Informationen für Freunde der Herrenhäuser Gärten e.V. Ein „Kleines Fest“ für die „Freunde“ Clownerie, Magie, Musik und Poesie im Großen Garten Den Geist von Leibniz neu beleben Interview mit Marlis Drevermann, Kulturdezernentin von Hannover, über den Neubau des Schlosses in Herrenhausen Vom Garten beseelt Die Hofgärtner-Dynastie Wendland lenkte 125 Jahre lang die Geschicke der königlichen Gärten Der Bergarten Vom königlichen Pflanzen- und Obstlieferanten zum botanischen Schaugarten Ausgabe 02 / 2009 Liebe Freunde der Herrenhäuser Gärten, Am Anfang meines Grußes an Sie steht ein herzliches Danke schön! Ich danke allen, die mitgeholfen haben, die „Schöne von Herrenhausen“ am Leben zu erhalten. Dank Ihrer Spende war der Verein „Freunde der Herrenhäuser Gärten e.V.“ in der Lage, eine neue Antriebstechnik für die Große Fontäne installieren zu lassen. „Wasser marsch!“ hieß es Ende März, und pünktlich zum Saisonbeginn schoss die Große Fontäne hoch – kraftvoll, stolz und weithin sichtbar. Für mich ist diese erfolgreiche Spendenaktion gleichzeitig ein Zeichen für die enge Verbundenheit unseres Vereins mit den Herrenhäuser Gärten, die in diesem Sommer wieder ihre volle Pracht entfalten. Sepp D. Heckmann Vorsitzender des Vereins „Freunde der Herrenhäuser Gärten“ Wir werden weiter an dem Ziel arbeiten, die Herrenhäuser Gärten durch eigene Aktionen und Marketingstrategien ins Bewusstsein der Hannoveraner zu tragen. Wir möchten die Spitzen unserer Stadt noch mehr für Herrenhausen begeistern und sie als Repräsentanten in einem noch zu gründenden Kuratorium aufnehmen. Natürlich werden wir den Wiederaufbau des Schlosses begleiten. Über den Stand der Planungen finden Sie in dieser Ausgabe ein Interview mit Marlis Drevermann, der Kulturdezernentin unserer Stadt. Bevor wir konkret an neue Aufgaben heran gehen, wollen wir aber erst einmal feiern – am 21. Juli beim „Kleinen Fest für Freunde“ im Großen Garten. Die Resonanz auf diese Initiative war großartig, das Fest ist ausverkauft. Der Vorstand freut sich nun auf die Begegnung mit Ihnen. Mit herzlichen Grüßen Auf geht‘s zum „Kleinen Fest“ für die Freunde! Exklusiv am 21. Juli – die Veranstaltung ist ausverkauft Rund 3000 Freunde der Herrenhäuser Gärten werden am 21. Juli zusammen mit ihren Familien und Freunden das „Kleine Fest im Großen Garten“ feiern. Die Initiative des Vereinsvorstands, diese begehrte Veranstaltung erstmals exklusiv für die Vereinsmitglieder anzubieten, ist begeistert aufgenommen worden. Harald Böhlmann, seit vielen Jahren engagierter Festivalorganisator („der Mann mit dem Zylinder“) und Vorstandsmitglied im Verein „Freunde der Herrenhäuser Gärten“, konnte bereits wenige Wochen nach dem Start dieser Aktion vermelden: „Nichts geht mehr, ausverkauft!“ Erleben Sie also die internationale Kleinkunstszene auf 32 Bühnen und Spielorten im barocken Großen Garten. Etwa 20 Programme sind erstmals in Hannover vertreten. Über 110 Künstler aus 17 Nationen werden das Publikum erheitern, begeistern und zum Staunen bringen. „Wild and crazy“ nennt Rudi Macaggi aus New York, der selbsternannte „König des Varieté“, seine off-broadway-Show. Ryo Yabe aus Japan, der zweimalige Weltmeister im Diabolo, zeigt seine spektakuläre Show. Zierliche Chinesinnen verblüffen mit höchster Zirkusakrobatik. Tr‘espace, die schon beim vergangenen Wintervarieté begeisterten, kommen mit neuem Programm im Stil des Cirque Nouveau – mit Jonglage, Tanz und Musik. Soweit nur einige Beispiele aus einem vielfältigen Programm aus Clownerie, Magie, Artistik, Comedy, Musik und Poesie, an dessen Ende wie immer ein eigens fürs „Kleine Fest“ choreografiertes Feuerwerk steht. Freuen Sie sich auf ein stimmungsvolles Fest unter Freunden! „Statuen“ von Helen Cassidy und Cameron Lapham Tr‘espace – ganz im Stil des Cirque Nouveau Das Schloss und das Parterre aus der Vogelschau, 1710 Schloss, Litho, 1858 Den Geist von Leibniz neu beleben Interview mit Marlis Drevermann, Kulturdezernentin von Hannover, über den Neubau des Schlosses in Herrenhausen Der Große Garten in Herrenhausen bekommt einen baulichen Mittelpunkt: Die im Jahr 1943 zerstörte Sommerresidenz wird wieder aufgebaut, und zwar in der klassizistischen Bauweise nach den Plänen des Hofbaumeisters Georg Ludwig Laves. Nachstehend ein Interview mit Hannovers Kulturdezernentin Marlis Drevermann zum Neubau des Schlosses. Was wussten Sie über Herrenhausen, bevor Sie nach Hannover kamen? Leider sehr wenig. Ich wusste natürlich, dass es in Hannover königliche Gärten gibt und dass hier kulturelle Veranstaltungen stattfinden. Aber welche einzigartigen Möglichkeiten hier geboten werden, das habe ich erst wirklich erkannt, als ich die Herrenhäuser Gärten kennen lernte. Eines ist mir von diesem Besuch in Erinnerung geblieben. Ich habe mich im Ehrenhof gefragt: Wo ist eigentlich das Schloss, das dazu gehört? Dann las ich auf einer Bronzetafel, dass das Schloss im Krieg zerstört worden ist. Das fand ich sehr schade, denn auch wenn die Gärten für sich sprechen, ganz vollständig – so habe ich das empfunden – kann dieser Garten erst sein, wenn hier die Sommerresidenz wieder entstehen würde. Wenn der Große Garten seine Mitte erhielte, wäre das ein in sich geschlossenes Ganzes. Nun wird das Schloss kommen. Es wird gebaut nach den Plänen des Hofbaumeisters Georg Ludwig Laves aus dem Jahr 1820. Konnten Sie sich mit diesen Plänen auf Anhieb anfreunden? Dass ich mich, kaum dass ich in Hannover angetreten war, um ein Schloss kümmern durfte, war eine schöne Überraschung für mich. Was die Baupläne angeht, da gibt es unterschiedliche Möglichkeiten: die des Ursprungs in der barocken Bauweise, die gar nicht mehr in der Erinnerung der Menschen war. Dagegen sprach von Anfang an vieles für Laves. Er ist in Hannover nach wie vor präsent, von ihm finden sich viele Spuren in der Stadt. Ich selbst bin schnell zu dem Ergebnis gekommen, dass sich die klassizistische Fassade durchaus einfügt. Sie wurde bereits von nachfolgenden Generationen gestaltet. Was Größe und Umfang des Neubaus angeht, betone ich immer wieder, dass wir kein Schloss, sondern eine Sommerresidenz bauen. Mit dem Begriff Schloss verbinden sich eventuell Erwartungen, die nicht erfüllt werden können... Ja. Deshalb sollte nach wie vor der Garten im Fokus der Gesamtanlage stehen. Beim Gebäude kommt es hauptsächlich darauf an, dass die Kubatur, die Lage und die Nutzung des Schlosses für die Entwicklung des Ortes viel bedeutsamer sind als die äußere Fassade. Kommen wir also auf die Nutzung. Die Volkswagen-Stiftung finanziert die Kosten für den Neubau in Höhe von 20 Millionen Euro. In dem Neubau werden ein Tagungszentrum der Stiftung sowie im Ostflügel ein Museumsbereich über den Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz untergebracht. Diskutiert wird nun ein weiterer musealer Bereich im Westflügel mit einer Ausstellung über die Personalunion, also über die Zeit, als Hannovers Könige Englands Herrscher waren. Wie weit sind da die Verhandlungen mit dem Land gediehen? Erst einmal zum Thema Tagungszentrum: Im Grunde geht es bei der Nutzung darum – und das fügt sich so wunderbar – diesen Ort wieder zu einer Stätte der Wissenschaft und des kulturellen Denkens zu entwickeln. Herrenhausen war zu Zeiten von Leibniz und Kurfürstin Sophie sowie deren Tochter ein Ort von hoher geistesgeschichtlicher Haltung. Die Volkswagen-Stiftung wird diesen Gedanken wieder beleben und eine Vielzahl internationaler Wissenschaftskongresse nach Hannover holen. Damit verbindet sich die Nutzung auf ideale Weise mit der Erinnerung an einen großen Denker, der hier beheimatet war und gearbeitet hat. Parterre, 1937 Der Mittelsaal des Schlosses, Aufnahme aus 1937 Und wie weit sind die Verhandlungen mit dem Land im Hinblick auf die Ausstellung „The Hanoverians“ gediehen? Es gibt laufende Gespräche über die inhaltliche Ausgestaltung und über die gemeinsame Finanzierung. Wir werden diese Gespräche im frühen Sommer beendet haben. Dann muss der Rat darüber entscheiden, wie viel Museum es in Herrenhausen geben wird und zu welchen Bedingungen. Die Stadt hat ihren Hut in den Ring geworfen mit einer Million Euro für die Ausstattung des Ostflügels und dafür, dass sie für die Anmietung des Ostflügels eintritt. Alles Weitere wird entschieden, wenn sich das Land entsprechend beteiligt. Ist der Architektenwettbewerb schon ausgeschrieben? Die VW-Stiftung hat sich verpflichtet, Forschung zu betreiben. Die Ergebnisse münden dann ein in einen Architektenwettbewerb. Da mag man sich fragen: Warum noch einen Wettbewerb? – Nun, weil es komplizierter ist als man zuerst denkt. Es hat viele Veränderungen gegeben, da steht das eine oder andere an der Grenze oder sogar im Wege. Zum Beispiel in der Frage der Eingänge. Welche Grundfläche steht da zur Verfügung? Es wird kein Riesengebäude. Das ist aber auch nicht gewollt. Das Schloss muss sich einfügen in die Ursprungsidee der gesamten Sommerresidenz. Das Hauptgebäude mit dem Tagungszentrum wird zweigeschossig. Und die Stiftung überlegt sich, zusätzlich unterirdisch einen Hörsaal zu bauen. Man braucht für internationale Fachkongresse Säle für 200 bis 300 Personen. Die Grundfläche der Flügel sind jeweils 500 qm. Alle Beteiligten werden sich einfügen müssen, denn wir wollen und können den Garten in seinen historischen festgelegten Grenzen nicht sprengen. Das Schloss sollte eigentlich zentraler Mittelpunkt werden. Ist das daneben liegende Galeriegebäude bei der skizzierten Größenordnung nicht dominanter? Die Dominanz der Galerie wird bleiben, das ist das historische Gebäude schlechthin. Es wird eine harmonische Einheit geben. Ende der 90er Jahre, als alle die Idee eines Schlossbaus zu den Akten gelegt hatten, wurde das Restaurant „Schlossküche“ gebaut. Kann dieser Bau erhalten bleiben? Im Rahmen der Forschung wird man die alten Baulinien aufgreifen. Und in einem Architektenwettbewerb wird sich dann herausstellen, wie man die bestehenden Übergänge integrieren kann. Die Schlossküche wird Bestand haben. Niemand kann sich den Bau einer neuen Schlossküche vorstellen. Welche Rolle können die Freunde der Herrenhäuser Gärten im Zusammenhang mit dem Schlossbau spielen? Eine ganz wichtige Rolle. Zunächst einmal ist es wichtig, dass die Freunde als Stellvertreter der Stadtgesellschaft diese Gedanken über die Weiterentwicklung der Gärten Herrenhausens kommunizieren. Ein wichtiges Marketinginstrument ist es, nicht nur große Plakate aufzuhängen, sondern über persönliche Ansprache Freunde, Bekannte und Firmen, also viele Menschen nach Hannover zu holen. Die einfach staunen, wenn sie sehen, was diese Stadt bietet. Es ist wichtig, sich persönlich zu engagieren. Das hat der Verein der Freunde der Herrenhäuser Gärten immer getan. Und dafür ist die Stadt sehr dankbar. Wer sich stark engagiert, hat meistens auch ein Stimmrecht. Wie sieht es beim Schloss-Neubau aus? Seit Jahrzehnten haben die Freunde der Herrenhäuser Gärten viele Millionen Euro für die Erhaltung und die Entwicklung der Gärten akquiriert und damit entscheidend dazu beigetragen, dass für die meisten Hannoveraner immer noch der Spruch der Kurfürstin Sophie gilt: „Nur mit den Gärten an der Leine können wir prunken“. Alles was im Rahmen des Schlossneubaus geschieht, dient dazu, den Wert und die Bedeutung der Herrenhäuser Gärten weiter zu steigern und zu entwickeln. Dies ist sicherlich im Sinne des Vereins. Das Interview mit Marlis Drevermann führte Anne Winkel-Kirch Marlis Drevermann, Kulturdezernentin von Hannover Johann Christoph Wendland Vom Garten beseelt Die Hofgärtner-Dynastie Wendland lenkte 125 Jahre lang die Geschicke der königlichen Gärten Heinrich Ludolph Wendland Wer in diesen Wochen den Berggarten in Herrenhausen besucht, wird verzaubert von der Blütenpracht und Farbenvielfalt. Diese Pflanzenwelt ist das Resultat des künstlerischen Gartenbaus vieler Gärtner, die seit über drei Jahrhunderten diese Anlagen gestalten. Den Grundstock für die heutige Pracht legten die Hofgärtner. Unter ihnen war die Gärtnerdynastie der Wendlands in hohem Maße für die Entwicklung des Gartenreichs Herrenhausen verantwortlich. Mit Johann Christoph, Heinrich Ludolph und Hermann lenkten drei Generationen Wendland 125 Jahre lang die Geschicke der Gärten. „An allen Orten war Klaterei“ Hermann Wendland Als „klaterig“, also als unansehnlich und wenig Erfolg versprechend empfand Heinrich Ludolph Wendland noch 1831 den Zustand der königlichen Gärten. Jahre später jedoch zählte er sie zu den „ersten oder doch vorzüglicheren Gärten Deutschlands“. In der hofgärtnerischen Tätigkeit der Wendlands vereinigten sich Handwerk, Kunst und Wissenschaft. Dem praktischen Gartenbau wie auch der schönen Gartenkunst, dem Studium der Botanik und dem Verfassen wissenschaftlicher Traktate widmeten sie ihr Arbeits- und Forscherleben. Hochschätzung sowie zahlreiche Ehrungen wurden ihnen inner- und außerhalb Deutschlands gezollt. So wurde Heinrich Ludolph Wendland zum Beispiel mit der vierten Klasse des Guelfen-Ordens des Königreichs Hannover ausgezeichnet, König Wilhelm I. von Württemberg verlieh ihm das Ritterkreuz des FriedrichsOrdens für die Verbesserung der Stuttgarter Orangerie. Johann Christoph Wendland (1755–1828) – der Erikenliebhaber Ab 1778 widmete er sich dem Berggarten, er war insbesondere um die exotischen Pflanzen in den Gewächshäusern bemüht. Johann Christoph Wendlands wissenschaftliche und zudem eigenhändig illustrierten Veröffentlichungen über die seltenen Pflanzen der Herrenhäuser Sammlung, Anziehungspunkt im „Paradies“ sind der Ginkgo Biloba aus 1826 (links) und die Sumpfzypresse von 1838 (rechts). ‚Sertum Hannoveranum‘ und ‚Hortus Herrenhusanus‘, verhalfen dem Berggarten zur Berühmtheit. Den Eriken galt dabei sein besonderes Interesse. 151 Erikaarten kultivierte, beschrieb und benannte er erstmalig. Heinrich Ludolph Wendland (1792–1869) – der Exotenspezialist Johann Christophs Sohn stand mit botanischen Gärten wie Schönbrunn oder Kew Gardens in regem Pflanzenaustausch und verbesserte die exotische Sammlung im Berggarten. Heinrich Ludolph Wendlands wissenschaftliche Erkenntnisse sowie Innovationen im Glashausbau waren wegweisend in der Exotenzucht. 1851 brachte er in Deutschland die erste Riesenseerose zum Blühen – ein Ereignis, dem nicht nur Ernst August I., König von Hannover, sondern auch der König von Preußen mit Freude beiwohnten. Und bis heute faszinieren seine gartenkünstlerischen Gestaltungen des Paradieses und des Eichenhains am Mausoleum. Hermann Wendland (1825–1903) – der Palmenkenner und Orchideenfreund Den Ruf als ‚bester Palmenkenner Europas‘ erwarb sich Hermann Wendland mit der Benennung und Darstellung von 129 neuen Palmenarten. Ganz der Sammelleidenschaft und dem Forscherdrang seines Vaters und Großvaters verschrieben, führten ihn seine Pflanzenjagden sogar nach Costa Rica. Von dieser elfmonatigen Reise brachte er neben Bromelien, Farnen und Kakteen auch 133 bis dahin unbekannte Orchideenarten mit und etablierte damit im Berggarten die artenreichste Orchideensammlung Europas. Schönste Entdeckung seiner Expedition in die Bergwelt Zentralamerikas mag die heutzutage als Zimmerpflanze so beliebte Flamingoblume (Anthurium scherzerianum) gewesen sein. Von ihrem Fund am 10. Mai 1857 wußte Hermann Wendland später zu erzählen: „Ich habe mich in meinem ganzen Leben nicht vorher noch nachher so gefreut als an diesem Tage“. Katharina Peters* * siehe Erläuterung Seite 9 Piteairnia latifolia (Archiv: Königliche Gartenbibiliothek Herrenhausen) 1845 pflanzte Heinrich Ludolph Wendland am Mausoleum die Stieleichen, die dem Ort eine besondere Stimmung verleihen. Der Berggarten Vom königlichen Pflanzen- und Obstlieferanten zum botanischen Schaugarten Mit seinen weitläufigen Freilandflächen und den Gewächshäusern der Nachkriegszeit dient der Berggarten heute in erster Linie als botanischer Schaugarten für die Öffentlichkeit. Die Einbindung in das Gefüge der herrschaftlichen Gärten in Herrenhausen und der repräsentative Bibliothekspavillon am Eingang lassen seine besondere historische Bedeutung erkennen. Er entstand auf der Fläche von drei Nutzgärten: dem Maulbeergarten, dem Küchengarten und dem Treibquartier für exotische Gewächse. Sein Ausbau zum botanischen Garten erfolgte Ende des 18. Jahrhunderts unter Johann Christoph Wendland, der schließlich alle „fremdländischen Pflanzen“ im Berggarten zusammenfasste und nach dem Linnéschen System sortierte. Im 19. Jahrhundert wurde die wissenschaftliche Pflanzensammlung stetig vergrößert, damit einhergehend entstanden neue Treib- und Glashäuser mit unterschiedlicher Temperierung. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts wurde auch die Orchideensammlung so weit ausgebaut, dass sie schließlich zu einer der artenreichsten in Europa zählte. Noch heute besinnt man sich auf die lange Tradition des Pflanzensammelns und -kultivierens im Berggarten: die Orchideen sind ein Schwerpunkt in den Schauhäusern. Forschungsprojekt: der Berggarten im Vergleich zu anderen höfischen Anlagen und seine Geschichte Die besondere Funktion des Berggartens als höfischer botanischer Garten, seine Geschichte, die Entwicklung des Pflanzenbestands einschließlich der unterschiedlichen Schwerpunkte und der Austausch von Pflanzen mit weiteren botanischen Gärten wird im Rahmen eines Forschungsprojektes nun näher betrachtet (siehe Kasten Seite 9). Dabei wird auch der ökonomische Nutzen des Gartens als Pflanzen- bzw. Obstlieferant für den Hof berücksichtigt. Um die Bedeutung des Berggartens mit seinen Pflanzensammlungen aussagekräftig beschreiben zu können, werden weitere höfische und akademische botanische Gärten wie u.a. Kew Garden und der botanische Garten von Berlin als Vergleichsbeispiele herangezogen. Eine Betrachtung in diesem Rahmen ist bisher noch nicht erfolgt, so dass verborgene Besonderheiten möglicherweise eine neue Sicht auf den Stellenwert des Berggartens zulassen. Sophie von Schwerin* * siehe Erläuterung Seite 9 Promotionsstipendien Königliche Gartenbibliothek Herrenhausen Die Königliche Gartenbibliothek Herrenhausen ist zeitgeschichtliches Zeugnis einer der bedeutendsten Gartenanlagen Europas. Die wissenschaftliche Auswertung des einzigartigen Forschungsmaterials wird im Rahmen von zwei Promotionsstipendien am Zentrum für Gartenkunst und Landschaftsarchitektur (CGL) der Leibniz Universität Hannover durchgeführt. Themenfelder der für zweieinhalb Jahre vom Niedersächsischen Wissenschaftsministerium bewilligten Stipendien sind • Die Hofgärtner in Herrenhausen – Werk und Wirken unter besonderer Berücksichtigung der ‚Gärtnerdynastie‘ der Wendlands, bearbeitet von Dipl.-Ing. Katharina Peters • Der Berggarten – seine wissenschaftliche Bedeutung und sein Stellenwert als botanischer Garten im Vergleich zu anderen bedeutenden Hofgärten und akademischen Gärten, bearbeitet von Dipl.-Ing. Sophie von Schwerin Die beiden Wissenschaftlerinnen sind gelernte Gärtnerinnen und diplomierte Landschaftsplanerinnen. Ihre Forschungsergebnisse werden in Buchform veröffentlicht und in Vorträgen oder Workshops präsentiert, z. B. während der „Sommerakademie Herrenhausen“ am 20. Juli (siehe Seite 11). 10 Die Schöne von Herrenhausen Dank einer Spendenaktion der „Freunde“ ist die Große Fontäne wieder weithin sichtbar Die 30 Brunnen und Fontänen im Großen Garten rauschen, sprühen und plätschern – sehr zur Freude der Besucher in Herrenhausen. Besonders eindrucksvoll und weithin sichtbar erhebt sich der Wasserstrahl der Großen Fontäne in bis zu 82 Meter Höhe. Pünktlich zum Saisonbeginn Ende März waren die Einbauarbeiten der neuen Pumpe abgeschlossen. Der Verein „Freunde der Herrenhäuser Gärten e.V.“ hatte die Kosten für die aufwendige Antriebstechnik in Höhe von 80.000 Euro übernommen. Mit einem kraftvollen „Wasser marsch!“ ließen Oberbürgermeister Stephan Weil und Vereinsvorsitzender Sepp D. Heckmann die Fontäne in die Höhe schießen. Stephan Weil bedankte sich bei den „Freunden“ für die erfolgreiche Spendenaktion: „Die Fontäne ist seit fast 300 Jahren ein Markenzeichen des Großen Gartens und eine der höchsten Fontänen Europas. Auf jeden Fall ist sie die schönste Fontäne und trägt ihren Namen ‚Schöne von Herrenhausen‘ mit vollem Recht.“ Ohne die neue Pumpe hätte die Fontäne diese Saison nicht überstanden, und daher, so Sepp D. Heckmann, „war eines der wichtigsten Ziele der ‚Freunde‘, Geld dafür aufzubringen“. Mit dem Spendenaufruf konnte die Finanzierung sicher gestellt werden. Jetzt sorgt eine moderne Pumpe mit 200-Kilowatt-Motor dafür, dass die Fontäne wieder kraftvoll und zuverlässig funktioniert. Die Anlage des hannoverschen Unternehmens Albrecht Maschinenbau läuft wesentlich ruhiger, mit weniger Umdrehungen und verbraucht weniger Strom. Eines aber ist geblieben wie zuvor: Die volle Höhe von 82 Metern erreicht die stolze Schöne nur bei Windstille. Aber das wissen Eingeweihte sowieso! Hinweis: Die Große Fontäne ist täglich zu sehen von 11 bis 12 Uhr, Montag bis Freitag von 15 bis 17 Uhr, Samstag, Sonntag und an Feiertagen von 14 bis 17 Uhr. „Wasser marsch!“ – OB Stephan Weil und Sepp D. Heckmann starten die Große Fontäne. 11 Kinder entdecken die Gärten Erster Herrenhausen-Führer für junge Besucher – die „Freunde“ versorgen Grundschulen mit „Tobi“-Büchern Mit Kindern und Enkeln auf spielerisch-spannende und gleichzeitig informative Weise die Herrenhäuser Gärten entdecken – das können Eltern und Großeltern nun dank eines neuen Herrenhausen-Führers für junge Besucher. Das reich bebilderte Buch „Tobi in den Gärten“ schrieb die hannoversche Autorin Kirsten John für Kinder von 5 bis 10 Jahren. Zum Preis von 14,90 ist es im Buchhandel sowie im InfoPavillon in den Herrenhäuser Gärten und in der Schlossküche erhältlich. Erschienen ist das Buch im Berliner Nicolai-Verlag. Der Band schildert auf 62 Seiten den Tag eines Gärtnersohns, der vor 300 Jahren gelebt hat. Tobi arbeitet schon früh am Morgen, putzt das Goldene Tor und die Statuen, beobachtet die feinen Leute bei Hofe und erfindet Spiele, die die Kinder auf ihrer Entdeckungsreise durch die Gärten nachspielen können. Vom Verein „Freunde der Herrenhäuser Gärten“ ist das Buch begeistert aufgenommen worden. Vorsitzender Sepp D. Heckmann sieht darin eine gute Chance, schon den Kleinen die Geschichte Herrenhausens näherzubringen. „Wie häufig suchen Eltern und Großeltern nach einem sinnvollen Geschenk – hier ist jeder Euro gut angelegt.“ Der Verein hat 250 Bücher erworben, um sie für Unterrichtszwecke in den ersten vier Klassen an die 68 Grundschulen in Hannover zu verschenken. Sommerakademie Herrenhausen Die Freunde der Herrenhäuser Gärten e. V. und das Zentrum für Gartenkunst und Landschaftsarchitektur (CGL) der Leibniz Universität Hannover werden in diesem Jahr erstmals eine gemeinsame „Sommerakademie Herrenhausen“ durchführen. Im Rahmen dieser Sommerakademien sollen in den kommenden Jahren in unterschiedlicher Form den Mitgliedern der Freunde und der Universität zu gartenhistorischen und gartenkulturellen Themen interessante Veranstaltungen geboten werden. Sie sollen auch mit den Forschungszusammenhängen am CGL verknüpft werden. Für den Sommer 2009 konnten neben den beiden CGL-Doktorandinnen des Projekts „Königliche Gartenbibliothek Herrenhausen“, Sophie von Schwerin und Katharina Peters, Prof. Donata Valentien, Direktorin der Abteilung Baukunst der Akademie der Künste, sowie Dr. Hans-Helmut Poppendieck, Botanisches Institut der Universität Hamburg, zu Vorträgen über Botanische Gärten gewonnen werden. Profitipps der Gartenmeister Die Führungen „Profitipps aus Herrenhausen“ mit Gartenmeistern der Herrenhäuser Gärten finden an jedem ersten und dritten Donnerstag im Monat um 16.30 Uhr statt. Neben ausführlichen Hinweisen auf die jeweils aktuellen Pflanzenschönheiten bekommen die Teilnehmer fachkundige Antworten auf ihre Fragen zu Gartengestaltung und Pflanzenpflege. Hier die Führungen in den nächsten Monaten: 2. Juli: Bernd Kretschmer erläutert im Berggarten Düngestrategien: „Die Versorgung von Stauden und Gehölzen“. 16. Juli: Die Führung mit Andreas Renner am 16. Juli steht im Zeichen der Gartenbewässerung: „Was ist beim Wässern alles zu beachten?“ 6. August: Das begeistert Orchideenfreunde: Nandino Schrader zeigt wieder, wie man Orchideen pflegt und umtopft. Eigene Pflanzen können mitgebracht werden. 20. August: Um die Pflege und Verwendung von Zitruspflanzen geht es bei der Führung mit Walter Konarske im Großen Garten. 3. September: „Wuchtige Herzensbrecher und grazile Schönheiten“ im Berggarten zeigt Ingmar Guldner. 17. September: Andreas Renner präsentiert spät blühende Stauden und Gehölze im Berggarten unter dem Motto „Es wird durchgeblüht“. Für Erwachsene kostet die Teilnahme fünf Euro; für Kinder in Begleitung Erwachsener ist sie kostenlos. Vorträge Katharina Peters und Sophie von Schwerin „[...] ich wünschte, dass der Garten sich wieder auf eine Art hervortun sollte.“ Der Hofgärtner Heinrich Ludolph Wendland und sein Einfluss auf die Pflanzensammlung im Berggarten Montag, 20. Juli 2009, 18.00 Uhr Hans-Helmut Poppendieck „Ein Garten für den gebildeten Kaufmann“ – Zur Geschichte des Botanischen Gartens in Hamburg Montag, 3. August 2009, 18.00 Uhr Donata Valentien Der neue Botanische Garten Shanghai Montag, 17. August 2009, 18.00 Uhr Die Vorträge finden im Joseph-Joachim-Saal der Stiftung Niedersachsen im Künstlerhaus, Sophienstraße 2, statt. 12 Ein illustrer Auftritt Die goldenen Originalfiguren kehren ins Gartentheater zurück Mehrere Jahre wurden sie von Kopien vertreten, doch jetzt wird das Theaterspiel im Gartentheater im Großen Garten wieder von den Original-Figuren umrahmt. Gleich am Bühnenrand stehen nun wieder die spiegelbildlichen Figuren des „Borghesischen Fechters“, Abgüsse der im frühen 17. Jahrhundert gefundenen antiken Marmorstatue. Aphrodite/Venus gibt es in fünf Variationen, mal mit dem Apfel, mal mit dem Spiegel oder auch als Kopie der Venus Medici. Musiker, Tänzerinnen und Tänzer aus dem Gefolge von Dionysos/Bacchus begleiten sie. Sie sind alle von strahlendem Gold überzogen. Durch die großzügige Spende der Wenger Stiftung für Denkmalpflege konnten die Originale in einer Regensburger Werkstatt restauriert werden. Die vergoldeten Bleifiguren sind eng mit dem barocken Heckentheater verbunden, das zwischen 1689 und 1693 angelegt wurde. Sie wurden 1690 in Amsterdam erworben und gehörten zur Ausstattung des Theaters. Bleifiguren waren in Renaissance und Barock ein beliebter und preiswerter Ersatz für Bronzestatuen. Da sie aber sehr empfindlich gegenüber allen Witterungseinflüssen sind, blieben nur wenige erhalten. Die 17 Originale in Herrenhausen stellen daher in Nordeuropa ein bedeutendes Ensemble dar. Übrigens, wer genau hinschaut, bemerkt eine Veränderung: Die Figuren stehen sich jetzt gegenüber und nehmen damit auch die ursprüngliche Position ein. Die Kopien hatten noch den Blick unverwandt ins Publikum gerichtet. So ist nun auch hier die Originalität wieder hergestellt. Unsere Veranstaltungstipps 26. Juni Premiere Musical „Der geheime Garten“, Großer Garten, Gartentheater (insgesamt 14 Aufführungen bis zum 23. 8.2009) 5. Juli Pflanzenfotoseminar Berggarten (Exklusiv-Veranstaltung für die „Freunde der Herrenhäuser Gärten) Premiere des „Kleinen Fests im Großen Garten“ ist am 8. Juli Premiere, weitere 14 Veranstaltungen bis einschl. 26. Juli. 9. August 21. Klassik-Open Air und Picknick im Georgengarten (vor dem Wilhelm-Busch-Museum) 22. August Internationaler Feuerwerkswettbewerb Großer Garten: China (ausverkauft!) 5. September Internationaler Feuerwerkswettbewerb, Großer Garten: Malta 11. - 13. September Herbstfestival Herrenhausen, Georgengarten 19. September Internationaler Feuerwerkswettbewerb, Großer Garten: Türkei Impressum Herausgeber: Verein „Freunde der Herrenhäuser Gärten e.V.“ Herrenhäuser Str. 4, 30149 Hannover Tel. 0511-1684 75 83, Fax 0511-1684 73 74 E-Mail: [email protected] Internet: www.freunde-derherrenhaeuser-gaerten.com Redaktionsteam: Georg Preißel, Anne Winkel-Kirch, Joachim Wolschke-Bulmahn Druckerei: Gödicke Druck Bildnachweis: Timon Graf, Herrenhäuser Gärten, Historisches Museum Hannover, Königliche Gartenbibliothek Herrenhausen, Landeshauptstadt Hannover/Kleines Fest, Hassan Mahramzadeh, Hubert Rettich
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