Die Hüllen- und Maskenproblematik – von außen

Dr. Marcus Damm über …
Kurzbiographie:
Marcus Damm wurde 1974 in Kaiserslautern geboren
und lebt heute als promovierter Diplom-Pädagoge in
Landau. Der lebensfrohe Pfälzer steht für praktische
Tipps zur an und für sich schönsten Sache der Welt
gerne zur Verfügung – auch weltweit zu erreichen
unter www.marcus-damm.de
Die Hüllen- und Maskenproblematik – von außen verlockend,
innerlich tot
Schon öfter ist mir folgendes typische Erlebnis passiert, es wird mit Sicherheit nicht
aufhören: Mir fällt auf der Piste eine Frau auf, die mir intuitiv gefällt. Einmal ist ihr Körper
anziehend, ein anderes Mal das Lächeln oder ihr Gesicht, Stimme usw. Ich spreche Sie
deshalb an und rege einen Smalltalk an (des Öfteren klappt es). Schon recht früh fällt
mir auf, dass sie sehr oft »man« sagt und gesellschaftlich-konforme und teilweise
altbackene Dinge ausspricht. (»Ja, das macht man halt so, jede Frau will doch Familie,
heiraten und Sicherheit!«) Aha, sie kennt jede Frau. Außerdem: Sehr korrekte
Körperhaltung und auf Contenance bedacht, nur nicht aus dem Rahmen fallen. Sie raucht
nicht und trinkt keinen Alkohol. Später sagt sie, das würde charakterliche Schwäche
ausdrücken. Nachdem wir von Allerweltsthemen übergehen zu persönlicheren Ebenen,
zeigt sie sich: Kopfmensch – mit mächtigem Über-Ich (»Was sollen da die Leute
denken?«). Konservativer Beruf und sicherer Lebenswandel. Ganz straight. Eine
Marionette einer verkopften Erziehung, ein geistiges Abziehbild der Eltern, vollgestopft
mit Begriffen, die das Leben verfehlen und neurotisch werden lassen. Keine selbst
erschaffene Gedankenwelt. Hat sich noch nie gehen lassen, noch nie richtig gelebt.
(»Einmal habe ich zwei Gläser Wein getrunken und gehofft, dass mein Vater das nicht
merkt.«) Aha, auch noch ein Vater-Komplex, d.h., sie ist immer noch höchst abhängig
von seinem Gutdünken, will ihm immer noch gefallen. Sie spricht die Normen der
Gesellschaft unbewusst und unreflektiert nach. Sie ist fremdbestimmt und demnach auf
ihre Weise dumm, und diese Engstirnigkeit dem Leben gegenüber vertritt sie auch mit
einem ernsten Gesichtsausdruck. Ich nehme mir die Freiheit, diese Denk- und
Verhaltensweise als »gesellschaftsdumm« zu bezeichnen. Diese Menschen kennen
meistens nur die für ihre gesellschaftliche Schicht geltende Mentalität, andere, in der Tat
auch reale Weltanschauungen, sind für sie nicht existent, denn sie widersprechen ihren
über-ichigen Idealen. Die Meinungen, die diese Marionetten vertreten, sind ihnen
aufdoktriniert worden, aber sie vermeinen unreflektiert, es wären ihre eigenen, etwa
durch Lebenserfahrung erworbenen – dabei haben sie doch gar kein Leben erfahren, nur
schöne Begriffe.
Man erkennt diese Menschen daran, dass sie angewidert die Nase rümpfen oder eine
Augenbraue auffällig nach oben ziehen (dabei einen arroganten Gesichtsausdruck
wahrend), sobald jemand aus ihrer statischen Weltanschauung ausschert oder andere
Ansichten vertritt. Sie sind die wahren personifizierten toten Masken einer lustfeindlichen
Erziehung – was sie selbst aber nicht wissen. Ihr perfektes gestyltes Äußeres ist ferner
ihr Ein und Alles. Ein Paar Spritzer Mineralwasser – etwa aus einem umgeschütteten Glas
– vermag sie in Rage zu setzen, denn die Maske bröckelt. Und das ist schlimmer als der
Tot. Die Meinung der Mitmenschen muss ferner wohlgesonnen sein, das ist ihr Sinn des
Lebens – bis sie tot sind.
Nicht selten passiert es aber zum Erstaunen vieler, dass sehr stark verkopfte Menschen
die guten Vorsätze von jetzt auf gleich über den Haufen werfen und Partner wählen, die
genau das andere Extrem (Gefühl und Körperbewusstsein) repräsentieren. Denn sie
halten die vernünftige Einseitigkeit auf Dauer nicht aus. Kinder der Mittel- und
Oberschicht beispielsweise, deren Eltern und soziales Umfeld häufig ausschließlich auf
gesellschaftlich-konforme Verhaltensweisen pochten, reißen manchmal in extremer Weise
aus, um Verbotenes zu tun usw. Alle einseitige Erziehung ist schlecht für die
Persönlichkeitsentwicklung. Jedenfalls, sobald ich hinter einer reizenden Hülle eine
fremdbestimmte
und
statische
über-ichige
Lebensphilosophie
auffinde,
muss
ich
aufstehen und gehen.
Auf was kommt es an? Auf Lebendigkeit! Auf Unsicherheit und Dynamik im Leben!
CAMUS trifft es meiner Meinung genau: »Die Menschen ziehen mich immer in dem Maße
an, in dem ich ihre Leidenschaft für das Leben, ihr Glücksstreben spüre.«1
Das halte ich für wichtig. Aber ich weiß natürlich nie vorher, was beim Flirten auf mich
zukommt, genau wie Sie. Um sicher zu gehen: sprechen auch Sie an. Haben Sie Mut.
Wenn Sie eine glückliche Zweisamkeit erleben wollen, dann ist ein passendes Pendant
unumgänglich. Und die elementaren Analogien offenbaren sich nur auf der verbalen
Ebene. Der Rest, ich meine die Schwärmerei, die entsteht, wenn man irrationalerweise
von
einer
reizenden
Hülle
auf
einen
ebensolchen
Kern
Wunschdenken, Hokuspokus, Halloeffekt. Werden wir erwachsen!
Mehr Informationen und Texte auf: www.marcus-damm.de
1
Zitiert nach TODD (2001, 241).
schließt,
ist
oftmals