittelalterlichen Heische-Sprüchen in Zusammenhang steht. Man vergleiche damit etwa das «Klopfan-Lied» von Hans Rosenplüt (Schnepperer) aus dem 15. Jahrhundert Klopf an, klopf an ! ein selig neus Jahr geh dich an ! Alles, das dein Herz begehrt, des wirst du zu diesem Jahr gewährt. Klopf an noch mehr ! dass dir widerfahr alle Ehr' und alle Glückseligkeit, des helf uns Maria, die reine Maid ! der lieb Herr Sant Sebold, der behüt' uns und hab' dich hold ! der lieb Herr Sant Moritz, der behüt' dir Sinn und Witz ! und die elftausend Maid' behüten dich vor allem Herzeleid ! der lieb Herr Sant Veit, der behüt' dich zu aller Zeit ! der lieb Herr Sant Martein, der müss' allzeit dein Gefährte sein ! Sant Niklas, der heilig Himmelsfürst, der bescher' dir Wein gnug, wenn dich dürst' ! Gott w i l l dir geben als viel Ehr'n, als manig der Himmel hat Stern', und so viele gute Zeit, als viel Sandkörnlein i m Meere leit, und darnach das ewig Leben, das müss' dir Gott mit Freuden geben ! das wünsch ich dir zum neuen Jahr, sprich amen, dass es werde wahr ! (Aus: Von der Leyen, Deutsche Dichtung d. frühen und hohen Inselverlag Frankfurt, S. 724 f.). Mittelalters, 65 4 ) Kotek G., Alpsegen aus Liechtenstein. Das deutsche Volkslied 1938, S. 135. — Volkslied und Volksmusik. In: Österr. Volkskunde f. jedermann, hg. v. Adolf Mais, Wien 1952. S. 309. Zoder R„ Volkslied, Volkstanz u. Volksbrauch in Österreich, Wien 1950, S. 108. Hensler Anna, Der Liechtensteiner Alpruf. In: Feierabend 1932, S. 198. (Wochenbeilage z. Vorarlbg. Tagblatt). Teilabdrucke i n : Klier K. M., Volkstümliche Musikinstrumente in den Alpen. Kassel-Basel 1956, S. 26. Schwendinger Klara, Besondere Gedenkstätten. (Montfort 1965, Heft 3, S. 291. ) Kotek G., Volkslieder aus dem Fürstentum Liechtenstein. In: Das deutsche Volkslied, Jhg. 1938, S. 133 ff. °) Kubat J., Schwyzerschlag. Schweizer Volkslieder. Leipzig 1923, S. 273. Gaßman A . L., 's Alphorn. Zürich-Leipzig 1913, S. 34. 5 7 ) Erk-Böhme, Deutscher Liederhort IL S. 393. ) Erk-Böhme, Deutscher Liederhort II. S. 446. •'>) Hartl E., Das Drama des Mittelalters I. S. 123. (Deutsche Literatur in Entwicklungsreihen, hg. v. H . Kindermann. Leipzig, 1937). s 10 ) Blumauers sämtliche Werke (in 9 Teilen, geb. in 3 Bänden). Wien 1809 (3. Aufl.) Teil 7, S. 57. Schmidt L., Blumauer u. d. Volkslied, In: Germanisch-romanische schrift 1940, S. 87 - 100. Monats- Das deutsche Volkslied X V . 1913 S. 184. Lesart aus St. Pölten; auch die Melodie ist der Vaduzer Weise sehr ähnlich. Das Lied stammt wahrscheinlich aus der Gegend von Salzburg od. der bayrischen Nachbarschaft; dann wäre Blumauer natürlich nur Bearbeiter. n ) Arnim-Brentano, Des Knaben Wunderhorn, alte deutsche Lieder . . . , hg. v. Ed. Grisebach. Leipzig 1906. S. 260. 12 ) Lahrer Bibel = Allgemeines deutsches Commersbuch. Unter musikalischer Redaction v. Fr. Silcher u. Fr. Erk. Zitiert nach d. 25. A u f l . Lahr 1883, S. 469. 13 ) Lahrer Bibel S. 502. Die Melodie klingt anders. ") Böhme F. M . , Volksthümliche Lieder der Deutschen. Leipzig 1895, S. 535. 1S ) « S. 218. 10 ) « S. 123. « S. 112. « S. 10. ,7 ) 1S ) 19 ) Lahrer Bibel (s. Nr. 12) S. 60. Mit n ä h e r e n Angaben, die aber fingiert sein können. • Anschrift des Verfassers: 66 Josef Bitsche, Schulrat, A - 6850 Dornbirn IL, Dammstraße 4
© Copyright 2024 ExpyDoc