SemesterJournal poo/Shutterstock.com Frauen an die Spitze 1/15 SemesterJournal 1/15 Editorial 3 Liebe Leserinnen und Leser, Die HWR Berlin sieht sich als Hochschule, die die gesellschaftlichen und gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen ihres Handelns in besonderem Maße im Blick hat. Im neuen Leitbild, das im vergangenen Herbst verabschiedet worden ist, heißt es: »Unserer Wertorientierung entsprechend sind wir uns unserer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst. Deshalb reflektieren wir in Lehre und Forschung und in unseren internen Prozessen immer auch die gesellschaftlichen Bezüge individuellen und einzelwirtschaftlichen Handelns. Die Berücksichtigung der Diversität von Kulturen und Lebensweisen, die Gleichstellung der Geschlechter, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder Studium und die Nachhaltigkeit wirtschaftlichen Handelns sind daher sowohl wichtige Themen in Lehre und Forschung als auch zentrale Prinzipien, die die Hochschule in ihrem täglichen Handeln leiten.« Interdisziplinarität und Internationalität unserer Hochschule sowie ihr besonderer Einsatz für lebenslanges Lernen sind unmittelbare Folgen dieser Orientierung. Auch die Sensibilität und das Engagement der Hochschule für die Gleichstellung der Geschlechter ergeben sich daraus. Die HWR Berlin ist deshalb seit Langem ein Pionier der Gleichstellungspolitik und des Gender-Bezugs in Forschung und Lehre. Mit dem Harriet Taylor Mill-Institut für Ökonomie und Geschlechterforschung besitzt sie als einzige deutsche Hochschule eine große aktive Einheit, die sich in umfangreicher Drittmittelforschung mit den Bezügen zwischen Ökonomie, Recht und Geschlechterverhältnissen auseinan- dersetzt. Mit dem vielbeachteten PoliteiaPreis prämiert sie auf demselben Gebiet alljährlich herausragende Abschlussarbeiten ihrer Studierenden. Mit ihrem aktuellen Weiterbildungsprogramm »Strategische Kompetenz für Frauen in Aufsichtsräten« unterstützt sie die Gewinnung qualifizierter Frauen für die mittlerweile quotierten Aufsichtsratsmandate. Und mit ihrem Stipendienprogramm für promovierende Fachhochschulabsolventinnen fördert sie weiblichen wissenschaftlichen Nachwuchs auf den für die Hochschule einschlägigen Feldern. Auch in der praktischen Gleichstellungspolitik sind die Leistungen der HWR Berlin sehr vorzeigbar: Der Frauenanteil an den besetzten Professuren beträgt aktuell 38 Prozent – ein Wert, der nicht zuletzt durch die weit überdurchschnittliche Nutzung von landes- und bundesweiten Frauenförderprogrammen erreicht wurde. Zwei von fünf Mitgliedern der Hochschulleitung sind Frauen. Top-Rankings beim Center of Excellence Women and Science (CEWS) und – zum bereits fünften Mal – die Auszeichnung mit dem Prädikat Total EQuality dokumentieren das Geleistete. Mit »Frauen an die Spitze« greift diese Ausgabe unseres Hochschulmagazins ein Thema auf, das sehr eng zum Profil der HWR Berlin gehört. Ich lade Sie ein, die vielfältigen Bezüge zwischen Hochschule und Titelthema zu entdecken, und wünsche Ihnen eine anregende Lektüre. Ihr Bernd Reissert Präsident der HWR Berlin 4 Inhaltsverzeichnis SemesterJournal 1/15 SemesterJournal 1/15 Inhaltsverzeichnis Forschen & Anwenden 35 Linksaffine Jugendliche 36 Integrative Wohnmodelle sind zukunftsweisend 37Von Managern als Regisseuren, Street-Art-Künstlern als Flaschendesignern und anderen seltsamen Verbindungen 38 Ein Level weiter: Gamify your Business! 39 HWR Berlin macht mobil Erfahren & Austauschen 40 Duales Studium »goes international« 41 Kein typisches Erasmus-Land 42 Deutsch-tunesischer Austausch Kurz & Knapp 43 43 44 44 Notieren & Weitersagen 45Termine Neu & Berufen 46Neuberufungen Erschienen & Gelesen 49Publikationen Meinen & Diskutieren 52 Ja, wir brauchen die Frauenquote Impressum 54 5 Inhalt Grußwort 06 Grußwort der Berliner Polizeivizepräsidentin Margarete Koppers Titel & Thema: Frauen an die Spitze 08 10 11 13 14 16 17 19 20 22 23 25 26 Frauen der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin Die Geschlechterquote ist das richtige Signal! Ökonomie und Geschlechterforschung Frauen in den Aufsichtsrat! Ein guter Rat für Familienunternehmen Diskriminiert der Markt nach Geschlecht? »Es fehlt noch an Rollenmodellen« Alle sprechen über Gender und Diversität – wir auch! Weil wir es drauf haben Wer suchet, der findet Von der Modenäherin zur Geschäftsführerin Familienorientierte Hochschulen bringen Frauen voran Junge Mädchen von heute – an der Spitze von morgen 27 28 29 30 31 32 Auf ZaQ für Qualität in Studium und Lehre Professoren von Rank und Namen Rückenwind für innovative Startups Kein Fauxpas mehr Gewonnen haben irgendwie alle Karrierewege: Von der Tochter zur Nachfolgerin In & Aus der HWR Berlin Studieren & Lehren 33 Take a.break @ andel´s Hotel Berlin 34 Studis machen Messe Zentrale Frauenbeauftragte im Amt bestätigt Vortragsreihe Gesundheitswesen Deutsch-französischer Doppelabschluss Rekord: Tag des dualen Studiums 6 Grußwort SemesterJournal 1/15 SemesterJournal 1/15 Vereinbarkeit von Familie und Beruf den Karriereverlauf von Frauen. Was tun wir also: Wir sind auf allen Messen und Berufsfindungstagen vertreten, haben ein OnboardingVerfahren eingeführt, um gerade die guten Frauen an uns zu binden, wir nutzen Facebook, Twitter und werben auf allen Kanälen für die Polizei Berlin. Wir bieten Fortbildungsmaßnahmen an, die ganz spezifisch auf die Bedürfnisse und Belange von Frauen in der Polizei abgestimmt sind. Ich habe 2011 den ersten Führungskräftezirkel für Frauen im höheren Dienst gegründet, der selbständig und erfolgreich läuft und Frauennetzwerke in allen Ämtern und Direktionen nach sich gezogen hat. Frauen, die Netzwerken angehören, sind wichtig, um anderen Frauen zu helfen und die »Türen« zu öffnen, aber auch um ihre eigenen Ziele zu verwirklichen und informelle Hindernisse zu überwinden. Margarete Koppers war nach ihrem Studium der Rechtswissenschaften als Richterin in Berlin und später als Vizepräsidentin des Landgerichts Berlin tätig. Heute ist sie Polizeivizepräsidentin. Liebe Leserinnen und liebe Leser, nahezu pünktlich zum Internationalen Frauentag hat der Deutsche Bundestag die »Frauenquote« beschlossen. Vermehrt melden sich jetzt Stimmen zu Wort mit dem Tenor, das Thema Gleichstellung sei doch »durch«, »Frauen werden doch jetzt bevorzugt«. Zum Glück brauchen wir uns nicht auf dieses »Bauchgefühl« zu verlassen, sondern es gibt Fakten, Forschungsergebnisse, Statistiken, die allesamt belegen, dass gerade Deutschland noch weit davon entfernt ist, Geschlechtergerechtigkeit hergestellt zu haben. Das gilt auch für die Polizei Berlin, einer durch und durch männlich geprägten Organisation. Schon die Behördenbezeichnung der Polizei Berlin ist seit 1809 unverändert »Der Polizeipräsident in Berlin«. An der Spitze steht »naturgegeben« ein Mann. Sämtliche Gliederungseinheiten unserer Behörde werden von Männern geleitet. Von den Ende 2014 16 449 Mitarbeitenden im Polizeivollzug sind 24,12 Prozent Frauen, das sind nur rund 5 Prozent mehr als 2005. In allen Berufsfachrichtungen gibt es 2 014 Führungsfunktionen, die nur zu 17,63 Prozent mit Frauen besetzt sind. Sind diese Zahlen Ausdruck mangelnder Geschlechtergerechtigkeit, gibt es systemimmanente Probleme oder liegt es an den Frauen? Im Rahmen eines 2012 durchgeführten Forschungsprojekts sind wir folgenden Fragen nachgegangen: ■ Können Frauen weniger? ■ Wollen Frauen weniger? ■ Dürfen Frauen weniger? ■ Haben Frauen mehr Rollenstress? ■ Funktioniert Karriere für Frauen anders? Die Ergebnisse überraschen nicht wirklich: Natürlich unterscheiden sich Männer und Frauen nicht signifikant in ihrer Befähigung und ihrer Motivation. Allerdings erschweren schlechtere Rahmenbedingungen im Bereich der Ich habe 2012 einen Frauenförderplan auf den Weg gebracht, der erstmalig eine Erfolgs- und Wirkungskontrolle aller Maßnahmen erzwingt. Und ich habe das Thema Frauenförderung als behördenweites Leitthema in die Grußwort 7 » Wir müssen ein gesellschaftliches und behördliches Bewusstsein schaffen, unsere Organisationskultur weiterzuentwickeln, in der es selbstverständlich ist, dass auch Frauen in Führung sind. « Zielvereinbarungen mit den Direktionsund Amtsleitern eingebracht. Und siehe da: Es tut sich etwas. Im aktuellen Aufstiegsjahrgang für den höheren Dienst (hD) sind erstmalig die Frauen in der Mehrheit. Wir haben einen zwar sehr langsamen, aber kontinuierlichen Anstieg der Frauen in Führungsfunktionen, bei den A 13S Stellen von 9,47 Prozent Anfang 2005 auf 13,10 Prozent Ende 2014, im Einstiegsamt hD von 12,73 auf 30,56 Prozent. Was bleibt: Wir müssen ein gesellschaftliches und behördliches Bewusstsein schaffen, unsere Organisationskultur weiterzuentwickeln, in der es selbstverständlich ist, dass auch Frauen in Führung sind, sowie ein Personalmanagement installieren, das die unterschiedlichen Potenziale und Bedürfnisse von Frauen und Männern in Führung berücksichtigt. Die Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf muss nachhaltig verbessert werden. Zeitsouveränität ist ein Thema, das die Weiterentwicklung flexibler Arbeitszeitmodelle zur Folge haben wird. Insbesondere für die Frauen, die auch Mütter sind und Führungspositionen übernehmen wollen, müssen die Organisationsbedingungen nach Bedarf noch flexibler angepasst werden – und das ohne ein schlechtes Gewissen zu produzieren. Ich bin überzeugt, dass es in der Polizei Berlin zwar noch viel zu tun gibt. Dank vieler kreativer Köpfe und Projekte, auch und gerade der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, sind wir aber auf einem guten Weg. Herzlichst Ihre Margarete Koppers Polizeivizepräsidentin der Polizei Berlin Die Polizei braucht Männer und Frauen und mehr Gleichberechtigung bei der Besetzung von Führungspositionen. 8 Titel & Thema: Frauen an die Spitze SemesterJournal 1/15 Titel & Thema: Frauen an die Spitze SemesterJournal 1/15 9 Frauen der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin Safak Kücük – Medienwärtin Prof. Dr. Friederike Maier – Vizepräsidentin Mekukove Veii – Austauschstudentin aus Namibia Dr. Sandra Westerburg – Kanzlerin Anastasiya Marenko – Studentin und Deutschlandstipendiatin Marion Sklarek – Geschäftsführerin Fachbereich Allgemeine Verwaltung Ulrike Becker, Katja Drasdo – IT, CampusCard-Team Nadia Alves Pereira – Kursleiterin für »Fit in 15 Minuten« Christine Bartel-Bevier – Referentin des Präsidenten Prof. Dr. Birgit Felden – Professorin für Mittelstand und Unternehmensnachfolge Diana Köhler – Sekretärin des Dekans Fachbereich Duales Studium Sylke Schumann – Pressesprecherin Kerstin Muhlack-Büchel – Studienbüro Fachbereich Wirtschaftswissenschaften Petra Kransel – Mitarbeiterin der Frauenbeauftragten Ellen Ziemen – Mitarbeiterin in der Vervielfältigung Virginia Gessinger – Bibliotheksmitarbeiterin Christine Beier – Studentin und Handballnationalspielerin Susanne Gustke – Facility Managerin Angelika Leopold – Mitarbeiterin im Dr. Bettina Biedermann – Bereich Personalwesen Forschungsreferentin Jana Muraitis – Graphikdesignerin Cornelia Kaiser – Koordinatorin des Zentrums für akademische QualiRamona Pohl, Karen Anders – Immatrikulationsbüro tätssicherung und -entwicklung Sakine Dogan – Küchenhelferin in der Mensa des Studentenwerks am Campus Schöneberg Verena Ashoff – Studienberaterin Sabine Keibel – Personalrätin 10 Titel & Thema: Frauen an die Spitze SemesterJournal 1/15 Die Geschlechterquote ist das richtige Signal! Qualifikation, Führungskompetenz, Persönlichkeit und nicht das Geschlecht sollen über den Aufstieg in höchste Führungsgremien entscheiden – in Zukunft. Um das zu erreichen, braucht es eine Kombination aus einer festen Geschlechterquote für Aufsichtsräte und flexiblen Zielvorgaben. Qualifikation, Führungskompetenz, Persönlichkeit und nicht das Geschlecht sollen über den Aufstieg in höchste Führungsgremien entscheiden. Doch obwohl Frauen in den Studienfächern Ökonomie und Jura genauso stark vertreten sind wie Männer, sind sie längst noch nicht in den (durch diese Ausbildungsgänge dominierten) führenden Positionen der deutschen Wirtschaft angekommen. Die Quote wird das Prinzip der Auswahl nach Qualifikation nicht aushebeln. Im Gegenteil, sie wird helfen, es durchzusetzen. Denn erklärtes Ziel ist, im Falle gleicher Eignung und Befähigung der Bewerberin oder dem Bewerber des unterrepräsentierten Geschlechts eine Chance zu geben – und damit die geschlechtergerechte Besetzung von Führungspositionen zu fördern. Deswegen ist der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) für die Quote in Aufsichtsräten. Die Gewerkschaften stellen dort über die Arbeitnehmerbänke derzeit den größten Frauenanteil. Über drei Viertel aller Frauen in deutschen Aufsichtsräten sind von den Arbeitnehmer/innen entsandt. Die Kapitalseite hat also erheblichen Nachholbedarf in Sachen geschlechtergerechter Teilhabe von Frauen. Und genau deswegen braucht es Sanktionen. Deshalb sieht das Gesetz vor, dass ein Sitz im Aufsichtsrat leer bleibt, wenn die Wahl nicht der gesetzlichen Quotenvorgabe entspricht. Kritik verdient ein anderer Punkt. Die Bundesregierung hat zwar mitbestimmte oder börsennotierte Unternehmen in Deutschland verpflichtet, für den Aufsichtsrat, den Vorstand und die zwei obersten Managementebenen Zielgrößen für einen höheren Frauenanteil festzulegen. Doch klare Fristen und wirkungsvolle Sanktionen fehlen. Dabei brauchen wir verpflichtend für alle Unternehmen mit verbindlichen Ziel- und Zeitvorgaben versehene Pläne zur Gleichstellung von Frauen. Und wir brauchen sie für alle Ebenen der Betriebshierarchie. Ob als Vorarbeiterin, als Filialleiterin, Oberärztin, Geschäftsführerin bis hin zur Aufsichtsrätin – um weiblichen Nachwuchs zu fördern, müssen mehr Frauen in Führungsfunktionen. Es gilt, die Betriebsräte an der Gleichstellungspolitik im Unternehmen zu beteiligen. Denn sie wird letztlich nur erfolgreich und nachhaltig sein, wenn sie von betrieblichen Akteur/innen mitgestaltet wird. Deswegen brauchen wir ein umfassendes Mitbestimmungsrecht, Titel & Thema: Frauen an die Spitze 11 Ökonomie und Geschlechterforschung Das Harriet Taylor Mill-Institut an der HWR Berlin ist deutschlandweit die einzige Forschungseinrichtung, an der Wissenschaftlerinnen aus VWL, BWL, Soziologie, Informatik, Verwaltung und Recht disziplinübergreifend zu den Themenschwer punkten Ökonomie und Geschlecht sowie zu Geschlechterfragen in Recht und Verwaltung arbeiten. Von Andrea-Hilla Carl Ökonomie und Geschlechterverhältnisse bilden traditionell einen zentralen Forschungs- und Studienschwerpunkt der HWR Berlin. Mit dem Harriet Taylor Mill-Institut (HTMI), an dem 16 Professorinnen der HWR Berlin Mitglied sind, verfügt die Hochschule seit 2001 über ein In-Institut für Ökonomie und Geschlechterforschung, das in seinem interdisziplinären Zuschnitt an einer deutschen Hochschule ein- Von Elke Hannack Nicht mal sechs Prozent Frauenanteil in den Vorständen der DAXUnternehmen, nur 19 Prozent in den Aufsichtsräten – die Führungsgremien der deutschen Wirtschaft sind fest in Männerhand. Und jedes Mal, wenn eine Managerin ihren Posten verlässt, beginnt eine altertümlich anmutende Debatte über die Führungskompetenz von Frauen. Ursache dafür ist eine Führungskultur, die wir erst überwunden haben, wenn der Anteil von Frauen in Top-Positionen steigt – und damit zur Normalität wird. Die Kombination aus einer festen 30-Prozent-Quote Geschlechterquote für Aufsichtsräte und flexiblen Zielvorgaben ist ein erster, ein richtiger Schritt in diese Richtung. SemesterJournal 1/15 zigartig ist: Wissenschaftlerinnen aus VWL, BWL, Soziologie, Informatik, Verwaltung und Recht arbeiten am HTMI disziplinübergreifend zu den Themenschwerpunkten Ökonomie und Geschlecht sowie zu Geschlechterfragen in Recht und Verwaltung. Die Mitglieder des Instituts, die nicht nur aus unterschiedlichen Fachrichtungen, sondern auch Fachbereichen der HWR Berlin stammen, forschen und lehren in den genannten Gebieten und sind mit ihrer wissenschaftlichen Forschung sowie ihren Beiträgen zu laufenden wissenschaftlichen Debatten fest in ihren Disziplinen verankert. Seit 2012 ermöglicht das HTMI auch assoziierte Mitgliedschaften von ehemaligen Hochschulangehörigen und verzeichnet inzwischen zwölf assoziierte Mitglieder von unterschiedlichen Forschungsthemen aus VWL, BWL, Soziologie, Informatik, Verwaltung und Recht mit Gender-Bezug Elke Hannack, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) wenn es um Maßnahmen zur Gleichstellung von Frauen und Männern in den Betrieben geht. Betriebsräte müssen mitentscheiden können, wenn es um die Einstellung, Aus-, Fort, und Weiterbildung und den beruflichen Aufstieg sowie um Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht. Das Quotengesetz ist ein wichtiger Schritt zur geschlechtergerechteren Repräsentation von Frauen in Führungspositionen. Doch wir brauchen mehr: Faire Aufstiegschancen für alle Frauen und Rahmenbedingungen, die eine selbstbestimmte und existenzsichernde Erwerbsbiografie aller Beschäftigten ermöglichen. Kurz gesagt: Gute Arbeit für Frauen und Männer! Die Autorin ist stellvertretende ■Vorsitzende des DGB und Mitglied des Kuratoriums der HWR Berlin. Titel & Thema: Frauen an die Spitze 12 Harriet Taylor Mill-Institut für Ökonomie und Geschlechterforschung Geschlechterforschung: Genderprofessuren Eigene Forschungsprojekte & Kolloquien Stipendien Discussion Papers Transfer in die Lehre: Genderprofessuren Themenfeld »Gender und Diversity in Betrieb und Gesellschaft« Hochschulweiterbildung Verankerung von Genderaspekten in der Lehre Vermittlung Theorie & Praxis: Werkstattgespräche GenderDiscussions Workshops & Lectures (Jahres-)Tagungen Hochschulweiterbildung Summer Schools Interdisziplinäre Forschung, Vernetzung & Förderung zu Ökonomie, Recht, Verwaltung & Geschlechterverhältnis Struktur und Aufgabenfelder des Harriet Taylor Mill-Instituts der HWR Berlin Hochschulen bzw. Forschungsinstitutionen. Im Rahmen von Drittmittel-Projekten sind am HTMI darüber hinaus kontinuierlich wissenschaftliche Mitarbeiter/innen beschäftigt. Die Leitung des Instituts liegt bei Prof. Dr. Claudia Gather, die seit 2012 seine Direktorin ist. Stellvertretende Direktorin des Instituts ist Prof. Dr. Friederike Maier. Das Institut hat seit 2006 außerdem eine Geschäftsführerin und eine studentische Hilfskraft. Die Aufgaben des Instituts liegen nicht nur im Transfer von Gender-Themen durch ein entsprechendes Lehrangebot sowie der Vermittlung zwischen Theorie und Praxis durch außenwirksame Veranstaltungen unterschiedlicher Ausrichtung. Das Institut führt vor allem anwendungsbezogene Forschungsprojekte zum Verhältnis von Wirtschaft, Verwaltung, Recht und Geschlecht durch. So zum Beispiel das von Prof. Dr. Claudia Gather geleitete Projekt »Der Erfolg selbständiger Frauen – Gründungsverläufe zwischen Familie und Ökonomie«, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird, siehe auch den Artikel auf Seite 16. Oder das Projekt »Geschlechterstereotype als Ursache persistenter Geschlechterdisparitäten – Potenziale der Familien- und Arbeitsmarktpolitik zur Durchsetzung von Chancengleichheit« unter Leitung von Prof. Dr. Miriam Beblo – ebenfalls gefördert vom BMBF. Auch das vom Berliner Programm zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen in Forschung und Lehre geförderte Projekt »Strategische Kompetenz für Frauen in Aufsichtsräten« unter Leitung von Prof. Dr. Friederike Maier ist am Institut angesiedelt. Im Rahmen dieses Projektes wurde im vergangenen Jahr eine gleichnamige zertifizierte Hochschulweiterbildung für Frauen, die bereits in Aufsichtsräten tätig sind oder ein solches Mandat übernehmen wollen, entwickelt und erprobt. Nach erfolgreichem Abschluss des ersten Durchgangs begann im Frühjahr 2015 der zweite Durchlauf dieses Weiterbildungsprogramms. Lesen Sie dazu einen Beitrag auf der folgenden Seite. SemesterJournal 1/15 Am Institut werden außerdem regelmäßig verschiedene öffentliche Veranstaltungen wie Gastvorträge, Workshops und Fachtagungen zu aktuellen geschlechterbezogenen Themen organisiert, die für Praktiker/innen, vor allem aber für Wissenschaftler/innen und Studierende relevant sind. Im April 2015 beschäftigte sich ein Werkstattgespräch beispielsweise mit dem Thema »Arabischer Frühling: Sozio-ökonomische Früchte auch für Frauen?«. Unter dieser Leitfrage setzten sich Expert/innen mit den aktuellen institutionellen Strukturen und Arbeitsmarktbedingungen in der südlichen Mittelmeerregion auseinander, hinterfragten Maßnahmen zur Frauenförderung und diskutierten Verbesserungsmöglichkeiten aus der Perspektive der Entwicklungspraxis und der Sozialforschung. Im Juli organisiert das HTMI an der HWR Berlin auch die 24. Jahreskonferenz der International Association of Feminist Economics (IAFFE), zu der 400 Teilnehmer/innen aus aller Welt erwartet werden. Das Konferenzthema für 2015 »Gender Equality in Challenging Times« soll den interdisziplinären und internationalen Dialog darüber stärken, wie feministische Ökonomie angesichts vielfältiger Umbrüche auf der ganzen Welt Lösungen zu einer nachhaltigen Geschlechtergerechtigkeit beisteuern kann. Weitere Informationen unter www.harriet-taylor-mill.de Die Autorin ist Geschäftsführerin des ■HTMI der HWR Berlin. SemesterJournal 1/15 Titel & Thema: Frauen an die Spitze 13 Frauen in den Aufsichtsrat! Ein Vorstandsposten in einer Stiftung und neue Erkenntnisse über effektive Strategie-Governance-Strukturen : Zwei Absolventinnen der Fortbildung »Strategische Kompetenz für Frauen in Aufsichtsräten« erzählen von ihren Erfahrungen. Von Stephanie Hackelsberger, Ilka Teermann und Karin Reichel Welche Kompetenzen und Kenntnisse benötigt eine Aufsichtsrätin? Wie werde ich mit meinem Anliegen sichtbar? Gibt es Netzwerke, die helfen? Dies waren die dringenden Fragen, die Stephanie Hackelsberger zur Teilnahme an der HWR-Fortbildung »Strategische Kompetenz für Frauen in Aufsichtsräten« motivierten. Wichtig war ihr, wieder in die für ein Mandat relevanten Inhalte einzusteigen und ihr Wissen auf den neuesten Stand zu bringen. Wie funktioniert Aufsichtsratsarbeit heute? Wo stehe ich? Und wie gehe ich persönlich mit der Gender-Diskussion um? Eine Fortbildung über ein dreiviertel Jahr für Frauen versprach nicht nur inhaltliche Weiterbildung, sondern auch Austausch und Kontakte zu Gleichgesinnten. Ihre Erwartungen haben sich erfüllt. Die Fortbildung hat sie ein großes Stück weitergebracht. »Die Wissensvermittlung fand auf hohem Niveau statt, die Beiträge wurden begeisternd und mit viel Engagement vorgetragen – so macht Fortbildung Spaß! Außerdem habe ich an meinem persönlichen Marketing gearbeitet und gehe mit meinem Vorhaben offensiver um. Dies brachte mir immerhin einen Vorstandsposten in einer Stiftung ein«, so das Fazit von Stephanie Hackelsberger. Auch für Dr.-Ing. Ilka Teerman war die Weiterbildung im Vergleich zu anderen Seminaren ein ganzer Input-Pool: »Ich denke, wir haben in der Weiter- bildung kaum einen Blickwinkel der Aufsichtsratsarbeit ausgelassen.« Damit war sie bestens für eine persönliche Standortbestimmung und Schwung für die eigene Weiterentwicklung geeignet. Ilka Teermann ist seit einigen Jahren Prokuristin bei einem großen Chemieparkbetreiber und hat seit 2013 ein Mandat im Aufsichtsgremium einer Anstalt des öffentlichen Rechts übernommen. Ihr persönliches Fazit: »Die fachlichen Inhalte waren mir aufgrund meines Managementjobs vertraut, was für mich absolut beruhigend war. Weniger bewusst hatte ich mich bis dahin mit der Werte schaffenden Funktion eines Aufsichtsrates und seinen Steuerungsmöglichkeiten bzw. effektiven Strategie-GovernanceStrukturen auseinander gesetzt. Zusätzlich hat die intensive Reflexion zu kulturellen Mechanismen von Macht und Möglichkeiten der Einflussnahme nicht nur meine Aufmerksamkeit für solche Mechanismen geschärft, sondern erlaubt mir heute eine gewisse Leichtigkeit im Umgang damit.« Stephanie Hackelsberger nutzte die Weiterbildung, um an ihrem persönlichen Marketing zu arbeiten Ilka Teermann hat sich durch die Ausbildung Wichtig für Stephanie Hackelsberger ist auch das Thema »Netzwerk«. Nach anfänglich »zögernder Begutachtung« sind die 27 Teilnehmerinnen, die von April bis November 2014 an der HWR Berlin in sechs Wochenend-Blockworkshops erfolgreich für ein Mandat in einem Kontrollgremium qualifiziert wurden, zu einer »richtig guten Truppe« zusammengewachsen. Die Bankerinnen, Manage- Das Projekt »Strategische Kompetenz für Frauen in Aufsichtsräten« ist am Harriet Taylor Mill-Institut der HWR Berlin angesiedelt (Projektleitung: Prof. Dr. Friederike Maier, Projektdurchführung: Dr. Karin Reichel und Dr. Andrea-Hilla Carl) und wird vom Berliner Programm zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen in Forschung und Lehre gefördert. Die Weiterbildung wird in Zusammenarbeit mit dem IMB Institute of Management der HWR Berlin durchgeführt. Potenzielle Teilnehmerinnen für den geplanten dritten Durchgang ab 2016 können sich direkt an Karin Reichel wenden: [email protected] für ihre persönliche Weiterentwicklung Schwung und neue Ideen geholt rinnen, Unternehmerinnen und Professorinnen aus der Immobilien-, Pflege-, Finanz-, Energie-, Kommunikations-, Versorgungs- und Logistikbranche sowie aus dem Marketing und dem Vertrieb halten inzwischen u. a. Kontakt über ein soziales Netzwerk, mit dessen Unterstützung hilfreiche Informationen weitergegeben und Kontakte gepflegt werden. Stephanie Hackelsberger ist Geschäfts■führerin einer Grundstücks- und Beteili- gungsgesellschaft, Dr.-Ing. Ilka Teermann ist Prokuristin bei einem großen Chemieparkbetreiber, Dr. Karin Reichel ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Harriet Taylor Mill-Institut der HWR Berlin. 14 Titel & Thema: Frauen an die Spitze SemesterJournal 1/15 Ein guter Rat für Familienunternehmen Werden mittelständische Unternehmer/innen und Führungskräfte auf das Thema Aufsichtsrat (oder Beirat) angesprochen, zeichnen sie oft ein sehr traditionelles Bild: Aufsichtsräte sind Pflichtprogramm in Aktiengesellschaften und Beiräte nur etwas für große Unternehmen. Und es sind fast immer ältere Herren. Doch tatsächlich können diese Gremien in Familien unternehmen ein unterschätztes und äußerst aktives Instrument der Unternehmensführung sein. Ein Erfahrungsbericht. Von Birgit Felden SemesterJournal 1/15 Diskussionen in mehreren Gremien vorausgehen, werden in Familienunternehmen mit kurzen Entscheidungswegen Entscheidungen oftmals aus dem Bauch heraus getroffen. Mit Blick auf den Aufsichtsrat in Familienunternehmen leiten sich daraus folgende Erfolgsfaktoren ab: ■ Ziele und Erwartungen: Nur wenn der Aufsichtsrat die Erwartungshaltung der Aktionäre und Aktionärinnen an seine Arbeit kennt, wird er seine Funktion sinnvoll aufnehmen können. Transparenz: Nur wenn die Schnittstellen zwischen Aufsichtsrat und Vorstand transparent und die Grenzen klar sind, kann der Aufsichtsrat effizient arbeiten. Unabhängigkeit: Nur unabhängige Aufsichtsräte sind gute Ratgeber – gar nicht so einfach in Familienunternehmen, wo familiäre Bindungen oftmals dominieren. In Familienunternehmen gehen ab der zweiten Generation nicht mehr »automatisch« Eigentum und Management in eine Hand. In vielen Unternehmen sind einzelne Familienmitglieder aufgrund anderer beruflicher Ausrichtungen lediglich Anteilseigner oder auch nur Mitarbeitende, was neben dem personellen Wechsel auch zu einem Strukturwandel führt. In anderen Unternehmen sind keine geeigneten oder willigen Nachfolger oder Nachfolgerinnen in Aussicht – andere Lösungen zur Nachfolge müssen entwickelt werden. ■ ■ Titel & Thema: Frauen an die Spitze ■ Kommunikation: Nur der regelmäßi- ge Austausch zwischen Aufsichtsrat, Mitarbeitenden und Aktionären verschafft ein umfassendes Bild. Informationen: Nur mit regelmäßigen und aussagefähigen Unterlagen kann der Aufsichtsrat unternehmerischer Sparringspartner sein. Dabei gilt »weniger ist mehr. ■ Ein Fazit Aufsichtsräte stehen im Spannungsfeld zwischen zunehmenden Anforderungen an die Corporate Governance und pragmatischer, am Mehrwert des Unternehmens ausgerichteter Gremienarbeit. Erstere fürchten insbesondere mittelständische Familienunternehmen und meiden daher oftmals die attraktive Rechtsform der Aktiengesellschaft. Bei sorgsamer Vorbereitung, Klarheit über die Aufgaben und Transparenz der Gremien kann ein kompetenter Aufsichtsrat jedoch gerade in Familienunterneh- 15 men vieles bewirken: Als zusätzlicher Erfahrungsgeber, als Vermittler zwischen Familienwelt und Geschäftswelt, als Sparringspartner bei der Begleitung von Wachstum ist ein Aufsichtsrat ein hervorragendes Instrument für den Erhalt und Ausbau von erfolgreichen Familienunternehmen. Und: es macht (mir) viel Spaß, als Mitglied eines Aufsichtsrats ein Unternehmen mitzugestalten. Weitere Informationen unter www.fischer-teamplan.de Die Autorin ist Professorin für Ma■nagement KMU und Unternehmens- nachfolge, Mitglied des Aufsichtsrates der Teamplan-Holding AG sowie stellvertretende Beiratsvorsitzende bei ArMiD (Aufsichtsräte und Beiräte im Mittelstand in Deutschland) e. V. Professorin und Aufsichtsrätin: Prof. Dr. Birgit Felden lehrt, berät und entscheidet mit. Als Direktorin des Instituts für Entrepreneurship, Mit- In einer solchen Situation habe ich den Gründer und Mehrheitsanteilseigner eines der größten deutschen inhabergeführten Ingenieur-Dienstleistungsunternehmens in Deutschland kennengelernt und bin vor zehn Jahren Mitglied des Aufsichtsrates seines Unternehmens geworden. Der bisherige Inhaber veräußerte damals einen größeren Anteil seiner Aktien an den neuen Vorstand, vier Herren aus der zweiten Führungsriege, die das Unternehmen seitdem als Vorstand führen. Ausgewählt wurde ich wegen meiner Expertise zum Thema Unternehmensnachfolge und meiner Praxiserfahrungen als Unternehmerin, die ihr Unternehmen im Jahr 2000 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt hat. Mich hat an der Aufgabe vor allem gereizt, dass in diesem Unternehmen – eher untypisch für Familienunternehmen – nahezu alle der über 100 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen selbst Aktionäre des Unternehmens sind. Natürlich stellt sich in Familienunternehmen die Frage nach dem generellen Sinn eines Aufsichtsrates. Dieser ist den Anteilseignern verpflichtet und kon- telstand und Familienunternehmen der HWR Berlin (EMF Institut) lädt sie regelmäßig Unternehmer/innen zu öffentlichen Gesprächsrunden über Unternehmensgründung und -nachfolge ein. trolliert und berät den Vorstand, der in Familienunternehmen – wie auch in diesem Unternehmen – gleichzeitig einer der Hauptaktionäre ist. Nun sollte man unterstellen, dass der Vorstand, wenn er gleichzeitig wesentlicher Aktionär ist, nicht seinen eigenen Interessen zuwiderhandelt. Doch das macht den Aufsichtsrat nicht obsolet. Neben den immer umfangreicheren juristischen Regularien, deren Einhaltung Vorstand und Aufsichtsrat gleichermaßen gewährleisten müssen, geben professionelle Aufsichtsräte den sich aus dem Vorstand zurückziehenden Alt-Aktionären Sicherheit und unterstützen die junge Generation – in diesem Fall Mitglieder des bisherigen Managements – beim Einstieg in die neuen Aufgaben. Der Aufsichtsrat kann darüber hinaus – und das ist in diesem Fall vordringlicher – durch seinen von außen kommenden Rat neue Wege aufzeigen und das Risiko von Fehlentscheidungen im Management verringern. Als Impulsgeber zwingt er auch dazu, neue Ideen zu entwickeln, was die Zukunft des Unternehmens sichert. Und schließlich: Gute Aufsichtsräte sind Vermittler – nicht nur zwischen Gremien, sondern auch als Türöffner zu neuen Kunden und Lieferanten. Eine zentrale Aufgabe des Aufsichtsrates ist die kritische Beurteilung unternehmerischer Risiken. Während in rein fremdgemanagten Großunternehmen der unternehmerischen Entscheidungsfindung umfangreiche Analysen und 16 Titel & Thema: Frauen an die Spitze SemesterJournal 1/15 SemesterJournal 1/15 Titel & Thema: Frauen an die Spitze 17 Diskriminiert der Markt nach Geschlecht? Die geschlechtsspezifische Einkommenslücke in der Selbständigkeit ist mit 43 Prozent deutlich höher als in der abhängigen Erwerbsarbeit. In der Selbständigkeit gibt es jedoch keine Vorgesetzten, die Aufstiege und die Entlohnung der Frauen behindern. Was sind also mögliche Erklärungen für diese Ungleichheit? Von Claudia Gather Seit den 1990er Jahren steigt die Zahl der Selbständigen deutlich an, bei den Frauen sogar besonders stark, von 780 000 (1991) auf 1 278 000 (Statistisches Bundesamt 2014). Dennoch sind immer noch nicht mal halb so viele Frauen wie Männer selbständig. Überraschend ist, dass bei den Selbständigen die geschlechtsspezifische Einkommenslücke deutlich größer ist als bei den abhängig Erwerbstätigen, bei denen diese Lücke seit einigen Jahren relativ konstant bei ca. 23 Prozent liegt. Bei den Selbständigen beträgt sie aktuell 43 Prozent in Deutschland (OECD 2014, Lechmann 2014) und liegt damit im europäischen hinteren Mittelfeld, vgl. Grafik. Die Einkommenslücke kann teilweise auf Brancheneffekte zurückgeführt werden. So gründen Frauen zu 75 Prozent im Dienstleistungsbereich, Männer nur zu knapp 60 Prozent (Kohn/Ullrich 2011: 4). Frauen ergreifen zudem ein sehr viel geringeres Berufsspektrum als Männer, darunter eher solche Berufe, die sich nicht gut für die Selbständigkeit eignen, wie kaufmännische Berufe und medizinisch technische Assistenzen. Die Branche spielt nicht nur für die Frage des Entgeltes in der abhängigen Beschäftigung eine gewichtige Rolle, wie schon Maier (1990) gezeigt hat, sondern auch für das Einkommen in der Selbständigkeit. Generell wird im Finanz- wie im Gesundheitswesen mehr verdient als zum Beispiel im Hotel- und Gaststättengewerbe oder im Handel. In jeder Branche gibt es aber den Geschlechterunterschied beim Einkommen. In jeder Branche haben selbständige Frauen ein deutlich geringeres Nettoeinkommen als selbständige Männer. Unter Kontrolle verschiedener Merkmale wie Arbeitszeit und Humankapital er- 70 60 50 59 57 50 49 44 43 62 40 30 20 16 13 10 0 D and chl ts eu and Isl n de we Sch h c rei ter Ös en ani Sp iz we Sch n lie Ita al ug rt Po n le Po Einkommensunterschiede bei Selbständigen nach Geschlecht in Prozent rechnet Lechmann für Selbständige eine sogenannte »bereinigte« Verdienstlücke von 24 Prozent, die sich nicht erklären lässt. Zwar gibt es für Selbständige im Gegensatz zu abhängig Beschäftigten keine »geschlechtsspezifischen Selektions- und Rekrutierungsstrategien und keine statistische Diskriminierung« (Maier 1990: 71 ff.). Jedoch wirken Ungleichheiten aus der vorherigen abhängigen Beschäftigung fort, indem Frauen beispielsweise weniger Eigenkapital für die Gründung ansparen (können), da ihre Entlohnung vor der Gründung in der Regel geringer ist (Gather/Schmidt/ Ulbricht 2014). Wie lässt sich also die Lücke erklären? Eine offene Forschungsfrage ist, wie weit sich die Gesellschaftsstruktur mit ihrer Devaluation von Frauenarbeit auch in der Selbständigkeit fortsetzt. Werden selbständige Frauen auf dem Markt diskriminiert in dem Nachfrager/innen oder Konsument/innen nicht bereit sind, für ihre Leistung oder Produkte (z. B. für Beratungsleistungen) dieselben Preise zu bezahlen wie bei selbständigen Männern? Hinweise darauf kommen aus einer kanadischen Studie über Selbstän- digkeit von indischen Immigranten. Am Beispiel von Sikhs im Holzfällerbusiness im Raum Vancouver zeigt eine Studie, dass Kanadier/innen nur dann bereit sind bei Migrant/innen zu kaufen, wenn diese ihre Produkte deutlich preiswerter anbieten als Kanadier/innen ohne Migrationshintergrund (Walton-Roberts/ Hiebert 1997). Möglicherweise gibt es ein ähnliches Phänomen auch bei selbständigen Frauen, die ihre Dienstleistungen erst dann auf dem Markt verkaufen können, wenn sie diese unter dem von selbständigen Männern kalkulierten Preisen anbieten. Das wäre genauer zu untersuchen. Die Autorin ist Professorin für Sozial ■wissenschaften mit dem Schwerpunkt Geschlechterverhältnisse sowie Direktorin des Harriet Taylor Mill-Instituts der HWR Berlin. Buchinformation Die Vielfalt der Selbständigkeit – Sozialwissenschaftliche Beiträge zu einer Erwerbsform im Wandel; Claudia Gather, Ingrid Biermann, Lena Schürmann, Susan Ulbricht, Heinz Zipprian (Hrsg.); Berlin 2014: edition sigma Prof. Dr. Barbara Beham ist eine von zahlreichen Frauen, die auf vorgezogene Nachfolgeprofessuren an die HWR Berlin berufen wurden » Es fehlt noch an Rollenmodellen « Prof. Dr. Barbara Beham, Professorin für Arbeitspsychologie & Cross-Cultural Management an der HWR Berlin, spricht im Interview über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die Aufstiegschancen von Frauen. Ein Interview von Barbara Halstenberg Frau Prof. Beham, Sie sind seit letztem Jahr Professorin für Arbeitspsychologie & Cross-Cultural Management an der HWR Berlin. Zuvor waren Sie Professorin an der TU Berlin. Was hat Sie an dem Wechsel an die HWR Berlin gereizt? Fachhochschule, was meiner ausgeprägten Forschungsorientierung sehr entgegen kommt. Erwähnen möchte ich an dieser Stelle auch noch, dass das Berufungsverfahren sehr professionell ablief und ich mich an der HWR Berlin sofort wohl gefühlt habe. BB: Ich wollte aus privaten Gründen gerne langfristig in Berlin bleiben und habe daher Rufe auf Universitätsprofessuren in andere deutsche Städte abgelehnt. Als dann der Ruf an die HWR Berlin kam, war es eine sehr einfache Entscheidung die befristete W2-Professur an der TU Berlin gegen die unbefristete Professur an der HWR Berlin einzutauschen. Darüber hinaus gilt die HWR Berlin als eine forschungsorientierte Ihre Professur wird durch das Professorinnenprogramm des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und des Berliner ChancengleicheitsProgramm gefördert und ist eine sogenannte vorgezogene Nachfolgeberufung für Frauen. Was heißt das genau? BB: Das Professorinnenprogramm des Bundes ermöglicht es Hochschulen, Pro- fessorenstellen bis zu fünf Jahre vor dem Ausscheiden des/der Stelleninhaber(in) wieder zu besetzen, wenn dafür eine qualifizierte Frau gefunden werden kann. Die Hochschule hat somit für fünf Jahre eine zusätzliche Professur. Inwieweit war dies wichtig bei Ihrer Bewerbung? BB: Das Professorinnenprogramm spielte bei der Entscheidung, mich an der HWR Berlin zu bewerben, keine Rolle. Allerdings stellt das Professorinnenprogramm auf Antrag auch Reise-, Sach- und Personalmittel zur Verfügung. Nachdem ich die Hochschulleitung dafür gewinnen konnte, neben Reise- und Sachmitteln auch Personalmittel zu beantragen, habe 18 Titel & Thema: Frauen an die Spitze ich nun für die nächsten viereinhalb Jahre eine ähnliche personelle Ausstattung wie an der TU Berlin. mit Pflegeverantwortung aufbringen, kreative Lösungen für Vereinbarkeitskonflikte suchen und als Rollenmodelle vorangehen. Sind solche Maßnahmen sinnvoll für die Förderung von Frauen in der Wissenschaft? BB: Ja, ich halte diese Maßnahmen für sinnvoll, weil eine derart starke Unterrepräsentanz von Frauen, ähnlich wie in Top-Management-Positionen in der Wirtschaft, nicht ohne steuernde Maßnahmen abgebaut werden kann. Sie forschen auch zu Themen wie »familienfreundliches Führungsverhalten« und »flexible Arbeitsarrangements«. Was braucht es, um mehr Frauen in die Wissenschaft und in die Wirtschaft zu bringen und ihnen dort auch Führungspositionen anzubieten. BB: Neben flexiblen Arbeitsformen, wie flexible Arbeitszeiten, Teilzeit, Telearbeit/ Home Office und Kinderbetreuungsmöglichkeiten, bedarf es auch einer Flexibilisierung der Karrieremodelle. Denn nach wie vor dominiert das lineare Karrieremodell, das berufliche Auszeiten oder Teilzeit aufgrund von Familiengründung nicht toleriert. Eine partnerschaftliche Beteiligung der Väter an familiären Betreuungspflichten ist ebenso wichtig. Darüber hinaus wissen wir aus der Forschung, dass die besten Programme zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht ihre volle Wirkung entfalten, wenn eine auf Präsenz und starren Hierarchien beruhende Unternehmenskultur dominiert. Um den kulturellen Wandel hin zu einer familienfreundlichen Unternehmenskultur zu schaffen, bedarf es Führungskräfte auf allen Ebenen, die Verständnis für die Bedürfnisse von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Wie wirkt sich die Vereinbarkeit von Beruf und Familie auf die Aufstiegschancen von Frauen aus? BB: Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie stellen eine sehr häufige Barriere für Frauen dar, um in höhere Führungspositionen zu gelangen. Zum Beispiel gilt eine Teilzeittätigkeit, um eben familiären Pflegeverpflichtungen besser nachkommen zu können, nach wie vor als nicht vereinbar mit einer Führungsposition. Es fehlt hier noch an Rollenmodellen, auch an männlichen Rollenmodellen. Was für eine Rolle spielen die Väter dabei? BB: Aus Angst vor negativen Auswirkungen auf die Karriere gehen nach wie vor sehr viele Väter in Deutschland weder länger in Elternzeit noch arbeiten sie in Teilzeit. Viele nehmen die zwei Vätermonate um die vollen vierzehn Monate Elterngeld auszuschöpfen; die längere Auszeit nehmen die Mütter. Sie finden nur ganz wenige Paare, bei denen beide Elternteile in Teilzeit arbeiten und die familiären Betreuungsaufgaben paritätisch aufgeteilt sind. Konnten Sie bei Ihren internationalen Forschungsprojekten auch kulturelle Unterschiede bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie und den Aufstiegschancen von Frauen feststellen? BB: Ob die Aufstiegschancen in der deutschen Wirtschaft für Frauen schlechter sind als in anderen Ländern, kann man SemesterJournal 1/15 meiner Meinung nach nicht pauschal beantworten. Deutschland hat sicher in manchen Teilen noch ein erhebliches Defizit an Kinderbetreuungseinrichtungen als beispielsweise im Vergleich zu manchen skandinavischen Ländern. Diese werden gerne als Modelle für eine erfolgreiche Familienpolitik herangezogen, allerdings darf man nicht übersehen, dass zwar mehr Frauen in diesen Ländern in Vollzeit oder in einer vollzeitnahen Teilzeitbeschäftigung arbeiten, aber in Führungspositionen in der Privatwirtschaft sind Frauen auch in diesen Ländern stark unterrepräsentiert. Und wie sieht es mit den wissenschaftlichen Karrieren von Frauen im Ländervergleich aus? BB: Wissenschaftliche Karrieren in den deutschsprachigen Ländern unterscheiden sich markant von beispielsweise den angelsächsischen Ländern, weil es so gut wie keine Tenure Track Professuren mit Aussicht auf Festanstellung gibt und es außer den Professuren, die trotz Exzellenzinitiative seit Jahren auf niedrigem Niveau stagnieren, keine unbefristeten Stellen an den Hochschulen gibt. Die wissenschaftliche Karriere in Deutschland ist von hoher Unsicherheit geprägt. Erst in den letzten zwei bis drei Jahren schreiben manche Universitäten wie die TU München oder seit kurzem auch die Universität Potsdam vereinzelt Tenure Track Professuren aus, die dem wissenschaftlichen Nachwuchs eine gewisse Planungssicherheit geben. Diese ist vor allem für Frauen sehr wichtig, da sich die Familiengründungsphase und die weichenstellenden Karriereschritte auf den Weg zur Professur oft zeitlich überschneiden. Vielen Dank für das Gespräch. SemesterJournal 1/15 Titel & Thema: Frauen an die Spitze 19 Alle sprechen über Gender und Diversität – wir auch! Das Themenfeld »Gender und Diversity in Betrieb und Gesellschaft« soll Studierende in die Lage versetzen, diskriminierende Strukturen und Praxen analysieren zu können und konkrete Handlungsmöglichkeiten zu erarbeiten. Von Friederike Maier Frauenquoten für Aufsichtsräte, geschlechtsbezogene Lohnunterschiede, Familienzeit, Mindestlohn, Diskriminierungsverbot bei Einstellungen … Die Liste der möglichen Schwerpunkte einer Lehrveranstaltung zum Thema »Gender und Diversity in Betrieb und Gesellschaft« ist lang. Zwölf Semesterwochenstunden stehen in einem Themenfeld der Bachelor-Studiengänge »Business Administration« und »Economics« des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften für die interdisziplinäre Beschäftigung mit einem thematischen Schwerpunkt zur Verfügung. Die Studierenden haben dabei die Wahl zwischen insgesamt sechs bis acht unterschiedlichen Themenfeldern. »Ökonomie und Geschlechterverhältniss« war dabei immer eines der möglichen Wahlgebiete, seit die Bachelor-Studiengänge 2005 etabliert wurden. Seit mehr als zehn Jahren ist dieses Themenfeld eines der Angebote unserer Hochschule, das zum besonderen Profil beiträgt. Die Lehrveranstaltung hat das richtige Format, um die oben angeschnittenen und noch viele andere Fragen kompetent und vertiefend, auf dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Diskussion, und jenseits des Stammtisch-Wissens, aufzugreifen und mit den Studierenden zu erarbeiten. Dabei werden insbesondere geschlechtsbezogene Ungleichheits- und Strukturierungsprozesse auf betrieblicher und gesellschaftlicher Ebene untersucht. Andere Ungleichheitsdimensionen wie Ethnizität, Alter, sexuelle Identität und soziale Herkunft spielen ebenfalls eine Rolle. Verschiedene Erklärungsansätze aus der Betriebswirtschaftslehre, der Volkswirtschaftslehre und der Soziolo- gie für Ungleichheit in Wirtschaft und Gesellschaft sowie Maßnahmen, die auf Chancengleichheit zielen, werden vorgestellt und auf ihre Wirksamkeit und Umsetzbarkeit diskutiert. Die rechtlichen Regelungen des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes sowie des Europarechts bilden dabei einen unverzichtbaren Rahmen für die Analyse. Die theoriegeleitete Vermittlung und empirische bzw. praxisorientierte Erarbeitung der Studieninhalte soll die Studierenden in die Lage versetzen, diskriminierende Strukturen und Praxen erkennen und untersuchen zu können und konkrete Handlungsmöglichkeiten zur Minderung von Diskriminierung und damit zur Steigerung von Chancengerechtigkeit zu erarbeiten. Auch die Umsetzung von Instrumenten und Maßnahmen in der Praxis wird kritisch analysiert – dabei werden die Vor- und Nachteile von Frauenquote, Entgeltgleichheitsgesetz, Arbeitszeitregelungen, Mindestlohn oder dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz fachkundig aufgegriffen. Das Interesse der Studierenden am Themenfeld ist kontinuierlich und stabil, die intensive Auseinandersetzung mit Fragen von Gender und Diversity bewegt alle Beteiligten oft über den Rahmen der Lehrveranstaltung hinaus. Einige Abschlussarbeiten wurden bereits ausgezeichnet: die Arbeit von Anja Spychalski »GLBT Diversity als Beitrag zum Unternehmenserfolg am Beispiel der IBM in Deutschland« erhielt den Politea Preis der HWR Berlin. Die Arbeit von Luise Görges: »Auf (Lohn-) Abstand gehalten – Arme und Prekäre in der flexibilisierten Arbeitsgesellschaft« wurde darüber hinaus auch mit dem efas – das Ökonominnenetzwerk – Nachwuchsförderpreis ausgezeichnet. Die Autorin ist Professorin für ■Volkswirtschaftslehre am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften sowie Vizepräsidentin der HWR Berlin. Diversity in der Arbeitswelt – ein wichtiges Thema in Studium, Lehre und Forschung 20 Titel & Thema: Frauen an die Spitze SemesterJournal 1/15 Weil wir es drauf haben Finja Stohl studiert im 4. Semester im dualen Bachelor-Studiengang »Bauwirtschaftsingenieurwesen« an der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin. Während des dreijährigen Hochschulstudiums absolviert sie dreimonatige Praxisphasen in ihrem Ausbildungsunternehmen. Im Interview erzählt sie begeistert von ihrem Bauprojekt und ist überzeugt, dass Bauingenieur/in auch für Frauen der richtige Beruf ist. Ein Interview von Sylke Schumann Praxis-Studium auf der Baustelle, nehmen Sie uns mal mit… Und zurück in der »Uni« steht was auf dem Programm? FS: Also oft begleite ich den Bauleiter auf die Baustelle und darf hier und da assistieren. Dabei lerne ich, wie alles funktioniert ‒ von der Planung bis zur Hausübergabe, mit unzähligen Besprechungen. FS: Diese Woche schreibe ich Klausuren, vier: Tragwerkslehre, Technisches Zeichnen, Kalkulation und Bauverfahrenstechnik, Wärme- und Feuchteschutz. Zwei sind schon geschafft. Heute ist frei, aber ich bin zur Uni gekommen, um gemeinsam mit Kommiliton//innen zu lernen. An welchem Bauprojekt arbeiten Sie mit? FS: Es entstehen 18 neue Wohnhäuser an der Yorckstraße hier in Berlin. Von der Straße aus kann man schon die roten Sichtbetonfassaden sehen. Richtig schick. Die Wohnungen werden auch von innen ganz toll. Am besten gefällt mir die mit der großen Dachterrasse, ganz oben. Und welche konkreten Aufgaben übernehmen Sie? FS: Bisher war ich im Büro für Ausschreibung und Vergabe, erstellte selbständig einen Teil des Leistungsverzeichnisses. Anhand der Baupläne kalkulierte ich, wie viele Wände die Trockenbauer hochziehen müssen und sowas. Ich habe auch schon Leistungen der ausführenden Firmen auf Mängel untersucht und Fotodokumentationen des Bautenstandes gemacht. Ich bin immer ganz gespannt auf meine nächste Praxisphase. Und das macht Ihnen Spaß, weil…? FS: …ich es einfach toll finde, mir vorzustellen und mitzuerleben, wie sich alles vom Modell bis zum fertigen Haus entwickelt. Mein Leben lang möchte ich nun nicht nur Ausschreibungen und Vergabe machen, aber es ist schon ganz interessant. Das Pensum ist ganz schön heftig. FS: Ja, so richtig konnte ich erst zwei Wochen vor den Prüfungen angefangen zu lernen. In den Uni-Wochen dauert der Unterricht von früh bis zum späten Nachmittag, in zwei Blöcken. Und trotzdem ist das Studium zu schaffen? FS: Absolut. Angefangen haben wir in meinem Kurs mit insgesamt 37, jetzt sind wir noch 30 Studierende, davon acht Frauen. Von denen ist übrigens keine abgesprungen, sind alle noch dabei. Bauwirtschaftsingenieurwesen ist nicht unbedingt das typische Frauenstudium. FS: Ich find’s ganz cool. Man merkt zwar, dass wir, sagen wir mal, keine typischen BWL-Studentinnen wären. Alle meine Kommilitoninnen haben diesen Studiengang bewusst gewählt und sind relativ robust. Zu zart besaitet wäre man da auch nicht so gut aufgehoben, glaube ich. auch schon mal nicht so nett. Konfliktmanagement wird auf eine sehr direkte Art ausgetragen. Aber ich find’s cool. Und Mathe auch? FS: Meine Lieblingsfächer in der Schule waren Mathe… und Mathe. Eigentlich mochte ich nichts so richtig außer Mathe. Physik ist auch wichtig. Wollten Sie schon immer beruflich ins Bauwesen? FS: Ja, etwa seit ich acht war. Fand es immer super interessant, mir tolle Villen anzugucken, habe mir vorgestellt, wie die Raumaufteilung ist und so. Mit zehn zeichnete ich mein Traumhaus, später mit einem Computerprogramm. Mein Bruder und ich haben in unserem Garten ein Party-Häuschen gemauert, so richtig Stein auf Stein. Wie kamen Sie auf das duale Studium? FS: Eigentlich sah ich meine Zukunft als Architektin. Bin dann aber umgesprungen auf das duale Studium, weil mir Mathe und das Praktische eben mehr liegen als das Kreative. Und weil man als Architekt/in heute wohl nicht mehr so gut verdienen kann. Über Bekannte meiner Eltern erfuhr ich von dem Studiengang an dieser Fachhochschule und bewarb mich bei den Ausbildungsunternehmen, die auf der HWR-Internetseite aufgelistet sind. Zwei davon boten mir einen Platz an. Und jetzt sind Sie unter Vertrag bei…? Weshalb? FS: Auf dem Bau können ganz schön die Fetzen fliegen. Und wenn die Kollegen miteinander streiten, dann ist der Ton FS: … der SCHÄFERWENNINGERPROJEKT GmbH mit Sitz in Alt-Mariendorf. Es ist ein ganz junges Unternehmen mit ungefähr 20 Mitarbeiter/innen. Es SemesterJournal 1/15 Titel & Thema: Frauen an die Spitze wurde erst vor ca. drei Jahren gegründet. Ich bin die einzige und auch die erste dual Studierende. zusammen in unserer Freizeit. Nicht alle 30 Leute, aber so in kleineren Gruppen. Was sollte man wissen, bevor man sich für ein duales Studium entscheidet? FS: Studium und Praxis wechseln sich ab. Das Ganze ist komplett durchorganisiert und sehr zeitintensiv. Man bekommt Ausbildungsgeld und ich habe 24 Tage Urlaub im Jahr. Das ist ein bisschen blöd. Wir müssen zur Uni und arbeiten, während die anderen Semesterferien haben. So kann man nicht mit Freunden wegfahren, die nicht das gleiche Studium machen. Das heißt, drei Jahre Vollzeit mit der eigenen Studiengruppe verbringen? FS: Zum Glück habe ich zwei richtig gute Freundinnen aus meinem Kurs und verstehe mich auch mit den Jungs super. Das ist wichtig. Wir unternehmen echt viel Bedeutet »Uni« nur Theorie? FS: Nein, in einem Studienprojekt konzipiere ich gerade gemeinsam mit einer Kommilitonin eine Tiefgarage. Damit nehmen wir an einem Studierendenwettbewerb teil. Wir müssen den gesamten Ablaufplan erarbeiten, ein Leistungsverzeichnis erstellen, die Kalkulation vornehmen und uns für ein Schalungssystem entscheiden. Die Praxisphasen im Unternehmen sind trotzdem super wichtig. Denn mit dem, was man in der Uni lernt, kann man nicht wirklich so viel anfangen, wenn man das nicht »draußen« schon einmal gesehen hat. Da mein Unternehmen nur im Wohnungsbau tätig ist, erlebe ich beispielsweise nicht, wie eine Brücke entsteht oder ein Tunnel gebaut wird. Diese praktischen Erfahrungen fehlen mir, wenn das auf dem Lehrplan steht. 21 Was halten Sie von einer Frauenquote? FS: Finde ich schlecht. Meiner Meinung nach ist das für die Frauen eher peinlich. Ich möchte nicht, dass ein Unternehmen mich nur wegen der Frauenquote nimmt, sondern weil ich gut bin und weil ich’s einfach drauf hab. Mittlerweile können wir Frauen uns ganz gut durchsetzen, weil das heute einfach normal ist, genau wie Studentinnen im Studiengang Bauwirtschaftsingenieurwesen. Vielen Dank für das Gespräch. Finja Stohl studiert Bauwirtschaftsingenieurwesen und findet, dass dies auch für Frauen ein spannendes und geeignetes Berufsfeld ist. Sie möchte im Job durch Kompetenz und nicht als Quotenfrau überzeugen. 22 Titel & Thema: Frauen an die Spitze SemesterJournal 1/15 SemesterJournal 1/15 Titel & Thema: Frauen an die Spitze 23 Wer suchet, der findet Das Cross Cultural Mentoring (CCM) Programm der HWR Berlin kooperiert erfolgreich mit ZONTA, einem weltweiten Netzwerk berufstätiger Frauen – von Anfang an eine Win-Win-Situation. Von Elena Brandalise Das CCM-Programm an der HWR Berlin bringt externe Professionals mit Studierenden zusammen, Menschen, die sich sonst vielleicht nicht begegnen würden. Bei einem Vortrag von HWRProfessorin Dr. Pakize Schuchert-Güler 2007 im Rahmen einer Veranstaltung des Förderpreises der Stiftung Aktive Bürgerschaft lernte das CCM den Frauenverein ZONTA kennen, der seither Kooperationspartner ist und Mentorinnen für HWR-Studierende zur Verfügung stellt. ZONTA ist ein weltweiter Zusammenschluss berufstätiger Frauen mit dem Ziel, die Stellung der Frau im rechtlichen, politischen, wirtschaftlichen und beruflichen Bereich zu verbessern. Das Motto des Netzwerks lautet: »Advancing the status of women worldwide«. »Fachkenntnisse sind wichtig, entscheidend aber ist der Austausch über informelles Wissen und persönliche Erfahrungen«, so lautet das Fazit von Pamela Stenzel zum Mentoring an der HWR Berlin. Die Rechtsanwältin und kulturelle Trainerin ist Mitglied von ZONTA und unterstützt das CCM. Frau Stenzel erfuhr selbst die Unterstützung durch den Austausch mit einer erfahrenen Führungskraft. Damals suchte sie Antworten: »Wie gehe ich mit bestimmten Situationen um? Wie setzte ich mich (besonders in männerdominierten Arbeitsfeldern) durch?« Diese Fragen konnte sie mit einer älteren Kollegin besprechen, die für sie zu einem Vorbild wurde. Die Begleitung ermöglichte ihr das Kennenlernen einer Dimension, die nicht nur mit ihr als junger Frau zu tun hatte, sondern ihre Position als Frau in der Gesellschaft und im Beruf umfasste. Eine wichtige Erfahrung, die politische Zusammenhänge erlebbar machte und sie im Rahmen einer vertraulichen Beziehung vertiefen konnte. »Wenn ich diese Erfahrung nicht gemacht hätte, wäre ich heute nicht da, wo ich bin«, so Pamela Stenzel, die auch als Dozentin im Programm »Strategische Kompetenz für Frauen in Aufsichtsräten« an der HWR Berlin unterrichtet. Diese und weitere Tipps konnte sie an die Mentees der HWR Berlin weitergeben. Bei einer Mentee ging es zum Beispiel unter anderem um ihre Rolle im Rahmen von Familie und Studium. Auch sie suchte ihren Platz und konnte im Kontext des Austausches ihre Prioritäten erkennen und Konsequenzen daraus ziehen. Wie ging das? Frau Stenzel gab nichts vor, sondern versetzte sich in die Person hinein und begleitete sie in der Entscheidung. »Die Entscheidung wird der Mentee überlassen«, so die Mentorin. »Der Sinn des Austausches ist es, die Ressourcen der Mentees zu aktivieren, damit sie selbst die Situation in die Hand nehmen.« Da der Ansatz von CCM darin besteht, interkulturelle Paare zusammen zu bringen, hatte Pamela Stenzel die Möglichkeit, ihr Bewusstsein und ihre Sensibilität im Rahmen interkultureller Themen zu erweitern. So beschreibt sie die Win-Win-Situation stellvertretend für den ZONTA-Club nach sieben Jahren Zusammenarbeit: »Die Sichtweise der meisten Mentorinnen, aber auch der anderen Club-Mitglieder hat sich verändert, da durch den persönlichen Kontakt eingefahrene Stereotypen aufgebrochen wurden«. Die Mentees werden regelmäßig zu den Veranstaltungen des Netzwerks eingeladen. Die Kooperation zwischen ZONTA und CCM wirkt also weit über die jeweilige Tandembeziehung hinaus. Eines Tages werden die Mentees die neuen Mentorinnen sein. Die Autorin koordiniert CCM für die ■Fachbereiche 3 – 5 an der HWR Berlin. Pamela Stenzel, Mitglied des Frauenvereins ZONTA, tauscht als Mentorin mit Studierenden der HWR Berlin informelles Wissen und persönliche Erfahrungen aus Nachdem Antonia Bello als Designerin für ein Berliner Schuhlabel gearbeitet hat, ist sie zur Zeit Assistentin der Geschäftsleitung bei der Firma 6Minutes Media GmbH Von der Modenäherin zur Geschäftsführerin Antonia Bello studiert den MBA Entrepreneurship und erhält ein Teilstipendium der HWR Berlin zur Förderung des weiblichen Managementnachwuchses. Im Interview erzählt sie von ihrem ungewöhnlichen Werdegang und den Chancen von Frauen, Führungspositionen zu besetzen. Ein Interview von Barbara Halstenberg Frau Bello, wo arbeiten Sie zurzeit? AB: Seit kurzem arbeite ich bei der 6Minutes Media GmbH als Office Managerin/Assistentin der Geschäftsführung. Die 6Minutes Media GmbH ist bekannt für ihre Social-Shopping Community Portale und zählt in diesem Bereich zu den erfolgreichsten Unternehmen in Deutschland. Was ist Ihre Tätigkeit in dem Unternehmen? AB: Mein Tätigkeitsfeld ist sehr breit gefächert, befasst sich jedoch vor allem mit strukturbildenden und organisato- rischen Aufgaben. Mit Blick auf meinen bisherigen Werdegang, ich komme aus der Modebranche, ist dieser Job vielleicht etwas ungewöhnlich. Allerdings habe ich mich bewusst dafür entschieden, da ich einen beruflichen Perspektivenwechsel wollte und mir mein Arbeitgeber hier einen interessanten Einblick in die webbasierte Affiliate-Landschaft ermöglicht. Darunter versteht man eine Art Vertrieb, bei dem ein kommerzieller Anbieter den Affiliate-Partner durch Provisionen vergütet, da dieser für ihn Werbung oder Angebote auf seinen Webseiten platziert. Außerdem bietet mir der Job noch weiter Anknüpfungspunkte zu meinem MBA-Studium. Wie sieht Ihr bisheriger Werdegang aus? AB: Nach meinem Abitur habe ich eine Ausbildung zur Modenäherin in Berlin gemacht. Eine praktische Voraussetzung für mein anschließendes Modedesignstudium, das ich 2009 an der Hochschule für Wirtschaft und Technik (HTW) Berlin abgeschlossen habe. Danach habe ich eine Anstellung als Juniordesignerin für ein Berliner Schuhlabel angenommen. Von Beginn an hatte ich hier die Möglichkeit, viel Verantwortung zu übernehmen und konnte so nach und nach aufsteigen, sodass ich 2012 das Designdepartment als Head of Design geleitet habe und 2013 dann Teil der Geschäftsführung wurde. 24 Titel & Thema: Frauen an die Spitze Warum haben Sie sich dann für ein weiterbildendes Managementstudium an der HWR Berlin entschieden? »emotionale Führung« aufgreifen. Darüber hinaus erhoffe ich mir natürlich gute Netzwerkmöglichkeiten, und ich möchte meinen eigenen Projekte zu einem guten Start verhelfen. AB: Meine Aufgaben haben sich mit der Zeit vom Design zum Management verlagert. Viele Anforderungen, die damit auf mich zukamen, waren für mich neu und ich habe sehr viel autodidaktisch und »aus dem Bauch heraus« gemacht. Da ich mich grundsätzlich in dieser Führungsrolle sehr wohl gefühlt habe, hatte ich nun für mich den Anspruch, meinen eher intuitiven Ansatz durch ein entsprechendes Studium zu fundieren. Nach wie vor bin ich dem kreativen Bereich sehr zugetan, allerdings erhoffe ich mir durch das Studium auch eine Erweiterung meiner beruflichen Möglichkeiten sowie eine gute Vorbereitung auf eine eventuelle Selbständigkeit. Was versprechen Sie sich von dem Studium? AB: Ich erhoffe mir einen guten Einblick in die betriebwirtschaftlichen Aspekte des Managements. Allerdings liegt mein besonderes Interesse auf den Bereichen, die Persönlichkeit als Führungsinstrument in den Fokus stellen, wie die LeadershipPersonality-Seminare, die Themen wie Welche Vorteile bringt Ihnen das Stipendium? AB: Das Stipendium ermöglicht mir, mich stärker auf mein Studium zu konzentrieren, da es mir die Voraussetzung geschaffen hat, eine 80-Prozent-Stelle anzunehmen. Mit dem Stipendium sollen mehr Frauen in Führungspositionen gefördert werden. Was sollte Ihrer Meinung nach allgemein noch zur Erreichung dieses Ziels getan werden? AB: Das ist natürlich eine kontrovers diskutierte Frage, auf die sich keine einfache Antwort finden lässt. Grundsätzlich bin ich aber der Meinung, dass auf wirtschaftlicher Ebene mehr Anreize für Frauen geschaffen werden müssen, in Führungspositionen zu gehen. Dazu gehören sicherlich eine Angleichung der Gehälter sowie flexiblere und familienfreundliche Beschäftigungsmodelle. SemesterJournal 1/15 Was haben Sie als Frau in Ihrer bisherigen Berufserfahrung erlebt? AB: Bisher habe ich hauptsächlich die Erfahrung gemacht, durch meine Kompetenzen und mein Fachwissen vorwärts zu kommen. Allerdings bin ich auch schon auf geschlechterbedingte Widerstände gestoßen, gegen die ich mich durchsetzen musste. Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, Konflikte nicht zu scheuen, bei mir zu bleiben und zu versuchen, mein Gegenüber zu verstehen. Nach meinen Erfahrungen werden Führungsaufgaben genauso von Frauen übernommen, wenn ihr Umfeld ihnen die Möglichkeit dazu bietet. Was sind Ihre weiteren Pläne für die Zukunft? AB: Mein Studium nächstes Jahr erfolgreich abschließen und eventuell den Grundstein für mein eigenes Unternehmen setzten. Vielen Dank für das Gespräch. Um den Ein- bzw. Aufstieg von Frauen ins Management zu fördern, lobt die HWR Berlin jährlich vier Stipendien für das MBA-Studium aus. Die Stipendiatinnen werden mit jeweils 5 000 Euro unterstützt. SemesterJournal 1/15 Titel & Thema: Frauen an die Spitze 25 Familienorientierte Hochschulen bringen Frauen voran Die HWR Berlin unterstützt und begleitet seit mehreren Jahren insbesondere Frauen bei der Vereinbarkeit von Studium und Familie. Von Henriette Stapf »Ich bin schwanger! Aber ich möchte eigentlich keine Auszeit vom Studium nehmen.« Mit diesen ambitionierten Worten kommen viele der Studentinnen zur Beratung in das Familienbüro der HWR Berlin. Immerhin bedeutet diese Aussage, dass die Studentin neben ihrem Studium in den kommenden Monaten stärker körperlich beansprucht sein wird, dass die Planbarkeit ihres Studiums insbesondere in der Zeit von Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit nicht mehr nur in ihren Händen liegt und dass ein zusätzlicher Verantwortungsbereich auf sie zukommt, der mit den bereits bestehenden – einem davon das Studium – abgestimmt werden muss. Aber es bedeutet eben auch, dass die Hochschule ehrgeizige (werdende) Mütter und Väter auf ihrem Weg in die Arbeitswelt und als Gestalterinnen unserer Gesellschaft unterstützen kann und sollte. An der HWR Berlin wurde deshalb auf Initiative der Frauenbeauftragten im Jahr 2011 das Familienbüro eingerichtet, das seitdem viele Frauen und einige Männer in dieser Studien- und Lebensphase begleitet und unterstützt. Finanziert aus Mitteln des Bund-Länder-Programms für bessere Studienbedingungen und mehr Qualität in der Lehre wirkt das Familienbüro darauf hin, dass die strukturellen Rahmenbedingungen an der HWR Berlin immer familiengerechter werden. Als Meilensteine seien hier die Aufnahme familienunterstützender Regelungen in die Rahmenstudien- und Prüfungsordnung und die Studierendenordnung der HWR Berlin genannt, wie die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Mutterschutzfristen, die Auch kleine Menschen sind an der Hochschule willkommen! Und großen wird geholfen. Ermöglichung von Nachteilsausgleichen aufgrund familiärer Verpflichtungen, die Erweiterung von Beurlaubungsregelungen und die bevorzugte Vergabe eines Studienplatzes an Personen, die aus familiären Gründen ihr Studium vorher nicht antreten konnten. Außerdem wurde die Flexible Kinderbetreuung als Pilotprojekt eingerichtet, die sich an alle hochschulangehörigen Eltern richtet. Studierende Mütter profitieren von diesem Angebot besonders: sie können nach der Geburt ihr Studium zügig wieder aufnehmen, auch wenn noch keine Regelbetreuung vorhanden ist und sie stillen möchten. Denn ihr Kind wird während der Seminare in einem der Familienräume direkt an der Hochschule betreut. Studieren mit Familie ist und bleibt eine Herausforderung und tatsächlich brechen studierende Eltern ihr Studium häufiger ab als ihre kinderlosen Mitstudierenden. Um diesem Mechanismus entgegen zu wirken und studierende Eltern weiter zu unterstützen, wird die HWR Berlin auch in Zukunft aktiv werden. Noch im Jahr 2015 beginnt sie mit den Vorarbeiten zum Auditierungsprozess als familiengerechte Hochschule. Sie nutzt dieses etablierte Instrument, um familiengerechtere Arbeits- und Studienbedingungen für alle Statusgruppen zu implementieren und weiterzuentwickeln. Auf dem Weg hin zu »Mehr Frauen in Führungspositionen« muss der Blick auch auf »Mehr Mütter in Führungspositionen« gerichtet werden. Diese brauchen gute Rahmenbedingungen für die Kombination der verschiedenen Lebensbereiche – schon im Studium! Das Familienbüro steht allen, die Studium/Beruf und Familie vereinbaren wollen, bei auftretenden Fragen und Problemen als Anlaufstelle zur Verfügung. Mehr Informationen unter www.hwr-berlin.de/familienbuero Die Autorin ist zentrale Ansprechpart■nerin im Familienbüro der HWR Berlin. 26 Titel & Thema: Frauen an die Spitze SemesterJournal 1/15 SemesterJournal 1/15 In & Aus der HWR Berlin 27 Junge Mädchen von heute – an der Spitze von morgen Der Girls’Day hat sich als bundesweiter Berufs- und Studienorientierungstag längst etabliert. Unternehmen und Organisationen geben Einblicke in Berufsbereiche und begeistern Schülerinnen der Klassenstufen 5 bis 10 – insbesondere für Naturwissenschaften und Technik. Die HWR Berlin leistet ihren Beitrag zur Nachwuchsgewinnung, denn früh übt sich, wer erfolgreich werden will. Von Judith Schütze, Manuela Tautz, Anne Quilisch und Isolde Drosch Ein wichtiger Beitrag zur Chancengleichheit in der Gesellschaft ist die Förderung von Frauen in Bereichen, in denen sie bisher wenig oder kaum vertreten sind. Zur Chancengleichheit gehört auch ein besserer Zugang zu Bildungsmöglichkeiten, die Mädchen und Jungen neue Perspektiven eröffnen. Die HWR Berlin beteiligt sich daher an der (weiblichen) Nachwuchsgewinnung und am Abbau von Bildungsschwellen. Drei Angebote zur Gestaltung des Girls’ Day im April dieses Jahres gingen mit gutem Beispiel voran. Angebot des »Cross Cultural Mentoring (CCM)« und der Zentralen Studienberatung Junge Mädchen konnten die Hochschule kennenlernen. Studierende der HWR Berlin, die als Mentees des Cross Cultural Mentoring Programms selbst vom Engagement ihrer ehrenamtlich tätigen Mentor/innen profitieren, begleiteten die Schüler/innen auf einer spannenden Tour durch verschiedene Abteilungen der Hochschule: Was macht eigentlich das Rechenzentrum einer Hochschule? Wie kommen die Medien in die Bibliothek? Wer gestaltet die Website der Hochschule? Und wie lehrt und lernt man hier? Mit der Hochschule »zum Anfassen und Nachfragen« wurden Berührungsängste abgebaut und Berufsmöglichkeiten nach dem Schulabschluss aufgezeigt. Angebot des Fachbereichs Duales Studium • Wirtschaft und Technik Die technischen Studiengänge des Fachbereichs Duales Studium empfingen Schülerinnen ab Klasse 9. Nach der Begrüßung durch den Dekan des Fachbereichs, Prof. Dr. habil. Harald Gleißner, und den Studiendekan Technik, Prof. Dr.-Ing. Helmut Schmeitzner, nahmen vierzig Mädchen in den Laboren und Seminarräumen des Bereichs Technik an vielseitigen praktischen Übungen und Versuchen teil. Betreut von engagierten Professor/innen, Mitarbeiter/innen, Laboringenieur/innen und Studierenden konnten sie die Besonderheiten eines technischen Studienfachs kennenlernen sowie durch die praxisnahen Experimente mehr über die vielfältigen Aufgaben von Ingenieur/innen und Informatiker/innen erfahren. Angebot des Projektes »MINT4« Auch das MINT-Projekt zur Förderung von Frauen in Informatikstudiengängen möchte jungen Mädchen die Möglichkeiten der IT-Welt aufzeigen. Dabei werden hartnäckige Vorurteile aufgebrochen und das »neue« Bild des Informatikberufes entdeckt. Zum Girls’ Day 2014 hatten zwölf Mädchen Geschicklichkeit und Neugier bewiesen, in dem das Innenleben eines Computers erforscht wurde. Der Girls’ Day 2015 fand hingegen in geheimer Mission statt, denn: Die Informatikwelt droht zu »vermännlichen«! Mit einem Augenzwinkern und viel Spaß wurden die Gesichter der Informatikerinnen der HWR Berlin gesucht. Weitere Informationen zu den Aktivitäten des Projektes »MINT4« gibt es unter www.mint4.de. Judith Schütze ist Koordinatorin des ■Projekts MINT4, Manuela Tautz ist Mit- arbeiterin im Studiendekanat Fachbereich Duales Studium, Isolde Drosch koordiniert das Projekt CCM und Anne Quilisch arbeitet in der Zentralen Studienberatung. Technik ist nichts für Mädchen? Von wegen! Junge Mädchen zeigten viel Fingerspitzengefühl, Konzentration und Ausdauer am Girls‘ Day Qualitätsmanagement als Antonym zu Stillstand: Studium und Lehre werden laufend evaluiert und weiterentwickelt Auf ZaQ für Qualität in Studium und Lehre Das »Zentrum für akademische Qualitätssicherung und -entwicklung« (ZaQ) nahm im Sommersemester 2015 seine Arbeit auf. Von Jan Eickelberg Die Qualität von Studium und Lehre soll kontinuierlich gesichert und weiterentwickelt werden – das ist einer der zentralen strategischen Ziele der HWR Berlin, wie nicht zuletzt das jüngst verabschiedete Leitbild illustriert. Darin heißt es unter anderem: »Organisationsund Personalentwicklung sind wesentliche Instrumente für unsere ständige Qualitätsverbesserung« und »Studium und Lehre (…) stützen sich auf kontinuierliche Qualitätssicherung und – entwicklung (…)«. Eine der wichtigsten Maßnahmen in diesem Bereich ist die im Strukturentwicklungsplan verankerte Einrichtung eines umfassenden Qualitätsmanagementsystems (QMS) für Studium und Lehre. Mittelfristig soll zudem die Systemakkreditierungsfähigkeit der Hochschule erreicht werden. Um dem Ziel eines institutionalisierten Qualitätsmanagements näher zu kommen, hat der zuständige Vizepräsident für Lehre und Qualitätsmanagement im Studium deshalb einen umfassenden und offenen Diskussionsprozess angestoßen an dem die einzelnen Anspruchsgruppen, insbesondere die Dekanate, die Kommission für Studium und Lehre sowie die Studierendenvertreter/innen, beteiligt wurden. In den zahlreichen Treffen konnten wesentliche Erkenntnisse hinsichtlich des »Ob« und des »Wie« des Qualitätsmanagementsystems getroffen werden. Das Ergebnis wird nun umgesetzt: In Kürze geht das ZaQ (Zentrum für akademische Qualitätssicherung und -entwicklung) an den Start. Hier werden hochschulweit Personen und Ressourcen zur Qualitätssicherung und -entwicklung zusammengeführt. Die Einrichtung des Zentrums wurde im März 2015 einstimmig von der Hochschulleitung beschlossen, im Akademischen Senat diskutiert. Im Sommersemester 2015 hat es seine Arbeit aufgenommen. Das ZaQ ist angesichts der besonderen Bedeutung, die die Hochschulleitung diesem Bereich zuordnet, als Stabsstelle unmittelbar dem Vizepräsidenten für Lehre und Qualitätsmanagement im Studium zugeordnet. Es versteht sich als Servicepartner und Unterstützer für die einzelnen Anspruchsgruppen. Um die besondere Bedeutung der dezentralen Einheiten berücksichtigen zu können, soll dem ZaQ ein Beirat mit Vertreterinnen und Vertretern der Fachbereiche und der sonstigen dezen tralen Einheiten zur Seite stehen. Dieser begleitet in enger Abstimmung mit den Dekanaten die Entwicklung und Einführung der verschiedenen Projekte, gibt Denkanstöße und kommuniziert die »Best Practice« aus den dezentralen Einheiten. Die Berücksichtigung der Sichtweise der Studierenden bei den Aktivitäten zur Qualitätssicherung und -entwicklung konnte durch zahlreiche Gespräche mit betroffenen Studierenden(vertreter/innen) deutlich voran gebracht werden; auch hier ist eine strukturelle Einbindung vorgesehen. Der Autor ist Vizepräsident für Lehre ■und Qualitätsmanagement im Studium der HWR Berlin. 28 In & Aus der HWR Berlin SemesterJournal 1/15 SemesterJournal 1/15 In & Aus der HWR Berlin 29 Professoren von Rank und Namen Rückenwind für innovative Startups Professur: Das Wort stammt, wie sollte es im akademischen Bereich auch anders sein, von einem lateinischen Begriff ab. Profiteri bedeutet hier so viel wie »sich öffentlich als Lehrer/in zu erkennen geben«. Öffentlichkeit und auch ein durch publike Vergleiche inszenierter Wettbewerb prägen heute mit das Berufsbild von Professor/innen. Prof. Dr. Dmitry Ivanov und Prof. Dr. Achim Truger der HWR Berlin haben es in angesehenen Rankings ganz weit nach oben geschafft – durch Fachkompetenz und Public Relations. Die Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin hat zusammen mit der Beuth Hochschule für Technik Berlin ein neues Entrepreneurship Netzwerk gegründet, das Startups aus beiden Hochschulen stärken soll. Die jungen Firmen werden mit etablierten Unternehmen vernetzt und können Gründungszentren ausländischer Partneruniversitäten nutzen. Von Sylke Schumann Nachhaltiger Tourismus, sozial engagiert und ökologisch verantwortlich – dieser Gedanke steht hinter (V)ostel. Das Unternehmen aus dem Gründungszentrum der HWR Berlin setzt auf (V)olunteering von Touristen. Diese werden über die Angebote von (V)ostel nicht nur in gemeinnützige Projektarbeit vermittelt, sondern können sich so auch mit Berlinern zum »meet & eat« verabreden. Für die Gründerinnen Hanna Lutz und Stephanie Frost ist es wichtig, dass ihr Unternehmen in Berlin gut vernetzt ist, um viele attraktive Projekte anbieten zu können. Gleichzeitig ist die internationale Dimension essentiell, denn die Nutzer von (V)ostel kommen aus aller Welt. Publikationen sind in den meisten Fällen eine der Voraussetzungen für die Berufung zur Professorin oder zum Professor. Erfindungen (respektive Forschungsergebnisse und Neuentwicklungen), vor allem jene, die sich auf die Gesundheit oder den Geldbeutel einer größeren Bevölkerungsgruppe beziehen, schaffen es populärwissenschaftlich aufbereitet in die Wissenschaftsrubriken journalistischer Nachrichtenmedien und Wissenschaftssendungen. Sie werden zudem in der Fachpresse publiziert und zitiert und unter Umständen von vielen nachlesbar durch andere Fachwissende bewertet. Das kann einem »Rank« und Namen einbringen. So belegt Prof. Dr. Dmitry Ivanov im Handelsblatt BWL-Ranking 2014 Platz 6 in der Kategorie Produktion/Operations/Logistik und insgesamt Platz 39 der TOP 100 forschungsstärksten deutschen Betriebswirt/innen unter 40. Die Handelsblatt-Studie, erstellt von der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich, orientiert sich dabei nach eigenen Angaben an international gängigen Standards zur Evaluierung wirtschaftswissenschaftlicher Forschung. Betrachtet werden Publikationen in Fachzeitschriften, deren unterschiedliche Qualität berücksichtigt wird. Prof. Ivanov ist Experte für International Supply Chain Management, weltweit vernetzt, ehemaliger Bundeskanzler-Stipendiat der Alexander von HumboldtStiftung und erhielt unter anderen eine Auszeichnung für ein von ihm herausgegebenes Lehrbuch. Die überregionale Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) zählt Prof. Dr. Achim Truger seit 2014 zu den » Forschen und lehren Sie – und reden Sie darüber! « 100 einflussreichsten Ökonom/innen in Deutschland. Bei diesem Ranking geht es explizit um öffentliches Ansehen als Expert/in. Denn in die Gesamtliste wird nur aufgenommen, wer im Laufe eines Jahres mindestens fünf Forschungszitate und fünf Nennungen in Medien oder Politik vorweisen kann. Berücksichtigt werden dabei lediglich längere, qualifizierte fachliche Einschätzungen. Der Volkswirtschaftler, der wegen seiner reflektierten und verständlichen wirtschaftspolitischen Analysen und Prognosen bei Bundestagsabgeordneten und hohen Ministerialbeamt/innen, aber auch auf internationalem Parkett ein gefragter Mann ist, erhielt viele Punkte für seine aktive Politikberatung, die nicht selten mediale Öffentlichkeit erzielt. Dies gewichtet das FAZ-Ranking sogar höher, als Trugers 21 forschungsbezogene Zitate, die zwischen August 2013 und Juli 2014 zu Buche schlagen. Damit rangiert er als einer von zwei FHProfessoren überhaupt unter den TOP 30 Wirtschafspolitik-Expert/innen. Wissenschaftliches Wirken ist immer stärker auch mit anderen gesellschaftlichen Bereichen wie Wirtschaft und Politik verwoben, anwendungsorientiert. Die Hauptaufgabe von Professor/innen an Hochschulen ist natürlich eigenverantwortliche wissenschaftliche Forschung und Lehre mit zunehmend internationaler und interkultureller Ausrichtung. In der grenzenlosen virtuellen Gesellschaft des 21. Jahrhunderts gehört im Zuge von Globalisierung und Entwicklung hin zur kommunikativen Wissensgesellschaft zum Bildungsauftrag von Wissenschaftler/innen auch eine aktive öffentliche Deutung ihrer Arbeit. Die Autorin ist Pressesprecherin der ■HWR Berlin. Prof. Dr. Achim Truger erklärt komplizierte wissenschaftliche Analysen und Prognosen auch für Politik und Medien nachvollziehbar, ohne zu abstrakt und modelltheoretisch zu werden. Von Andreas Zaby Beispiele wie (V)ostel zeigen: regionale und internationale Vernetzung ergänzen sich – auch für Startups. Die Gründungszentren der HWR Berlin und der Beuth Hochschule für Technik haben sich daher zusammengeschlossen, um BENHU (Berliner Entrepreneurship Netzwerk von Hochschulen und Unternehmen) zu starten. Durch diese Verbindung lassen sich in der Entrepreneurship-Ausbildung Synergien zwischen den wirtschaftlich und technisch orientierten Schwerpunktbereichen an den beiden Hochschulen realisieren. Prof. Dr. Sven Ripsas, BENHU- Projektleiter und Professor für Entrepreneurship an der HWR Berlin, fasst die Zielsetzung wie folgt zusammen: »Entscheidend für den Erfolg von BENHU ist, dass die jungen Startups und die etablierten Unternehmen gemeinsam an Lösungen in relevanten Zukunftsfeldern arbeiten.« Das Projekt schafft Brücken zwischen der Berliner Wirtschaft und den Startups. So können sie gemeinsam Produkt- und Dienstleistungsinno- Help & Travel: Gründerinnen Hanna Lutz und Stephanie Frost vermitteln Tourist/innen in gemeinnützige Projektarbeit vationen entwickeln, und die jungen Unternehmen können auf diese Weise erste Kund/innen gewinnen. Neben der wichtigen lokalen Verwurzelung müssen Startups, gerade in der sogenannten »Digital Economy«, ihre Geschäftstätigkeit auch zügig internationalisieren. Dabei stoßen sie oft schnell an ihre Grenzen. Auch hier wird BENHU helfen. Ein »Network of Centers«, das Gründungszentren von Partnerhochschulen in bedeutenden Startup-Metropolen verbindet, schafft vorübergehende »Auslandsniederlassungen«. Der Markteintritt im Zielland wird so erleichtert. Neben New York und Tel Aviv sollen weitere Städte aufgenommen werden. In umgekehrter Richtung werden Gründungsteams von Partneruniversitäten die Ressourcen beider Berliner Hochschulen nutzen können. Die Gremien der Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin haben aus über 250 Anträgen BENHU und sieben weitere Projekte für eine Förderung im Rahmen des Aufrufs »Innovative Bildungsprojekte« ausgewählt. Die Fördersumme beträgt bis zu 460 000 Euro. Mehr Informationen unter www.hwr-berlin.de/service/ gruendungszentrum Der Autor ist Erster Vizepräsident der ■HWR Berlin. Sein Ressort beinhaltet die Gründungsaktivitäten der Hochschule. 30 In & Aus der HWR Berlin SemesterJournal 1/15 SemesterJournal 1/15 In & Aus der HWR Berlin 31 Kein Fauxpas mehr Gewonnen haben irgendwie alle Ein Südamerikaner trifft sich mit einer Janis Joplin hörenden, revolutionären Juristin, die ein ganz anderes Berlin erlebt hat. Wäre nicht der Generationsunterschied, hätten sie sicher Freunde auf der Schule oder an der Uni sein können. Ein MentoringErfahrungsbericht. Der erste Science Slam an der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin begeisterte mit aufgespannten Regenschirmen, einer »Dschini« und Salat-Bildern ein buntes Forscher/innenpublikum. Von Stefanie Quade Von Kevin Schlenker Auf dem Weg zum Café übte ich wiederholt in meinem Kopf ein paar Sätze zu meiner Person: »Immer auf die Grammatik und die Artikel achten«, sagte ich zu mir. Ich wusste nicht, wie sie aussah, und auch nicht, ob ich zu spät war. »Hat sie 18 Uhr oder 18:30 Uhr gesagt?« Als allzu guter Latino war ich natürlich in Eile, weshalb ich ins ruhige Schöneberger Café hineinstürmte – meine Mentorin suchend. Dabei gerieten die Sätze, die ich lange überlegt hatte, in Vergessenheit. Gleich zu Beginn unseres Gesprächs war ich erleichtert, denn die Grammatik und die Artikel waren auf einmal nicht mehr so wichtig und ich hatte endlich einen Menschen vor mir, der mit mir ein Mentoring-Jahr erleben wollte. Dabei erzählte ich, wie ich 2011 ohne Deutschkenntnisse allein nach Berlin gekommen war und es seitdem etwas schwierig gehabt hatte. Meine Mentorin entwarf einen detaillierten Plan für unsere Zeit zusammen. Die südamerikanische Spon- taneität, die ich bis dahin kannte, wurde plötzlich durchbrochen. Klar und strukturiert legten wir alles für die kommenden Monate fest – gründlich und sauber terminlich organisiert. Ich notierte mir alles, natürlich auf einer Serviette, und nahm mir vor, beim nächsten Treffen nur fünf Minuten zu spät zu kommen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits meine ersten zwei Jahre in Berlin hinter mir und eine Menge Fragen und Anregungen für meine Mentorin. Sie war die »Go-To-Person«, wenn ich eine Erklärung oder Feedback zu den Alltagsgeschichten in Berlin brauchte. Dabei kamen alle »do’s & dont’s« der deutschen Gesellschaft zur Sprache mit einem schönen Vergleich zu Umgangsformen in Südamerika; »lessons learned« war hier, außer Pünktlichkeit, eine Einführung in FKK. Obwohl ich nach unseren Gesprächen noch nicht mutig genug für FKK bin, konnte ich aus den Erzählungen meiner Mentorin die »deutsche Kultur« besser verstehen. Durch Erzählungen über ihre Jugend als politisch engagierte Studentin erlebte meine Mentorin ihre Studienzeit noch einmal. Wir waren und sind doch am Ende nicht so anders. Sie kam zum Studieren nach Berlin – neugierig auf die Welt und motiviert. Ich fand mich in ihr wieder. An unserem ersten Abend, gleich am Ende unserer dritten Tasse Kaffee, merkte ich: Es gibt keine Barrieren oder Grenzen. Wir sind bzw. waren zwei Studierende aus verschiedenen Generationen, verschiedenen Ländern und verschiedenen Kulturen aber mit den gleichen Ideen und Träumen. Postscriptum der Mentorin: Danke für die liebevolle Zuschreibung. Über die Revolution reden wir noch! Helga Dittmann-Pätsch Der Autor ist 22 Jahre alt und studiert ■»Recht Ius« (LL.B) an der HWR Berlin. Kevin Schlenker absolviert zur Zeit ein Praktikum in Sydney bei einer Personalberatung, wo er hauptsächlich im Bereich Headhunting und Management Consulting tätig ist Unsere Vizepräsidentin für Forschung, Prof. Dr. Friederike Maier, schrieb mir im Oktober 2014 eine E-Mail: »Stefanie, Du machst das dann mit dem Science Slam, ja? Wir hatten doch mal darüber gesprochen …« So oder so ähnlich fing alles an. Ich habe gern zugesagt und den ersten Science Slam an der HWR Berlin im Rahmen des Forschungsforums organisiert und moderiert. Und irgendwie haben bei dieser Veranstaltung im Januar 2015 alle gewonnen – das ist mein Fazit! Die HWR Berlin insgesamt, weil wir den ersten Science Slam erfolgreich in Szene gesetzt haben, die Forscher/innen, die ihr Thema so grandios präsentiert haben, und das Publikum, das mit leuchtenden Augen und wild gestikulierend sowie angeregten Unterhaltungen lebhaft teilgenommen hat. Der Gewinner des ersten Science Slam der HWR Berlin, Prof. Dr. Frank Habermann, und das agile Projektmanagement Vier Kandidatinnen und Kandidaten haben vor einer bunten Forscher/innen-Mischung von Doktorand/innen, Wissenschaftlicher Mitarbeiter/innen, Alumni und Professor/innen in der alten Bibliothek ihre Forschung auf die Bühne »geslammt«: ■ Özlem Yildiz mit "Harem versus Notaufnahme - eine vergleichende Studie" ■ Michael Graffius mit »Irgendwas mit Mottenkugeln« ■ Jalda Reißig mit »Geben und neh- men – du brauchst mich, ich brauche dich« Frank Habermann mit »Wie man ein Projekt richtig anzieht … oder … warum es kein schlechtes Wetter gibt!« ■ Özlem Yildiz brachte faszinierende Einblicke in die Berliner MigrationsForschung, anschaulich erläutert mit Milch, Kaffee und Salat-Bildern. Michael Graffius holte die Mottenkugeln des Themas »Unternehmensnachfolge« aus der angestaubten Kiste und zeigte, wie die »Dschini« alle Nachfolgeprobleme im Traum lösen könnte! Jalda Reißig sprang über die Bühne und erklärte, wie das Geben und Nehmen auf OnlineMarktplätzen funktioniert. Mit aufgespanntem Regenschirm betrat Frank Habermann die Bühne, Regen-Musik plätscherte im Hintergrund, während er die Liebe zu Projekten anhand von passender Kinderbekleidung sehr agil darstellte. Alle Slammer hatten exakt zehn Minuten, die Zeit wurde per Timer gestoppt! Das Publikum hatte sichtlich Spaß daran, die Bewertung der Slammer anhand der 1 – 10 Punktekarten mit den Nachbar/innen zu diskutieren und festzulegen, wer denn nun wie viele Punkte für a) den wissenschaftlichen Inhalt b) Verständlichkeit und c) Unterhaltungswert erhalten sollte. Alle Slammer wurden reichhaltig für ihre Leistung bejubelt und beklatscht. Mit leichtem Vorsprung hat Frank Habermann den ersten Sience-Slam der HWR Berlin gewonnen. Prof. Dr. Dagmar Lück-Schneider war so begeistert von der Veranstaltung, dass sie sogar erste Ideen hat, wie dieses Format für die Lehre adaptiert werden könnte. Und ich freue mich auf MEHR Science Slam an der HWR Berlin! Der Artikel erschien in ähnlicher Form auf dem eLerner Blog der HWR Berlin: www.bit.ly/1OPAs1T Stefanie Quade ist Doktorandin und ■Stipendiatin an der HWR Berlin. 32 In & Aus der HWR Berlin SemesterJournal 1/15 Karrierewege: Von der Tochter zur Nachfolgerin Gemeinsam mit meinem Bruder leite ich das Familienunternehmen Deutzer Technische Kohle GmbH (DTK) meiner Eltern bereits weitestgehend allein. Als Assistentin der Geschäftsleitung befinde ich mich in der Prozessendphase der Unternehmensübernahme. Unterstützung und Hilfe auf meinem Weg habe ich mir über das Studium »Unternehmensgründung und Unter nehmensnachfolge« an der HWR Berlin gesucht. Von Diana Deutzer Die Firma DTK GmbH ist heute ein globaler Messdienstleister für Verkehrsbetriebe mit mittlerweile dreißig Beschäftigten und wurde von meinem Vater, unterstützt durch meine Mutter, direkt nach der Wende 1990 aus der Arbeitslosigkeit heraus gegründet. Mein Bruder und ich haben die Schwierigkeiten und Erfolge bewusst miterlebt und nach unseren Möglichkeiten schon als Kinder mitgeholfen. Ich bin nicht sofort nach der Schule im elterlichen Unternehmen eingestiegen. Nach meiner Ausbildung zur Bürokauffrau in einem Elektronik-Einzelhandelsbetrieb arbeitete ich in einer Zeitarbeitsfirma und sammelte in dem erlernten Beruf Erfahrungen bei unterschiedlichsten Firmen. Schon damals plante ich noch zu studieren. 2006 wurde im Unternehmen meines Vaters jemand im kaufmännischen Bereich und mit Englischkenntnissen gebraucht und ich wurde gefragt, ob ich nicht Lust hätte, dies zu übernehmen. Der Gedanke gefiel mir und ich nahm an. Zunächst arbeitete ich ein halbes Jahr bei unserer Handelsvertretung in Manchester (GB). Nach meiner Rückkehr übernahm ich neben Buchhaltungs- und Marketingaufgaben ebenso Aufgaben in Organisation und im Personalwesen. Nach einem Jahr war klar: Ich werde dieses Unternehmen irgendwann übernehmen und weiter führen. Ich erinnere mich aber, dass ich noch unsicher war und zweifelte, ob ich den Anforderungen insbesondere in technischer Hinsicht wirklich gewachsen sein würde. Bei meiner Suche nach einem Studium fand ich den Bachelor »Unternehmensgründung und Unternehmensnachfolge«, der als Abendstudium an der HWR Berlin angeboten wird. Durch meine Ausbildung und meine Erfahrungen hatte ich keine Schwierigkeiten, den Studienplatz zu bekommen. Das Studium und die parallele Arbeit hatten den Vorteil, dass ich genau wusste, was ich brauchte und wofür. Ich konnte die Theorie sofort in der Praxis erproben, was oft zu Aha-Effekten führte. Das Studium hat mir auf meinem Karriereweg sehr geholfen. Noch heute wende ich die gelernten Analyseverfahren, Strategien und Taktiken in den verschiedensten Bereichen wie Moderation und Kommunikation, Organisation oder Motivation an. Ich führte allgemeine Verbesserungen in unserem Unternehmen ein und konnte gezielt Sicherheits- und Notfallvorkehrungen treffen. Das erworbene Wissen hilft mir auch im Prozess der Zertifizierung, in dem wir uns momentan befinden. Seit 2010 arbeitet auch mein Bruder im Unternehmen mit. So ergab sich, dass bei der Firmennachfolge die Arbeitsbereiche zwischen mir und meinem Bruder so aufgeteilt werden, wie auch zwischen unseren Eltern – in Betriebswirtschaft und Technik. In zwei Wochen steht der Notartermin zur Anteilsübernahme an. Ich bin mir jetzt sicher, dass ich dieses Unternehmen gemeinsam mit meinem Bruder weiter führen kann und will und freue mich auf die Herausforderungen, die auf uns warten. SemesterJournal 1/15 mensitz in Zeuthen, hat schon als Kind im Familienunternehmen mitgeholfen Mehr Informationen unter www.deutzer.de Die Autorin ist Absolventin des ■Bachelor-Studiengangs »Unternehmens- gründung und Unternehmensnachfolge« und führt gemeinsam mit ihrem Bruder das elterliche Unternehmen weiter. 33 Take a.break @ andel´s Hotel Berlin Noch in der Ausbildung und trotzdem etwas im Unternehmen bewegen? Die Vorteile des Dualen Studiums machen es möglich. Von Alessandra Morisse und Amanda Nitschke Vorbei sind die Zeiten, in denen Auszubildende ausschließlich zum Putzen, Kaffee kochen und Kopieren geordert wurden. Welchen Mehrwert ein junger Mensch schon während der Lehrjahre schaffen kann, haben Unternehmen mittlerweile erkannt und fördern ihre Auszubildenden entsprechend. Eine besondere Form der Förderung von jungen Nachwuchskräften ist das Duale Studium. Es vereint das herkömmliche, theoretische Studium mit einer Berufsausbildung in einem Partnerbetrieb der jeweiligen Branche. Die Studierenden können während der dreijährigen Studienphase das an der Hochschule erworbene Theoriewissen praktisch im Unternehmen anwenden. So profitieren nicht nur die Betriebe von den Ideen und dem fachlichen Know-how der Studierenden. Vielmehr fördert der praxisnahe Austausch mit dem Unternehmen auch das wirtschaftliche Verständnis der dual Studierenden. Diana Deutzer, hier in ihrem Büro im Fir- Studieren & Lehren Auch im andel’s Hotel Berlin fließen viele neue Ideen ein und werden nach Möglichkeit direkt umgesetzt. Ein Beispiel für die erfolgreiche Umsetzung eines Studierenden-Projekts ist die Umgestaltung des dortigen Personalrestaurants »a.break«. Im letzten Jahr erarbeitete eine ehemalige Studentin der Fachrichtung »Tourismus / BWL« der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin im Rahmen ihrer Bachelorarbeit ein umfassendes Konzept für das Personalrestaurant. Ihre Vorschläge und Ideen waren so überzeugend, dass sie schon wenige Monate später realisiert wurden. Noch sind die Arbeiten im »a.break« nicht vollständig abgeschlossen, aber schon jetzt sind die Veränderungen deutlich sichtbar, wie die Fotos zeigen. Die Planungs- und Realisierungsphase ihres Projekts beschreibt die ehemalige Studentin so: »Meine Bachelorarbeit als Abschluss meines dualen Studiums sollte nicht nur eine theoretische Untersuchung darstellen und nur auf dem Papier existieren, sondern einen effektiven Nutzen für den Ausbildungsbetrieb hervorbringen. Die Vorbereitung, Planung, Verteidigung und Realisierung der Neustrukturierung des Mitarbeiterrestaurants war mit vielen Höhen und Tiefen verbunden, jedoch bin ich stolz, dass viele meiner Ideen bereits umgesetzt werden konnten und auch weiterhin in Betracht gezogen werden. Ich freue mich, dass ich durch mein Projekt bereits die Qualität des Personalrestaurants optimieren und die Mitarbeiterzufriedenheit steigern konnte. Es ist ein super Gefühl, wenn man sagen kann: Ich habe in meinem Ausbildungsbetrieb etwas Nachhaltiges bewirken können.« Die Autorinnen sind Studierende des ■Studiengangs »BWL / Tourismus« an der HWR Berlin. Das Personalrestaurant »a.break« im andel’s Hotel Berlin vor der Umgestaltung Hier ist die aktuelle Situation des Personalrestaurants zu sehen. Bereits jetzt sind die Fortschritte im Rahmen des Projektes deutlich erkennbar 34 Studieren & Lehren SemesterJournal 1/15 SemesterJournal 1/15 Forschen & Anwenden 35 Studis machen Messe Linksaffine Jugendliche Für die »Studierten Weltenbummler« war die Teilnahme auf der Internationalen Tourismus-Börse (ITB) Anfang März 2015 in Berlin ein voller Erfolg. Eine Studie der Universität Luxemburg und der HWR Berlin untersucht politisch aktive Jugendliche in linken Szenen und sozialen Bewegungen. Von Anna Sophie Herrmann Von Wolfgang Kühnel Auf dem Weg zu Veranstaltungen des ITB Kongresses drehten sich dieses Jahr so manche Fachbesucher/innen um und fragte sich, was es wohl mit den roten Schärpen mit der Aufschrift »Studierte Weltenbummler« auf sich hat. Spätestens beim Anblick des ausgefallenen Standes mit den Vintage-Koffern in Halle 11.1 war klar »Hier kommen die also her!« Blieb nur noch die Frage »Was sind eigentlich Studierte Weltenbummler?« »Studierte Weltenbummler« sind Studierende des Bachelor-Studiengangs »BWL / Tourismus«, die traditionell im 5. und 6. Semester die HWR Berlin auf der größten Tourismus-Messe der Welt repräsentieren. Bei dem parallel stattfindenden ITB Kongress besuchten Studierende der HWR Berlin Vorträge und Diskussionen zu aktuellen Themen und Trends der Tourismusbranche – eine gute Ergänzung zu den Lehrveranstaltungen der Hochschule. Des Weiteren entwarfen die Studierenden gemeinsam mit den betreuenden Dozent/innen erfolgreiche Konzepte für die Standgestaltung, das Marketing und die Pressearbeit auf der Messe. Das Einheits-Layout der kommerziellen Standgestaltung wurde durch die Farbe des Fachbereichs sowie kreative Gestaltungselemente wie Postkarten aus aller Welt und Vintage-Koffer ersetzt. Damit zog der Messestand der HWR Berlin viele Blicke auf sich und zählte 290 Besucher/innen. Aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre richteten die Tourismus-Studierenden in diesem Jahr erstmalig keinen Presseempfang aus, sondern gingen im Sinne des Konzepts »Face2Face« in Eigenregie auf Journalist/innen zu, um Artikel über das Messestand-Projekt und die Hochschule in der Fachpresse zu platzieren. Sie führten in der Pressehalle direkte Gespräche mit den Medienvertreter/innen und verteilten Pressemappen. Unter anderem konnte dadurch ein Interview mit Jürgen Drensek, dem Ehrenpräsident der Vereinigung Deutscher Reisejournalisten, in dessen »Reise Radio« realisiert werden. Die Autorin studiert »BWL / Touris■mus« an der HWR Berlin. Mit »Guerilla-Marketing« weckten die Studierenden den Bären in sich und verteilten vor der Messe Flyer und Sticker, die auf den Messestand aufmerksam machten Seit den 1960er Jahren haben sich in modernen Gesellschaften unkonventionelle Beteiligungsformen zu einem normalen Instrument der politischen Partizipation entwickelt. In der breiten Öffentlichkeit finden meist nur die medienwirksamen spektakulären Ausprägungen von gesellschaftlichen Protesten Aufmerksamkeit – beispielsweise wenn es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen bei Demonstrationen kommt. Wir wissen allerdings wenig darüber, wer die engagierten Jugendlichen sind, die sich dem linken politischen Spektrum zurechnen und was sie wollen. Wie entsteht ihr politisches Engagement und wie entwickelt es sich im Lebensverlauf? An diesen Fragen orientiert sich ein Forschungsprojekt von Prof. Dr. Helmut Willems und Katrin Hillebrand (Universität Luxemburg) und Prof. Dr. Wolfgang Kühnel, Tobias Schmidt und Kristina Zenner (HWR Berlin), gefördert durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Das Untersuchungsinteresse richtete sich erstens auf das Selbst- und Gesellschaftsverständnis der Jugendlichen. Zweitens wurden die Bedingungen, Prozesse und Ereignisse analysiert, die zur Herausbildung, Verstetigung und Veränderung des politischen Engagements im biografischen Verlauf führen. Und drittens untersuchte das Forscherteam die Erfahrungen, Diskurse und Rechtfertigungen in gewaltförmigen Auseinandersetzungen mit Polizei und politischen Gegnern. Die Ergebnisse der Studie zeigen eine hohe Unterstützung der Demokratie als politisches Ordnungsprinzip. Gleichzeitig besteht eine große Unzufriedenheit mit dem Handeln und den Strukturen der politischen Institutionen von Parteien und Verwaltungen, insbesondere aber auch von Justiz und Strafverfolgungsbehörden. Den traditionellen Institutionen Linksaffine Jugendliche engagieren sich politisch, wie bei den Protesten gegen das AntiProduktpiraterie-Abkommen ACTA im Februar 2012 in München des politischen Systems wird die Fähigkeit zur Lösung der akuten gesellschaftlichen Probleme und Krisen weitgehend abgesprochen. Ein zentraler Bezugspunkt der Kritik ist die ungleiche Verteilung von Ressourcen und Chancen in der Gesellschaft. Kritisiert wird auch der Trend zur Ökonomisierung aller Lebensbereiche. Darunter verstehen die Jugendlichen eine immer stärkere Vernachlässigung menschlicher Bedürfnisse zugunsten von Kosten-Nutzen-Überlegungen, die Ausrichtung an Konkurrenz statt an Solidarität und die Überbetonung des Leistungsprinzips. Eine unzureichende Bewältigung gesellschaftlicher und globaler Krisen und Risiken wird ebenfalls beanstandet. Die Kritik an Politik und Gesellschaft versuchen die Jugendlichen durch eigenes Engagement und die Änderung der persönlichen Lebensführung zu begegnen. Links-sein bedeutet für die meisten von ihnen mehr als die Zuord- nung zu einem politischen Konzept, einer Ideologie oder gar einer Partei. Für die politische Orientierung spielt der individuelle Werterahmen eine wichtige Rolle. Dabei wird die eigene Situation durchaus auch in ihren Ambivalenzen wahrgenommen, wenn etwa die eigenen Überzeugungen nicht mit der Erfahrung, selbst auch Teil des kritisierten Systems zu sein, in Einklang zu bringen sind. Hier wird ein hohes Maß an Kritik und Reflexion des eigenen Handelns und der eigenen Lebensweise deutlich. Zugleich ist dies oft mit moralischen Überlegenheitsgefühlen gepaart. Die Ergebnisse der Studie werden unter dem Titel »Politisches Engagement und Selbstverständnis linksaffiner Jugendlicher« bei Springer/ VS Verlag für Sozialwissenschaften veröffentlicht. Autor ist Professor für Soziologie ■am DerFachbereich Polizei und Sicherheitsmanagement der HWR Berlin. 36 Forschen & Anwenden SemesterJournal 1/15 Integrative Wohnmodelle sind zukunftsweisend Ergebnisse des Forschungsprojektes »GLESA« über ein schwullesbisches Berliner Wohnprojekt lassen Potenziale für Pflegedienste erkennen. Von Ralf Lottmann Die Datenlage zu gleichgeschlechtlichen Lebensweisen im Alter ist dünn. Das auf zwei Jahre angelegte Projekt »Gleichgeschlechtliche Lebensweisen und Selbstbestimmung im Alter« (GLESA) hat hierzu neue Erkenntnisse gewonnen. Finanziert wurde das von der Alice Salomon Hochschule (ASH) Berlin und der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin durchgeführte Projekt vom Institut für angewandte Forschung (IFAF) Berlin. Es untersuchte den »Lebensort Vielfalt« (LoV), ein Wohn- und Pflegeprojekt für schwule und lesbische Senior/innen in BerlinCharlottenburg, das Mitte 2012 eröffnet wurde. »Auf dem Gebiet der Alternsforschung haben wir neue Wege beschritten«, sagt Co-Projektleiterin Prof. Dr. Claudia Gather von der HWR Berlin. Daten über die Lebensbedingungen von älteren Homosexuellen in Deutschland gibt es kaum. Dabei gibt es allein in Berlin nach amtlichen Schätzungen rund 40 000 ältere LSBT-Erwachsene (LSBT: Lesbisch-Schwul-Bisexuell-Transsexuell). »Die Ergebnisse zeigen, dass der Wunsch, nicht alleine alt zu werden und sich auch im Alter nicht verstecken zu müssen, für die Bewohnerinnen und Bewohner des ›Lebensort Vielfalt‹ im Vordergrund steht«, so Gather. Gerade für ambulante Pflegedienste und Wohnungsgesellschaften eröffne sich eine Marktlücke, die aber nur mittels Einsichten über eine milieusensible Pflege geschlossen werden könne. Denn die GLESA-Ergebnisse verdeutlichen, dass neben den Wünschen z. B. nach einem ausreichenden Personalschlüssel Kenntnisse und Erfahrungen über die Lebenswelt von Schwulen und Lesben zur zentralen Grundlage werden, wenn eine gute Pflege erzielt werden soll, die auch die Individualität der Betroffenen berücksichtigt. Diskriminierungsfreies Wohnumfeld schaffen Ergebnisse zu dem Wohnprojekt zeigen, dass der »Lebensort Vielfalt« ein diskriminierungsfreies Wohnumfeld ermöglicht, welches ein selbstbestimmtes Leben und soziale Teilhabe im Alter fördert. Die Thematisierung von Sexualität im Alter ist im LoV mit schwulen, lesbischen und heterosexuellen Bewohnerinnen und Bewohnern im Alter von 21 bis 86 allgegenwärtig und weniger von Tabus geprägt. Die Engagementtraditionen der Generation älterer (meist kinderloser) schwuler Männer waren für die Umsetzung des Wohnprojekts von Bedeutung und lassen Potenziale auch für andere Milieus und die Mehrheitsgesellschaft erkennen. So werden die Verknüpfung von Wohnprojekt mit einer Pflegeetage, einem öffentlichen Café, Kultur- und Beratungsangeboten sowie dem biografiesensiblen Pflegeangebot als vorbildlich empfunden und für Wohnprojekte für das Alter generell weiterempfohlen. Auf der Fachtagung im Januar 2015 – eröffnet durch ein Grußwort von Dr. Ralf Kleindick, Staatssekretär im Bundesfamilienministerium – wurden die Ergebnisse lebhaft diskutiert. Die Wissenschaftler/innen und das Publikum beklagten die teilweise noch bestehenden homo- und transphoben Einstellungen des Pflegepersonals in herkömmlichen Pflegeeinrichtungen und die noch zu geringe Förderung neuer Wohnformen, die – wie der LoV – besser geeignet sind, die soziale Integration älterer Menschen zu gewährleisten. ■ Der Autor ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt »GLESA«. Für Mietersprecher Bernd Gaiser ist das Wohnmodell »Lebensort Vielfalt« (LoV) ein Leuchtturm für eine Gesellschaft, die selbstbestimmt leben und sich einbringen will. SemesterJournal 1/15 Forschen & Anwenden 37 Von Managern als Regisseuren, StreetArt-Künstlern als Flaschendesignern und anderen seltsamen Verbindungen Welchen Mehrwert kann Kunst einem Unternehmen bringen? Welche Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen Künstler/innen und Unternehmen gibt es und wie funktioniert sie? Ein Forschungsprojekt sucht nach Antworten und ermittelt Faktoren für erfolgreiche Kooperationen. Von Carsten Baumgarth »Arts push Business – Kunst-Unternehmens-Kooperationen (KUK) als Motor für die Wirtschaft und Kunst«. Das ist der Titel und die zugrunde liegende Idee des gemeinsamen Forschungsprojektes der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin und der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin, das vom Institut für angewandte Forschung (IFAF) gefördert wird. Im Mittelpunkt stehen die Kooperationsprozesse zwischen Künstler/innen und Unternehmen, zum gegenseitigen Nutzen. KUK stellt Verbindungen her. Unternehmen greifen auf Künstler/innen zurück, um ihre Marke zu stärken oder das Verhalten der Mitarbeiter/innen nachhaltig zu verändern. Künstler/innen akquirieren durch KUKs dringend notwendiges Einkommen und erzielen eine verstärkte Aufmerksamkeit für ihre Arbeit. Trotz dieser Vorteile für beide Seiten, sind KUKs noch immer ein recht seltenes Phänomen. Ein Beispiel dafür, wie eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Künstler/innen und Unternehmen aussehen kann, ist die Integration von Unternehmenstheater in die Führungskräfteentwicklung der Onlinefirma Immobilienscout. In diesem Fallbeispiel übernahmen Manager/innen die Rolle eines Regisseurs um das eigene Führungsverhalten zu spiegeln und zu verbessern. Ein weiteres Beispiel liefert die Warsteiner Art Collection, bei der 2013 und 2014 jeweils sechs Street-Art-Künstler/innen Bierflaschen als Special Editions gestalteten. Exponat der Pop-up-Ausstellung »Farbrausch trifft RAL 4010«, die Künstler/innen und Unternehmen für eine Zusammenarbeit sensibilisieren will Um den Prozess einer KUK, angefangen bei der Initiierung bis hin zum fertigen Ergebnis und dessen Reflexion, besser zu verstehen, wurden im Rahmen des Forschungsprojekts sieben Fallstudien erhoben. Anhand dieser wurden die wesentlichen Erfolgsfaktoren einer KUK ermittelt und analysiert – mit dem Ziel, Barrieren, die auf beiden Seiten bestehen, abzubauen und unterschiedliche Anforderungen an die Zusammenarbeit transparent zu machen und so die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen KUK künftig zu steigern. entlang des KUK-Prozesses Checklisten für Künstler/-innen und Unternehmen entwickelt, die Interessierten eine erste Hilfestellung zur Etablierung von erfolgreichen KUKs liefern können. Schließlich wurden Ergebnisse des Forschungsprojektes auch direkt in die HWR-Lehre integriert: Neben entsprechenden Abschlussarbeiten wird auch im Sommersemester 2015 im Rahmen des Studium Generale wieder die Lehrveranstaltung »Kunst und Unternehmen – Berührungspunkte, Erfahrungen und Nutzen« angeboten. Um die Zielgruppen für solche Kooperationen zu sensibilisieren, wurde u. a. die Pop-up-Ausstellung »Farbrausch trifft RAL 4010«, die seit November 2014 an verschiedenen Orten gezeigt wird, entwickelt. Weiterhin wurden Mehr Informationen unter www.arts-push-business.de Der Autor ist Professor für Marketing, ■insbesondere Markenführung an der HWR Berlin und Leiter des Projektes. 38 Forschen & Anwenden SemesterJournal 1/15 SemesterJournal 1/15 Forschen & Anwenden 39 Ein Level weiter: Gamify your Business! HWR Berlin macht mobil Gamification entwickelt in der Betriebswirtschaft gerade eine große Dynamik. Dabei hinkt Deutschland den USA etwa fünf Jahre hinterher. Es geht um das Erschließen von Leistungssteigerungspotenzialen über Mitarbeitermotivation und Innovationskraft. Dafür werden Spielelemente in Arbeitsabläufe und Prozesse integriert. Prof. Dr. Avo Schönbohm erklärt, dass die Spielifizierung der Arbeit alles andere als ein Spiel ist und in Hochschulen, bei Weiterbildung und Controlling sowie in der Unternehmenskultur transformative Kraft entfalten kann. Der homo ludens will spielen, und Gamification wirkt. Im neu eröffneten »Mobile Quality Lab - MQLab« an der HWR Berlin werden Methoden zur Qualitätssicherung von Unter nehmens-Apps untersucht. Von André Nitze und Andreas Schmietendorf gibt es eine monetäre Vergütung. Untersucht werden so die Qualität einer App auf verschiedensten Plattformen, aber auch die Nutzerakzeptanz. Ein Interview von Sylke Schumann Weshalb braucht die Welt dieses Konzept? AS: Nach Untersuchungen eines der führenden Markt- und Meinungsforschungsinstitutes Gallup geben nur 16 Prozent der deutschen Angestellten alles für ihren Job und würden für die Unternehmensziele über sich hinauswachsen. Diese Engagement-Lücke (engl. engagement gap) wird durch die neue Arbeitsethik der Generation Y noch verstärkt. Gamification setzt hier an: Wie können durch Spielelemente Unternehmen wettbewerbsfähiger gemacht werden? Was ist neu an Gamification, außer dem Begriff? AS: Stimmt, das Prinzip des Spiels ist eine uralte Kulturtechnik. Gamification als Managementmode nutzt den Erfolg der Computerspiele und überträgt die damit verbundenen Erkenntnisse auf andere soziale Situationen. Das ist neu. Unternehmen brauchen das Hirn, aber auch das Herz ihrer Mitarbeiter/innen, um am Markt bestehen zu können. Beides gewinnen sie leichter, wenn die Arbeit spielerisch zum positiven Erlebnis wird. Der Begriff suggeriert, dass das Ganze ein »Spiel« ist. Tatsächlich steckt doch ein knallhartes Ziel dahinter: mehr Leistung, mehr Output. AS: Die Wissensgesellschaft braucht kaum mehr physische Akkordkräfte. Aber ja, es geht um zielorientierte Motivationssteigerung und Verhaltensänderung. Darüber hinaus sind die Explizitmachung impliziten Wissens und die Verbesserung von Unternehmensentscheidungen zum Beispiel im Strategieprozess wichtige Ziele. Gamification mag positiv als Humanismus oder kritisch als Ausbeutungsideologie interpretiert werden: Spaß an der Arbeit und Wettbewerbsfähigkeit schließen sich meiner Meinung nach nicht aus. Die Generation Y, welche gerade in die Unternehmen drängt, scheint dies genauso zu sehen. Ist Gamification für Unternehmen in der Wissensgesellschaft, was die Maschine für die industrielle Revolution war? Studien besagen, dass rund 60 Prozent der Berufseinsteiger/innen Anspruch auf Führungspositionen erheben und sich auch ohne Berufserfahrung als Expert/innen einstufen. Branchenübergreifend und in allen Bereichen? AS: Darin spiegelt sich ein neues Verständnis von Arbeit. Statt Status und Prestige stehen für viele junge Menschen die Freude an der Arbeit und die persönliche Sinnsuche im Fokus. Auch das belegen Studien. Die Menschen wollen sinnvolle Jobs, ohne ihr Leben davon vollständig bestimmen zu lassen. Kann Wirtschaft so funktionieren? AS: Genau so würde ich das formulieren. Den Unternehmen bleibt gar nichts anderes übrig, als sich dem kulturellen Wandel zu unterziehen. Managementansätze wie Scrum oder Kanban für das Büro finden sich schon in vielen Berliner Unternehmensetagen. AS: Viele Unternehmen nutzen Gamification schon lange in der Kundenbindung. Die Innenanwendung wird aber von vielen Unternehmen noch skeptisch gesehen. Wir arbeiten in unserem Projekt zusammen mit Unternehmen daran, Standardsituationen wie Budgetierung, Strategieentwicklung, Investitionsplanung oder Risikomanagement in ernste Spiele (serious games) zu transformieren. Spaß und Leistung gehen Hand in Hand. Lasst die Spiele beginnen! Vielen Dank für das Gespräch. AS: Gamification wirkt. Das ist zumindest die gut begründete Arbeitshypothese unseres vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projektes. Mit »LudoLeist« erforschen wir auch, ob und wie Gamification messbare Erfolge zeitigt. Avo Schönbohm, Katharina Urban: Can Gamification Close the Engagement Gap of Generation Y? Logos Verlag, Berlin 2014 www.gamification.business Besucher/innen informieren sich am Tag des Dualen Studiums über die Aktivitäten des »Mobile Quality Lab« und betätigen sich als »Crowd Tester« für mobile Apps Mobile Apps sind aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Es gibt kaum noch jemanden, der sich nicht auf Smart phone, Tablet oder andere digitale Begleiter verlässt. Doch wer sich auf die mobile Technik verlässt, ist manchmal sprichwörtlich verlassen. Ein Absturz direkt beim Start, zu lange Ladezeiten oder auch ein unklares Bedienkonzept bedeuten Frust für die Nutzer/innen und meistens eine Deinstallation der als qualitativ unzureichend eingestuften App. Aus diesen Gründen gilt es in der Software-Entwicklung die Aspekte der konstruktiven und analytischen Qualitätssicherung zu berücksichtigen. Mit der ISO/IEC 25000 existiert bereits eine internationale Norm für Qualitätskriterien und eine korrespondierende Bewertung von Softwareprodukten. Der generische Ansatz bedarf allerdings einer Operationalisierung, um den besonderen Qualitätsanforderungen bei mobil eingesetzten Softwarelösungen Rechnung zu tragen. Diese resultieren beispielsweise aus vielfältig eingesetzten Geräte- und Betriebssystemen, Besonderheiten hinsichtlich der diversifizierten Netzwerkanbindung, eingeschränkten Darstellungsmöglichkeiten oder erhöhten Sicherheitsbedürfnissen. Neben einer formalen Erfassung der Qualitätsanforderungen an Apps bedarf es ingenieurmäßig einsetzbarer Modelle, Methoden und Werkzeuge. Mit dem neu eingerichtete »MQLab« soll im o. g. Kontext eine entsprechende Forschungsarbeit geleistet werden. Beim diesjährigen Tag des Dualen Studiums im März wurden bereits zwei innovative Methoden zur analytischen Qualitätssicherung von Apps präsentiert. ■ Beim »Fuzzing« werden Apps unter extremen Bedingungen getestet. Dafür werden tausende zufällig erzeugte Interaktionen, wie Touch-Gesten oder Texteingaben automatisiert an das Mobilgerät gesendet. Parallel dazu wird das Verhalten der App bei anund ausgeschalteter Internetverbindung untersucht. Das »Crowd Testing« ist ein virtualisierter Testansatz. Jeder kann sich mit seinen eigenen Mobilgeräten bei einem Testprovider registrieren und an Tests von noch unveröffentlichten Apps teilnehmen. Für ausgefüllte Prüfprotokolle ■ Auch bei geschäftlich genutzten Softwaresystemen kommen immer mehr Apps zum Einsatz. Aus Sicht der Autoren spielen dort Aspekte wie Verfügbarkeit, Sicherheit, Datenschutz, Nutzbarkeit und Wirtschaftlichkeit eine sehr viel größere Rolle als im privaten Bereich. Das neu etablierte Labor bietet eine praxisorientierte Möglichkeit, sich mit den Herausforderungen einer mobilen Applikationsentwicklung für den privaten und geschäftlichen Gebrauch auseinanderzusetzen. Unter diesem Blickwinkel erfolgte auch die Beschaffung einer gerätetechnischen Laborausstattung, wofür im ersten Schritt eine Konzentration auf Android-Tablets und -Smartphones erfolgte. Durch die Angebote des Labors können sich Studierende in Zukunft für den stark wachsenden mobilen Markt qualifizieren und gleichzeitig wertvolle Beiträge für eine empirisch orientierte Forschung leisten. Mehr Informationen unter www.mobile-quality-research.org ■ Andreas Schmietendorf ist Professor für Wirtschaftsinformatik/Systementwicklung, André Nitze Doktorand am Fachbereich Duales Studium der HWR Berlin. 40 Erfahren & Austauschen SemesterJournal 1/15 SemesterJournal 1/15 Erfahren & Austauschen 41 Duales Studium »goes international« Kein typisches Erasmus-Land Englische Modulangebote und die Abstimmung von Studieninhalten und Zeitmodellen sind Erfolgsfaktoren der Internationalisierung im dualen Studium der HWR Berlin. Mieke Westerhaus studiert im 6. Semester den englischsprachigen Bachelor »International Business Management« an der HWR Berlin. Im Interview erzählt sie von ihrem Auslandssemester an der neuen Partneruniversität Kozminski University in Warschau. Von Silke Bustamante Ein Interview von Barbara Halstenberg Internationalisierung im dualen Studium erscheint vor dem Hintergrund der Globalisierung und der steigenden Bedeutung internationaler beruflicher Kompetenzen besonders relevant. Gleichzeitig ist eine internationale Ausrichtung in diesem Bereich durch enge Zeitpläne, ausdifferenzierte Studienangebote und unterschiedliche Stakeholder-Interessen mit besonderen Herausforderungen verbunden. Dies ist das Ergebnis einer Analyse der Internationalisierungsbestrebungen von 194 Anbietern dualer Studienprogramme, die am Fachbereich Duales Studium im Projekt »Internationalisierung« unter der Leitung von Prof. Dr. Silke Bustamante durchgeführt wurde. So findet im dualen Studienmodell im Vergleich zum traditionellen Studium deutlich weniger englischsprachige Lehre statt, und auch die Zahl an grenzüberschreitenden Mobilitätsangeboten und realisierten »Mobilitäten« fällt geringer aus – auch an der HWR Berlin. Dual Studierende und die Mehrzahl der Kooperationsunternehmen der HWR Berlin unterstützen die Internationalisierung des dualen Studiums bzw. wünschen »mehr Internationalisierung« – so die Ergebnisse einer Studierenden- und Unternehmensbefragung im Dezember 2014. Unternehmen fördern besonders den Erwerb fremdsprachlicher und interkultureller Kompetenzen. Studierende sind darüber hinaus – mehr als Unternehmen – an Mobilitätsangeboten interessiert und signalisieren mehrheitlich den Wunsch, im Ausland zu studieren und/oder ein Praktikum zu absolvieren. Tatsächlich realisiert nur ein Bruchteil der Studierenden diesen Wunsch. Dies liegt aus Sicht der Studierenden an engen Zeitplänen, die das Risiko einer Verlängerung des Studiums begründen, aber auch an der fehlenden Unterstützung der Kooperationsunternehmen und finanziellen Aspekten. Die Studierenden wünschen sich eine stärkere Abstimmung von Modulinhalten oder sogar eine Verlängerung des Regelstudiums. Den Schwierigkeiten und Hindernissen wird im Projekt »Internationalisierung« durch verschiedene Initiativen begegnet. Unternehmen werden besser informiert und eingebunden, so dass sie Studierende bei der Realisierung von Mobilitätswünschen stärker unterstützen. Die Konzeption eines »dualen« Austauschangebotes für ausländische Studierende (Berlin Study Plus) hat die Attraktivität des Fachbereiches im Ausland erhöht, sodass neue renommierte Partnerhochschulen gewonnen wurden – wie das Baruch College in New York und die Prince of Songlia University in Phuket (Thailand). Beide Universitäten haben bereits Studierende nach Berlin geschickt. Prof. Dr. Silke Bustamante konnte sich bei einem Besuch der Prince of Songlia University im Februar diesen Jahres von der Qualität des dortigen internationalen Programms überzeugen und hat die Kooperation vertieft. An einer stärkeren Abstimmung der Studieninhalte mit allen Partnerhochschulen wird gearbeitet. Erfahrungen aus anderen dualen Hochschulen haben indes gezeigt, dass dies am besten mit der Konzeption dualer Doppelabschlussprogramme gelingt. Frau Westerhaus, warum gerade Warschau? Die Ergebnisse der Befragungen von Studierenden und Unternehmen sind ein Beitrag des Fachbereiches Duales Studium der HWR Berlin zum Projekt »Qualitätsnetzwerk duales Studium« des Stifterverbandes, durchgeführt von den Professorinnen Silke Bustamante und Dorle Linz. Die Expertise des Fachbereiches wird im Herbst 2015 im Qualitätshandbuch des Stifterverbandes veröffentlicht. Was ist das besondere an der Kozminski University? Die Autorin ist Professorin für All■gemeine Betriebswirtschaftslehre im Fachbereich Duales Studium an der HWR Berlin. MW: Nachdem ich mein erstes Auslandssemester in San Diego, Kalifornien verbracht hatte, wollte ich einfach ein Kontrastprogramm. Da einige meiner Freunde polnische Wurzeln haben oder ständig von Polen schwärmen, wurde ich einfach neugierig. MW: Die Kozminski hat einen unglaublich guten Ruf. Mit der »Triple Crown« Auszeichnung (EQUIS, AMBA, AACSB) gehört sie zu den 59 top Business Schools der Welt. Für mich war deshalb sofort klar, dass es nach Warschau geht – auch deshalb, weil die Stadt gerade sehr aufstrebend und total im Wandel ist. Das hat mich einfach mehr gereizt, als die typischen ErasmusLänder wie Spanien oder England, gerade auch weil ich das Ziel hatte, eine neue und ungewöhnliche Sprache zu lernen. Gibt es Unterschiede im Uni-Alltag? Prof. Dr. Silke Bustamante und Pornpisanu Promsivapallop (Mitte vorn), stellvertretender Dekan für Forschung und Internationalisierung, mit Studierenden des Studiengangs »Hospitality Management« an der Prince of Songlia Universität, Thailand MW: Die Kozminski Universität ist eine private Business School, wo man recht viel Luxus genießt. Die Kursgrößen mit nicht mehr als 40 Leuten sind aber mit der HWR Berlin vergleichbar. Das erleichtert den persönlichen Umgang mit den Dozent/innen, aber auch das Kennenlernen neuer Leute. Für mich war neu, dass die Kurse nicht durchgängig übers ganze Semester verteilt sind, sondern teilweise nur wenige Wochen am Stück stattfinden oder sogar erst zum Ende des Semesters hin beginnen. Außerdem gibt es hier einen enorm starken Zusammenhalt – die Kozminski ist ein bisschen wie eine kleine Familie, und viele Uni-interne Events helfen, diese Atmosphäre aufrechtzuerhalten. ist hier kein Problem da so gut wie alle Filme in Originalsprache mit polnischen Untertiteln gezeigt werden. Ansonsten finden auch mehrmals im Monat von der Uni organisierte Events statt, wie Karaoke, Partys oder Schlittschuhfahren. Die Warschauer Altstadt ist geprägt von historischen Bauten, in der Mieke Westerhaus Was gefällt Ihnen besonders gut an der Stadt? nach der Uni oft spazieren geht In welcher Sprache wird unterrichtet? MW: Vorlesungen finden sowohl auf Englisch als auch auf Polnisch statt. Da die Uni allerdings davon ausgeht, dass die Mehrzahl der Erasmus-Studierenden kein Polnisch spricht, gibt es ein großes Angebot an englischsprachigen Kursen. Außerdem besteht die Möglichkeit, als Bachelor-Studentin auch Master-Kurse zu wählen, was die Auswahl nochmal um einiges vergrößert. Haben Sie bisher kulturelle Unter schiede bemerkt? MW: Meiner Meinung nach unterscheiden sich die polnischen Studierenden in meinem Alter recht wenig von den deutschen. Bei den älteren Generationen ist mir allerdings eine ausgeprägte Höflichkeit und ein recht konservatives, traditionelles Denken aufgefallen. Ansonsten muss ich sagen, dass sich Warschau als Hauptstadt sehr westlich entwickelt hat und die kulturellen Unterschiede hier sicher weitaus weniger ausgeprägt sind als auf dem Land. Was machen Sie in Ihrer Freizeit? MW: In Warschau gibt es jede Menge zu sehen – neben den vielen Parks gibt es auch zahlreiche spannende Museen, Clubs und Bars sowie die besten Restaurants, in denen ich je gegessen habe! Langweilig wird es also nie. Und auch ins Kino gehen MW: Ich mag einfach die Atmosphäre und das gesamte Stadtbild. Warschau ist geprägt von alten, architektonisch total schönen Bauten, die Stadtspaziergänge nie langweilig machen. Außerdem gefallen mir die Umbruchstimmung, die Sprache, und die Lebhaftigkeit der Stadt. Was raten Sie Studierenden, die einen Auslandsaufenthalt planen? MW: Ich denke, das Wichtigste ist einfach, sich wirklich genau Gedanken darüber zu machen, wo man sein Auslandssemester machen möchte. Was bringt mich weiter, sowohl sprachlich als auch beruflich? Welche Uni ist für mich die beste? Könnte ich mich mit der Kultur schnell anfreunden? Ansonsten ist eine frühe Planung sicher generell ganz ratsam, um am Ende nicht den Stress der Wohnungssuche vor Ort zu haben. Also sobald Ihr die Zusagen habt, fangt an zu organisieren! Haben Sie schon Pläne für die Zeit nach Ihrer Rückkehr? MW: Zurück in Berlin fange ich mit meinem Praktikum an. Nebenbei werde ich weiter Polnisch lernen und hoffentlich bald wieder einen Abstecher nach Warschau machen. Wenn alles klappt, strebe ich danach einen Master und eine Karriere als Projektmanagerin im PRund Eventbereich an. Vielen Dank für das Gespräch. 42 Erfahren & Austauschen SemesterJournal 1/15 SemesterJournal 1/15 Kurz & Knapp 43 Zentrale Frauenbeauftragte im Amt bestätigt Von Sylke Schumann Teilnehmer/innen der deutsch-tunesischen Konferenz in Tunis thematisierten Theorie und Praxis öffentlich-privater Partnerschaften Deutsch-tunesischer Austausch Tunesien ist das einzige arabische Land, in dem der »Arabische Frühling« des Jahres 2011 einen bis heute andauernden Demokratisierungsprozess eingeleitet hat. Das Institut für Verwaltungsmodernisierung und Polizeireform in Mittel- und Osteuropa (IMO) der HWR Berlin beteiligte sich mit einem fachbereichsübergreifenden Projekt zu öffentlich-privaten Partnerschaften an den Maßnahmen zur Unterstützung dieser Entwicklung. Von Hartmut Aden Nach Jahrzehnten des politischen und gesellschaftlichen Stillstands gehört die Modernisierung der öffentlichen Infrastruktur zu den dringendsten Aufgaben der demokratisch gewählten tunesischen Regierung. Ob und wie private Unternehmen oder Nichtregierungsorganisationen in die Bewältigung dieser Aufgaben einbezogen werden können, ist daher in Tunesien derzeit eine ebenso aktuelle Frage wie in Deutschland. In Tunesien wird dazu eine Neufassung und Bündelung der gesetzlichen Regelungen diskutiert. Das von Prof. Dr. Oesten Baller und Mechthild Bonnen (IMO) organisierte deutsch-tunesische Projekt brachte im Herbst 2014 Wissenschaftler/innen verschiedener tunesischer Universitäten (Universität Tunis-El-Manar, Tunis Business School, Tunis Higher Institute of Management der Universität Tunis) und der HWR Berlin bei zwei Konferenzen in Berlin und in Tunis zusammen. Thematisiert wurden die Theorie und Praxis öffentlich-privater Partnerschaften (Public Private Partnerships, PPP). Auch ein Vertreter des tunesischen Ministeriums für Hochschulbildung und wissenschaftliche Forschung nahm an beiden Konferenzen teil. Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) förderte das Projekt. Ende September 2014 fand am HWRCampus Lichtenberg die erste Konferenz statt, bei der die Teilnehmer/innen kulturelle, ökonomische und rechtliche Unterschiede und Parallelen sowie Chancen und Risiken bei der Zusammenarbeit von öffentlichen und privaten Akteuren in beiden Ländern diskutierten. Zur Veranschaulichung fanden an zwei Tagen Exkursionen in Berlin und Brandenburg statt (Neubau des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, Brandenburger Landtag, Charité Facility Management, SeeCampus Niederlausitz), um PPP-Projekte vor Ort zu besichtigen und ihre jeweils spezifische Konzeption zu diskutieren. Anfang November 2014 reisten Professor/innen und Studierende der HWR Berlin zur zweiten Konferenz nach Tunis, um die Diskussion und Planung weiterer Projekte zu vertiefen. Besonders interessiert zeigte sich die tunesische Delegation an den Erfahrungen der HWR Berlin mit dualen Studienangeboten in Kooperation mit Unternehmen und Behörden. Hierzu wird es möglicherweise ein Folgeprojekt geben. Aus der HWR Berlin waren Professor/innen aus fast allen Fachbereichen beteiligt. Hier zeigte sich, welche Synergien das breite, in der HWR Berlin vertretene fachliche Kompetenzspektrum ermöglicht. Die Beiträge der Konferenzen werden in der Schriftenreihe des IMO veröffentlicht. Der Autor ist Professor für Öffentliches ■Recht und Europarecht am Fachbereich »Polizei und Sicherheitsmanagement« der HWR Berlin. Die HWR Berlin familienfreundlich zu gestalten, von Studienordnungen bis zum Arbeitsumfeld von Professor/innen und Mitarbeiter/innen, das ist einer der Schwerpunkte der jüngst in ihrem Amt bestätigten Zentralen Frauenbeauftragten der HWR Berlin, Viola Philipp. Der Zentrale Frauenrat, dem Vertreterinnen aller Statusgruppen und Bereiche der Hochschule angehören, hat Philipp einstimmig wiedergewählt. Damit beginnt sie am 1. September 2015 ihre dann 5. Amtszeit. Aktuell arbeitet sie gemeinsam mit ihrem Team u. a. an den Vorbereitungen zum »audit familiengerechte hochschule«. Das ist ein strategisches Managementinstrument, um die Vereinbarkeit von Beruf / Studium und Familie an der Hochschule zu verbessern. Viola Philipp, Zentrale Frauenbeauftragte der HWR Berlin Vortragsreihe Gesundheitswesen Von Silke Bustamante Im Rahmen der Vortragsreihe »Herausforderungen in der Selbstverwaltung des Gesundheitswesens« haben im März und April 2015 hochrangige Vertreter/innen verschiedenster Akteure des Selbstverwaltungswesens mit Studierenden des Bachelors »BWL/ Dienstleistungsmanagement« über Aufgaben und Herausforderungen ihrer Organisationen diskutiert. So berichtete Dr. Ramin Parsa-Parsi, Leiter Dezernat Internationale Angelegenheiten der Bundesärztekammer, über die Rolle der Gremien der internationalen Ärzteschaft bei ethischen Fragestellungen. Dr. HansJoachim Helming, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung, ging auf Modelle der Sicherstellung der ambulanten Versorgung in ländlichen Bereichen ein. Im April 2015 problema- Dr. med. Ramin Parsa-Parsi diskutiert über die ärztliche Selbstverwaltung in Deutschland tisierte Holger Langkutsch, ständiges Mitglied des Gemeinsamen Bundesau- schusses, das Zusammenspiel von Ökonomie und Solidarität. 44 Kurz & Knapp SemesterJournal 1/15 Deutsch-französischer Doppelabschluss SemesterJournal 1/15 Qualitätsoffensive Lehre: Fachtagung »(An) Hochschulen lernen« Jahrestagung der IAFFE zu »Gender Equality in Challenging Times« Französische Absolvent/innen bei der Verleihung der Zeugnisse im Folies Bergère Theater in Paris Rekord: Tag des dualen Studiums Von Diana Jurgec Mit 1 440 Studieninteressierten war der diesjährige Tag des dualen Studiums die bisher besucherstärkste Informations- veranstaltung des Fachbereichs Duales Studium. Rekordzahlen gab es auch bei den Ausstellern der Campus-Messe: Podiumsdiskussion »Zum dualen Bachelor – (k)ein Studium wie jedes andere?« 45 Termine Von Barbara Halstenberg Deutsche und französische Absolvent/innen des Wirtschaftsstudiengangs »International Management / Management International« (DFS), der von der HWR Berlin und der Ecole Supérieure du Commerce Extérieur (ESCE) in Paris angeboten wird, erhielten im Februar 2015 zwei Master-Abschlüsse und ein Zertifikat der Deutsch-Französischen Hochschule (DFH), die diesen Studiengang fördert. Der Präsident der HWR Berlin, Prof. Dr. Bernd Reissert, und Paul-Jacques Lehmann, Akademischer Direktor der ESCE, überreichten den Absolvent/innen in der deutschen Botschaft und im Folies Bergère Theater in Paris die Urkunden und Abschlusszeugnisse. Rund 200 Absolvent/innen des binationalen Bachelor- und Masterprogramms, das seit 2002 angeboten wird, haben inzwischen eine Karriere in einem global agierenden Unternehmen oder einer internationalen Organisation aufgenommen. Notieren & Weitersagen 86 kleine und namhafte Partnerunternehmen boten den Besucher/innen die Möglichkeit, lebhaft zu erfahren, welche Chancen und Karrierewege ein duales Studium eröffnen kann. Zum Auftakt der Veranstaltung stellte Dr. Volker Meyer-Guckel, stellvertretender Generalsekretär des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft e. V., die im Rahmen des »Qualitätsnetzwerks Duales Studium« gewonnenen Erkenntnisse für die Weiterentwicklung des dualen Studiums vor. Die Jahrestagung der International Association for Feminist Economics (IAFFE) wird in diesem Jahr an der HWR Berlin ausgerichtet. Vom 16. bis zum 18. Juli 2015 treffen sich internationale Wissenschaftler/innen, Vertreter/innen aus Wirtschaft und Politik sowie andere Interessierte unter dem Leitthema »Gender Equality in Challenging Times« zu einem interdisziplinären Diskurs. Dabei geht es um den Einfluss der Feministischen Ökonomie in Bezug auf Wirtschaftskrisen, die Sparpolitik in europäischen Ländern, die Transformation des Sozialstaates, Gesundheitspflege-Kostenkrise bzw. Pflegenotstand, soziale Herausforderungen in Schwellenländern sowie Beschäftigung und Migration weltweit. Welchen Bildungsauftrag hat die Hochschule des 21. Jahrhunderts? Zum Schwerpunkt »(An) Hochschulen lernen« findet am 5. November 2015 eine durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützte überregionale Fachkonferenz im Rahmen des Programms Cultural Diversity statt. In der kritischen Auseinandersetzung mit dem Bologna-Prozess und seinen Folgen stehen dabei nicht ausschließlich strukturelle Fragen der Studienreform zur Diskussion. Im Zuge der Globalisierung und der Entwicklung der Wissensgesellschaft wurden die Hochschulbildung und die akademische Weiterbildung auch zunehmend international und interkulturell ausgerichtet. Hochschulvertreter/innen und die interessierte Öffentlichkeit sind eingeladen, über Employability, Bildungsauftrag und lebenslanges Lernen zu diskutieren. HWR Berlin Career Week Unter dem Motto »Arbeitsplatz B erlin / Careers in Berlin« öffnet die HWR Berlin vom 9. – 13. November am Campus Schöneberg und am Campus Lichtenberg ihre Türen. Die diesjährige Karrierewoche setzt einen Fokus auf die Digitalisierung der Arbeitswelt. Dazu gibt es Vorträge, Workshops, eine Podiumsdiskussion sowie einen Bewerbungsunterlagen-Speedcheck, Fotoshootings für Bewerbungsbilder und andere Angebote zur Karriereplanung und -umsetzung. Die Career Week richtet sich neben Studierenden auch an Alumni der Hochschule. 9. – 13. November 2015 HWR Berlin, Campus Schöneberg Badensche Str. 52, 10825 Berlin Campus Lichtenberg, Alt Friedrichsfelde 60, 10315 Berlin Mehr Informationen unter http://www.hwr-berlin.de/aktuelles/ termine-und-veranstaltungen/details/ international-association-for-feministeconomics/ Mehr Informationen unter www.hwr-berlin.de/fileadmin/downloads_internet/aktuelles/kalender/2015/_ An__Hochschulen_lernen_save_the_ date.pdf 16. – 18. Juli 2015 HWR Berlin, Campus Schöneberg Badensche Str. 52, 10825 Berlin 5. November 2015 HWR Berlin, Campus Lichtenberg, Alt Friedrichsfelde 60, 10315 Berlin Neu & Berufen 46 SemesterJournal 1/15 Neuberufungen SemesterJournal 1/15 Neu & Berufen 47 Fachbereich 2 Duales Studium Wirtschaft • Technik Prof. Dr. Michael Paarz – Professur für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Steuern und Wirtschaftsprüfung Fachbereich 1 Wirtschaftswissenschaften Prof. Dr. Reingard Zimmer – Professur für Arbeitsrecht Reingard Zimmer promovierte nach Abschluss des rechtswissenschaftlichen Studiums an der Universität Bremen zu sozialen Mindeststandards und ihren Durchsetzungsmechanismen. Im Anschluss an das zweite Staatsexamen baute sie das Forschungsreferat Arbeitsund Sozialrecht im Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Forschungsinstitut der Hans-Böckler-Stiftung auf, bevor sie als Vertretungsprofessorin an die Universität Hamburg wechselte. Im Anschluss leitete Reingard Zimmer das deutsche Vertragsbüro der Internationalen Transportarbeiterföderation (ITF), mit Zuständigkeit für internationale Tarifverträge in der Seeschifffahrt. Forschungsschwerpunkte sind prekäre Beschäftigungsverhältnisse, kollektives sowie europäisches und internationales Arbeitsrecht sowie zahlreiche Forschungsprojekte zu transnationalen Kollektivvereinbarungen. Prof. Dr. Wojciech Stiller – Professur für Unternehmensbesteuerung Wojciech Stiller studierte Volkswirtschaftslehre an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder). Nach dem Studium war er in einer Steuerkanzlei in Berlin tätig, wo er u. a. grenzüberschreitende Investitionsprojekte betreute. Danach promovierte er an der Universität Mannheim im Bereich der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre. Neben der Universität Mannheim unterrichtete Wojciech Stiller Unternehmensbesteuerung und Rechnungswesen an der Warsaw School of Economics, Poznań University of Economics, University of Economics in Katowice sowie an der DHBW Mannheim. In der Forschung befasst er sich mit der Steuerplanung und Steuerwirkung. Seine Publikationen erscheinen in praxisbezogenen sowie in wissenschaftlichen Zeitschriften. Wojciech Stiller hält Vorträge zur internationalen Besteuerung und berät Unternehmen. Nach seiner Gastprofessur an der HWR Berlin hat er seit Januar 2015 die Professur für Unternehmensbesteuerung inne. Michael Paarz studierte an der GeorgAugust-Universität Göttingen sowie der National University of Ireland, Galway. Nach dem Studium war er Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Rechnungslegung und Prüfungswesen bei Prof. Dr. Lothar Schruff in Göttingen und promovierte zum Thema »Investororientierte Bankrechnungslegung nach IFRS«. Im Anschluss wechselte er zu einer großen internatio- nalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, wo er zuletzt als Prokurist im AdvisoryBereich arbeitete. Michael Paarz ist als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in eigener Kanzlei tätig. Er hat zahlreiche Veröffentlichungen auf dem Gebiet der Rechnungslegung nach (International Financial Reporting Standards) IFRS verfasst. Bereits seit 2014 war Michael Paarz Gastprofessor an der HWR Berlin. Prof. Dr. Regina M. Baumgärtner – Professur für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Marketing, insbesondere Tourismusbetriebswirtschaft Regina M. Baumgärtner startete ihr Berufsleben dual, mit einer kaufmännischen Lehre in einem internationalen, rheinlandpfälzischen Weinkonzern. Nach Stationen im Frankfurter Versicherungswesen und Banking folgte mehrjähriges Arbeiten in den USA und ein weiteres Jahr in Japan. Nach ihrem Studium der Wirtschaftswissenschaften in Hamburg und den USA promovierte sie mit einem Dualen-Begabtenstipendium an der Leuphana Universität in Lüneburg im strategischen Tourismusmanagement sowie praktischer Tourismuslehre an der Fachhochschule Westküste in Heide. Nach mehrjähriger Managementerfahrung im internationalen Werbe- und Marketinggeschäft folgte der Wechsel zu Beratung, Training und Coaching. Seit 2008 ist Regina M. Baumgärtner in der nationalen wie internationalen Tourismuslehre in Deutschland, in Vietnam und in Großbritannien tätig. Fachbereich 5 Polizei und Sicherheitsmanagement Prof. Dr. Jana-Cordelia Petzold – Gastprofessur Verwaltungsinformatik, insbesondere eGovernment Jana-Cordelia Petzold war nach ihrem Studium an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung des Landes Brandenburg in Bernau mehrere Jahre als Polizeikommissarin im Stabsbereich in der Einsatzplanung in Frankfurt (Oder) tätig. Danach folgte das Studium der Informations- und Medientechnik sowie der World Heritage Studies in Cottbus. Anschließend war sie als Projektmanagerin für die PrinzMedien Holding Berlin tätig und gründete 2008 die Kommunikationsagentur AtalanteMedien. 2009 erfolgte die Promotion zur »Analyse und Modellierung objektgebundener Datenflüsse in Wertschöpfungsketten« zur RFID-Technologie. Es folgten Beratungs- und Lehraufträge in den Fachgebieten Kommunikation, Medien, Kultur und Gesellschaft. 48 Nachrufe SemesterJournal 1/15 SemesterJournal 1/15 Erschienen & Gelesen 49 Publikationen Nachruf Prof. Dr. iur. Peter Doll Am 17. Oktober 2014 verstarb der ehemalige Rektor der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege (FHVR) Berlin, die inzwischen zur Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin gehört. Prof. Dr. Peter Doll war von 1973 bis 1978 Rektor der FHVR Berlin. In seine Amtszeit fiel 1974 die Einrichtung eines dritten Fachbereichs an der FHVR Berlin, an dem Studierende des gehobenen Polizeivollzugsdienstes des Landes Berlin aufgenommen wurden. Die Mitglieder der Hochschule werden Prof. Dr. Doll in dankbarer Erinnerung behalten. Sein unermüdlicher Einsatz galt dem europäischen Gedanken und der ständigen Verbesserung der Ausbildung und Lehre in der öffentlichen Verwaltung. Nachruf Prof. Dr. iur. Albrecht Dehnhard Am 13. Februar 2015 verstarb der ehemalige Rektor der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege (FHVR) Berlin, die inzwischen zur Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin gehört. Prof. Dr. Albrecht Dehnhard war von 1973 bis 2002 Professor für Staatsrecht am Fachbereich Allgemeine Verwaltung und leitete die FHVR Berlin von 1981 bis 1986. ein Denken außerhalb festgefahrener Gleise gefordert hat. Die Hochschule ehrt ihn als einen historisch wie sozial orientierten Rechtsprofessor, der auch von seinen Studierenden immer ein juristisch konsequentes methodisches Vorgehen und zugleich Die Mitglieder der Hochschule werden Prof. Dr. Dehnhard in dankbarer Erinnerung behalten. Internationale Organisationen Distribution and Growth after Keynes Einführung in die Wirtschaftsinformatik Staatliche und nichtstaatliche Organisationen in der Weltpolitik A Post-Keynesian Guide Band 1: Verstehen des digitalen Zeitalters Eckhard Hein Edward Elgar Publishing 2014 576 Seiten, 175,83 Euro ISBN: 978-1-78347-728-9 Claudia Lemke, Walter Brenner Springer Gabler 2015 268 Seiten, 24,99 Euro ISBN: 978-3-662-44064-3 This book offers an assessment of theories of distribution and growth after Keynes presenting an overview of the main contributions with a particular focus on the development of post-Keynesian/Kaleckian models. It describes main approaches towards distribution and growth including the contributions of Harrod and Domar, old and new neoclassical theories including the fundamental capital controversy critique, the post-Keynesian contributions of Kaldor, Pasinetti, Thirlwall and Robinson, and finally the approaches by Kalecki and Steindl. Neo- and post-Kaleckian models are gradually developed, introducing saving from wages, international trade, technological progress, interest and credit. Issues of ‘financialisation’ are explored and empirical results related to the different models. The book is designed for graduate programmes or at the advanced undergraduate level, also as supplementary reading for classes in macroeconomics. Die Informations- und Kommunikationstechnik ist heute ein allgegenwärtiger Teil unseres privaten und geschäftlichen Lebens. Die tiefgreifende Veränderung von Wirtschaft und Gesellschaft entspricht den Auswirkungen der vergangenen industriellen Revolution. Dieses Lehrbuch bricht bewusst mit den traditionellen Ausbildungskonzepten der Wirtschaftsinformatik. Aus dem Blickwinkel des Digital Native werden die Wirkungsweisen der Informations- und Kommunikationstechnik erklärt und durch Fallbeispiele und Experteninterviews erläutert. Der Mensch als privater und beruflicher Nutzer der Informations- und Kommunikationstechnik steht im Mittelpunkt, nicht mehr das Unternehmen. Das Lehrbuch enthält Lernziele, Kontrollfragen und vertiefende Übungen. Im ersten Band steht das Verstehen des digitalen Zeitalters im Vordergrund. In Band 2 werden die Grundlagen zum Gestalten des digitalen Zeitalters beschrieben. Florian Furtak Springer VS 2015 460 Seiten, 39,99 Euro Print-ISBN: 978-3-658-00176-6 Online-ISBN: 978-3-658-00177-3 Dieses Lehrbuch gibt Dozentinnen und Dozenten sowie insbesondere Studierenden eines sozial-, geistes- oder rechtswissenschaftlichen Studiums einen detaillierten Einblick in das Thema internationale Organisationen. Das Buch stellt Entstehung und Entwicklung, Ziele und Grundsätze, Organisationsstruktur und Finanzierung sowie Aktionsfelder von neun staatlichen Organisationen (UNO, AU, ASEAN, EU, OAS, Europarat, NATO, OSZE, WTO) sowie acht nichtstaatlichen internationalen Organisationen (Amnesty International, Human Rights Watch, Greenpeace, WWF, IKRK, Ärzte ohne Grenzen, CARE International, Oxfam) fundiert, übersichtlich und verständlich dar. Der Band eignet sich als Nachschlagewerk, zur Vorbereitung auf Referate und Prüfungen sowie als Grundlage für Hausarbeiten und Abschlussarbeiten. 50 Erschienen & Gelesen Markenaudit für Kulturinstitutionen Die auszehrende Organisation Business-to-business Ganzheitliches Tool zur Analyse und Professionalisierung der Markenführung im Kultursektor Leistung und Gesundheit in einer anspruchsvollen Arbeitswelt A global Network Perspective Carsten Baumgarth, Marina Kaluza, Nicole Lohrisch Springer VS 2014 133 Seiten, 19,99 Euro Print-ISBN: 978-3-658-01645-6 Ein »Markenaudit für Kulturinstitutionen« kann dazu beitragen, die Professionalität der Markenführung von Kulturinstitutionen nachhaltig zu verbessern und dadurch auf dem Besuchermarkt erfolgreicher zu sein. Dazu präsentiert das Buch neben den Grundlagen zur Markenführung im Kultursektor und zu Markenaudits das Tool MAK. Dieses beurteilt ganzheitlich mit Hilfe von 83 Indikatoren die Marke einer Kulturinstitution. Das Buch beschreibt das zugrundeliegende Markenmodell (inkl. 15 Best-Practices) sowie alle für die praktische Durchführung des MAKs notwendigen Schritte. Die Darstellung der methodischen Qualität des MAKs sowie eines verkürzten Ansatzes zur Selbstevaluation der eigenen Marke runden das Buch ab. Dietrich von der Oelsnitz, Frank Schirmer, Kerstin Wüstner (Hrsg.) Springer Gabler 2014 330 Seiten, 44,99 Euro Print-ISBN: 978-3-658-05306-2 Online-ISBN: 978-3-658-05307-9 Das Buch bietet einen vernetzten Blick, nicht nur auf die beruflichen, sondern auch auf die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen heutiger Arbeitsprozesse und untersucht diese auf ihre potenziell auszehrende Wirkung. Renommierte Wissenschaftler/innen und Praktiker/innen mit umfassender Erfahrung in ihren jeweiligen Spezialgebieten beleuchten die betrieblich-institutionellen Funktionsweisen, Praktiken und Bedingungen moderner Organisationen aus betriebswirtschaftlicher, soziologischer und psychologischer Sicht. Die daraus resultierende Analyse der »erschöpfenden« bzw. »auszehrenden« Organisation ergänzt die aktuelle Diskussion des Burnout-Syndroms, die das Phänomen tendenziell eher aus individueller, medizinisch-pathologischer Perspektive betrachtet, um eine wichtige systemische Perspektive. Deutlich werden zudem präventive und kurative Ansatzpunkte herausgearbeitet. SemesterJournal 1/15 Mario Glowik, Sarah Maria Bruhs Routledge 2014 296 Seiten, 132,72 Euro ISBN: 9780415740876 Contemporary business-to-business (B2B) industries consist of networks of customers, competitors and other stakeholders. Firms which manage their relationships with these important stakeholders are more likely to enjoy a sustained competitive advantage in the international business environment. This book is the first to provide a comprehensive overview of the field from a broad and accessible perspective. The authors bring an authoritative, scholarly understanding to the subject, taking readers through the entire process of creating, developing and maintaining B2B networks. Case studies illustrating each chapter include: Apple, Panasonic, Johnson & Johnson, Epson and Samsung. In providing a single and explicit established academic framework for understanding business networks in a global setting, this book is vital reading for students and researchers involved with international management, international marketing and strategic management. SemesterJournal 1/15 Erschienen & Gelesen Police Cooperation in the European Union under the Treaty of Lisbon Die Vielfalt der Selbständigkeit Opportunities and Limitations Hartmut Aden (Hrsg.) Nomos Verlag 2015 266 Seiten, 54 Euro ISBN 978-3-8487-0843-7 Durch den EU-Reformvertrag von Lissabon wurde die gemeinsame Justizund Innenpolitik, die zuvor Gegenstand der Regierungszusammenarbeit war, Ende 2009 voll in die Europäische Union integriert. Das Buch geht auf eine internationale Konferenz zurück, die 2013 an der HWR Berlin, Campus Lichtenberg stattfand. Die Beiträge gehen den Fragen nach, was sich unter den neuen politisch-institutionellen Rahmenbedingungen für die Polizeizusammenarbeit in Europa geändert hat und welche Probleme fortbestehen. Welche praktischen Auswirkungen haben die neuen Regeln des Vertrages von Lissabon? Kann das Europäische Parlament seinen formal gewachsenen Einfluss nutzen? Welche Rolle spielen Menschenrechte und Datenschutz? Die Beiträge analysieren Kontinuität und Wandel der Polizeikooperation in der EU aus den Perspektiven von Politik, Recht und Praxis. Das Buch enthält Beiträge von Fachleuten aus Wissenschaft, Politik, Polizei und Datenschutzbehörden. 51 Sozialwissenschaftliche Beiträge zu einer Erwerbsform im Wandel Claudia Gather, Ingrid Biermann, Lena Schürmann, Susan Ulbricht, Heinz Zipprian (Hg.) Edition sigma 2014 331 Seiten, 19,90 Euro ISBN 978-3-89404-799-3 In der Forschung über Selbständigkeit und Existenzgründungen dominieren bislang vor allem betriebswirtschaftliche Perspektiven. Sehr viel seltener stehen sozialwissenschaftliche Zugänge im Zentrum – obwohl die Selbständigkeit eine Vielzahl von Problemen aufwirft, die im Fokus der Sozialwissenschaften stehen: Aspekte der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, der Work-LifeBalance und der sozialen Sicherung sind hier in besonderer Weise berührt, ebenso Fragen nach Geschlechterdifferenzen im Gründungsgeschehen sowie bei Branchen- und Einkommensentwicklungen. Nicht zuletzt stellt der Start in die Selbständigkeit meist einen tiefen biografischen Einschnitt dar, der die Lebenslauf- und Berufsverlaufsforschung herausfordert. Dieser Band zielt darauf ab, einer sozialwissenschaftlichen Selbständigkeitsforschung neue Impulse zu verleihen, indem er eine breite Auswahl von Themen, theoretischen und empirischen Zugängen, auch historischen und internationalen Perspektiven versammelt. Die Beiträge werfen dabei vor allem auch Licht auf den tiefgreifenden Wandel und die wachsende Heterogenität von Selbständigkeit, sichtbar zum Beispiel in der Zunahme der Solo-Selbständigkeit und der Altersstreuung bei Gründer/innen. 52 Meinen & Diskutieren SemesterJournal 1/15 SemesterJournal 1/15 Meinen & Diskutieren Nach jahrelangem Diskurs in Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft tritt Deutschland nun also dem QuotenClub bei, nach dem Vorbild Spaniens, Frankreichs, Belgiens und Norwegens. Das war zweifelsohne ein großer Erfolg für die Sozialdemokrat/innen, denn viele Vertreter/innen der CDU/CSU äußern Zweifel an der Wirksamkeit des Gesetzes. Skeptiker/innen unken, dass es kaum wesentliche Veränderungen in der von Männern dominierten Führungswelt geben wird. Befürworter/innen dagegen sehen in dieser Vorgabe einen wichtigen, längst überfälligen Schritt hin zur Gleichstellung von Mann und Frau. Kann eine Quote also zu einer veränderten Kultur und einem aufgeklärteren Rollenverständnis führen? hinkt der Entwicklung sehenden Auges hinterher und tut sich damit keinen Gefallen. Klassische Denkmuster durchbrechen Die Griechin Stylia Kampani hat in ihrer Heimat Internationale Beziehungen studiert und ein Erasmus-Jahr lang an der Universität Bremen. Sie absolvierte ein Praktikum im Athener Außenministerium und arbeitete für die griechische Botschaft in Berlin. Jetzt macht die EuropaEnthusiastin ihren Master an der HWR Berlin. Ja, wir brauchen die Frauenquote Sind nicht längst alle Voraussetzungen für völlige Gleichberechtigung geschaffen? Theoretisch ja, praktisch nein. Formale Barrieren sind beseitigt, Gleichheit damit aber noch längst nicht hergestellt. Von Stylia Kampani Vor einem halben Jahr veröffentlichten Bundesfrauenministerin Manuela Schwesig und Bundesjustizminister Heiko Maas ihren gemeinsamen Entwurf zur Einführung der gesetzlichen Frauenquote in Aufsichtsräten. Ab 2016 müssen, so hat es der Bundestag inzwi- schen mit großer Mehrheit beschlossen, mindestens 30 Prozent der Mitglieder dieses Gremiums in den mehr als 100 großen börsennotierten Unternehmen weiblich sein. Ansonsten bleiben die Stühle leer, dürfen nicht mit Männern besetzt werden. Weitere rund 3 500 klei- nere, aber ebenfalls mitbestimmungspflichtige Unternehmen sollen sich selbst eine verbindliche Quote setzen, um den Frauenanteil in Führungsposition zu erhöhen. Oft hören wir, dass sich Frauen aufgrund ihrer biologischen Rolle weniger auf Karriere konzentrieren können oder wollen. Wer so argumentiert, kommt in hoch entwickelten kapitalistischen Gesellschaften in ernste Erklärungsnot. Mutterschaft kann heute durch die aktivere Rolle der Väter bei der Kinderbetreuung und mit staatlicher Hilfe auch neben der Berufstätigkeit gut organisiert werden. Die Erziehungszeit, zunehmend zwischen beiden Eltern aufgeteilt, ist nur ein Beispiel dafür. Männer und Frauen agieren auch privat stärker auf Augenhöhe. Doch die Wirtschaft Der schwedische Ministerpräsident Stefan Löfven unterstreicht diese These: »Eine männliche Atmosphäre schafft mehr Risiko und ein höheres Risiko von Korruption.« Studien belegen, dass die Geschlechtervielfalt für Unternehmen von Vorteil ist. Durch einen gemischten Vorstand erhöhen Unternehmen ihre finanzielle Leistungsfähigkeit sowie ihr Innovationspotential und erzielen bessere Gruppenergebnisse. Es ist belegt, dass die von Männern dominierte Kultur in den oberen Rängen der Banken- und Geschäftswelt Ghettos einer Denkstruktur sind, die übermäßige Risikobereitschaft fördert, oft mit fatalen Folgen für die Allgemeinheit. Keine gerechte Gesellschaft ohne echte Gleichberechtigung Es braucht die »Gleichheit der Folge«, eine wirkliche Synchronisierung der Chancen und Bedingungen für Männer und Frauen in der Berufswelt. Unmittelbare Diskriminierung und ein komplexes Verhaltensmuster versteckter Barrieren verhindert Frauen auf Chefposten. Nach wie vor kommt Frauen eine dreifache Rolle in der Gesellschaft zu: die reproduktive (Mutterschaft und Haushalt), die produktive (Arbeit) und die aktive Beteiligung an der Gemeinschaft. Es gilt, diese Muster in unserem 53 Verhalten und Denken zu durchbrechen. Das braucht den Einsatz von Männer und Frauen im Alltag, nicht nur Diktate des Gesetzgebers. Die Quote und ähnliche Regulierungen sind Mittel, um Gleichstellung formal messen zu können. Gleichheit kann jedoch nicht durch formale Gleichbehandlung allein erreicht werden. Quoten dürfen nicht nur von oben verordnet, sondern müssen getragen werden durch Graswurzel-Mobilisierung und die aktive und organisierte Beteiligung von Frauen in allen Bereichen. Quoten allein können nicht alle Hindernisse beseitigen, aber sie senden ein wichtiges Signal an Wirtschaft und Gesellschaft: Frauen und Männer sind Partner/innen auf Augenhöhe! Die Autorin studiert an der HWR ■Berlin und ist Mitglied bei den Young European Federalists – einem Verein, der sich für ein enger zusammenwachsendes Europa einsetzt. Impressum Herausgeber Bildnachweise Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin Der Präsident Badensche Straße 52 10825 Berlin Titel Poo, Shutterstock.com Seite 3 Dr. Cordia Schlegelmilch Seite 6, 7 Polizei Berlin Seite 8, 9Sylke Schumann, Christian Kretke, Christine Beier Seite 10 DGB/Simone M. Neumann Seite 11, 15, 17, 21, 25, 28, 29, 34, 37, 43, 45 Sylke Schumann Seite 13 Stephanie Hackelsberger, Ilka Teermann Seite 14Dirk Meissner Seite 19 Rawpixel, Shutterstock.com Seite 22Pamela Stenzel Seite 23Antonia Bello Seite 24IMB Berlin Seite 26 Projekt MINT4 HWR Berlin Seite 27 HWR Berlin, Sylke Schumann Seite 30 Kevin Schlenker Seite 31Juliane Schmidt Seite 32 Diana Deutzer, DTK GmbH Seite 33andel´s Hotel Berlin Seite 35Usien Seite 36 Schwulenberatung Berlin Seite 39André Nitze Seite 40 Prof. Dr. Silke Bustamante Seite 41Mieke Westerhaus Seite 42 IMO der HWR Berlin Seite 44DSF, Andreas Käppner Seite 52Vincent Immanuel Herr Redaktion Sylke Schuman (verantwortlich), Pressesprecherin HWR Berlin Barbara Halstenberg, Freie Redakteurin Layout und Satz Meike Lorenz, Berlin Druck Das Druckteam, Berlin Erscheinungsweise: halbjährlich, Auflage: 2 800 Die nächste Ausgabe erscheint im Dezember 2015 Redaktionsschluss: Oktober 2015 ISSN 0945-7933 Namentlich gekennzeichnete Beiträge stellen die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des jeweiligen Autors dar. Die Redaktion behält sich vor, eingereichte Texte sinnwahrend zu kürzen. Der Nachdruck von Texten ist bei der Redaktion zu erfragen.
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