BZR 10/2015 74. Art. 68 SchKG. Gerichts

BZR 10/2015
74. Art. 68 SchKG. Gerichts- und Parteikosten des Rechtsöffnungsverfahrens können
auch separat in Betreibung gesetzt werden.
75. Art. 101 Abs. 2 StPO. Art. 102 Abs. 1 StPO. Art. 194 Abs. 1 und 2 StPO. Akteneinsicht von Behörden bei hängigem Strafverfahren. Interessennachweis als Voraussetzung der Akteneinsicht von Behörden (Erw. II/3.1). Bewilligung der Akteneinsicht
an eine Verwaltungsbehörde als Akt der Amtshilfe (Erw. II/3.2). Das Interesse der Verwaltungsbehörde an der Akteneinsicht ist zu bejahen, wenn die Akten im hängigen
Verwaltungsverfahren erheblich sein können (Erw. II/3.3). Pflicht der Verwaltungsbehörde zur Darlegung, weshalb die Akten im Verwaltungsverfahren voraussichtlich erheblich sind (Erw. II/3.4). Prüfung des Akteneinsichtsgesuchs nach Massgabe von
Art. 102 Abs. 1 StPO (Erw. II/3.5). Massnahmen zur Wahrung berechtigter Geheimhaltungsinteressen (Erw. II/3.6). Im vorliegenden Fall keine privaten Geheimhaltungsinteressen dargetan, die das Interesse an der Durchführung der Adminis-trativuntersuchung
überwiegen würden (Erw. II/4).
76. Art. 229 Abs. 3 ZPO. Was ist unter dem Begriff «Urteilsberatung» zu verstehen?
77. Mündigenunterhalt im Sinne von Art. 277 Abs. 2 ZGB: Verfahrensart. Prozess-maximen. Sachliche Zuständigkeit. Zulässigkeit vorsorglicher Massnahmen.
Verlangt ein volljähriges bzw. mündiges Kind Unterhalt gestützt auf Art. 277 Abs. 2
ZGB, kommen gemäss höchstrichterlicher Rechtsprechung die speziellen Verfahrensvorschriften der Art. 295 ff. ZPO nicht zur Anwendung. Der Anspruch ist abhängig vom
Streitwert im ordentlichen Verfahren gemäss Art. 219 ff. ZPO oder im vereinfachten
Verfahren gemäss Art. 243 Abs. 1 ZPO geltend zu machen. Es gelten die Dispositionsund die Verhandlungsmaxime (Erw. III. 2.1). Sachlich zuständig ist -gemäss § 24 lit. d
GOG stets das Einzel-gericht (Erw. III. 2.3). In einem solchen Prozess ist Art. 303 ZPO
analog anzuwenden. Unterhaltszahlungen können daher gemäss Art. 262 lit. e ZPO in
analoger -Anwendung von Art. 303 ZPO auch vorsorglich zugesprochen werden (Erw.
IV. 3.3.2).
78. Art. 267 Abs. 1 StPO. Art. 434 StPO. -Aktenrückgabe. Rücktransport beschlagnahmter Gegenstände an den Ort der Behändigung. Soweit sich beschlagnahmte Gegenstände ohne Weiteres als Handgepäck transportieren lassen, ist es dem
Eigentümer grundsätzlich zuzumuten, diese nach der Freigabe bei der betreffenden
Behörde abzuholen – sofern diese nicht per Briefpost -retourniert werden können.
Werden aber beispielsweise über 100 Bundesordner beschlagnahmt und während des
Strafverfahrens freigegeben, haben die Strafbehörden diese an den Ort der Behändigung zurückzubringen (Schadensminderung aus einem Realakt).
79. Art. 271 Abs. 1 Ziff. 4 und Ziff. 6 SchKG. Art. 271 Abs. 3 SchKG. Art. 57 ZPO.
Wer über einen definitiven Rechtsöffnungstitel verfügt, kann sich nicht auf den Arrestgrund von Art. 271 Abs. 1 Ziff. 4 SchKG (Ausländerarrest) berufen (Erw. 1). Das
Ge-richt prüft von Amtes wegen, ob ein nicht ausdrücklich angerufener Arrestgrund
vorliegt (Erw. 2.2). Prüfung der Frage, ob die Voraussetzungen des nicht angerufenen
Art. 271 Abs. 1 Ziff. 6 SchKG gegeben sind: Art. 271 Abs. 3 SchKG stellt eine Zuständigkeitsnorm dar, die nicht besagt, dass LugÜ-Entscheide vorab zwingend (als Hauptfrage) vollstreckbar erklärt werden müssten. Wie bei einem Schieds- oder
Nicht-LugÜ-Entscheid müsste ein Arrestgesuch folglich auch ohne ausdrücklichen
Antrag auf Vollstreckbarerklärung bewilligt werden, wenn gestützt auf einen
LugÜ-Entscheid Forderung und Arrestgegenstände glaubhaft gemacht worden sind.
Der Gewährung des Arrests steht indes die bundesgerichtliche Auf-fassung entgegen,
wonach ein LugÜ-Entscheid nur dann einen definitiven Rechtsöffnungstitel im Sinne
von Art. 271 Abs. 1 Ziff. 6 SchKG darstellt, wenn er zuvor (hauptfrageweise) vollstreckbar erklärt worden ist (Erw. 3.3 bis 3.5). Substanziierungsanforderungen im Arrestverfahren (Erw. 4).
80. Art. 34 StGB. Art. 37 StGB. Art. 40 StGB. Art. 48 lit. d StGB. Art. 53 StGB. Wahl
der Sanktionsart. Tätige Reue bzw. Schadenswiedergutmachung als Strafmilderungsgrund. Strafbefreiung. Bei der Wahl der Sanktionsart sind als Kriterien die
Zweckmässigkeit einer bestimmten Sanktion, ihre Auswirkungen auf den Täter und sein
soziales Umfeld sowie ihre präventive Effizienz zu berücksichtigen. Zu berücksichtigen
ist namentlich auch das Vorleben des Täters, nicht hingegen die wirtschaftlichen Verhältnisse sowie dessen voraussichtliche Zahlungsfähigkeit. Ein später und noch unter
Widerrufsvorbehalt stehender Vergleichsabschluss vor dem Sozialversicherungsgericht
des Kantons Zürich genügt den Anforderungen für die strafmildernde Berücksichtigung
als tätige Reue nicht. Die Beschuldigte hat weder den ganzen Schaden oder auch nur
einen minimalen Teil davon durch eigene freiwillige Zahlungen gedeckt, noch hat sie
alle zumutbaren Anstrengungen für die Wiedergutmachung unternommen. Das führt im
vorliegenden Fall zur Nichtanwendung von Art. 53 StGB, selbst wenn die Voraussetzungen für eine bedingte Freiheitsstrafe erfüllt sind. Angesichts der grossen Bedeutung
der Sozialhilfe und ihrer Finanzierung durch die -öffentliche Hand besteht überdies ein
-eminentes Interesse der Öffentlichkeit an der Sanktionierung von Missbrauch.
81. Art. 82 SchKG. Art. 16 IPRG. Fälligkeit der Betreibungsforderung. Feststellung
des Inhalts des massgeblichen ausländischen Rechts im provisorischen Rechtsöffnungsverfahren. Bei internationalen Sachverhalten beurteilt sich die (von Amtes
wegen zu prüfende) Frage, ob die der Schuldanerkennung zugrunde liegende Forderung fällig sei, nach dem materiellen Recht, das auf die Forderung selbst anwendbar ist
(Forderungsstatut; Erw. III.3.4). Im provisorischen Rechtsöffnungsverfahren findet
Art. 16 Abs. 1 Satz 1 IPRG keine Anwendung. Das Gericht ist deshalb nicht verpflichtet,
den Inhalt des massgeblichen ausländischen Rechts von Amtes wegen festzustellen.
Der entsprechende Nachweis obliegt vielmehr den Parteien, insbesondere dem Kläger.
Fehlt es an entsprechenden Bemühungen, darf nicht ersatzweise schweizerisches
Recht angewendet werden, sondern muss das Rechtsöffnungsgesuch abgewiesen
werden (Erw. III.3.6).