SemesterJournal

SemesterJournal
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Frauen an die Spitze
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SemesterJournal 1/15
Editorial
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Liebe Leserinnen und Leser,
Die HWR Berlin sieht sich als Hochschule,
die die gesellschaftlichen und gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen ihres
Handelns in besonderem Maße im Blick
hat. Im neuen Leitbild, das im vergangenen
Herbst verabschiedet worden ist, heißt es:
»Unserer Wertorientierung entsprechend
sind wir uns unserer gesellschaftlichen
Verantwortung bewusst. Deshalb reflektieren wir in Lehre und Forschung und in
unseren internen Prozessen immer auch die
gesellschaftlichen Bezüge individuellen und
einzelwirtschaftlichen Handelns. Die Berücksichtigung der Diversität von Kulturen
und Lebensweisen, die Gleichstellung der
Geschlechter, die Vereinbarkeit von Familie
und Beruf oder Studium und die Nachhaltigkeit wirtschaftlichen Handelns sind
daher sowohl wichtige Themen in Lehre und
Forschung als auch zentrale Prinzipien, die
die Hochschule in ihrem täglichen Handeln
leiten.«
Interdisziplinarität und Internationalität
unserer Hochschule sowie ihr besonderer Einsatz für lebenslanges Lernen sind
unmittelbare Folgen dieser Orientierung.
Auch die Sensibilität und das Engagement
der Hochschule für die Gleichstellung der
Geschlechter ergeben sich daraus. Die
HWR Berlin ist deshalb seit Langem ein
Pionier der Gleichstellungspolitik und des
Gender-Bezugs in Forschung und Lehre.
Mit dem Harriet Taylor Mill-Institut für
Ökonomie und Geschlechterforschung
besitzt sie als einzige deutsche Hochschule eine große aktive Einheit, die sich in
umfangreicher Drittmittelforschung mit
den Bezügen zwischen Ökonomie, Recht
und Geschlechterverhältnissen auseinan-
dersetzt. Mit dem vielbeachteten PoliteiaPreis prämiert sie auf demselben Gebiet alljährlich herausragende Abschlussarbeiten
ihrer Studierenden. Mit ihrem aktuellen
Weiterbildungsprogramm »Strategische
Kompetenz für Frauen in Aufsichtsräten«
unterstützt sie die Gewinnung qualifizierter Frauen für die mittlerweile quotierten
Aufsichtsratsmandate. Und mit ihrem
Stipendienprogramm für promovierende
Fachhochschulabsolventinnen fördert sie
weiblichen wissenschaftlichen Nachwuchs
auf den für die Hochschule einschlägigen
Feldern.
Auch in der praktischen Gleichstellungspolitik sind die Leistungen der HWR Berlin
sehr vorzeigbar: Der Frauenanteil an den
besetzten Professuren beträgt aktuell 38
Prozent – ein Wert, der nicht zuletzt durch
die weit überdurchschnittliche Nutzung
von landes- und bundesweiten Frauenförderprogrammen erreicht wurde. Zwei von
fünf Mitgliedern der Hochschulleitung
sind Frauen. Top-Rankings beim Center of
Excellence Women and Science (CEWS)
und – zum bereits fünften Mal – die
Auszeichnung mit dem Prädikat Total EQuality dokumentieren das Geleistete.
Mit »Frauen an die Spitze« greift diese
Ausgabe unseres Hochschulmagazins ein
Thema auf, das sehr eng zum Profil der
HWR Berlin gehört. Ich lade Sie ein, die
vielfältigen Bezüge zwischen Hochschule
und Titelthema zu entdecken, und wünsche Ihnen eine anregende Lektüre.
Ihr Bernd Reissert
Präsident der HWR Berlin
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Inhaltsverzeichnis
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Inhaltsverzeichnis
Forschen & Anwenden
35 Linksaffine Jugendliche
36 Integrative Wohnmodelle sind ­zukunftsweisend
37Von Managern als Regisseuren, Street-Art-Künstlern als Flaschendesignern und
anderen seltsamen Verbindungen
38 Ein Level weiter: Gamify your Business!
39 HWR Berlin macht mobil
Erfahren & Austauschen
40 Duales Studium »goes international«
41 Kein typisches Erasmus-Land
42 Deutsch-tunesischer Austausch
Kurz & Knapp
43
43
44
44
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45Termine
Neu & Berufen
46Neuberufungen
Erschienen & Gelesen
49Publikationen
Meinen & Diskutieren
52 Ja, wir brauchen die Frauenquote
Impressum
54
5
Inhalt
Grußwort
06 Grußwort der Berliner Polizeivizepräsidentin Margarete Koppers
Titel & Thema:
Frauen an die Spitze
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Frauen der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin
Die Geschlechterquote ist das richtige Signal!
Ökonomie und Geschlechterforschung
Frauen in den Aufsichtsrat!
Ein guter Rat für Familienunternehmen
Diskriminiert der Markt nach Geschlecht?
»Es fehlt noch an Rollenmodellen«
Alle sprechen über Gender und Diversität – wir auch!
Weil wir es drauf haben
Wer suchet, der findet
Von der Modenäherin zur Geschäftsführerin
Familienorientierte Hochschulen bringen Frauen voran
Junge Mädchen von heute – an der Spitze von morgen
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31
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Auf ZaQ für Qualität in Studium und Lehre
Professoren von Rank und Namen
Rückenwind für innovative Startups
Kein Fauxpas mehr
Gewonnen haben irgendwie alle
Karrierewege: Von der Tochter zur Nachfolgerin
In & Aus der HWR Berlin
Studieren & Lehren
33 Take a.break @ andel´s Hotel Berlin
34 Studis machen Messe
Zentrale Frauenbeauftragte im Amt bestätigt
Vortragsreihe Gesundheitswesen
Deutsch-französischer Doppel­abschluss
Rekord: Tag des dualen Studiums
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Grußwort
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Vereinbarkeit von Familie und Beruf
den Karriereverlauf von Frauen.
Was tun wir also: Wir sind auf allen
Messen und Berufsfindungstagen
vertreten, haben ein OnboardingVerfahren eingeführt, um gerade die
guten Frauen an uns zu binden, wir
nutzen Facebook, Twitter und werben
auf allen Kanälen für die Polizei Berlin.
Wir bieten Fortbildungsmaßnahmen an,
die ganz spezifisch auf die Bedürfnisse
und Belange von Frauen in der Polizei
abgestimmt sind.
Ich habe 2011 den ersten Führungskräftezirkel für Frauen im höheren Dienst
gegründet, der selbständig und erfolgreich läuft und Frauennetzwerke in allen
Ämtern und Direktionen nach sich
gezogen hat. Frauen, die Netzwerken
angehören, sind wichtig, um anderen
Frauen zu helfen und die »Türen« zu
öffnen, aber auch um ihre eigenen Ziele
zu verwirklichen und informelle Hindernisse zu überwinden.
Margarete Koppers war nach ihrem Studium der Rechtswissenschaften als Richterin in Berlin und später als Vizepräsidentin des Landgerichts
Berlin tätig. Heute ist sie Polizeivizepräsidentin.
Liebe Leserinnen und liebe Leser,
nahezu pünktlich zum Internationalen
Frauentag hat der Deutsche Bundestag die »Frauenquote« beschlossen.
Vermehrt melden sich jetzt Stimmen zu
Wort mit dem Tenor, das Thema Gleichstellung sei doch »durch«, »Frauen
werden doch jetzt bevorzugt«.
Zum Glück brauchen wir uns nicht auf
dieses »Bauchgefühl« zu verlassen, sondern es gibt Fakten, Forschungsergebnisse, Statistiken, die allesamt belegen,
dass gerade Deutschland noch weit
davon entfernt ist, Geschlechtergerechtigkeit hergestellt zu haben.
Das gilt auch für die Polizei Berlin, einer
durch und durch männlich geprägten
Organisation. Schon die Behördenbezeichnung der Polizei Berlin ist seit 1809
unverändert »Der Polizeipräsident in
Berlin«. An der Spitze steht »naturgegeben« ein Mann. Sämtliche Gliederungseinheiten unserer Behörde werden von
Männern geleitet. Von den Ende 2014
16 449 Mitarbeitenden im Polizeivollzug sind 24,12 Prozent Frauen, das sind
nur rund 5 Prozent mehr als 2005. In
allen Berufsfachrichtungen gibt es 2 014
Führungsfunktionen, die nur zu 17,63
Prozent mit Frauen besetzt sind.
Sind diese Zahlen Ausdruck mangelnder Geschlechtergerechtigkeit, gibt es
systemimmanente Probleme oder liegt
es an den Frauen? Im Rahmen eines
2012 durchgeführten Forschungsprojekts sind wir folgenden Fragen nachgegangen:
■ Können Frauen weniger?
■ Wollen Frauen weniger?
■ Dürfen Frauen weniger?
■ Haben Frauen mehr Rollenstress?
■ Funktioniert Karriere für Frauen
anders?
Die Ergebnisse überraschen nicht
wirklich:
Natürlich unterscheiden sich Männer
und Frauen nicht signifikant in ihrer
Befähigung und ihrer Motivation.
Allerdings erschweren schlechtere
Rahmenbedingungen im Bereich der
Ich habe 2012 einen Frauenförderplan
auf den Weg gebracht, der erstmalig
eine Erfolgs- und Wirkungskontrolle
aller Maßnahmen erzwingt. Und ich
habe das Thema Frauenförderung
als behördenweites Leitthema in die
Grußwort
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» Wir müssen ein gesellschaftliches und behördliches
Bewusstsein schaffen, unsere Organisationskultur
weiterzuentwickeln, in der es selbstverständlich ist,
dass auch Frauen in Führung sind. «
Zielvereinbarungen mit den Direktionsund Amtsleitern eingebracht.
Und siehe da: Es tut sich etwas. Im aktuellen Aufstiegsjahrgang für den höheren
Dienst (hD) sind erstmalig die Frauen
in der Mehrheit. Wir haben einen zwar
sehr langsamen, aber kontinuierlichen
Anstieg der Frauen in Führungsfunktionen, bei den A 13S Stellen von 9,47
Prozent Anfang 2005 auf 13,10 Prozent
Ende 2014, im Einstiegsamt hD von
12,73 auf 30,56 Prozent.
Was bleibt: Wir müssen ein gesellschaftliches und behördliches Bewusstsein
schaffen, unsere Organisationskultur
weiterzuentwickeln, in der es selbstverständlich ist, dass auch Frauen in
Führung sind, sowie ein Personalmanagement installieren, das die unterschiedlichen Potenziale und Bedürfnisse
von Frauen und Männern in Führung
berücksichtigt.
Die Vereinbarkeit von Familie, Pflege
und Beruf muss nachhaltig verbessert
werden. Zeitsouveränität ist ein Thema,
das die Weiterentwicklung flexibler
Arbeitszeitmodelle zur Folge haben
wird. Insbesondere für die Frauen, die
auch Mütter sind und Führungspositionen übernehmen wollen, müssen die
Organisationsbedingungen nach Bedarf
noch flexibler angepasst werden – und
das ohne ein schlechtes Gewissen zu
produzieren.
Ich bin überzeugt, dass es in der Polizei
Berlin zwar noch viel zu tun gibt. Dank
vieler kreativer Köpfe und Projekte,
auch und gerade der Hochschule für
Wirtschaft und Recht Berlin, sind wir
aber auf einem guten Weg.
Herzlichst
Ihre
Margarete Koppers
Polizeivizepräsidentin der Polizei Berlin
Die Polizei braucht Männer und Frauen und mehr Gleichberechtigung bei der Besetzung von Führungspositionen.
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Titel & Thema: Frauen an die Spitze
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Titel & Thema: Frauen an die Spitze
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Frauen der Hochschule für
Wirtschaft und Recht Berlin
Safak Kücük – Medienwärtin
Prof. Dr. Friederike Maier –
Vizepräsidentin
Mekukove Veii – Austauschstudentin aus Namibia
Dr. Sandra Westerburg – Kanzlerin
Anastasiya Marenko – Studentin
und Deutschlandstipendiatin
Marion Sklarek – Geschäftsführerin
Fachbereich Allgemeine Verwaltung
Ulrike Becker, Katja Drasdo – IT, CampusCard-Team
Nadia Alves Pereira – Kursleiterin
für »Fit in 15 Minuten«
Christine Bartel-Bevier –
Referentin des Präsidenten
Prof. Dr. Birgit Felden – Professorin
für Mittelstand und Unternehmensnachfolge
Diana Köhler – Sekretärin des
Dekans Fachbereich Duales
Studium
Sylke Schumann –
Pressesprecherin
Kerstin Muhlack-Büchel –
­Studienbüro Fachbereich
Wirtschaftswissenschaften
Petra Kransel – Mitarbeiterin der
Frauenbeauftragten
Ellen Ziemen – Mitarbeiterin in der
Vervielfältigung
Virginia Gessinger – Bibliotheksmitarbeiterin
Christine Beier – Studentin und
Handballnationalspielerin
Susanne Gustke – Facility Managerin
Angelika Leopold – Mitarbeiterin im Dr. Bettina Biedermann –
Bereich Personalwesen
Forschungsreferentin
Jana Muraitis – Graphikdesignerin
Cornelia Kaiser – Koordinatorin des
Zentrums für akademische QualiRamona Pohl, Karen Anders – Immatrikulationsbüro
tätssicherung und -entwicklung
Sakine Dogan – Küchenhelferin in der Mensa des Studentenwerks am
Campus Schöneberg
Verena Ashoff – Studienberaterin
Sabine Keibel – Personalrätin
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Titel & Thema: Frauen an die Spitze
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Die Geschlechterquote ist das
richtige Signal!
Qualifikation, Führungskompetenz, Persönlichkeit und nicht das Geschlecht sollen über den Aufstieg in höchste Führungsgremien entscheiden – in Zukunft. Um das zu erreichen, braucht es eine Kombination aus einer festen Geschlechterquote für
Aufsichtsräte und flexiblen Zielvorgaben.
Qualifikation, Führungskompetenz,
Persönlichkeit und nicht das Geschlecht
sollen über den Aufstieg in höchste
Führungsgremien entscheiden. Doch
obwohl Frauen in den Studienfächern
Ökonomie und Jura genauso stark vertreten sind wie Männer, sind sie längst
noch nicht in den (durch diese Ausbildungsgänge dominierten) führenden
Positionen der deutschen Wirtschaft
angekommen. Die Quote wird das
Prinzip der Auswahl nach Qualifikation
nicht aushebeln. Im Gegenteil, sie wird
helfen, es durchzusetzen. Denn erklärtes Ziel ist, im Falle gleicher Eignung
und Befähigung der Bewerberin oder
dem Bewerber des unterrepräsentierten
Geschlechts eine Chance zu geben –
und damit die geschlechtergerechte
Besetzung von Führungspositionen zu
fördern.
Deswegen ist der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) für die Quote in
Aufsichtsräten. Die Gewerkschaften
stellen dort über die Arbeitnehmerbänke derzeit den größten Frauenanteil. Über drei Viertel aller Frauen
in deutschen Aufsichtsräten sind von
den Arbeitnehmer/innen entsandt.
Die Kapitalseite hat also erheblichen
Nachholbedarf in Sachen geschlechtergerechter Teilhabe von Frauen. Und
genau deswegen braucht es Sanktionen.
Deshalb sieht das Gesetz vor, dass ein
Sitz im Aufsichtsrat leer bleibt, wenn die
Wahl nicht der gesetzlichen Quotenvorgabe entspricht.
Kritik verdient ein anderer Punkt. Die
Bundesregierung hat zwar mitbestimmte oder börsennotierte Unternehmen
in Deutschland verpflichtet, für den
Aufsichtsrat, den Vorstand und die
zwei obersten Managementebenen
Zielgrößen für einen höheren Frauenanteil festzulegen. Doch klare Fristen
und wirkungsvolle Sanktionen fehlen.
Dabei brauchen wir verpflichtend für
alle Unternehmen mit verbindlichen
Ziel- und Zeitvorgaben versehene Pläne
zur Gleichstellung von Frauen. Und
wir brauchen sie für alle Ebenen der
Betriebshierarchie.
Ob als Vorarbeiterin, als Filialleiterin,
Oberärztin, Geschäftsführerin bis hin
zur Aufsichtsrätin – um weiblichen
Nachwuchs zu fördern, müssen mehr
Frauen in Führungsfunktionen. Es gilt,
die Betriebsräte an der Gleichstellungspolitik im Unternehmen zu beteiligen.
Denn sie wird letztlich nur erfolgreich
und nachhaltig sein, wenn sie von
betrieblichen Akteur/innen mitgestaltet wird. Deswegen brauchen wir ein
umfassendes Mitbestimmungsrecht,
Titel & Thema: Frauen an die Spitze
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Ökonomie und Geschlechterforschung
Das Harriet Taylor Mill-Institut an der HWR Berlin ist deutschlandweit die einzige Forschungseinrichtung, an der Wissenschaftlerinnen aus VWL, BWL, Soziologie, Informatik, Verwaltung und Recht disziplinübergreifend zu den Themenschwer­
punkten Ökonomie und Geschlecht sowie zu Geschlechterfragen in Recht und Verwaltung arbeiten.
Von Andrea-Hilla Carl
Ökonomie und Geschlechterverhältnisse bilden traditionell einen zentralen
Forschungs- und Studienschwerpunkt
der HWR Berlin. Mit dem Harriet
Taylor Mill-Institut (HTMI), an dem
16 Professorinnen der HWR Berlin
Mitglied sind, verfügt die Hochschule
seit 2001 über ein In-Institut für Ökonomie und Geschlechterforschung, das
in seinem interdisziplinären Zuschnitt
an einer deutschen Hochschule ein-
Von Elke Hannack
Nicht mal sechs Prozent Frauenanteil in den Vorständen der DAXUnternehmen, nur 19 Prozent in den
Aufsichtsräten – die Führungsgremien
der deutschen Wirtschaft sind fest in
Männerhand. Und jedes Mal, wenn
eine Managerin ihren Posten verlässt,
beginnt eine altertümlich anmutende
Debatte über die Führungskompetenz
von Frauen. Ursache dafür ist eine
Führungskultur, die wir erst überwunden haben, wenn der Anteil von Frauen
in Top-Positionen steigt – und damit
zur Normalität wird. Die Kombination aus einer festen 30-Prozent-Quote
Geschlechterquote für Aufsichtsräte und
flexiblen Zielvorgaben ist ein erster, ein
richtiger Schritt in diese Richtung.
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zigartig ist: Wissenschaftlerinnen aus
VWL, BWL, Soziologie, Informatik,
Verwaltung und Recht arbeiten am
HTMI disziplinübergreifend zu den
Themenschwerpunkten Ökonomie und
Geschlecht sowie zu Geschlechterfragen
in Recht und Verwaltung.
Die Mitglieder des Instituts, die nicht
nur aus unterschiedlichen Fachrichtungen, sondern auch Fachbereichen
der HWR Berlin stammen, forschen
und lehren in den genannten Gebieten
und sind mit ihrer wissenschaftlichen
Forschung sowie ihren Beiträgen zu
laufenden wissenschaftlichen Debatten
fest in ihren Disziplinen verankert.
Seit 2012 ermöglicht das HTMI auch
assoziierte Mitgliedschaften von ehemaligen Hochschulangehörigen und
verzeichnet inzwischen zwölf assoziierte Mitglieder von unterschiedlichen
Forschungsthemen aus VWL, BWL, Soziologie, Informatik, Verwaltung und Recht mit Gender-Bezug
Elke Hannack, stellvertretende Vorsitzende
des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB)
wenn es um Maßnahmen zur Gleichstellung von Frauen und Männern in
den Betrieben geht. Betriebsräte müssen
mitentscheiden können, wenn es um
die Einstellung, Aus-, Fort, und Weiterbildung und den beruflichen Aufstieg
sowie um Vereinbarkeit von Familie
und Beruf geht.
Das Quotengesetz ist ein wichtiger
Schritt zur geschlechtergerechteren Repräsentation von Frauen in Führungspositionen. Doch wir brauchen mehr:
Faire Aufstiegschancen für alle Frauen
und Rahmenbedingungen, die eine
selbstbestimmte und existenzsichernde
Erwerbsbiografie aller Beschäftigten
ermöglichen. Kurz gesagt: Gute Arbeit
für Frauen und Männer!
Die Autorin ist stellvertretende
■Vorsitzende
des DGB und Mitglied des
Kuratoriums der HWR Berlin.
Titel & Thema: Frauen an die Spitze
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Harriet Taylor Mill-Institut
für Ökonomie und Geschlechterforschung
Geschlechterforschung:
Genderprofessuren
Eigene
Forschungsprojekte &
Kolloquien
Stipendien
Discussion Papers
Transfer in die Lehre:
Genderprofessuren
Themenfeld »Gender
und Diversity in Betrieb
und Gesellschaft«
Hochschulweiterbildung
Verankerung von
Genderaspekten in der
Lehre
Vermittlung
Theorie & Praxis:
Werkstattgespräche
GenderDiscussions
Workshops & Lectures
(Jahres-)Tagungen
Hochschulweiterbildung
Summer Schools
Interdisziplinäre Forschung, Vernetzung & Förderung zu
Ökonomie, Recht, Verwaltung & Geschlechterverhältnis
Struktur und Aufgabenfelder des Harriet Taylor Mill-Instituts der HWR Berlin
Hochschulen bzw. Forschungsinstitutionen. Im Rahmen von Drittmittel-Projekten sind am HTMI darüber hinaus
kontinuierlich wissenschaftliche Mitarbeiter/innen beschäftigt. Die Leitung
des Instituts liegt bei Prof. Dr. Claudia
Gather, die seit 2012 seine Direktorin ist.
Stellvertretende Direktorin des Instituts ist Prof. Dr. Friederike Maier. Das
Institut hat seit 2006 außerdem eine
Geschäftsführerin und eine studentische
Hilfskraft.
Die Aufgaben des Instituts liegen nicht
nur im Transfer von Gender-Themen
durch ein entsprechendes Lehrangebot
sowie der Vermittlung zwischen Theorie und Praxis durch außenwirksame
Veranstaltungen unterschiedlicher
Ausrichtung. Das Institut führt vor allem
anwendungsbezogene Forschungsprojekte zum Verhältnis von Wirtschaft, Verwaltung, Recht und Geschlecht durch. So
zum Beispiel das von Prof. Dr. Claudia
Gather geleitete Projekt »Der Erfolg
selbständiger Frauen – Gründungsverläufe zwischen Familie und Ökonomie«,
das vom Bundesministerium für Bildung
und Forschung (BMBF) gefördert wird,
siehe auch den Artikel auf Seite 16. Oder
das Projekt »Geschlechterstereotype als
Ursache persistenter Geschlechterdisparitäten – Potenziale der Familien- und
Arbeitsmarktpolitik zur Durchsetzung
von Chancengleichheit« unter Leitung
von Prof. Dr. Miriam Beblo – ebenfalls
gefördert vom BMBF. Auch das vom
Berliner Programm zur Förderung
der Chancengleichheit von Frauen in
Forschung und Lehre geförderte Projekt
»Strategische Kompetenz für Frauen in
Aufsichtsräten« unter Leitung von Prof.
Dr. Friederike Maier ist am Institut angesiedelt. Im Rahmen dieses Projektes wurde im vergangenen Jahr eine gleichnamige zertifizierte Hochschulweiterbildung
für Frauen, die bereits in Aufsichtsräten
tätig sind oder ein solches Mandat übernehmen wollen, entwickelt und erprobt.
Nach erfolgreichem Abschluss des ersten
Durchgangs begann im Frühjahr 2015
der zweite Durchlauf dieses Weiterbildungsprogramms. Lesen Sie dazu einen
Beitrag auf der folgenden Seite.
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Am Institut werden außerdem regelmäßig verschiedene öffentliche Veranstaltungen wie Gastvorträge, Workshops
und Fachtagungen zu aktuellen geschlechterbezogenen Themen organisiert, die für Praktiker/innen, vor allem
aber für Wissenschaftler/innen und
Studierende relevant sind. Im April 2015
beschäftigte sich ein Werkstattgespräch
beispielsweise mit dem Thema »Arabischer Frühling: Sozio-ökonomische
Früchte auch für Frauen?«. Unter dieser
Leitfrage setzten sich Expert/innen mit
den aktuellen institutionellen Strukturen und Arbeitsmarktbedingungen
in der südlichen Mittelmeerregion
auseinander, hinterfragten Maßnahmen
zur Frauenförderung und diskutierten
Verbesserungsmöglichkeiten aus der
Perspektive der Entwicklungspraxis und
der Sozialforschung. Im Juli organisiert
das HTMI an der HWR Berlin auch die
24. Jahreskonferenz der International
Association of Feminist Economics
(IAFFE), zu der 400 Teilnehmer/innen
aus aller Welt erwartet werden. Das
Konferenzthema für 2015 »Gender
Equality in Challenging Times« soll den
interdisziplinären und internationalen
Dialog darüber stärken, wie feministische Ökonomie angesichts vielfältiger
Umbrüche auf der ganzen Welt Lösungen zu einer nachhaltigen Geschlechtergerechtigkeit beisteuern kann.
Weitere Informationen unter
www.harriet-taylor-mill.de
Die Autorin ist Geschäftsführerin des
■HTMI
der HWR Berlin.
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Titel & Thema: Frauen an die Spitze
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Frauen in den Aufsichtsrat!
Ein Vorstandsposten in einer Stiftung und neue Erkenntnisse über effektive Strategie-Governance-Strukturen : Zwei Absolventinnen der Fortbildung »Strategische Kompetenz für Frauen in Aufsichtsräten« erzählen von ihren Erfahrungen.
Von Stephanie Hackelsberger, Ilka Teermann und Karin Reichel
Welche Kompetenzen und Kenntnisse
benötigt eine Aufsichtsrätin? Wie werde
ich mit meinem Anliegen sichtbar? Gibt
es Netzwerke, die helfen? Dies waren
die dringenden Fragen, die Stephanie
Hackelsberger zur Teilnahme an der
HWR-Fortbildung »Strategische Kompetenz für Frauen in Aufsichtsräten«
motivierten. Wichtig war ihr, wieder in
die für ein Mandat relevanten Inhalte
einzusteigen und ihr Wissen auf den
neuesten Stand zu bringen. Wie funktioniert Aufsichtsratsarbeit heute? Wo
stehe ich? Und wie gehe ich persönlich
mit der Gender-Diskussion um? Eine
Fortbildung über ein dreiviertel Jahr für
Frauen versprach nicht nur inhaltliche
Weiterbildung, sondern auch Austausch
und Kontakte zu Gleichgesinnten. Ihre
Erwartungen haben sich erfüllt. Die
Fortbildung hat sie ein großes Stück
weitergebracht. »Die Wissensvermittlung fand auf hohem Niveau statt, die
Beiträge wurden begeisternd und mit
viel Engagement vorgetragen – so macht
Fortbildung Spaß! Außerdem habe
ich an meinem persönlichen Marketing gearbeitet und gehe mit meinem
Vorhaben offensiver um. Dies brachte
mir immerhin einen Vorstandsposten
in einer Stiftung ein«, so das Fazit von
Stephanie Hackelsberger.
Auch für Dr.-Ing. Ilka Teerman war die
Weiterbildung im Vergleich zu anderen Seminaren ein ganzer Input-Pool:
»Ich denke, wir haben in der Weiter-
bildung kaum einen Blickwinkel der
Aufsichtsratsarbeit ausgelassen.« Damit
war sie bestens für eine persönliche
Standortbestimmung und Schwung für
die eigene Weiterentwicklung geeignet.
Ilka Teermann ist seit einigen Jahren
Prokuristin bei einem großen Chemieparkbetreiber und hat seit 2013 ein Mandat im Aufsichtsgremium einer Anstalt
des öffentlichen Rechts übernommen.
Ihr persönliches Fazit: »Die fachlichen
Inhalte waren mir aufgrund meines Managementjobs vertraut, was für mich absolut beruhigend war. Weniger bewusst
hatte ich mich bis dahin mit der Werte
schaffenden Funktion eines Aufsichtsrates und seinen Steuerungsmöglichkeiten
bzw. effektiven Strategie-GovernanceStrukturen auseinander gesetzt. Zusätzlich hat die intensive Reflexion zu
kulturellen Mechanismen von Macht
und Möglichkeiten der Einflussnahme
nicht nur meine Aufmerksamkeit für
solche Mechanismen geschärft, sondern
erlaubt mir heute eine gewisse Leichtigkeit im Umgang damit.«
Stephanie Hackelsberger nutzte die Weiterbildung, um an ihrem persönlichen Marketing zu arbeiten
Ilka Teermann hat sich durch die Ausbildung
Wichtig für Stephanie Hackelsberger ist
auch das Thema »Netzwerk«. Nach anfänglich »zögernder Begutachtung« sind
die 27 Teilnehmerinnen, die von April
bis November 2014 an der HWR Berlin
in sechs Wochenend-Blockworkshops
erfolgreich für ein Mandat in einem
Kontrollgremium qualifiziert wurden, zu
einer »richtig guten Truppe« zusammengewachsen. Die Bankerinnen, Manage-
Das Projekt »Strategische Kompetenz für Frauen in Aufsichtsräten« ist am Harriet
Taylor Mill-Institut der HWR Berlin angesiedelt (Projektleitung: Prof. Dr. ­Friederike
Maier, Projektdurchführung: Dr. Karin Reichel und Dr. Andrea-Hilla Carl) und wird
vom Berliner Programm zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen in Forschung und Lehre gefördert. Die Weiterbildung wird in Zusammenarbeit mit dem
IMB Institute of Management der HWR Berlin durchgeführt. Potenzielle Teilnehmerinnen für den geplanten dritten Durchgang ab 2016 können sich direkt an
Karin Reichel wenden: [email protected]
für ihre persönliche Weiterentwicklung
Schwung und neue Ideen geholt
rinnen, Unternehmerinnen und Professorinnen aus der Immobilien-, Pflege-,
Finanz-, Energie-, Kommunikations-,
Versorgungs- und Logistikbranche sowie
aus dem Marketing und dem Vertrieb
halten inzwischen u. a. Kontakt über ein
soziales Netzwerk, mit dessen Unterstützung hilfreiche Informationen weitergegeben und Kontakte gepflegt werden.
Stephanie Hackelsberger ist Geschäfts■führerin
einer Grundstücks- und Beteili-
gungsgesellschaft, Dr.-Ing. Ilka Teermann
ist Prokuristin bei einem großen Chemieparkbetreiber, Dr. Karin Reichel ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Harriet
Taylor Mill-Institut der HWR Berlin.
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Titel & Thema: Frauen an die Spitze
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Ein guter Rat für Familienunternehmen
Werden mittelständische Unternehmer/innen und Führungskräfte auf das Thema Aufsichtsrat (oder Beirat) angesprochen,
zeichnen sie oft ein sehr traditionelles Bild: Aufsichtsräte sind Pflichtprogramm in Aktiengesellschaften und Beiräte nur
etwas für große Unternehmen. Und es sind fast immer ältere Herren. Doch tatsächlich können diese Gremien in Familien­
unternehmen ein unterschätztes und äußerst aktives Instrument der Unternehmensführung sein. Ein Erfahrungsbericht.
Von Birgit Felden
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Diskussionen in mehreren Gremien
vorausgehen, werden in Familienunternehmen mit kurzen Entscheidungswegen Entscheidungen oftmals aus dem
Bauch heraus getroffen. Mit Blick auf
den Aufsichtsrat in Familienunternehmen leiten sich daraus folgende Erfolgsfaktoren ab:
■ Ziele und Erwartungen: Nur wenn der
Aufsichtsrat die Erwartungshaltung
der Aktionäre und Aktionärinnen
an seine Arbeit kennt, wird er seine
Funktion sinnvoll aufnehmen können.
Transparenz: Nur wenn die Schnittstellen zwischen Aufsichtsrat und
Vorstand transparent und die Grenzen
klar sind, kann der Aufsichtsrat effizient arbeiten.
Unabhängigkeit: Nur unabhängige
Aufsichtsräte sind gute Ratgeber – gar
nicht so einfach in Familienunternehmen, wo familiäre Bindungen oftmals
dominieren.
In Familienunternehmen gehen ab der
zweiten Generation nicht mehr »automatisch« Eigentum und Management in
eine Hand. In vielen Unternehmen sind
einzelne Familienmitglieder aufgrund
anderer beruflicher Ausrichtungen
lediglich Anteilseigner oder auch nur
Mitarbeitende, was neben dem personellen Wechsel auch zu einem Strukturwandel führt. In anderen Unternehmen
sind keine geeigneten oder willigen
Nachfolger oder Nachfolgerinnen in
Aussicht – andere Lösungen zur Nachfolge müssen entwickelt werden.
■
■
Titel & Thema: Frauen an die Spitze
■ Kommunikation: Nur der regelmäßi-
ge Austausch zwischen Aufsichtsrat,
Mitarbeitenden und Aktionären
verschafft ein umfassendes Bild.
Informationen: Nur mit regelmäßigen
und aussagefähigen Unterlagen kann
der Aufsichtsrat unternehmerischer
Sparringspartner sein. Dabei gilt »weniger ist mehr.
■
Ein Fazit
Aufsichtsräte stehen im Spannungsfeld
zwischen zunehmenden Anforderungen an die Corporate Governance
und pragmatischer, am Mehrwert des
Unternehmens ausgerichteter Gremienarbeit. Erstere fürchten insbesondere
mittelständische Familienunternehmen
und meiden daher oftmals die attraktive
Rechtsform der Aktiengesellschaft. Bei
sorgsamer Vorbereitung, Klarheit über
die Aufgaben und Transparenz der Gremien kann ein kompetenter Aufsichtsrat
jedoch gerade in Familienunterneh-
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men vieles bewirken: Als zusätzlicher
Erfahrungsgeber, als Vermittler zwischen
Familienwelt und Geschäftswelt, als
Sparringspartner bei der Begleitung von
Wachstum ist ein Aufsichtsrat ein hervorragendes Instrument für den Erhalt
und Ausbau von erfolgreichen Familienunternehmen. Und: es macht (mir) viel
Spaß, als Mitglied eines Aufsichtsrats ein
Unternehmen mitzugestalten.
Weitere Informationen unter
www.fischer-teamplan.de
Die Autorin ist Professorin für Ma■nagement
KMU und Unternehmens-
nachfolge, Mitglied des Aufsichtsrates der
Teamplan-Holding AG sowie stellvertretende Beiratsvorsitzende bei ArMiD
(Aufsichtsräte und Beiräte im Mittelstand
in Deutschland) e. V.
Professorin und Aufsichtsrätin: Prof. Dr. Birgit Felden lehrt, berät und entscheidet mit. Als Direktorin des Instituts für Entrepreneurship, Mit-
In einer solchen Situation habe ich den
Gründer und Mehrheitsanteilseigner
eines der größten deutschen inhabergeführten Ingenieur-Dienstleistungsunternehmens in Deutschland kennengelernt
und bin vor zehn Jahren Mitglied des
Aufsichtsrates seines Unternehmens
geworden. Der bisherige Inhaber veräußerte damals einen größeren Anteil
seiner Aktien an den neuen Vorstand,
vier Herren aus der zweiten Führungsriege, die das Unternehmen seitdem als
Vorstand führen. Ausgewählt wurde ich
wegen meiner Expertise zum Thema
Unternehmensnachfolge und meiner
Praxiserfahrungen als Unternehmerin,
die ihr Unternehmen im Jahr 2000 in
eine Aktiengesellschaft umgewandelt
hat. Mich hat an der Aufgabe vor allem
gereizt, dass in diesem Unternehmen
– eher untypisch für Familienunternehmen – nahezu alle der über 100 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen selbst
Aktionäre des Unternehmens sind.
Natürlich stellt sich in Familienunternehmen die Frage nach dem generellen
Sinn eines Aufsichtsrates. Dieser ist den
Anteilseignern verpflichtet und kon-
telstand und Familienunternehmen der HWR Berlin (EMF Institut) lädt sie regelmäßig Unternehmer/innen zu öffentlichen Gesprächsrunden
über Unternehmensgründung und -nachfolge ein.
trolliert und berät den Vorstand, der
in Familienunternehmen – wie auch
in diesem Unternehmen – gleichzeitig
einer der Hauptaktionäre ist. Nun sollte
man unterstellen, dass der Vorstand,
wenn er gleichzeitig wesentlicher Aktionär ist, nicht seinen eigenen Interessen
zuwiderhandelt.
Doch das macht den Aufsichtsrat nicht
obsolet. Neben den immer umfangreicheren juristischen Regularien, deren
Einhaltung Vorstand und Aufsichtsrat
gleichermaßen gewährleisten müssen,
geben professionelle Aufsichtsräte den
sich aus dem Vorstand zurückziehenden Alt-Aktionären Sicherheit und
unterstützen die junge Generation – in
diesem Fall Mitglieder des bisherigen
Managements – beim Einstieg in die
neuen Aufgaben. Der Aufsichtsrat kann
darüber hinaus – und das ist in diesem
Fall vordringlicher – durch seinen von
außen kommenden Rat neue Wege aufzeigen und das Risiko von Fehlentscheidungen im Management verringern. Als
Impulsgeber zwingt er auch dazu, neue
Ideen zu entwickeln, was die Zukunft
des Unternehmens sichert. Und schließlich: Gute Aufsichtsräte sind Vermittler
– nicht nur zwischen Gremien, sondern
auch als Türöffner zu neuen Kunden
und Lieferanten.
Eine zentrale Aufgabe des Aufsichtsrates
ist die kritische Beurteilung unternehmerischer Risiken. Während in rein
fremdgemanagten Großunternehmen
der unternehmerischen Entscheidungsfindung umfangreiche Analysen und
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Titel & Thema: Frauen an die Spitze
SemesterJournal 1/15
SemesterJournal 1/15
Titel & Thema: Frauen an die Spitze
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Diskriminiert der Markt nach
Geschlecht?
Die geschlechtsspezifische Einkommenslücke in der Selbständigkeit ist mit 43 Prozent deutlich höher als in der abhängigen
Erwerbsarbeit. In der Selbständigkeit gibt es jedoch keine Vorgesetzten, die Aufstiege und die Entlohnung der Frauen behindern. Was sind also mögliche Erklärungen für diese Ungleichheit?
Von Claudia Gather
Seit den 1990er Jahren steigt die Zahl der
Selbständigen deutlich an, bei den Frauen
sogar besonders stark, von 780 000 (1991)
auf 1 278 000 (Statistisches Bundesamt
2014). Dennoch sind immer noch nicht
mal halb so viele Frauen wie Männer
selbständig. Überraschend ist, dass bei
den Selbständigen die geschlechtsspezifische Einkommenslücke deutlich größer
ist als bei den abhängig Erwerbstätigen,
bei denen diese Lücke seit einigen Jahren
relativ konstant bei ca. 23 Prozent liegt.
Bei den Selbständigen beträgt sie aktuell
43 Prozent in Deutschland (OECD 2014,
Lechmann 2014) und liegt damit im europäischen hinteren Mittelfeld, vgl. Grafik.
Die Einkommenslücke kann teilweise auf
Brancheneffekte zurückgeführt werden. So
gründen Frauen zu 75 Prozent im Dienstleistungsbereich, Männer nur zu knapp
60 Prozent (Kohn/Ullrich 2011: 4). Frauen
ergreifen zudem ein sehr viel geringeres
Berufsspektrum als Männer, darunter eher
solche Berufe, die sich nicht gut für die
Selbständigkeit eignen, wie kaufmännische
Berufe und medizinisch technische Assistenzen. Die Branche spielt nicht nur für
die Frage des Entgeltes in der abhängigen
Beschäftigung eine gewichtige Rolle, wie
schon Maier (1990) gezeigt hat, sondern
auch für das Einkommen in der Selbständigkeit. Generell wird im Finanz- wie im
Gesundheitswesen mehr verdient als zum
Beispiel im Hotel- und Gaststättengewerbe
oder im Handel. In jeder Branche gibt es
aber den Geschlechterunterschied beim
Einkommen. In jeder Branche haben selbständige Frauen ein deutlich geringeres
Nettoeinkommen als selbständige Männer.
Unter Kontrolle verschiedener Merkmale wie Arbeitszeit und Humankapital er-
70
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59
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Einkommensunterschiede bei Selbständigen nach Geschlecht in Prozent
rechnet Lechmann für Selbständige eine
sogenannte »bereinigte« Verdienstlücke
von 24 Prozent, die sich nicht erklären
lässt. Zwar gibt es für Selbständige im
Gegensatz zu abhängig Beschäftigten
keine »geschlechtsspezifischen Selektions- und Rekrutierungsstrategien und
keine statistische Diskriminierung«
(Maier 1990: 71 ff.). Jedoch wirken Ungleichheiten aus der vorherigen abhängigen Beschäftigung fort, indem Frauen
beispielsweise weniger Eigenkapital für
die Gründung ansparen (können), da
ihre Entlohnung vor der Gründung in
der Regel geringer ist (Gather/Schmidt/
Ulbricht 2014).
Wie lässt sich also die Lücke erklären?
Eine offene Forschungsfrage ist, wie weit
sich die Gesellschaftsstruktur mit ihrer
Devaluation von Frauenarbeit auch in
der Selbständigkeit fortsetzt. Werden
selbständige Frauen auf dem Markt
diskriminiert in dem Nachfrager/innen
oder Konsument/innen nicht bereit
sind, für ihre Leistung oder Produkte
(z. B. für Beratungsleistungen) dieselben
Preise zu bezahlen wie bei selbständigen
Männern? Hinweise darauf kommen aus
einer kanadischen Studie über Selbstän-
digkeit von indischen Immigranten. Am
Beispiel von Sikhs im Holzfällerbusiness
im Raum Vancouver zeigt eine Studie,
dass Kanadier/innen nur dann bereit
sind bei Migrant/innen zu kaufen, wenn
diese ihre Produkte deutlich preiswerter anbieten als Kanadier/innen ohne
Migrationshintergrund (Walton-Roberts/
Hiebert 1997). Möglicherweise gibt es ein
ähnliches Phänomen auch bei selbständigen Frauen, die ihre Dienstleistungen erst
dann auf dem Markt verkaufen können,
wenn sie diese unter dem von selbständigen Männern kalkulierten Preisen anbieten. Das wäre genauer zu untersuchen.
Die Autorin ist Professorin für Sozial­
■wissenschaften
mit dem Schwerpunkt
Geschlechterverhältnisse sowie Direktorin des Harriet Taylor Mill-Instituts der
HWR Berlin.
Buchinformation
Die Vielfalt der Selbständigkeit –
Sozial­wissenschaftliche Beiträge zu
einer Erwerbsform im Wandel; Claudia
Gather, Ingrid Biermann, Lena Schürmann, Susan Ulbricht, Heinz Zipprian
(Hrsg.); Berlin 2014: edition sigma
Prof. Dr. Barbara Beham ist eine von zahlreichen Frauen, die auf vorgezogene Nachfolgeprofessuren an die HWR Berlin berufen wurden
» Es fehlt noch an Rollenmodellen «
Prof. Dr. Barbara Beham, Professorin für Arbeitspsychologie & Cross-Cultural Management an der HWR Berlin, spricht im
Interview über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die Aufstiegschancen von Frauen.
Ein Interview von Barbara Halstenberg
Frau Prof. Beham, Sie sind seit letztem
Jahr Professorin für Arbeitspsychologie & Cross-Cultural Management
an der HWR Berlin. Zuvor waren Sie
Professorin an der TU Berlin. Was hat
Sie an dem Wechsel an die HWR Berlin
gereizt?
Fachhochschule, was meiner ausgeprägten Forschungsorientierung sehr entgegen
kommt. Erwähnen möchte ich an dieser
Stelle auch noch, dass das Berufungsverfahren sehr professionell ablief und
ich mich an der HWR Berlin sofort wohl
gefühlt habe.
BB: Ich wollte aus privaten Gründen
gerne langfristig in Berlin bleiben und
habe daher Rufe auf Universitätsprofessuren in andere deutsche Städte abgelehnt. Als dann der Ruf an die HWR
Berlin kam, war es eine sehr einfache
Entscheidung die befristete W2-Professur
an der TU Berlin gegen die unbefristete
Professur an der HWR Berlin einzutauschen. Darüber hinaus gilt die HWR
Berlin als eine forschungsorientierte
Ihre Professur wird durch das Professorinnenprogramm des Bundesministeriums für Bildung und Forschung
und des Berliner ChancengleicheitsProgramm gefördert und ist eine
sogenannte vorgezogene Nachfolgeberufung für Frauen. Was heißt das
genau?
BB: Das Professorinnenprogramm des
Bundes ermöglicht es Hochschulen, Pro-
fessorenstellen bis zu fünf Jahre vor dem
Ausscheiden des/der Stelleninhaber(in)
wieder zu besetzen, wenn dafür eine
qualifizierte Frau gefunden werden kann.
Die Hochschule hat somit für fünf Jahre
eine zusätzliche Professur.
Inwieweit war dies wichtig bei Ihrer
Bewerbung?
BB: Das Professorinnenprogramm spielte
bei der Entscheidung, mich an der HWR
Berlin zu bewerben, keine Rolle. Allerdings stellt das Professorinnenprogramm
auf Antrag auch Reise-, Sach- und
Personalmittel zur Verfügung. Nachdem
ich die Hochschulleitung dafür gewinnen
konnte, neben Reise- und Sachmitteln
auch Personalmittel zu beantragen, habe
18
Titel & Thema: Frauen an die Spitze
ich nun für die nächsten viereinhalb Jahre eine ähnliche personelle Ausstattung
wie an der TU Berlin.
mit Pflegeverantwortung aufbringen,
kreative Lösungen für Vereinbarkeitskonflikte suchen und als Rollenmodelle
vorangehen.
Sind solche Maßnahmen sinnvoll für die
Förderung von Frauen in der Wissenschaft?
BB: Ja, ich halte diese Maßnahmen für
sinnvoll, weil eine derart starke Unterrepräsentanz von Frauen, ähnlich wie
in Top-Management-Positionen in der
Wirtschaft, nicht ohne steuernde Maßnahmen abgebaut werden kann.
Sie forschen auch zu Themen wie »familienfreundliches Führungsverhalten«
und »flexible Arbeitsarrangements«.
Was braucht es, um mehr Frauen in die
Wissenschaft und in die Wirtschaft zu
bringen und ihnen dort auch Führungspositionen anzubieten.
BB: Neben flexiblen Arbeitsformen, wie
flexible Arbeitszeiten, Teilzeit, Telearbeit/
Home Office und Kinderbetreuungsmöglichkeiten, bedarf es auch einer Flexibilisierung der Karrieremodelle. Denn nach
wie vor dominiert das lineare Karrieremodell, das berufliche Auszeiten oder
Teilzeit aufgrund von Familiengründung
nicht toleriert. Eine partnerschaftliche
Beteiligung der Väter an familiären
Betreuungspflichten ist ebenso wichtig.
Darüber hinaus wissen wir aus der
Forschung, dass die besten Programme
zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie
nicht ihre volle Wirkung entfalten, wenn
eine auf Präsenz und starren Hierarchien beruhende Unternehmenskultur
dominiert. Um den kulturellen Wandel hin zu einer familienfreundlichen
Unternehmenskultur zu schaffen, bedarf
es Führungskräfte auf allen Ebenen,
die Verständnis für die Bedürfnisse von
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
Wie wirkt sich die Vereinbarkeit von
Beruf und Familie auf die Aufstiegschancen von Frauen aus?
BB: Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie stellen eine
sehr häufige Barriere für Frauen dar, um
in höhere Führungspositionen zu gelangen. Zum Beispiel gilt eine Teilzeittätigkeit, um eben familiären Pflegeverpflichtungen besser nachkommen zu können,
nach wie vor als nicht vereinbar mit einer
Führungsposition. Es fehlt hier noch an
Rollenmodellen, auch an männlichen
Rollenmodellen.
Was für eine Rolle spielen die Väter
dabei?
BB: Aus Angst vor negativen Auswirkungen auf die Karriere gehen nach wie
vor sehr viele Väter in Deutschland weder
länger in Elternzeit noch arbeiten sie in
Teilzeit. Viele nehmen die zwei Vätermonate um die vollen vierzehn Monate
Elterngeld auszuschöpfen; die längere
Auszeit nehmen die Mütter. Sie finden
nur ganz wenige Paare, bei denen beide
Elternteile in Teilzeit arbeiten und die familiären Betreuungsaufgaben paritätisch
aufgeteilt sind.
Konnten Sie bei Ihren internationalen
Forschungsprojekten auch kulturelle
Unterschiede bei der Vereinbarkeit von
Beruf und Familie und den Aufstiegschancen von Frauen feststellen?
BB: Ob die Aufstiegschancen in der deutschen Wirtschaft für Frauen schlechter
sind als in anderen Ländern, kann man
SemesterJournal 1/15
meiner Meinung nach nicht pauschal
beantworten. Deutschland hat sicher
in manchen Teilen noch ein erhebliches
Defizit an Kinderbetreuungseinrichtungen als beispielsweise im Vergleich zu
manchen skandinavischen Ländern. Diese werden gerne als Modelle für eine erfolgreiche Familienpolitik herangezogen,
allerdings darf man nicht übersehen, dass
zwar mehr Frauen in diesen Ländern in
Vollzeit oder in einer vollzeitnahen Teilzeitbeschäftigung arbeiten, aber in Führungspositionen in der Privatwirtschaft
sind Frauen auch in diesen Ländern stark
unterrepräsentiert.
Und wie sieht es mit den wissenschaftlichen Karrieren von Frauen im Ländervergleich aus?
BB: Wissenschaftliche Karrieren in den
deutschsprachigen Ländern unterscheiden sich markant von beispielsweise den
angelsächsischen Ländern, weil es so gut
wie keine Tenure Track Professuren mit
Aussicht auf Festanstellung gibt und es
außer den Professuren, die trotz Exzellenzinitiative seit Jahren auf niedrigem
Niveau stagnieren, keine unbefristeten
Stellen an den Hochschulen gibt. Die
wissenschaftliche Karriere in Deutschland ist von hoher Unsicherheit geprägt.
Erst in den letzten zwei bis drei Jahren
schreiben manche Universitäten wie die
TU München oder seit kurzem auch die
Universität Potsdam vereinzelt Tenure
Track Professuren aus, die dem wissenschaftlichen Nachwuchs eine gewisse
Planungssicherheit geben. Diese ist vor
allem für Frauen sehr wichtig, da sich
die Familiengründungsphase und die
weichenstellenden Karriereschritte auf
den Weg zur Professur oft zeitlich überschneiden.
Vielen Dank für das Gespräch.
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Titel & Thema: Frauen an die Spitze
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Alle sprechen über Gender und
Diversität – wir auch!
Das Themenfeld »Gender und Diversity in Betrieb und Gesellschaft« soll Studierende in die Lage versetzen, diskriminierende
Strukturen und Praxen analysieren zu können und konkrete Handlungsmöglichkeiten zu erarbeiten.
Von Friederike Maier
Frauenquoten für Aufsichtsräte, geschlechtsbezogene Lohnunterschiede,
Familienzeit, Mindestlohn, Diskriminierungsverbot bei Einstellungen … Die
Liste der möglichen Schwerpunkte einer
Lehrveranstaltung zum Thema »Gender
und Diversity in Betrieb und Gesellschaft« ist lang. Zwölf Semesterwochenstunden stehen in einem Themenfeld
der Bachelor-Studiengänge »Business
Administration« und »Economics« des
Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften
für die interdisziplinäre Beschäftigung
mit einem thematischen Schwerpunkt
zur Verfügung. Die Studierenden
haben dabei die Wahl zwischen insgesamt sechs bis acht unterschiedlichen
Themenfeldern. »Ökonomie und
Geschlechterverhältniss« war dabei
immer eines der möglichen Wahlgebiete, seit die Bachelor-Studiengänge 2005
etabliert wurden. Seit mehr als zehn
Jahren ist dieses Themenfeld eines der
Angebote unserer Hochschule, das zum
besonderen Profil beiträgt. Die Lehrveranstaltung hat das richtige Format,
um die oben angeschnittenen und noch
viele andere Fragen kompetent und
vertiefend, auf dem jeweiligen Stand
der wissenschaftlichen Diskussion,
und jenseits des Stammtisch-Wissens,
aufzugreifen und mit den Studierenden
zu erarbeiten.
Dabei werden insbesondere geschlechtsbezogene Ungleichheits- und Strukturierungsprozesse auf betrieblicher und
gesellschaftlicher Ebene untersucht.
Andere Ungleichheitsdimensionen wie
Ethnizität, Alter, sexuelle Identität und
soziale Herkunft spielen ebenfalls eine
Rolle. Verschiedene Erklärungsansätze
aus der Betriebswirtschaftslehre, der
Volkswirtschaftslehre und der Soziolo-
gie für Ungleichheit in Wirtschaft und
Gesellschaft sowie Maßnahmen, die
auf Chancengleichheit zielen, werden
vorgestellt und auf ihre Wirksamkeit
und Umsetzbarkeit diskutiert. Die
rechtlichen Regelungen des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes sowie des
Europarechts bilden dabei einen unverzichtbaren Rahmen für die Analyse.
Die theoriegeleitete Vermittlung und
empirische bzw. praxisorientierte
Erarbeitung der Studieninhalte soll die
Studierenden in die Lage versetzen, diskriminierende Strukturen und Praxen
erkennen und untersuchen zu können
und konkrete Handlungsmöglichkeiten
zur Minderung von Diskriminierung
und damit zur Steigerung von Chancengerechtigkeit zu erarbeiten. Auch
die Umsetzung von Instrumenten und
Maßnahmen in der Praxis wird kritisch
analysiert – dabei werden die Vor- und
Nachteile von Frauenquote, Entgeltgleichheitsgesetz, Arbeitszeitregelungen,
Mindestlohn oder dem Allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetz fachkundig
aufgegriffen.
Das Interesse der Studierenden am
Themenfeld ist kontinuierlich und
stabil, die intensive Auseinandersetzung
mit Fragen von Gender und Diversity
bewegt alle Beteiligten oft über den
Rahmen der Lehrveranstaltung hinaus.
Einige Abschlussarbeiten wurden bereits ausgezeichnet: die Arbeit von Anja
Spychalski »GLBT Diversity als Beitrag
zum Unternehmenserfolg am Beispiel
der IBM in Deutschland« erhielt den
Politea Preis der HWR Berlin. Die
Arbeit von Luise Görges: »Auf (Lohn-)
Abstand gehalten – Arme und Prekäre
in der flexibilisierten Arbeitsgesellschaft« wurde darüber hinaus auch mit
dem efas – das Ökonominnenetzwerk –
Nachwuchsförderpreis ausgezeichnet.
Die Autorin ist Professorin für
■Volkswirtschaftslehre
am Fachbereich
Wirtschaftswissenschaften sowie Vizepräsidentin der HWR Berlin.
Diversity in der Arbeitswelt – ein wichtiges Thema in Studium, Lehre und Forschung
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Titel & Thema: Frauen an die Spitze
SemesterJournal 1/15
Weil wir es drauf haben
Finja Stohl studiert im 4. Semester im dualen Bachelor-Studiengang »Bauwirtschaftsingenieurwesen« an der Hochschule für
Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin. Während des dreijährigen Hochschulstudiums absolviert sie dreimonatige Praxisphasen in
ihrem Ausbildungsunternehmen. Im Interview erzählt sie begeistert von ihrem Bauprojekt und ist überzeugt, dass Bauingenieur/in auch für Frauen der richtige Beruf ist.
Ein Interview von Sylke Schumann
Praxis-Studium auf der Baustelle, nehmen Sie uns mal mit…
Und zurück in der »Uni« steht was auf
dem Programm?
FS: Also oft begleite ich den Bauleiter
auf die Baustelle und darf hier und da
assistieren. Dabei lerne ich, wie alles
funktioniert ‒ von der Planung bis zur
Hausübergabe, mit unzähligen Besprechungen.
FS: Diese Woche schreibe ich Klausuren,
vier: Tragwerkslehre, Technisches Zeichnen, Kalkulation und Bauverfahrenstechnik, Wärme- und Feuchteschutz. Zwei
sind schon geschafft. Heute ist frei, aber
ich bin zur Uni gekommen, um gemeinsam mit Kommiliton//innen zu lernen.
An welchem Bauprojekt arbeiten Sie
mit?
FS: Es entstehen 18 neue Wohnhäuser
an der Yorckstraße hier in Berlin. Von
der Straße aus kann man schon die roten
Sichtbetonfassaden sehen. Richtig schick.
Die Wohnungen werden auch von innen
ganz toll. Am besten gefällt mir die mit
der großen Dachterrasse, ganz oben.
Und welche konkreten Aufgaben übernehmen Sie?
FS: Bisher war ich im Büro für Ausschreibung und Vergabe, erstellte selbständig einen Teil des Leistungsverzeichnisses. Anhand der Baupläne kalkulierte
ich, wie viele Wände die Trockenbauer
hochziehen müssen und sowas. Ich habe
auch schon Leistungen der ausführenden Firmen auf Mängel untersucht und
Fotodokumentationen des Bautenstandes
gemacht. Ich bin immer ganz gespannt
auf meine nächste Praxisphase.
Und das macht Ihnen Spaß, weil…?
FS: …ich es einfach toll finde, mir
vorzustellen und mitzuerleben, wie sich
alles vom Modell bis zum fertigen Haus
entwickelt. Mein Leben lang möchte ich
nun nicht nur Ausschreibungen und
Vergabe machen, aber es ist schon ganz
interessant.
Das Pensum ist ganz schön heftig.
FS: Ja, so richtig konnte ich erst zwei
Wochen vor den Prüfungen angefangen
zu lernen. In den Uni-Wochen dauert
der Unterricht von früh bis zum späten
Nachmittag, in zwei Blöcken.
Und trotzdem ist das Studium zu
­schaffen?
FS: Absolut. Angefangen haben wir in
meinem Kurs mit insgesamt 37, jetzt sind
wir noch 30 Studierende, davon acht
Frauen. Von denen ist übrigens keine
abgesprungen, sind alle noch dabei.
Bauwirtschaftsingenieurwesen ist nicht
unbedingt das typische Frauenstudium.
FS: Ich find’s ganz cool. Man merkt
zwar, dass wir, sagen wir mal, keine typischen BWL-Studentinnen wären. Alle
meine Kommilitoninnen haben diesen
Studiengang bewusst gewählt und sind
relativ robust. Zu zart besaitet wäre man
da auch nicht so gut aufgehoben, glaube
ich.
auch schon mal nicht so nett. Konfliktmanagement wird auf eine sehr direkte
Art ausgetragen. Aber ich find’s cool.
Und Mathe auch?
FS: Meine Lieblingsfächer in der Schule
waren Mathe… und Mathe. Eigentlich
mochte ich nichts so richtig außer Mathe.
Physik ist auch wichtig.
Wollten Sie schon immer beruflich ins
Bauwesen?
FS: Ja, etwa seit ich acht war. Fand es
immer super interessant, mir tolle Villen
anzugucken, habe mir vorgestellt, wie
die Raumaufteilung ist und so. Mit zehn
zeichnete ich mein Traumhaus, später
mit einem Computerprogramm. Mein
Bruder und ich haben in unserem Garten
ein Party-Häuschen gemauert, so richtig
Stein auf Stein.
Wie kamen Sie auf das duale ­Studium?
FS: Eigentlich sah ich meine Zukunft als
Architektin. Bin dann aber umgesprungen
auf das duale Studium, weil mir Mathe
und das Praktische eben mehr liegen als
das Kreative. Und weil man als Architekt/in heute wohl nicht mehr so gut verdienen kann. Über Bekannte meiner Eltern
erfuhr ich von dem Studiengang an dieser
Fachhochschule und bewarb mich bei den
Ausbildungsunternehmen, die auf der
HWR-Internetseite aufgelistet sind. Zwei
davon boten mir einen Platz an.
Und jetzt sind Sie unter Vertrag bei…?
Weshalb?
FS: Auf dem Bau können ganz schön die
Fetzen fliegen. Und wenn die Kollegen
miteinander streiten, dann ist der Ton
FS: … der SCHÄFERWENNINGERPROJEKT GmbH mit Sitz in Alt-Mariendorf. Es ist ein ganz junges Unternehmen
mit ungefähr 20 Mitarbeiter/innen. Es
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Titel & Thema: Frauen an die Spitze
wurde erst vor ca. drei Jahren gegründet.
Ich bin die einzige und auch die erste
dual Studierende.
zusammen in unserer Freizeit. Nicht alle
30 Leute, aber so in kleineren Gruppen.
Was sollte man wissen, bevor man sich
für ein duales Studium entscheidet?
FS: Studium und Praxis wechseln sich
ab. Das Ganze ist komplett durchorganisiert und sehr zeitintensiv. Man bekommt
Ausbildungsgeld und ich habe 24 Tage
Urlaub im Jahr. Das ist ein bisschen
blöd. Wir müssen zur Uni und arbeiten,
während die anderen Semesterferien
haben. So kann man nicht mit Freunden
wegfahren, die nicht das gleiche Studium
machen.
Das heißt, drei Jahre Vollzeit mit der
eigenen Studiengruppe verbringen?
FS: Zum Glück habe ich zwei richtig gute
Freundinnen aus meinem Kurs und verstehe mich auch mit den Jungs super. Das
ist wichtig. Wir unternehmen echt viel
Bedeutet »Uni« nur Theorie?
FS: Nein, in einem Studienprojekt konzipiere ich gerade gemeinsam mit einer
Kommilitonin eine Tiefgarage. Damit
nehmen wir an einem Studierendenwettbewerb teil. Wir müssen den gesamten
Ablaufplan erarbeiten, ein Leistungsverzeichnis erstellen, die Kalkulation
vornehmen und uns für ein Schalungssystem entscheiden. Die Praxisphasen
im Unternehmen sind trotzdem super
wichtig. Denn mit dem, was man in der
Uni lernt, kann man nicht wirklich so viel
anfangen, wenn man das nicht »draußen« schon einmal gesehen hat. Da mein
Unternehmen nur im Wohnungsbau
tätig ist, erlebe ich beispielsweise nicht,
wie eine Brücke entsteht oder ein Tunnel
gebaut wird. Diese praktischen Erfahrungen fehlen mir, wenn das auf dem
Lehrplan steht.
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Was halten Sie von einer Frauenquote?
FS: Finde ich schlecht. Meiner Meinung
nach ist das für die Frauen eher peinlich.
Ich möchte nicht, dass ein Unternehmen
mich nur wegen der Frauenquote nimmt,
sondern weil ich gut bin und weil ich’s
einfach drauf hab. Mittlerweile können
wir Frauen uns ganz gut durchsetzen,
weil das heute einfach normal ist, genau
wie Studentinnen im Studiengang Bauwirtschaftsingenieurwesen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Finja Stohl studiert Bauwirtschaftsingenieurwesen und findet, dass dies auch für Frauen ein spannendes und geeignetes Berufsfeld ist.
Sie möchte im Job durch Kompetenz und nicht als Quotenfrau überzeugen.
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Wer suchet, der findet
Das Cross Cultural Mentoring (CCM) Programm der HWR Berlin kooperiert erfolgreich mit ZONTA, einem weltweiten Netzwerk berufstätiger Frauen – von Anfang an eine Win-Win-Situation.
Von Elena Brandalise
Das CCM-Programm an der HWR
Berlin bringt externe Professionals mit
Studierenden zusammen, Menschen,
die sich sonst vielleicht nicht begegnen
würden. Bei einem Vortrag von HWRProfessorin Dr. Pakize Schuchert-Güler
2007 im Rahmen einer Veranstaltung
des Förderpreises der Stiftung Aktive Bürgerschaft lernte das CCM den
Frauenverein ZONTA kennen, der
seither Kooperationspartner ist und
Mentorinnen für HWR-Studierende zur
Verfügung stellt. ZONTA ist ein weltweiter Zusammenschluss berufstätiger
Frauen mit dem Ziel, die Stellung der
Frau im rechtlichen, politischen, wirtschaftlichen und beruflichen Bereich zu
verbessern. Das Motto des Netzwerks
lautet: »Advancing the status of women
worldwide«.
»Fachkenntnisse sind wichtig, entscheidend aber ist der Austausch über
informelles Wissen und persönliche
Erfahrungen«, so lautet das Fazit von
Pamela Stenzel zum Mentoring an
der HWR Berlin. Die Rechtsanwältin
und kulturelle Trainerin ist Mitglied
von ZONTA und unterstützt das
CCM. Frau Stenzel erfuhr selbst die
Unterstützung durch den Austausch
mit einer erfahrenen Führungskraft.
Damals suchte sie Antworten: »Wie
gehe ich mit bestimmten Situationen
um? Wie setzte ich mich (besonders in
männerdominierten Arbeitsfeldern)
durch?« Diese Fragen konnte sie mit
einer älteren Kollegin besprechen, die
für sie zu einem Vorbild wurde. Die
Begleitung ermöglichte ihr das Kennenlernen einer Dimension, die nicht
nur mit ihr als junger Frau zu tun hatte,
sondern ihre Position als Frau in der
Gesellschaft und im Beruf umfasste.
Eine wichtige Erfahrung, die politische
Zusammenhänge erlebbar machte und
sie im Rahmen einer vertraulichen
Beziehung vertiefen konnte. »Wenn ich
diese Erfahrung nicht gemacht hätte,
wäre ich heute nicht da, wo ich bin«, so
Pamela Stenzel, die auch als Dozentin
im Programm »Strategische Kompetenz
für Frauen in Aufsichtsräten« an der
HWR Berlin unterrichtet. Diese und
weitere Tipps konnte sie an die Mentees der HWR Berlin weitergeben. Bei
einer Mentee ging es zum Beispiel unter
anderem um ihre Rolle im Rahmen von
Familie und Studium. Auch sie suchte
ihren Platz und konnte im Kontext des
Austausches ihre Prioritäten erkennen
und Konsequenzen daraus ziehen. Wie
ging das? Frau Stenzel gab nichts vor,
sondern versetzte sich in die Person
hinein und begleitete sie in der Entscheidung. »Die Entscheidung wird der
Mentee überlassen«, so die Mentorin.
»Der Sinn des Austausches ist es, die
Ressourcen der Mentees zu aktivieren,
damit sie selbst die Situation in die
Hand nehmen.«
Da der Ansatz von CCM darin besteht, interkulturelle Paare zusammen
zu bringen, hatte Pamela Stenzel die
Möglichkeit, ihr Bewusstsein und ihre
Sensibilität im Rahmen interkultureller
Themen zu erweitern. So beschreibt sie
die Win-Win-Situation stellvertretend
für den ZONTA-Club nach sieben
Jahren Zusammenarbeit: »Die Sichtweise der meisten Mentorinnen, aber
auch der anderen Club-Mitglieder hat
sich verändert, da durch den persönlichen Kontakt eingefahrene Stereotypen
aufgebrochen wurden«. Die Mentees
werden regelmäßig zu den Veranstaltungen des Netzwerks eingeladen. Die
Kooperation zwischen ZONTA und
CCM wirkt also weit über die jeweilige
Tandembeziehung hinaus. Eines Tages
werden die Mentees die neuen Mentorinnen sein.
Die Autorin koordiniert CCM für die
■Fachbereiche
3 – 5 an der HWR Berlin.
Pamela Stenzel, Mitglied des Frauenvereins ZONTA, tauscht als Mentorin mit Studierenden
der HWR Berlin informelles Wissen und persönliche Erfahrungen aus
Nachdem Antonia Bello als Designerin für ein Berliner Schuhlabel gearbeitet hat, ist sie zur Zeit Assistentin der Geschäftsleitung bei der
Firma 6Minutes Media GmbH
Von der Modenäherin zur Geschäftsführerin
Antonia Bello studiert den MBA Entrepreneurship und erhält ein Teilstipendium der HWR Berlin zur Förderung des weiblichen
Managementnachwuchses. Im Interview erzählt sie von ihrem ungewöhnlichen Werdegang und den Chancen von Frauen,
Führungspositionen zu besetzen.
Ein Interview von Barbara Halstenberg
Frau Bello, wo arbeiten Sie zurzeit?
AB: Seit kurzem arbeite ich bei der
6Minutes Media GmbH als Office Managerin/Assistentin der Geschäftsführung.
Die 6Minutes Media GmbH ist bekannt
für ihre Social-Shopping Community
Portale und zählt in diesem Bereich zu
den erfolgreichsten Unternehmen in
Deutschland.
Was ist Ihre Tätigkeit in dem Unternehmen?
AB: Mein Tätigkeitsfeld ist sehr breit
gefächert, befasst sich jedoch vor allem
mit strukturbildenden und organisato-
rischen Aufgaben. Mit Blick auf meinen
bisherigen Werdegang, ich komme aus
der Modebranche, ist dieser Job vielleicht
etwas ungewöhnlich. Allerdings habe
ich mich bewusst dafür entschieden, da
ich einen beruflichen Perspektivenwechsel wollte und mir mein Arbeitgeber
hier einen interessanten Einblick in
die webbasierte Affiliate-Landschaft
ermöglicht. Darunter versteht man eine
Art Vertrieb, bei dem ein kommerzieller
Anbieter den Affiliate-Partner durch
Provisionen vergütet, da dieser für ihn
Werbung oder Angebote auf seinen Webseiten platziert. Außerdem bietet mir der
Job noch weiter Anknüpfungspunkte zu
meinem MBA-Studium.
Wie sieht Ihr bisheriger Werdegang aus?
AB: Nach meinem Abitur habe ich eine
Ausbildung zur Modenäherin in Berlin
gemacht. Eine praktische Voraussetzung
für mein anschließendes Modedesignstudium, das ich 2009 an der Hochschule für
Wirtschaft und Technik (HTW) Berlin
abgeschlossen habe. Danach habe ich
eine Anstellung als Juniordesignerin für
ein Berliner Schuhlabel angenommen.
Von Beginn an hatte ich hier die Möglichkeit, viel Verantwortung zu übernehmen
und konnte so nach und nach aufsteigen,
sodass ich 2012 das Designdepartment
als Head of Design geleitet habe und 2013
dann Teil der Geschäftsführung wurde.
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Titel & Thema: Frauen an die Spitze
Warum haben Sie sich dann für ein
weiterbildendes Managementstudium
an der HWR Berlin entschieden?
»emotionale Führung« aufgreifen. Darüber hinaus erhoffe ich mir natürlich gute
Netzwerkmöglichkeiten, und ich möchte
meinen eigenen Projekte zu einem guten
Start verhelfen.
AB: Meine Aufgaben haben sich mit der
Zeit vom Design zum Management verlagert. Viele Anforderungen, die damit auf
mich zukamen, waren für mich neu und
ich habe sehr viel autodidaktisch und »aus
dem Bauch heraus« gemacht. Da ich mich
grundsätzlich in dieser Führungsrolle sehr
wohl gefühlt habe, hatte ich nun für mich
den Anspruch, meinen eher intuitiven
Ansatz durch ein entsprechendes Studium
zu fundieren. Nach wie vor bin ich dem
kreativen Bereich sehr zugetan, allerdings
erhoffe ich mir durch das Studium auch
eine Erweiterung meiner beruflichen Möglichkeiten sowie eine gute Vorbereitung
auf eine eventuelle Selbständigkeit.
Was versprechen Sie sich von dem
Studium?
AB: Ich erhoffe mir einen guten Einblick
in die betriebwirtschaftlichen Aspekte des
Managements. Allerdings liegt mein besonderes Interesse auf den Bereichen, die
Persönlichkeit als Führungsinstrument
in den Fokus stellen, wie die LeadershipPersonality-Seminare, die Themen wie
Welche Vorteile bringt Ihnen das
­Stipendium?
AB: Das Stipendium ermöglicht mir,
mich stärker auf mein Studium zu konzentrieren, da es mir die Voraussetzung
geschaffen hat, eine 80-Prozent-Stelle
anzunehmen.
Mit dem Stipendium sollen mehr
Frauen in Führungspositionen gefördert
werden. Was sollte Ihrer Meinung nach
allgemein noch zur Erreichung dieses
Ziels getan werden?
AB: Das ist natürlich eine kontrovers
diskutierte Frage, auf die sich keine
einfache Antwort finden lässt. Grundsätzlich bin ich aber der Meinung, dass
auf wirtschaftlicher Ebene mehr Anreize
für Frauen geschaffen werden müssen,
in Führungspositionen zu gehen. Dazu
gehören sicherlich eine Angleichung der
Gehälter sowie flexiblere und familienfreundliche Beschäftigungsmodelle.
SemesterJournal 1/15
Was haben Sie als Frau in Ihrer bisherigen Berufserfahrung erlebt?
AB: Bisher habe ich hauptsächlich die
Erfahrung gemacht, durch meine Kompetenzen und mein Fachwissen vorwärts zu
kommen. Allerdings bin ich auch schon
auf geschlechterbedingte Widerstände
gestoßen, gegen die ich mich durchsetzen
musste. Ich habe gute Erfahrungen damit
gemacht, Konflikte nicht zu scheuen, bei
mir zu bleiben und zu versuchen, mein
Gegenüber zu verstehen. Nach meinen
Erfahrungen werden Führungsaufgaben
genauso von Frauen übernommen, wenn
ihr Umfeld ihnen die Möglichkeit dazu
bietet.
Was sind Ihre weiteren Pläne für die
Zukunft?
AB: Mein Studium nächstes Jahr erfolgreich abschließen und eventuell den
Grundstein für mein eigenes Unternehmen setzten.
Vielen Dank für das Gespräch.
Um den Ein- bzw. Aufstieg von Frauen ins Management zu fördern, lobt die HWR Berlin jährlich vier Stipendien für das MBA-Studium aus. Die
Stipendiatinnen werden mit jeweils 5 000 Euro unterstützt.
SemesterJournal 1/15
Titel & Thema: Frauen an die Spitze
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Familienorientierte Hochschulen
bringen Frauen voran
Die HWR Berlin unterstützt und begleitet seit mehreren Jahren insbesondere Frauen bei der Vereinbarkeit von Studium und
Familie.
Von Henriette Stapf
»Ich bin schwanger! Aber ich möchte
eigentlich keine Auszeit vom Studium
nehmen.« Mit diesen ambitionierten
Worten kommen viele der Studentinnen zur Beratung in das Familienbüro
der HWR Berlin. Immerhin bedeutet
diese Aussage, dass die Studentin neben
ihrem Studium in den kommenden
Monaten stärker körperlich beansprucht
sein wird, dass die Planbarkeit ihres
Studiums insbesondere in der Zeit von
Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit
nicht mehr nur in ihren Händen liegt
und dass ein zusätzlicher Verantwortungsbereich auf sie zukommt, der mit
den bereits bestehenden – einem davon
das Studium – abgestimmt werden muss.
Aber es bedeutet eben auch, dass die
Hochschule ehrgeizige (werdende)
Mütter und Väter auf ihrem Weg in
die Arbeitswelt und als Gestalterinnen
unserer Gesellschaft unterstützen kann
und sollte.
An der HWR Berlin wurde deshalb auf
Initiative der Frauenbeauftragten im
Jahr 2011 das Familienbüro eingerichtet,
das seitdem viele Frauen und einige
Männer in dieser Studien- und Lebensphase begleitet und unterstützt. Finanziert aus Mitteln des Bund-Länder-Programms für bessere Studienbedingungen
und mehr Qualität in der Lehre wirkt
das Familienbüro darauf hin, dass die
strukturellen Rahmenbedingungen an
der HWR Berlin immer familiengerechter werden. Als Meilensteine seien hier
die Aufnahme familienunterstützender
Regelungen in die Rahmenstudien- und
Prüfungsordnung und die Studierendenordnung der HWR Berlin genannt,
wie die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Mutterschutzfristen, die
Auch kleine Menschen sind an der Hochschule willkommen! Und großen wird geholfen.
Ermöglichung von Nachteilsausgleichen
aufgrund familiärer Verpflichtungen, die
Erweiterung von Beurlaubungsregelungen und die bevorzugte Vergabe eines
Studienplatzes an Personen, die aus
familiären Gründen ihr Studium vorher
nicht antreten konnten.
Außerdem wurde die Flexible Kinderbetreuung als Pilotprojekt eingerichtet,
die sich an alle hochschulangehörigen
Eltern richtet. Studierende Mütter profitieren von diesem Angebot besonders:
sie können nach der Geburt ihr Studium
zügig wieder aufnehmen, auch wenn
noch keine Regelbetreuung vorhanden
ist und sie stillen möchten. Denn ihr
Kind wird während der Seminare in
einem der Familienräume direkt an der
Hochschule betreut.
Studieren mit Familie ist und bleibt
eine Herausforderung und tatsächlich
brechen studierende Eltern ihr Studium
häufiger ab als ihre kinderlosen Mitstudierenden. Um diesem Mechanismus
entgegen zu wirken und studierende
Eltern weiter zu unterstützen, wird die
HWR Berlin auch in Zukunft aktiv
­werden. Noch im Jahr 2015 beginnt
sie mit den Vorarbeiten zum Auditierungsprozess als familiengerechte
Hochschule. Sie nutzt dieses etablierte
Instrument, um familiengerechtere Arbeits- und Studienbedingungen für alle
Statusgruppen zu implementieren und
weiterzuentwickeln.
Auf dem Weg hin zu »Mehr Frauen in
Führungspositionen« muss der Blick
auch auf »Mehr Mütter in Führungspositionen« gerichtet werden. Diese
brauchen gute Rahmenbedingungen
für die Kombination der verschiedenen
Lebensbereiche – schon im Studium!
Das Familienbüro steht allen, die Studium/Beruf und Familie vereinbaren
wollen, bei auftretenden Fragen und Problemen als Anlaufstelle zur Verfügung.
Mehr Informationen unter
www.hwr-berlin.de/familienbuero
Die Autorin ist zentrale Ansprechpart■nerin
im Familienbüro der HWR Berlin.
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Titel & Thema: Frauen an die Spitze
SemesterJournal 1/15
SemesterJournal 1/15
In & Aus der HWR Berlin
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Junge Mädchen von heute – an der
Spitze von morgen
Der Girls’Day hat sich als bundesweiter Berufs- und Studienorientierungstag längst etabliert. Unternehmen und Organisationen geben Einblicke in Berufsbereiche und begeistern Schülerinnen der Klassenstufen 5 bis 10 – insbesondere für Naturwissenschaften und Technik. Die HWR Berlin leistet ihren Beitrag zur Nachwuchsgewinnung, denn früh übt sich, wer erfolgreich
werden will.
Von Judith Schütze, Manuela Tautz, Anne Quilisch und Isolde Drosch
Ein wichtiger Beitrag zur Chancengleichheit in der Gesellschaft ist die
Förderung von Frauen in Bereichen,
in denen sie bisher wenig oder kaum
vertreten sind. Zur Chancengleichheit
gehört auch ein besserer Zugang zu
Bildungsmöglichkeiten, die Mädchen
und Jungen neue Perspektiven eröffnen.
Die HWR Berlin beteiligt sich daher an
der (weiblichen) Nachwuchsgewinnung
und am Abbau von Bildungsschwellen.
Drei Angebote zur Gestaltung des Girls’
Day im April dieses Jahres gingen mit
gutem Beispiel voran.
Angebot des »Cross Cultural Mentoring
(CCM)« und der Zentralen Studienberatung
Junge Mädchen konnten die ­Hochschule
kennenlernen. Studierende der HWR
Berlin, die als Mentees des Cross Cultural Mentoring Programms selbst vom
Engagement ihrer ehrenamtlich tätigen
Mentor/innen profitieren, begleiteten
die Schüler/innen auf einer spannenden
Tour durch verschiedene Abteilungen
der Hochschule: Was macht eigentlich
das Rechenzentrum einer Hochschule?
Wie kommen die Medien in die Bibliothek? Wer gestaltet die Website der
Hochschule? Und wie lehrt und lernt
man hier? Mit der Hochschule »zum
Anfassen und Nachfragen« wurden
Berührungsängste abgebaut und Berufsmöglichkeiten nach dem Schulabschluss aufgezeigt.
Angebot des Fachbereichs Duales Studium • Wirtschaft und Technik
Die technischen Studiengänge des
Fachbereichs Duales Studium empfingen Schülerinnen ab Klasse 9. Nach
der Begrüßung durch den Dekan des
Fachbereichs, Prof. Dr. habil. Harald
Gleißner, und den Studiendekan Technik, Prof. Dr.-Ing. Helmut Schmeitzner,
nahmen vierzig Mädchen in den Laboren und Seminarräumen des Bereichs
Technik an vielseitigen praktischen
Übungen und Versuchen teil. Betreut
von engagierten Professor/innen,
Mitarbeiter/innen, Laboringenieur/innen und Studierenden konnten sie die
Besonderheiten eines technischen Studienfachs kennenlernen sowie durch die
praxisnahen Experimente mehr über die
vielfältigen Aufgaben von Ingenieur/innen und Informatiker/innen erfahren.
Angebot des Projektes »MINT4«
Auch das MINT-Projekt zur Förderung
von Frauen in Informatikstudiengängen möchte jungen Mädchen die
Möglichkeiten der IT-Welt aufzeigen.
Dabei werden hartnäckige Vorurteile
aufgebrochen und das »neue« Bild des
Informatikberufes entdeckt. Zum Girls’
Day 2014 hatten zwölf Mädchen Geschicklichkeit und Neugier bewiesen, in
dem das Innenleben eines Computers
erforscht wurde. Der Girls’ Day 2015
fand hingegen in geheimer Mission
statt, denn: Die Informatikwelt droht zu
»vermännlichen«! Mit einem Augenzwinkern und viel Spaß wurden die
Gesichter der Informatikerinnen der
HWR Berlin gesucht. Weitere Informationen zu den Aktivitäten des Projektes
»MINT4« gibt es unter www.mint4.de.
Judith Schütze ist Koordinatorin des
■Projekts
MINT4, Manuela Tautz ist Mit-
arbeiterin im Studiendekanat Fachbereich
Duales Studium, Isolde Drosch koordiniert das Projekt CCM und Anne Quilisch
arbeitet in der Zentralen Studienberatung.
Technik ist nichts für Mädchen? Von wegen! Junge Mädchen zeigten viel Fingerspitzengefühl,
Konzentration und Ausdauer am Girls‘ Day
Qualitätsmanagement als Antonym zu Stillstand: Studium und Lehre werden laufend evaluiert und weiterentwickelt
Auf ZaQ für Qualität in Studium und
Lehre
Das »Zentrum für akademische Qualitätssicherung und -entwicklung« (ZaQ) nahm im Sommersemester 2015 seine Arbeit auf.
Von Jan Eickelberg
Die Qualität von Studium und Lehre
soll kontinuierlich gesichert und weiterentwickelt werden – das ist einer der
zentralen strategischen Ziele der HWR
Berlin, wie nicht zuletzt das jüngst
verabschiedete Leitbild illustriert. Darin
heißt es unter anderem: »Organisationsund Personalentwicklung sind wesentliche Instrumente für unsere ständige
Qualitätsverbesserung« und »Studium
und Lehre (…) stützen sich auf kontinuierliche Qualitätssicherung und –
entwicklung (…)«. Eine der wichtigsten
Maßnahmen in diesem Bereich ist die
im Strukturentwicklungsplan verankerte Einrichtung eines umfassenden
Qualitätsmanagementsystems (QMS)
für Studium und Lehre. Mittelfristig soll
zudem die Systemakkreditierungsfähigkeit der Hochschule erreicht werden.
Um dem Ziel eines institutionalisierten
Qualitätsmanagements näher zu kommen, hat der zuständige Vizepräsident
für Lehre und Qualitätsmanagement
im Studium deshalb einen umfassenden und offenen Diskussionsprozess
angestoßen an dem die einzelnen
Anspruchsgruppen, insbesondere die
Dekanate, die Kommission für Studium
und Lehre sowie die Studierendenvertreter/innen, beteiligt wurden. In den
zahlreichen Treffen konnten wesentliche
Erkenntnisse hinsichtlich des »Ob« und
des »Wie« des Qualitätsmanagementsystems getroffen werden.
Das Ergebnis wird nun umgesetzt:
In Kürze geht das ZaQ (Zentrum
für akademische Qualitätssicherung
und -entwicklung) an den Start. Hier
werden hochschulweit Personen und
Ressourcen zur Qualitätssicherung
und -entwicklung zusammengeführt.
Die Einrichtung des Zentrums wurde im März 2015 einstimmig von der
Hochschulleitung beschlossen, im
Akademischen Senat diskutiert. Im
Sommersemester 2015 hat es seine
Arbeit aufgenommen. Das ZaQ ist
angesichts der besonderen Bedeutung, die die Hochschulleitung diesem
Bereich zuordnet, als Stabsstelle
unmittelbar dem Vizepräsidenten für
Lehre und Qualitätsmanagement im
Studium zugeordnet. Es versteht sich
als Servicepartner und Unterstützer für
die einzelnen Anspruchsgruppen.
Um die besondere Bedeutung der
dezentralen Einheiten berücksichtigen
zu können, soll dem ZaQ ein Beirat
mit Vertreterinnen und Vertretern der
Fachbereiche und der sonstigen dezen­
tralen Einheiten zur Seite stehen. Dieser
begleitet in enger Abstimmung mit
den Dekanaten die Entwicklung und
Einführung der verschiedenen Projekte,
gibt Denkanstöße und kommuniziert
die »Best Practice« aus den dezentralen
Einheiten.
Die Berücksichtigung der Sichtweise der
Studierenden bei den Aktivitäten zur
Qualitätssicherung und -entwicklung
konnte durch zahlreiche Gespräche mit
betroffenen Studierenden(vertreter/innen) deutlich voran gebracht werden;
auch hier ist eine strukturelle Einbindung vorgesehen.
Der Autor ist Vizepräsident für Lehre
■und
Qualitätsmanagement im Studium
der HWR Berlin.
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In & Aus der HWR Berlin
SemesterJournal 1/15
SemesterJournal 1/15
In & Aus der HWR Berlin
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Professoren von Rank und Namen
Rückenwind für innovative Startups
Professur: Das Wort stammt, wie sollte es im akademischen Bereich auch anders sein, von einem lateinischen Begriff ab.
Profiteri bedeutet hier so viel wie »sich öffentlich als Lehrer/in zu erkennen geben«. Öffentlichkeit und auch ein durch
publike Vergleiche inszenierter Wettbewerb prägen heute mit das Berufsbild von Professor/innen. Prof. Dr. Dmitry Ivanov und
Prof. Dr. Achim Truger der HWR Berlin haben es in angesehenen Rankings ganz weit nach oben geschafft – durch Fachkompetenz und Public Relations.
Die Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin hat zusammen mit der Beuth Hochschule für Technik Berlin ein neues Entrepreneurship Netzwerk gegründet, das Startups aus beiden Hochschulen stärken soll. Die jungen Firmen werden mit etablierten Unternehmen vernetzt und können Gründungszentren ausländischer Partneruniversitäten nutzen.
Von Sylke Schumann
Nachhaltiger Tourismus, sozial engagiert und ökologisch verantwortlich –
dieser Gedanke steht hinter (V)ostel.
Das Unternehmen aus dem Gründungszentrum der HWR Berlin setzt
auf (V)olunteering von Touristen. Diese
werden über die Angebote von (V)ostel
nicht nur in gemeinnützige Projektarbeit vermittelt, sondern können sich
so auch mit Berlinern zum »meet &
eat« verabreden. Für die Gründerinnen
Hanna Lutz und Stephanie Frost ist es
wichtig, dass ihr Unternehmen in Berlin
gut vernetzt ist, um viele attraktive
Projekte anbieten zu können. Gleichzeitig ist die internationale Dimension
essentiell, denn die Nutzer von (V)ostel
kommen aus aller Welt.
Publikationen sind in den meisten
Fällen eine der Voraussetzungen für
die Berufung zur Professorin oder zum
Professor. Erfindungen (respektive
Forschungsergebnisse und Neuentwicklungen), vor allem jene, die sich auf die
Gesundheit oder den Geldbeutel einer
größeren Bevölkerungsgruppe beziehen, schaffen es populärwissenschaftlich
aufbereitet in die Wissenschaftsrubriken
journalistischer Nachrichtenmedien
und Wissenschaftssendungen. Sie werden zudem in der Fachpresse publiziert
und zitiert und unter Umständen von
vielen nachlesbar durch andere Fachwissende bewertet.
Das kann einem »Rank« und Namen
einbringen. So belegt Prof. Dr. Dmitry
Ivanov im Handelsblatt BWL-Ranking
2014 Platz 6 in der Kategorie Produktion/Operations/Logistik und insgesamt
Platz 39 der TOP 100 forschungsstärksten
deutschen Betriebswirt/innen unter 40.
Die Handelsblatt-Studie, erstellt von der
Konjunkturforschungsstelle der ETH
Zürich, orientiert sich dabei nach eigenen Angaben an international gängigen Standards zur Evaluierung wirtschaftswissenschaftlicher Forschung.
Betrachtet werden Publikationen in
Fachzeitschriften, deren unterschiedliche Qualität berücksichtigt wird. Prof.
Ivanov ist Experte für International
Supply Chain Management, weltweit
vernetzt, ehemaliger Bundeskanzler-Stipendiat der Alexander von HumboldtStiftung und erhielt unter anderen eine
Auszeichnung für ein von ihm herausgegebenes Lehrbuch.
Die überregionale Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) zählt Prof.
Dr. Achim Truger seit 2014 zu den
» Forschen und lehren Sie – und reden Sie darüber! «
100 einflussreichsten Ökonom/innen in
Deutschland. Bei diesem Ranking geht
es explizit um öffentliches Ansehen als
Expert/in. Denn in die Gesamtliste wird
nur aufgenommen, wer im Laufe eines
Jahres mindestens fünf Forschungszitate und fünf Nennungen in Medien
oder Politik vorweisen kann. Berücksichtigt werden dabei lediglich längere,
qualifizierte fachliche Einschätzungen.
Der Volkswirtschaftler, der wegen
seiner reflektierten und verständlichen
wirtschaftspolitischen Analysen und
Prognosen bei Bundestagsabgeordneten
und hohen Ministerialbeamt/innen,
aber auch auf internationalem Parkett
ein gefragter Mann ist, erhielt viele
Punkte für seine aktive Politikberatung,
die nicht selten mediale Öffentlichkeit
erzielt. Dies gewichtet das FAZ-Ranking
sogar höher, als Trugers 21 forschungsbezogene Zitate, die zwischen August
2013 und Juli 2014 zu Buche schlagen.
Damit rangiert er als einer von zwei FHProfessoren überhaupt unter den TOP
30 Wirtschafspolitik-Expert/innen.
Wissenschaftliches Wirken ist immer
stärker auch mit anderen gesellschaftlichen Bereichen wie Wirtschaft und Politik verwoben, anwendungsorientiert. Die
Hauptaufgabe von Professor/innen an
Hochschulen ist natürlich eigenverantwortliche wissenschaftliche Forschung
und Lehre mit zunehmend internationaler und interkultureller Ausrichtung. In
der grenzenlosen virtuellen Gesellschaft
des 21. Jahrhunderts gehört im Zuge von
Globalisierung und Entwicklung hin zur
kommunikativen Wissensgesellschaft
zum Bildungsauftrag von Wissenschaftler/innen auch eine aktive öffentliche
Deutung ihrer Arbeit.
Die Autorin ist Pressesprecherin der
■HWR
Berlin.
Prof. Dr. Achim Truger erklärt komplizierte wissenschaftliche Analysen und Prognosen auch
für Politik und Medien nachvollziehbar, ohne zu abstrakt und modelltheoretisch zu werden.
Von Andreas Zaby
Beispiele wie (V)ostel zeigen: regionale
und internationale Vernetzung ergänzen
sich – auch für Startups. Die Gründungszentren der HWR Berlin und der
Beuth Hochschule für Technik haben
sich daher zusammengeschlossen,
um BENHU (Berliner Entrepreneurship Netzwerk von Hochschulen und
Unternehmen) zu starten. Durch diese
Verbindung lassen sich in der Entrepreneurship-Ausbildung Synergien zwischen den wirtschaftlich und technisch
orientierten Schwerpunktbereichen an
den beiden Hochschulen realisieren.
Prof. Dr. Sven Ripsas, BENHU-­
Projektleiter und Professor für Entrepreneurship an der HWR Berlin, fasst
die Zielsetzung wie folgt zusammen:
»Entscheidend für den Erfolg von BENHU ist, dass die jungen Startups und die
etablierten Unternehmen gemeinsam an
Lösungen in relevanten Zukunftsfeldern
arbeiten.« Das Projekt schafft Brücken
zwischen der Berliner Wirtschaft und
den Startups. So können sie gemeinsam
Produkt- und Dienstleistungsinno-
Help & Travel: Gründerinnen Hanna Lutz und Stephanie Frost vermitteln Tourist/innen in
gemeinnützige Projektarbeit
vationen entwickeln, und die jungen
Unternehmen können auf diese Weise
erste Kund/innen gewinnen.
Neben der wichtigen lokalen Verwurzelung müssen Startups, gerade in der
sogenannten »Digital Economy«, ihre
Geschäftstätigkeit auch zügig internationalisieren. Dabei stoßen sie oft
schnell an ihre Grenzen. Auch hier
wird BENHU helfen. Ein »Network of
Centers«, das Gründungszentren von
Partnerhochschulen in bedeutenden
Startup-Metropolen verbindet, schafft
vorübergehende »Auslandsniederlassungen«. Der Markteintritt im Zielland
wird so erleichtert. Neben New York
und Tel Aviv sollen weitere Städte
aufgenommen werden. In umgekehrter
Richtung werden Gründungsteams von
Partneruniversitäten die Ressourcen
beider Berliner Hochschulen nutzen
können.
Die Gremien der Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin haben aus
über 250 Anträgen BENHU und sieben
weitere Projekte für eine Förderung
im Rahmen des Aufrufs »Innovative
Bildungsprojekte« ausgewählt. Die Fördersumme beträgt bis zu 460 000 Euro.
Mehr Informationen unter
www.hwr-berlin.de/service/­
gruendungszentrum
Der Autor ist Erster Vizepräsident der
■HWR
Berlin. Sein Ressort beinhaltet die
Gründungsaktivitäten der Hochschule.
30
In & Aus der HWR Berlin
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SemesterJournal 1/15
In & Aus der HWR Berlin
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Kein Fauxpas mehr
Gewonnen haben irgendwie alle
Ein Südamerikaner trifft sich mit einer Janis Joplin hörenden, revolutionären Juristin, die ein ganz anderes Berlin erlebt hat.
Wäre nicht der Generationsunterschied, hätten sie sicher Freunde auf der Schule oder an der Uni sein können. Ein MentoringErfahrungsbericht.
Der erste Science Slam an der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin begeisterte mit aufgespannten Regenschirmen, einer »Dschini« und Salat-Bildern ein buntes Forscher/innenpublikum.
Von Stefanie Quade
Von Kevin Schlenker
Auf dem Weg zum Café übte ich
wiederholt in meinem Kopf ein paar
Sätze zu meiner Person: »Immer auf die
Grammatik und die Artikel achten«,
sagte ich zu mir. Ich wusste nicht, wie
sie aussah, und auch nicht, ob ich zu
spät war. »Hat sie 18 Uhr oder 18:30
Uhr gesagt?« Als allzu guter Latino war
ich natürlich in Eile, weshalb ich ins
ruhige Schöneberger Café hineinstürmte – meine Mentorin suchend. Dabei
gerieten die Sätze, die ich lange überlegt
hatte, in Vergessenheit.
Gleich zu Beginn unseres Gesprächs
war ich erleichtert, denn die Grammatik
und die Artikel waren auf einmal nicht
mehr so wichtig und ich hatte endlich
einen Menschen vor mir, der mit mir ein
Mentoring-Jahr erleben wollte. Dabei
erzählte ich, wie ich 2011 ohne Deutschkenntnisse allein nach Berlin gekommen
war und es seitdem etwas schwierig
gehabt hatte. Meine Mentorin entwarf
einen detaillierten Plan für unsere Zeit
zusammen. Die südamerikanische Spon-
taneität, die ich bis dahin kannte, wurde
plötzlich durchbrochen. Klar und strukturiert legten wir alles für die kommenden Monate fest – gründlich und sauber
terminlich organisiert. Ich notierte mir
alles, natürlich auf einer Serviette, und
nahm mir vor, beim nächsten Treffen
nur fünf Minuten zu spät zu kommen.
Zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits meine ersten zwei Jahre in Berlin
hinter mir und eine Menge Fragen und
Anregungen für meine Mentorin. Sie
war die »Go-To-Person«, wenn ich
eine Erklärung oder Feedback zu den
Alltagsgeschichten in Berlin brauchte.
Dabei kamen alle »do’s & dont’s« der
deutschen Gesellschaft zur Sprache mit
einem schönen Vergleich zu Umgangsformen in Südamerika; »lessons
learned« war hier, außer Pünktlichkeit,
eine Einführung in FKK. Obwohl ich
nach unseren Gesprächen noch nicht
mutig genug für FKK bin, konnte ich
aus den Erzählungen meiner Mentorin
die »deutsche Kultur« besser verstehen.
Durch Erzählungen über ihre Jugend als
politisch engagierte Studentin erlebte
meine Mentorin ihre Studienzeit noch
einmal.
Wir waren und sind doch am Ende
nicht so anders. Sie kam zum Studieren
nach Berlin – neugierig auf die Welt
und motiviert. Ich fand mich in ihr wieder. An unserem ersten Abend, gleich
am Ende unserer dritten Tasse Kaffee,
merkte ich: Es gibt keine Barrieren oder
Grenzen. Wir sind bzw. waren zwei
Studierende aus verschiedenen Generationen, verschiedenen Ländern und
verschiedenen Kulturen aber mit den
gleichen Ideen und Träumen.
Postscriptum der Mentorin:
Danke für die liebevolle Zuschreibung.
Über die Revolution reden wir noch!
Helga Dittmann-Pätsch
Der Autor ist 22 Jahre alt und studiert
■»Recht
Ius« (LL.B) an der HWR Berlin.
Kevin Schlenker absolviert zur Zeit ein Praktikum in Sydney bei einer Personalberatung, wo er hauptsächlich im Bereich Headhunting und
Management Consulting tätig ist
Unsere Vizepräsidentin für Forschung,
Prof. Dr. Friederike Maier, schrieb mir
im Oktober 2014 eine E-Mail: »Stefanie,
Du machst das dann mit dem Science
Slam, ja? Wir hatten doch mal darüber
gesprochen …« So oder so ähnlich fing
alles an. Ich habe gern zugesagt und den
ersten Science Slam an der HWR Berlin
im Rahmen des Forschungsforums organisiert und moderiert. Und irgendwie
haben bei dieser Veranstaltung im Januar 2015 alle gewonnen – das ist mein
Fazit! Die HWR Berlin insgesamt, weil
wir den ersten Science Slam erfolgreich
in Szene gesetzt haben, die Forscher/innen, die ihr Thema so grandios präsentiert haben, und das Publikum, das mit
leuchtenden Augen und wild gestikulierend sowie angeregten Unterhaltungen
lebhaft teilgenommen hat.
Der Gewinner des ersten Science Slam der HWR Berlin, Prof. Dr. Frank Habermann, und das
agile Projektmanagement
Vier Kandidatinnen und Kandidaten
haben vor einer bunten Forscher/innen-Mischung von Doktorand/innen,
Wissenschaftlicher Mitarbeiter/innen,
Alumni und Professor/innen in der
alten Bibliothek ihre Forschung auf die
Bühne »geslammt«:
■ Özlem Yildiz mit "Harem versus Notaufnahme - eine vergleichende Studie"
■ Michael Graffius mit »Irgendwas mit
Mottenkugeln«
■ Jalda Reißig mit »Geben und neh-
men – du brauchst mich, ich brauche
dich«
Frank Habermann mit »Wie man ein
Projekt richtig anzieht … oder … warum es kein schlechtes Wetter gibt!«
■
Özlem Yildiz brachte faszinierende
Einblicke in die Berliner MigrationsForschung, anschaulich erläutert
mit Milch, Kaffee und Salat-Bildern.
­Michael Graffius holte die Mottenkugeln
des Themas »Unternehmensnachfolge«
aus der angestaubten Kiste und zeigte,
wie die »Dschini« alle Nachfolgeprobleme im Traum lösen könnte! Jalda Reißig
sprang über die Bühne und erklärte, wie
das Geben und Nehmen auf OnlineMarktplätzen funktioniert. Mit aufgespanntem Regenschirm betrat Frank
Habermann die Bühne, Regen-Musik
plätscherte im Hintergrund, während
er die Liebe zu Projekten anhand von
passender Kinderbekleidung sehr agil
darstellte.
Alle Slammer hatten exakt zehn Minuten, die Zeit wurde per Timer gestoppt!
Das Publikum hatte sichtlich Spaß daran, die Bewertung der Slammer anhand
der 1 – 10 Punktekarten mit den Nachbar/innen zu diskutieren und festzulegen, wer denn nun wie viele Punkte für
a) den wissenschaftlichen Inhalt b) Verständlichkeit und c) Unterhaltungswert
erhalten sollte. Alle Slammer wurden
reichhaltig für ihre Leistung bejubelt
und beklatscht. Mit leichtem Vorsprung
hat Frank Habermann den ersten
Sience-Slam der HWR Berlin gewonnen. Prof. Dr. Dagmar Lück-Schneider
war so begeistert von der Veranstaltung,
dass sie sogar erste Ideen hat, wie dieses
Format für die Lehre adaptiert werden
könnte. Und ich freue mich auf MEHR
Science Slam an der HWR Berlin!
Der Artikel erschien in ähnlicher Form
auf dem eLerner Blog der HWR Berlin:
www.bit.ly/1OPAs1T
Stefanie Quade ist Doktorandin und
■Stipendiatin
an der HWR Berlin.
32
In & Aus der HWR Berlin
SemesterJournal 1/15
Karrierewege: Von der Tochter zur
Nachfolgerin
Gemeinsam mit meinem Bruder leite ich das Familienunternehmen Deutzer Technische Kohle GmbH (DTK) meiner Eltern
bereits weitestgehend allein. Als Assistentin der Geschäftsleitung befinde ich mich in der Prozessendphase der Unternehmensübernahme. Unterstützung und Hilfe auf meinem Weg habe ich mir über das Studium »Unternehmensgründung und Unter­
nehmensnachfolge« an der HWR Berlin gesucht.
Von Diana Deutzer
Die Firma DTK GmbH ist heute ein
globaler Messdienstleister für Verkehrsbetriebe mit mittlerweile dreißig
Beschäftigten und wurde von meinem
Vater, unterstützt durch meine Mutter,
direkt nach der Wende 1990 aus der
Arbeitslosigkeit heraus gegründet. Mein
Bruder und ich haben die Schwierigkeiten und Erfolge bewusst miterlebt und
nach unseren Möglichkeiten schon als
Kinder mitgeholfen.
Ich bin nicht sofort nach der Schule im
elterlichen Unternehmen eingestiegen.
Nach meiner Ausbildung zur Bürokauffrau in einem Elektronik-Einzelhandelsbetrieb arbeitete ich in einer Zeitarbeitsfirma und sammelte in dem erlernten
Beruf Erfahrungen bei unterschiedlichsten Firmen. Schon damals plante ich
noch zu studieren.
2006 wurde im Unternehmen meines
Vaters jemand im kaufmännischen
Bereich und mit Englischkenntnissen
gebraucht und ich wurde gefragt, ob
ich nicht Lust hätte, dies zu übernehmen. Der Gedanke gefiel mir und ich
nahm an. Zunächst arbeitete ich ein
halbes Jahr bei unserer Handelsvertretung in Manchester (GB). Nach
meiner Rückkehr übernahm ich neben
Buchhaltungs- und Marketingaufgaben
ebenso Aufgaben in Organisation und
im Personalwesen. Nach einem Jahr war
klar: Ich werde dieses Unternehmen
irgendwann übernehmen und weiter
führen. Ich erinnere mich aber, dass ich
noch unsicher war und zweifelte, ob ich
den Anforderungen insbesondere in
technischer Hinsicht wirklich gewachsen sein würde.
Bei meiner Suche nach einem Studium
fand ich den Bachelor »Unternehmensgründung und Unternehmensnachfolge«, der als Abendstudium an der
HWR Berlin angeboten wird. Durch
meine Ausbildung und meine Erfahrungen hatte ich keine Schwierigkeiten,
den Studienplatz zu bekommen. Das
Studium und die parallele Arbeit hatten den Vorteil, dass ich genau wusste,
was ich brauchte und wofür. Ich konnte
die Theorie sofort in der Praxis erproben, was oft zu Aha-Effekten führte.
Das Studium hat mir auf meinem
Karriereweg sehr geholfen. Noch heute
wende ich die gelernten Analyseverfahren, Strategien und Taktiken in den
verschiedensten Bereichen wie Moderation und Kommunikation, Organisation oder Motivation an. Ich führte
allgemeine Verbesserungen in unserem
Unternehmen ein und konnte gezielt
Sicherheits- und Notfallvorkehrungen
treffen. Das erworbene Wissen hilft mir
auch im Prozess der Zertifizierung, in
dem wir uns momentan befinden.
Seit 2010 arbeitet auch mein Bruder im
Unternehmen mit. So ergab sich, dass
bei der Firmennachfolge die Arbeitsbereiche zwischen mir und meinem
Bruder so aufgeteilt werden, wie auch
zwischen unseren Eltern – in Betriebswirtschaft und Technik. In zwei
Wochen steht der Notartermin zur
Anteilsübernahme an. Ich bin mir jetzt
sicher, dass ich dieses Unternehmen
gemeinsam mit meinem Bruder weiter
führen kann und will und freue mich
auf die Herausforderungen, die auf uns
warten.
SemesterJournal 1/15
mensitz in Zeuthen, hat schon als Kind im
Familienunternehmen mitgeholfen
Mehr Informationen unter
www.deutzer.de
Die Autorin ist Absolventin des
■Bachelor-Studiengangs
»Unternehmens-
gründung und Unternehmensnachfolge«
und führt gemeinsam mit ihrem Bruder
das elterliche Unternehmen weiter.
33
Take a.break @ andel´s Hotel Berlin
Noch in der Ausbildung und trotzdem etwas im Unternehmen bewegen? Die Vorteile des Dualen Studiums machen es möglich.
Von Alessandra Morisse und Amanda Nitschke
Vorbei sind die Zeiten, in denen Auszubildende ausschließlich zum Putzen,
Kaffee kochen und Kopieren geordert
wurden. Welchen Mehrwert ein junger
Mensch schon während der Lehrjahre
schaffen kann, haben Unternehmen
mittlerweile erkannt und fördern ihre
Auszubildenden entsprechend.
Eine besondere Form der Förderung
von jungen Nachwuchskräften ist das
Duale Studium. Es vereint das herkömmliche, theoretische Studium
mit einer Berufsausbildung in einem
Partnerbetrieb der jeweiligen Branche.
Die Studierenden können während der
dreijährigen Studienphase das an der
Hochschule erworbene Theoriewissen
praktisch im Unternehmen anwenden.
So profitieren nicht nur die Betriebe
von den Ideen und dem fachlichen
Know-how der Studierenden. Vielmehr
fördert der praxisnahe Austausch mit
dem Unternehmen auch das wirtschaftliche Verständnis der dual Studierenden.
Diana Deutzer, hier in ihrem Büro im Fir-
Studieren & Lehren
Auch im andel’s Hotel Berlin fließen
viele neue Ideen ein und werden nach
Möglichkeit direkt umgesetzt. Ein
Beispiel für die erfolgreiche Umsetzung
eines Studierenden-Projekts ist die
Umgestaltung des dortigen Personalrestaurants »a.break«. Im letzten Jahr
erarbeitete eine ehemalige Studentin
der Fachrichtung »Tourismus / BWL«
der Hochschule für Wirtschaft und
Recht (HWR) Berlin im Rahmen ihrer
Bachelorarbeit ein umfassendes Konzept für das Personalrestaurant. Ihre
Vorschläge und Ideen waren so überzeugend, dass sie schon wenige Monate
später realisiert wurden. Noch sind die
Arbeiten im »a.break« nicht vollständig
abgeschlossen, aber schon jetzt sind die
Veränderungen deutlich sichtbar, wie
die Fotos zeigen.
Die Planungs- und Realisierungsphase
ihres Projekts beschreibt die ehemalige
Studentin so:
»Meine Bachelorarbeit als Abschluss
meines dualen Studiums sollte nicht nur
eine theoretische Untersuchung darstellen und nur auf dem Papier existieren,
sondern einen effektiven Nutzen für den
Ausbildungsbetrieb hervorbringen. Die
Vorbereitung, Planung, Verteidigung und
Realisierung der Neustrukturierung des
Mitarbeiterrestaurants war mit vielen
Höhen und Tiefen verbunden, jedoch bin
ich stolz, dass viele meiner Ideen bereits
umgesetzt werden konnten und auch
weiterhin in Betracht gezogen werden.
Ich freue mich, dass ich durch mein
Projekt bereits die Qualität des Personalrestaurants optimieren und die Mitarbeiterzufriedenheit steigern konnte. Es ist
ein super Gefühl, wenn man sagen kann:
Ich habe in meinem Ausbildungsbetrieb
etwas Nachhaltiges bewirken können.«
Die Autorinnen sind Studierende des
■Studiengangs
»BWL / Tourismus« an der
HWR Berlin.
Das Personalrestaurant »a.break« im andel’s Hotel Berlin vor der Umgestaltung
Hier ist die aktuelle Situation des Personalrestaurants zu sehen. Bereits jetzt sind die Fortschritte im Rahmen des Projektes deutlich erkennbar
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Studieren & Lehren
SemesterJournal 1/15
SemesterJournal 1/15
Forschen & Anwenden
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Studis machen Messe
Linksaffine Jugendliche
Für die »Studierten Weltenbummler« war die Teilnahme auf der Internationalen Tourismus-Börse (ITB) Anfang März 2015 in
­Berlin ein voller Erfolg.
Eine Studie der Universität Luxemburg und der HWR Berlin untersucht politisch aktive Jugendliche in linken Szenen und
­sozialen Bewegungen.
Von Anna Sophie Herrmann
Von Wolfgang Kühnel
Auf dem Weg zu Veranstaltungen des
ITB Kongresses drehten sich dieses Jahr
so manche Fachbesucher/innen um und
fragte sich, was es wohl mit den roten
Schärpen mit der Aufschrift »Studierte
Weltenbummler« auf sich hat. Spätestens
beim Anblick des ausgefallenen Standes
mit den Vintage-Koffern in Halle 11.1
war klar »Hier kommen die also her!«
Blieb nur noch die Frage »Was sind
eigentlich Studierte Weltenbummler?«
»Studierte Weltenbummler« sind
Studierende des Bachelor-Studiengangs
»BWL / Tourismus«, die traditionell
im 5. und 6. Semester die HWR Berlin
auf der größten Tourismus-Messe der
Welt repräsentieren. Bei dem parallel
stattfindenden ITB Kongress besuchten
Studierende der HWR Berlin Vorträge
und Diskussionen zu aktuellen Themen
und Trends der Tourismusbranche –
eine gute Ergänzung zu den Lehrveranstaltungen der Hochschule.
Des Weiteren entwarfen die Studierenden gemeinsam mit den betreuenden
Dozent/innen erfolgreiche Konzepte
für die Standgestaltung, das Marketing
und die Pressearbeit auf der Messe.
Das Einheits-Layout der kommerziellen Standgestaltung wurde durch die
Farbe des Fachbereichs sowie kreative
Gestaltungselemente wie Postkarten aus
aller Welt und Vintage-Koffer ersetzt.
Damit zog der Messestand der HWR
Berlin viele Blicke auf sich und zählte
290 Besucher/innen.
Aufgrund der Erfahrungen der letzten
Jahre richteten die Tourismus-Studierenden in diesem Jahr erstmalig keinen
Presseempfang aus, sondern gingen
im Sinne des Konzepts »Face2Face« in
Eigenregie auf Journalist/innen zu, um
Artikel über das Messestand-Projekt
und die Hochschule in der Fachpresse zu platzieren. Sie führten in der
Pressehalle direkte Gespräche mit den
Medienvertreter/innen und verteilten
Pressemappen. Unter anderem konnte
dadurch ein Interview mit Jürgen Drensek, dem Ehrenpräsident der Vereinigung Deutscher Reisejournalisten, in
dessen »Reise Radio« realisiert werden.
Die Autorin studiert »BWL / Touris■mus«
an der HWR Berlin.
Mit »Guerilla-Marketing« weckten die Studierenden den Bären in sich und verteilten vor der Messe Flyer und Sticker, die auf den Messestand
aufmerksam machten
Seit den 1960er Jahren haben sich in modernen Gesellschaften unkonventionelle
Beteiligungsformen zu einem normalen
Instrument der politischen Partizipation
entwickelt. In der breiten Öffentlichkeit
finden meist nur die medienwirksamen
spektakulären Ausprägungen von gesellschaftlichen Protesten Aufmerksamkeit
– beispielsweise wenn es zu gewaltsamen
Auseinandersetzungen bei Demonstrationen kommt. Wir wissen allerdings
wenig darüber, wer die engagierten
Jugendlichen sind, die sich dem linken
politischen Spektrum zurechnen und
was sie wollen. Wie entsteht ihr politisches Engagement und wie entwickelt es
sich im Lebensverlauf? An diesen Fragen
orientiert sich ein Forschungsprojekt
von Prof. Dr. Helmut Willems und Katrin Hillebrand (Universität Luxemburg)
und Prof. Dr. Wolfgang Kühnel, Tobias
Schmidt und Kristina Zenner (HWR
Berlin), gefördert durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend. Das Untersuchungsinteresse
richtete sich erstens auf das Selbst- und
Gesellschaftsverständnis der Jugendlichen. Zweitens wurden die Bedingungen, Prozesse und Ereignisse analysiert,
die zur Herausbildung, Verstetigung und
Veränderung des politischen Engagements im biografischen Verlauf führen.
Und drittens untersuchte das Forscherteam die Erfahrungen, Diskurse und
Rechtfertigungen in gewaltförmigen
Auseinandersetzungen mit Polizei und
politischen Gegnern.
Die Ergebnisse der Studie zeigen eine
hohe Unterstützung der Demokratie als
politisches Ordnungsprinzip. Gleichzeitig
besteht eine große Unzufriedenheit mit
dem Handeln und den Strukturen der
politischen Institutionen von Parteien
und Verwaltungen, insbesondere aber
auch von Justiz und Strafverfolgungsbehörden. Den traditionellen Institutionen
Linksaffine Jugendliche engagieren sich politisch, wie bei den Protesten gegen das AntiProduktpiraterie-Abkommen ACTA im Februar 2012 in München
des politischen Systems wird die Fähigkeit zur Lösung der akuten gesellschaftlichen Probleme und Krisen weitgehend
abgesprochen. Ein zentraler Bezugspunkt
der Kritik ist die ungleiche Verteilung
von Ressourcen und Chancen in der Gesellschaft. Kritisiert wird auch der Trend
zur Ökonomisierung aller Lebensbereiche. Darunter verstehen die Jugendlichen
eine immer stärkere Vernachlässigung
menschlicher Bedürfnisse zugunsten
von Kosten-Nutzen-Überlegungen, die
Ausrichtung an Konkurrenz statt an
Solidarität und die Überbetonung des
Leistungsprinzips. Eine unzureichende
Bewältigung gesellschaftlicher und globaler Krisen und Risiken wird ebenfalls
beanstandet.
Die Kritik an Politik und Gesellschaft
versuchen die Jugendlichen durch
eigenes Engagement und die Änderung
der persönlichen Lebensführung zu
begegnen. Links-sein bedeutet für die
meisten von ihnen mehr als die Zuord-
nung zu einem politischen Konzept, einer Ideologie oder gar einer Partei. Für
die politische Orientierung spielt der
individuelle Werterahmen eine wichtige
Rolle. Dabei wird die eigene Situation
durchaus auch in ihren Ambivalenzen
wahrgenommen, wenn etwa die eigenen
Überzeugungen nicht mit der Erfahrung, selbst auch Teil des kritisierten
Systems zu sein, in Einklang zu bringen
sind. Hier wird ein hohes Maß an Kritik
und Reflexion des eigenen Handelns
und der eigenen Lebensweise deutlich.
Zugleich ist dies oft mit moralischen
Überlegenheitsgefühlen gepaart.
Die Ergebnisse der Studie werden unter
dem Titel »Politisches Engagement und
Selbstverständnis linksaffiner Jugendlicher« bei Springer/ VS Verlag für
Sozialwissenschaften veröffentlicht.
Autor ist Professor für Soziologie
■am DerFachbereich
Polizei und Sicherheitsmanagement der HWR Berlin.
36
Forschen & Anwenden
SemesterJournal 1/15
Integrative Wohnmodelle sind
­zukunftsweisend
Ergebnisse des Forschungsprojektes »GLESA« über ein schwullesbisches Berliner Wohnprojekt lassen Potenziale für
­Pflegedienste erkennen.
Von Ralf Lottmann
Die Datenlage zu gleichgeschlechtlichen
Lebensweisen im Alter ist dünn. Das auf
zwei Jahre angelegte Projekt »Gleichgeschlechtliche Lebensweisen und
Selbstbestimmung im Alter« (GLESA)
hat hierzu neue Erkenntnisse gewonnen. Finanziert wurde das von der Alice
Salomon Hochschule (ASH) Berlin
und der Hochschule für Wirtschaft und
Recht (HWR) Berlin durchgeführte
Projekt vom Institut für angewandte
Forschung (IFAF) Berlin. Es untersuchte den »Lebensort Vielfalt« (LoV), ein
Wohn- und Pflegeprojekt für schwule
und lesbische Senior/innen in BerlinCharlottenburg, das Mitte 2012 eröffnet
wurde. »Auf dem Gebiet der Alternsforschung haben wir neue Wege beschritten«, sagt Co-Projektleiterin Prof. Dr.
Claudia Gather von der HWR Berlin.
Daten über die Lebensbedingungen von
älteren Homosexuellen in Deutschland
gibt es kaum. Dabei gibt es allein in Berlin nach amtlichen Schätzungen rund
40 000 ältere LSBT-Erwachsene (LSBT:
Lesbisch-Schwul-Bisexuell-Transsexuell). »Die Ergebnisse zeigen, dass der
Wunsch, nicht alleine alt zu werden und
sich auch im Alter nicht verstecken zu
müssen, für die Bewohnerinnen und
Bewohner des ›Lebensort Vielfalt‹ im
Vordergrund steht«, so Gather. Gerade für ambulante Pflegedienste und
Wohnungsgesellschaften eröffne sich
eine Marktlücke, die aber nur mittels
Einsichten über eine milieusensible
Pflege geschlossen werden könne. Denn
die GLESA-Ergebnisse verdeutlichen,
dass neben den Wünschen z. B. nach
einem ausreichenden Personalschlüssel
Kenntnisse und Erfahrungen über die
Lebenswelt von Schwulen und Lesben
zur zentralen Grundlage werden, wenn
eine gute Pflege erzielt werden soll, die
auch die Individualität der Betroffenen
berücksichtigt.
Diskriminierungsfreies Wohnumfeld
schaffen
Ergebnisse zu dem Wohnprojekt zeigen, dass der »Lebensort Vielfalt« ein
diskriminierungsfreies Wohnumfeld
ermöglicht, welches ein selbstbestimmtes Leben und soziale Teilhabe im Alter
fördert. Die Thematisierung von Sexualität im Alter ist im LoV mit schwulen,
lesbischen und heterosexuellen Bewohnerinnen und Bewohnern im Alter von
21 bis 86 allgegenwärtig und weniger
von Tabus geprägt. Die Engagementtraditionen der Generation älterer (meist
kinderloser) schwuler Männer waren
für die Umsetzung des Wohnprojekts
von Bedeutung und lassen Potenziale
auch für andere Milieus und die Mehrheitsgesellschaft erkennen. So werden
die Verknüpfung von Wohnprojekt mit
einer Pflegeetage, einem öffentlichen
Café, Kultur- und Beratungsangeboten
sowie dem biografiesensiblen Pflegeangebot als vorbildlich empfunden und
für Wohnprojekte für das Alter generell
weiterempfohlen.
Auf der Fachtagung im Januar 2015 – eröffnet durch ein Grußwort von Dr. Ralf
Kleindick, Staatssekretär im Bundesfamilienministerium – wurden die
Ergebnisse lebhaft diskutiert. Die Wissenschaftler/innen und das Publikum
beklagten die teilweise noch bestehenden homo- und transphoben Einstellungen des Pflegepersonals in herkömmlichen Pflegeeinrichtungen und die noch
zu geringe Förderung neuer Wohnformen, die – wie der LoV – besser geeignet sind, die soziale Integration älterer
Menschen zu gewährleisten.
■
Der Autor ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt »GLESA«.
Für Mietersprecher Bernd Gaiser ist das Wohnmodell »Lebensort Vielfalt« (LoV) ein Leuchtturm für eine Gesellschaft, die selbstbestimmt leben und sich einbringen will.
SemesterJournal 1/15
Forschen & Anwenden
37
Von Managern als Regisseuren, StreetArt-Künstlern als Flaschendesignern
und anderen seltsamen Verbindungen
Welchen Mehrwert kann Kunst einem Unternehmen bringen? Welche Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen Künstler/innen und Unternehmen gibt es und wie funktioniert sie? Ein Forschungsprojekt sucht nach Antworten und ermittelt Faktoren
für erfolgreiche Kooperationen.
Von Carsten Baumgarth
»Arts push Business – Kunst-Unternehmens-Kooperationen (KUK) als Motor
für die Wirtschaft und Kunst«. Das ist
der Titel und die zugrunde liegende Idee
des gemeinsamen Forschungsprojektes
der Hochschule für Wirtschaft und Recht
(HWR) Berlin und der Hochschule für
Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin,
das vom Institut für angewandte Forschung (IFAF) gefördert wird. Im Mittelpunkt stehen die Kooperationsprozesse
zwischen Künstler/innen und Unternehmen, zum gegenseitigen Nutzen.
KUK stellt Verbindungen her. Unternehmen greifen auf Künstler/innen
zurück, um ihre Marke zu stärken oder
das Verhalten der Mitarbeiter/innen
nachhaltig zu verändern. Künstler/innen akquirieren durch KUKs dringend
notwendiges Einkommen und erzielen
eine verstärkte Aufmerksamkeit für ihre
Arbeit. Trotz dieser Vorteile für beide
Seiten, sind KUKs noch immer ein recht
seltenes Phänomen.
Ein Beispiel dafür, wie eine erfolgreiche
Zusammenarbeit zwischen Künstler/innen und Unternehmen aussehen kann,
ist die Integration von Unternehmenstheater in die Führungskräfteentwicklung der Onlinefirma Immobilienscout.
In diesem Fallbeispiel übernahmen
Manager/innen die Rolle eines Regisseurs um das eigene Führungsverhalten
zu spiegeln und zu verbessern. Ein weiteres Beispiel liefert die Warsteiner Art
Collection, bei der 2013 und 2014 jeweils
sechs Street-Art-Künstler/innen Bierflaschen als Special Editions gestalteten.
Exponat der Pop-up-Ausstellung »Farbrausch trifft RAL 4010«, die Künstler/innen und Unternehmen für eine Zusammenarbeit sensibilisieren will
Um den Prozess einer KUK, angefangen
bei der Initiierung bis hin zum fertigen
Ergebnis und dessen Reflexion, besser
zu verstehen, wurden im Rahmen des
Forschungsprojekts sieben Fallstudien
erhoben. Anhand dieser wurden die
wesentlichen Erfolgsfaktoren einer KUK
ermittelt und analysiert – mit dem Ziel,
Barrieren, die auf beiden Seiten bestehen, abzubauen und unterschiedliche
Anforderungen an die Zusammenarbeit transparent zu machen und so die
Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen
KUK künftig zu steigern.
entlang des KUK-Prozesses Checklisten
für Künstler/-innen und Unternehmen entwickelt, die Interessierten eine
erste Hilfestellung zur Etablierung von
erfolgreichen KUKs liefern können.
Schließlich wurden Ergebnisse des
Forschungsprojektes auch direkt in die
HWR-Lehre integriert: Neben entsprechenden Abschlussarbeiten wird auch
im Sommersemester 2015 im Rahmen
des Studium Generale wieder die Lehrveranstaltung »Kunst und Unternehmen – Berührungspunkte, Erfahrungen
und Nutzen« angeboten.
Um die Zielgruppen für solche Kooperationen zu sensibilisieren, wurde u. a.
die Pop-up-Ausstellung »Farbrausch
trifft RAL 4010«, die seit November
2014 an verschiedenen Orten gezeigt
wird, entwickelt. Weiterhin wurden
Mehr Informationen unter
www.arts-push-business.de
Der Autor ist Professor für Marketing,
■insbesondere
Markenführung an der
HWR Berlin und Leiter des Projektes.
38
Forschen & Anwenden
SemesterJournal 1/15
SemesterJournal 1/15
Forschen & Anwenden
39
Ein Level weiter: Gamify your Business!
HWR Berlin macht mobil
Gamification entwickelt in der Betriebswirtschaft gerade eine große Dynamik. Dabei hinkt Deutschland den USA etwa fünf
Jahre hinterher. Es geht um das Erschließen von Leistungssteigerungspotenzialen über Mitarbeitermotivation und Innovationskraft. Dafür werden Spielelemente in Arbeitsabläufe und Prozesse integriert. Prof. Dr. Avo Schönbohm erklärt, dass die
Spielifizierung der Arbeit alles andere als ein Spiel ist und in Hochschulen, bei Weiterbildung und Controlling sowie in der
Unternehmenskultur transformative Kraft entfalten kann. Der homo ludens will spielen, und Gamification wirkt.
Im neu eröffneten »Mobile Quality Lab - MQLab« an der HWR Berlin werden Methoden zur Qualitätssicherung von Unter­
nehmens-Apps untersucht.
Von André Nitze und Andreas Schmietendorf
gibt es eine monetäre Vergütung. Untersucht werden so die Qualität einer
App auf verschiedensten Plattformen,
aber auch die Nutzerakzeptanz.
Ein Interview von Sylke Schumann
Weshalb braucht die Welt dieses
­Konzept?
AS: Nach Untersuchungen eines der
führenden Markt- und Meinungsforschungsinstitutes Gallup geben nur 16
Prozent der deutschen Angestellten alles
für ihren Job und würden für die Unternehmensziele über sich hinauswachsen.
Diese Engagement-Lücke (engl. engagement gap) wird durch die neue Arbeitsethik der Generation Y noch verstärkt.
Gamification setzt hier an: Wie können
durch Spielelemente Unternehmen wettbewerbsfähiger gemacht werden?
Was ist neu an Gamification, außer dem
Begriff?
AS: Stimmt, das Prinzip des Spiels ist
eine uralte Kulturtechnik. Gamification
als Managementmode nutzt den Erfolg
der Computerspiele und überträgt die
damit verbundenen Erkenntnisse auf
andere soziale Situationen. Das ist neu.
Unternehmen brauchen das Hirn, aber
auch das Herz ihrer Mitarbeiter/innen,
um am Markt bestehen zu können. Beides gewinnen sie leichter, wenn die Arbeit
spielerisch zum positiven Erlebnis wird.
Der Begriff suggeriert, dass das Ganze
ein »Spiel« ist. Tatsächlich steckt doch
ein knallhartes Ziel dahinter: mehr
Leistung, mehr Output.
AS: Die Wissensgesellschaft braucht
kaum mehr physische Akkordkräfte. Aber
ja, es geht um zielorientierte Motivationssteigerung und Verhaltensänderung. Darüber hinaus sind die Explizitmachung
impliziten Wissens und die Verbesserung
von Unternehmensentscheidungen zum
Beispiel im Strategieprozess wichtige
Ziele. Gamification mag positiv als
Humanismus oder kritisch als Ausbeutungsideologie interpretiert werden: Spaß
an der Arbeit und Wettbewerbsfähigkeit
schließen sich meiner Meinung nach
nicht aus. Die Generation Y, welche gerade in die Unternehmen drängt, scheint
dies genauso zu sehen.
Ist Gamification für Unternehmen in der
Wissensgesellschaft, was die Maschine
für die industrielle Revolution war?
Studien besagen, dass rund 60 Prozent
der Berufseinsteiger/innen Anspruch
auf Führungspositionen erheben und
sich auch ohne Berufserfahrung als
Expert/innen einstufen.
Branchenübergreifend und in allen
Bereichen?
AS: Darin spiegelt sich ein neues Verständnis von Arbeit. Statt Status und
Prestige stehen für viele junge Menschen
die Freude an der Arbeit und die persönliche Sinnsuche im Fokus. Auch das
belegen Studien. Die Menschen wollen
sinnvolle Jobs, ohne ihr Leben davon
vollständig bestimmen zu lassen.
Kann Wirtschaft so funktionieren?
AS: Genau so würde ich das formulieren.
Den Unternehmen bleibt gar nichts anderes übrig, als sich dem kulturellen Wandel
zu unterziehen. Managementansätze wie
Scrum oder Kanban für das Büro finden
sich schon in vielen Berliner Unternehmensetagen.
AS: Viele Unternehmen nutzen Gamification schon lange in der Kundenbindung. Die Innenanwendung wird aber
von vielen Unternehmen noch skeptisch
gesehen. Wir arbeiten in unserem Projekt
zusammen mit Unternehmen daran,
Standardsituationen wie Budgetierung,
Strategieentwicklung, Investitionsplanung
oder Risikomanagement in ernste Spiele
(serious games) zu transformieren. Spaß
und Leistung gehen Hand in Hand. Lasst
die Spiele beginnen!
Vielen Dank für das Gespräch.
AS: Gamification wirkt. Das ist zumindest die gut begründete Arbeitshypothese unseres vom Bundesministerium
für Bildung und Forschung geförderten
Projektes. Mit »LudoLeist« erforschen wir
auch, ob und wie Gamification messbare
Erfolge zeitigt.
Avo Schönbohm, Katharina Urban:
Can Gamification Close the Engagement Gap of Generation Y?
Logos Verlag, Berlin 2014
www.gamification.business
Besucher/innen informieren sich am Tag des Dualen Studiums über die Aktivitäten des
­»Mobile Quality Lab« und betätigen sich als »Crowd Tester« für mobile Apps
Mobile Apps sind aus dem Alltag nicht
mehr wegzudenken. Es gibt kaum noch
jemanden, der sich nicht auf Smart­
phone, Tablet oder andere digitale
Begleiter verlässt. Doch wer sich auf die
mobile Technik verlässt, ist manchmal
sprichwörtlich verlassen. Ein Absturz
direkt beim Start, zu lange Ladezeiten
oder auch ein unklares Bedienkonzept
bedeuten Frust für die Nutzer/innen und
meistens eine Deinstallation der als qualitativ unzureichend eingestuften App.
Aus diesen Gründen gilt es in der
Software-Entwicklung die Aspekte der
konstruktiven und analytischen Qualitätssicherung zu berücksichtigen. Mit der
ISO/IEC 25000 existiert bereits eine internationale Norm für Qualitätskriterien
und eine korrespondierende Bewertung
von Softwareprodukten. Der generische
Ansatz bedarf allerdings einer Operationalisierung, um den besonderen Qualitätsanforderungen bei mobil eingesetzten
Softwarelösungen Rechnung zu tragen.
Diese resultieren beispielsweise aus vielfältig eingesetzten Geräte- und Betriebssystemen, Besonderheiten hinsichtlich
der diversifizierten Netzwerkanbindung,
eingeschränkten Darstellungsmöglichkeiten oder erhöhten Sicherheitsbedürfnissen. Neben einer formalen Erfassung der
Qualitätsanforderungen an Apps bedarf
es ingenieurmäßig einsetzbarer Modelle,
Methoden und Werkzeuge. Mit dem neu
eingerichtete »MQLab« soll im o. g. Kontext eine entsprechende Forschungsarbeit
geleistet werden. Beim diesjährigen Tag
des Dualen Studiums im März wurden
bereits zwei innovative Methoden zur
analytischen Qualitätssicherung von
Apps präsentiert.
■ Beim »Fuzzing« werden Apps unter
extremen Bedingungen getestet. Dafür
werden tausende zufällig erzeugte
Interaktionen, wie Touch-Gesten oder
Texteingaben automatisiert an das
Mobilgerät gesendet. Parallel dazu
wird das Verhalten der App bei anund ausgeschalteter Internetverbindung untersucht.
Das »Crowd Testing« ist ein virtualisierter Testansatz. Jeder kann sich mit
seinen eigenen Mobilgeräten bei einem
Testprovider registrieren und an Tests
von noch unveröffentlichten Apps teilnehmen. Für ausgefüllte Prüfprotokolle
■
Auch bei geschäftlich genutzten Softwaresystemen kommen immer mehr
Apps zum Einsatz. Aus Sicht der Autoren spielen dort Aspekte wie Verfügbarkeit, Sicherheit, Datenschutz, Nutzbarkeit und Wirtschaftlichkeit eine sehr viel
größere Rolle als im privaten Bereich.
Das neu etablierte Labor bietet eine praxisorientierte Möglichkeit, sich mit den
Herausforderungen einer mobilen Applikationsentwicklung für den privaten
und geschäftlichen Gebrauch auseinanderzusetzen. Unter diesem Blickwinkel
erfolgte auch die Beschaffung einer gerätetechnischen Laborausstattung, wofür im ersten Schritt eine Konzentration
auf Android-Tablets und -Smartphones
erfolgte. Durch die Angebote des Labors
können sich Studierende in Zukunft für
den stark wachsenden mobilen Markt
qualifizieren und gleichzeitig wertvolle
Beiträge für eine empirisch orientierte
Forschung leisten.
Mehr Informationen unter
www.mobile-quality-research.org
■
Andreas Schmietendorf ist Professor für
Wirtschaftsinformatik/Systementwicklung, André Nitze Doktorand am Fachbereich Duales Studium der HWR Berlin.
40
Erfahren & Austauschen
SemesterJournal 1/15
SemesterJournal 1/15
Erfahren & Austauschen
41
Duales Studium »goes international«
Kein typisches Erasmus-Land
Englische Modulangebote und die Abstimmung von Studieninhalten und Zeitmodellen sind Erfolgsfaktoren der Internationalisierung im dualen Studium der HWR Berlin.
Mieke Westerhaus studiert im 6. Semester den englischsprachigen Bachelor »International Business Management« an der HWR
Berlin. Im Interview erzählt sie von ihrem Auslandssemester an der neuen Partneruniversität Kozminski University in Warschau.
Von Silke Bustamante
Ein Interview von Barbara Halstenberg
Internationalisierung im dualen
Studium erscheint vor dem Hintergrund der Globalisierung und der
steigenden Bedeutung internationaler
beruflicher Kompetenzen besonders
relevant. Gleichzeitig ist eine internationale Ausrichtung in diesem Bereich
durch enge Zeitpläne, ausdifferenzierte
Studienangebote und unterschiedliche
Stakeholder-Interessen mit besonderen
Herausforderungen verbunden. Dies ist
das Ergebnis einer Analyse der Internationalisierungsbestrebungen von 194
Anbietern dualer Studienprogramme,
die am Fachbereich Duales Studium im
Projekt »Internationalisierung« unter
der Leitung von Prof. Dr. Silke Bustamante durchgeführt wurde. So findet im
dualen Studienmodell im Vergleich zum
traditionellen Studium deutlich weniger englischsprachige Lehre statt, und
auch die Zahl an grenzüberschreitenden
Mobilitätsangeboten und realisierten
»Mobilitäten« fällt geringer aus – auch
an der HWR Berlin.
Dual Studierende und die Mehrzahl der
Kooperationsunternehmen der HWR
Berlin unterstützen die Internationalisierung des dualen Studiums bzw. wünschen »mehr Internationalisierung« – so
die Ergebnisse einer Studierenden- und
Unternehmensbefragung im Dezember
2014. Unternehmen fördern besonders
den Erwerb fremdsprachlicher und
interkultureller Kompetenzen. Studierende sind darüber hinaus – mehr als
Unternehmen – an Mobilitätsangeboten
interessiert und signalisieren mehrheitlich den Wunsch, im Ausland zu
studieren und/oder ein Praktikum zu
absolvieren. Tatsächlich realisiert nur
ein Bruchteil der Studierenden diesen
Wunsch. Dies liegt aus Sicht der Studierenden an engen Zeitplänen, die das
Risiko einer Verlängerung des Studiums
begründen, aber auch an der fehlenden
Unterstützung der Kooperationsunternehmen und finanziellen Aspekten.
Die Studierenden wünschen sich eine
stärkere Abstimmung von Modulinhalten oder sogar eine Verlängerung des
Regelstudiums.
Den Schwierigkeiten und Hindernissen
wird im Projekt »Internationalisierung« durch verschiedene Initiativen
begegnet. Unternehmen werden besser
informiert und eingebunden, so dass sie
Studierende bei der Realisierung von
Mobilitätswünschen stärker unterstützen. Die Konzeption eines »dualen«
Austauschangebotes für ausländische
Studierende (Berlin Study Plus) hat die
Attraktivität des Fachbereiches im Ausland erhöht, sodass neue renommierte
Partnerhochschulen gewonnen wurden
– wie das Baruch College in New York
und die Prince of Songlia University in
Phuket (Thailand). Beide Universitäten
haben bereits Studierende nach Berlin
geschickt. Prof. Dr. Silke Bustamante konnte sich bei einem Besuch der
Prince of Songlia University im Februar
diesen Jahres von der Qualität des dortigen internationalen Programms überzeugen und hat die Kooperation vertieft.
An einer stärkeren Abstimmung der
Studieninhalte mit allen Partnerhochschulen wird gearbeitet. Erfahrungen
aus anderen dualen Hochschulen haben
indes gezeigt, dass dies am besten mit
der Konzeption dualer Doppelabschlussprogramme gelingt.
Frau Westerhaus, warum gerade
­Warschau?
Die Ergebnisse der Befragungen von
Studierenden und Unternehmen sind
ein Beitrag des Fachbereiches Duales
Studium der HWR Berlin zum Projekt
»Qualitätsnetzwerk duales Studium«
des Stifterverbandes, durchgeführt von
den Professorinnen Silke Bustamante und Dorle Linz. Die Expertise des
Fachbereiches wird im Herbst 2015 im
Qualitätshandbuch des Stifterverbandes
veröffentlicht.
Was ist das besondere an der
­Kozminski University?
Die Autorin ist Professorin für All■gemeine
Betriebswirtschaftslehre im
Fachbereich Duales Studium an der
HWR Berlin.
MW: Nachdem ich mein erstes Auslandssemester in San Diego, Kalifornien
verbracht hatte, wollte ich einfach ein
Kontrastprogramm. Da einige meiner
Freunde polnische Wurzeln haben oder
ständig von Polen schwärmen, wurde ich
einfach neugierig.
MW: Die Kozminski hat einen unglaublich guten Ruf. Mit der »Triple Crown«
Auszeichnung (EQUIS, AMBA, AACSB)
gehört sie zu den 59 top Business Schools
der Welt. Für mich war deshalb sofort klar,
dass es nach Warschau geht – auch deshalb,
weil die Stadt gerade sehr aufstrebend und
total im Wandel ist. Das hat mich einfach
mehr gereizt, als die typischen ErasmusLänder wie Spanien oder England, gerade
auch weil ich das Ziel hatte, eine neue und
ungewöhnliche Sprache zu lernen.
Gibt es Unterschiede im Uni-Alltag?
Prof. Dr. Silke Bustamante und Pornpisanu Promsivapallop (Mitte vorn), stellvertretender Dekan für Forschung und Internationalisierung, mit Studierenden des Studiengangs »Hospitality
Management« an der Prince of Songlia Universität, Thailand
MW: Die Kozminski Universität ist
eine private Business School, wo man
recht viel Luxus genießt. Die Kursgrößen
mit nicht mehr als 40 Leuten sind aber
mit der HWR Berlin vergleichbar. Das
erleichtert den persönlichen Umgang
mit den Dozent/innen, aber auch das
Kennenlernen neuer Leute. Für mich
war neu, dass die Kurse nicht durchgängig übers ganze Semester verteilt sind,
sondern teilweise nur wenige Wochen
am Stück stattfinden oder sogar erst
zum Ende des Semesters hin beginnen.
Außerdem gibt es hier einen enorm
starken Zusammenhalt – die Kozminski
ist ein bisschen wie eine kleine Familie,
und viele Uni-interne Events helfen, diese
Atmosphäre aufrechtzuerhalten.
ist hier kein Problem da so gut wie alle
Filme in Originalsprache mit polnischen
Untertiteln gezeigt werden. Ansonsten
finden auch mehrmals im Monat von der
Uni organisierte Events statt, wie Karaoke,
Partys oder Schlittschuhfahren.
Die Warschauer Altstadt ist geprägt von historischen Bauten, in der Mieke Westerhaus
Was gefällt Ihnen besonders gut an der
Stadt?
nach der Uni oft spazieren geht
In welcher Sprache wird unterrichtet?
MW: Vorlesungen finden sowohl auf
Englisch als auch auf Polnisch statt. Da
die Uni allerdings davon ausgeht, dass
die Mehrzahl der Erasmus-Studierenden
kein Polnisch spricht, gibt es ein großes
Angebot an englischsprachigen Kursen.
Außerdem besteht die Möglichkeit, als
Bachelor-Studentin auch Master-Kurse
zu wählen, was die Auswahl nochmal um
einiges vergrößert.
Haben Sie bisher kulturelle Unter­
schiede bemerkt?
MW: Meiner Meinung nach unterscheiden sich die polnischen Studierenden in
meinem Alter recht wenig von den deutschen. Bei den älteren Generationen ist
mir allerdings eine ausgeprägte Höflichkeit
und ein recht konservatives, traditionelles
Denken aufgefallen. Ansonsten muss ich
sagen, dass sich Warschau als Hauptstadt
sehr westlich entwickelt hat und die kulturellen Unterschiede hier sicher weitaus
weniger ausgeprägt sind als auf dem Land.
Was machen Sie in Ihrer Freizeit?
MW: In Warschau gibt es jede Menge
zu sehen – neben den vielen Parks gibt es
auch zahlreiche spannende Museen, Clubs
und Bars sowie die besten Restaurants,
in denen ich je gegessen habe! Langweilig
wird es also nie. Und auch ins Kino gehen
MW: Ich mag einfach die Atmosphäre
und das gesamte Stadtbild. Warschau ist
geprägt von alten, architektonisch total
schönen Bauten, die Stadtspaziergänge nie langweilig machen. Außerdem
gefallen mir die Umbruchstimmung, die
Sprache, und die Lebhaftigkeit der Stadt.
Was raten Sie Studierenden, die einen
Auslandsaufenthalt planen?
MW: Ich denke, das Wichtigste ist einfach,
sich wirklich genau Gedanken darüber zu
machen, wo man sein Auslandssemester
machen möchte. Was bringt mich weiter,
sowohl sprachlich als auch beruflich? Welche Uni ist für mich die beste? Könnte ich
mich mit der Kultur schnell anfreunden?
Ansonsten ist eine frühe Planung sicher
generell ganz ratsam, um am Ende nicht
den Stress der Wohnungssuche vor Ort zu
haben. Also sobald Ihr die Zusagen habt,
fangt an zu organisieren!
Haben Sie schon Pläne für die Zeit nach
Ihrer Rückkehr?
MW: Zurück in Berlin fange ich mit
meinem Praktikum an. Nebenbei werde
ich weiter Polnisch lernen und hoffentlich bald wieder einen Abstecher nach
Warschau machen. Wenn alles klappt,
strebe ich danach einen Master und eine
Karriere als Projektmanagerin im PRund Eventbereich an.
Vielen Dank für das Gespräch.
42
Erfahren & Austauschen
SemesterJournal 1/15
SemesterJournal 1/15
Kurz & Knapp
43
Zentrale Frauenbeauftragte im Amt
bestätigt
Von Sylke Schumann
Teilnehmer/innen der deutsch-tunesischen Konferenz in Tunis thematisierten Theorie und Praxis öffentlich-privater Partnerschaften
Deutsch-tunesischer Austausch
Tunesien ist das einzige arabische Land, in dem der »Arabische Frühling« des Jahres 2011 einen bis heute andauernden Demokratisierungsprozess eingeleitet hat. Das Institut für Verwaltungsmodernisierung und Polizeireform in Mittel- und Osteuropa
(IMO) der HWR Berlin beteiligte sich mit einem fachbereichsübergreifenden Projekt zu öffentlich-privaten Partnerschaften an den
Maßnahmen zur Unterstützung dieser Entwicklung.
Von Hartmut Aden
Nach Jahrzehnten des politischen und
gesellschaftlichen Stillstands gehört die
Modernisierung der öffentlichen Infrastruktur zu den dringendsten Aufgaben
der demokratisch gewählten tunesischen Regierung. Ob und wie private
Unternehmen oder Nichtregierungsorganisationen in die Bewältigung dieser
Aufgaben einbezogen werden können,
ist daher in Tunesien derzeit eine ebenso aktuelle Frage wie in Deutschland.
In Tunesien wird dazu eine Neufassung
und Bündelung der gesetzlichen Regelungen diskutiert.
Das von Prof. Dr. Oesten Baller und
Mechthild Bonnen (IMO) organisierte
deutsch-tunesische Projekt brachte
im Herbst 2014 Wissenschaftler/innen
verschiedener tunesischer Universitäten (Universität Tunis-El-Manar, Tunis
Business School, Tunis Higher Institute
of Management der Universität Tunis)
und der HWR Berlin bei zwei Konferenzen in Berlin und in Tunis zusammen. Thematisiert wurden die Theorie
und Praxis öffentlich-privater Partnerschaften (Public Private Partnerships,
PPP). Auch ein Vertreter des tunesischen Ministeriums für Hochschulbildung und wissenschaftliche Forschung
nahm an beiden Konferenzen teil. Der
Deutsche Akademische Austauschdienst
(DAAD) förderte das Projekt.
Ende September 2014 fand am HWRCampus Lichtenberg die erste Konferenz statt, bei der die Teilnehmer/innen
kulturelle, ökonomische und rechtliche
Unterschiede und Parallelen sowie
Chancen und Risiken bei der Zusammenarbeit von öffentlichen und privaten
Akteuren in beiden Ländern diskutierten. Zur Veranschaulichung fanden
an zwei Tagen Exkursionen in Berlin
und Brandenburg statt (Neubau des
Bundesministeriums für Bildung und
Forschung, Brandenburger Landtag,
Charité Facility Management, SeeCampus Niederlausitz), um PPP-Projekte
vor Ort zu besichtigen und ihre jeweils
spezifische Konzeption zu diskutieren.
Anfang November 2014 reisten Professor/innen und Studierende der HWR
Berlin zur zweiten Konferenz nach
Tunis, um die Diskussion und Planung
weiterer Projekte zu vertiefen. Besonders interessiert zeigte sich die tunesische Delegation an den Erfahrungen der
HWR Berlin mit dualen Studienangeboten in Kooperation mit Unternehmen
und Behörden. Hierzu wird es möglicherweise ein Folgeprojekt geben.
Aus der HWR Berlin waren Professor/innen aus fast allen Fachbereichen
beteiligt. Hier zeigte sich, welche
Synergien das breite, in der HWR Berlin
vertretene fachliche Kompetenzspektrum ermöglicht.
Die Beiträge der Konferenzen werden in
der Schriftenreihe des IMO veröffentlicht.
Der Autor ist Professor für Öffentliches
■Recht
und Europarecht am Fachbereich
»Polizei und Sicherheitsmanagement«
der HWR Berlin.
Die HWR Berlin familienfreundlich
zu gestalten, von Studienordnungen
bis zum Arbeitsumfeld von Professor/innen und Mitarbeiter/innen, das ist
einer der Schwerpunkte der jüngst in
ihrem Amt bestätigten Zentralen Frauenbeauftragten der HWR Berlin, Viola
Philipp. Der Zentrale Frauenrat, dem
Vertreterinnen aller Statusgruppen und
Bereiche der Hochschule angehören,
hat Philipp einstimmig wiedergewählt.
Damit beginnt sie am 1. September 2015
ihre dann 5. Amtszeit. Aktuell arbeitet
sie gemeinsam mit ihrem Team u. a.
an den Vorbereitungen zum »audit
familiengerechte hochschule«. Das ist
ein strategisches Managementinstrument, um die Vereinbarkeit von Beruf /
Studium und Familie an der Hochschule
zu verbessern.
Viola Philipp, Zentrale Frauenbeauftragte der HWR Berlin
Vortragsreihe Gesundheitswesen
Von Silke Bustamante
Im Rahmen der Vortragsreihe »Herausforderungen in der Selbstverwaltung
des Gesundheitswesens« haben im März
und April 2015 hochrangige Vertreter/innen verschiedenster Akteure des
Selbstverwaltungswesens mit Studierenden des Bachelors »BWL/ Dienstleistungsmanagement« über Aufgaben und
Herausforderungen ihrer Organisationen diskutiert. So berichtete Dr. Ramin
Parsa-Parsi, Leiter Dezernat Internationale Angelegenheiten der Bundesärztekammer, über die Rolle der Gremien
der internationalen Ärzteschaft bei
ethischen Fragestellungen. Dr. HansJoachim Helming, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung,
ging auf Modelle der Sicherstellung der
ambulanten Versorgung in ländlichen
Bereichen ein. Im April 2015 problema-
Dr. med. Ramin Parsa-Parsi diskutiert über die ärztliche Selbstverwaltung in Deutschland
tisierte Holger Langkutsch, ständiges
Mitglied des Gemeinsamen Bundesau-
schusses, das Zusammenspiel von
Ökonomie und Solidarität.
44
Kurz & Knapp
SemesterJournal 1/15
Deutsch-französischer
Doppel­abschluss
SemesterJournal 1/15
Qualitätsoffensive Lehre: Fachtagung
»(An) Hochschulen lernen«
Jahrestagung der IAFFE zu »Gender
Equality in Challenging Times«
Französische Absolvent/innen bei der Verleihung der Zeugnisse im Folies Bergère Theater in
Paris
Rekord: Tag des dualen Studiums
Von Diana Jurgec
Mit 1 440 Studieninteressierten war der
diesjährige Tag des dualen Studiums die
bisher besucherstärkste Informations-
veranstaltung des Fachbereichs Duales
Studium. Rekordzahlen gab es auch bei
den Ausstellern der Campus-Messe:
Podiumsdiskussion »Zum dualen Bachelor – (k)ein Studium wie jedes andere?«
45
Termine
Von Barbara Halstenberg
Deutsche und französische Absolvent/innen des Wirtschaftsstudiengangs
»International Management / Management International« (DFS), der von der
HWR Berlin und der Ecole Supérieure
du Commerce Extérieur (ESCE) in Paris
angeboten wird, erhielten im Februar
2015 zwei Master-Abschlüsse und ein
Zertifikat der Deutsch-Französischen
Hochschule (DFH), die diesen Studiengang fördert. Der Präsident der HWR
Berlin, Prof. Dr. Bernd Reissert, und
Paul-Jacques Lehmann, Akademischer
Direktor der ESCE, überreichten den
Absolvent/innen in der deutschen
Botschaft und im Folies Bergère Theater
in Paris die Urkunden und Abschlusszeugnisse. Rund 200 Absolvent/innen
des binationalen Bachelor- und Masterprogramms, das seit 2002 angeboten
wird, haben inzwischen eine Karriere in
einem global agierenden Unternehmen
oder einer internationalen Organisation
aufgenommen.
Notieren & Weitersagen
86 kleine und namhafte Partnerunternehmen boten den Besucher/innen
die Möglichkeit, lebhaft zu erfahren,
welche Chancen und Karrierewege ein
duales Studium eröffnen kann. Zum
Auftakt der Veranstaltung stellte Dr.
Volker Meyer-Guckel, stellvertretender
Generalsekretär des Stifterverbandes für
die Deutsche Wissenschaft e. V., die im
Rahmen des »Qualitätsnetzwerks Duales Studium« gewonnenen Erkenntnisse
für die Weiterentwicklung des dualen
Studiums vor.
Die Jahrestagung der International
Association for Feminist Economics
(IAFFE) wird in diesem Jahr an der
HWR Berlin ausgerichtet. Vom 16. bis
zum 18. Juli 2015 treffen sich internationale Wissenschaftler/innen, Vertreter/innen aus Wirtschaft und Politik sowie
andere Interessierte unter dem Leitthema »Gender Equality in Challenging
Times« zu einem interdisziplinären
Diskurs. Dabei geht es um den Einfluss
der Feministischen Ökonomie in Bezug
auf Wirtschaftskrisen, die Sparpolitik
in europäischen Ländern, die Transformation des Sozialstaates, Gesundheitspflege-Kostenkrise bzw. Pflegenotstand,
soziale Herausforderungen in Schwellenländern sowie Beschäftigung und
Migration weltweit.
Welchen Bildungsauftrag hat die
Hochschule des 21. Jahrhunderts? Zum
Schwerpunkt »(An) Hochschulen
lernen« findet am 5. November 2015
eine durch das Bundesministerium für
Bildung und Forschung unterstützte
überregionale Fachkonferenz im Rahmen des Programms Cultural Diversity
statt. In der kritischen Auseinandersetzung mit dem Bologna-Prozess
und seinen Folgen stehen dabei nicht
ausschließlich strukturelle Fragen der
Studienreform zur Diskussion. Im Zuge
der Globalisierung und der Entwicklung
der Wissensgesellschaft wurden die
Hochschulbildung und die akademische
Weiterbildung auch zunehmend international und interkulturell ausgerichtet.
Hochschulvertreter/innen und die interessierte Öffentlichkeit sind eingeladen,
über Employability, Bildungsauftrag
und lebenslanges Lernen zu diskutieren.
HWR Berlin Career Week
Unter dem Motto »Arbeitsplatz B
­ erlin /
Careers in Berlin« öffnet die HWR
Berlin vom 9. – 13. November am
Campus Schöneberg und am Campus
Lichtenberg ihre Türen. Die diesjährige
Karrierewoche setzt einen Fokus auf
die Digitalisierung der Arbeitswelt.
Dazu gibt es Vorträge, Workshops,
eine Podiumsdiskussion sowie einen
Bewerbungsunterlagen-Speedcheck,
Fotoshootings für Bewerbungsbilder
und andere Angebote zur Karriereplanung und -umsetzung. Die Career Week
richtet sich neben Studierenden auch an
Alumni der Hochschule.
9. – 13. November 2015
HWR Berlin, Campus Schöneberg
Badensche Str. 52, 10825 Berlin
Campus Lichtenberg,
Alt Friedrichsfelde 60, 10315 Berlin
Mehr Informationen unter
http://www.hwr-berlin.de/aktuelles/
termine-und-veranstaltungen/details/
international-association-for-feministeconomics/
Mehr Informationen unter
www.hwr-berlin.de/fileadmin/downloads_internet/aktuelles/kalender/2015/_
An__Hochschulen_lernen_save_the_
date.pdf
16. – 18. Juli 2015
HWR Berlin, Campus Schöneberg
Badensche Str. 52, 10825 Berlin
5. November 2015
HWR Berlin, Campus Lichtenberg,
Alt Friedrichsfelde 60, 10315 Berlin
Neu & Berufen
46
SemesterJournal 1/15
Neuberufungen
SemesterJournal 1/15
Neu & Berufen
47
Fachbereich 2 Duales Studium Wirtschaft • Technik
Prof. Dr. Michael Paarz – Professur für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere
Steuern und Wirtschaftsprüfung
Fachbereich 1 Wirtschaftswissenschaften
Prof. Dr. Reingard Zimmer – Professur für Arbeitsrecht
Reingard Zimmer promovierte nach
Abschluss des rechtswissenschaftlichen
Studiums an der Universität Bremen
zu sozialen Mindeststandards und
ihren Durchsetzungsmechanismen. Im
Anschluss an das zweite Staatsexamen
baute sie das Forschungsreferat Arbeitsund Sozialrecht im Wirtschafts- und
Sozialwissenschaftlichen Forschungsinstitut der Hans-Böckler-Stiftung auf,
bevor sie als Vertretungsprofessorin
an die Universität Hamburg wechselte.
Im Anschluss leitete Reingard Zimmer
das deutsche Vertragsbüro der Internationalen Transportarbeiterföderation
(ITF), mit Zuständigkeit für internationale Tarifverträge in der Seeschifffahrt.
Forschungsschwerpunkte sind prekäre
Beschäftigungsverhältnisse, kollektives
sowie europäisches und internationales Arbeitsrecht sowie zahlreiche
Forschungsprojekte zu transnationalen
Kollektivvereinbarungen.
Prof. Dr. Wojciech Stiller – Professur für Unternehmensbesteuerung
Wojciech Stiller studierte Volkswirtschaftslehre an der Europa-Universität
Viadrina in Frankfurt (Oder). Nach
dem Studium war er in einer Steuerkanzlei in Berlin tätig, wo er u. a. grenzüberschreitende Investitionsprojekte
betreute. Danach promovierte er an
der Universität Mannheim im Bereich
der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre. Neben der Universität Mannheim
unterrichtete Wojciech Stiller Unternehmensbesteuerung und Rechnungswesen
an der Warsaw School of Economics,
Poznań University of Economics,
University of Economics in Katowice
sowie an der DHBW Mannheim. In der
Forschung befasst er sich mit der Steuerplanung und Steuerwirkung. Seine
Publikationen erscheinen in praxisbezogenen sowie in wissenschaftlichen Zeitschriften. Wojciech Stiller hält Vorträge
zur internationalen Besteuerung und
berät Unternehmen. Nach seiner Gastprofessur an der HWR Berlin hat er seit
Januar 2015 die Professur für Unternehmensbesteuerung inne.
Michael Paarz studierte an der GeorgAugust-Universität Göttingen sowie der
National University of Ireland, Galway.
Nach dem Studium war er Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl
für Rechnungslegung und Prüfungswesen bei Prof. Dr. Lothar Schruff
in Göttingen und promovierte zum
Thema »Investororientierte Bankrechnungslegung nach IFRS«. Im Anschluss
wechselte er zu einer großen internatio-
nalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft,
wo er zuletzt als Prokurist im AdvisoryBereich arbeitete. Michael Paarz ist als
Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in
eigener Kanzlei tätig. Er hat zahlreiche
Veröffentlichungen auf dem Gebiet der
Rechnungslegung nach (International
Financial Reporting Standards) IFRS
verfasst. Bereits seit 2014 war Michael Paarz Gastprofessor an der HWR
Berlin.
Prof. Dr. Regina M. Baumgärtner – Professur für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und
Marketing, insbesondere Tourismusbetriebswirtschaft
Regina M. Baumgärtner startete ihr
Berufsleben dual, mit einer kaufmännischen Lehre in einem internationalen,
rheinlandpfälzischen Weinkonzern.
Nach Stationen im Frankfurter Versicherungswesen und Banking folgte
mehrjähriges Arbeiten in den USA und
ein weiteres Jahr in Japan. Nach ihrem
Studium der Wirtschaftswissenschaften
in Hamburg und den USA promovierte
sie mit einem Dualen-Begabtenstipendium an der Leuphana Universität
in Lüneburg im strategischen Tourismusmanagement sowie praktischer
Tourismuslehre an der Fachhochschule
Westküste in Heide. Nach mehrjähriger
Managementerfahrung im internationalen Werbe- und Marketinggeschäft folgte der Wechsel zu Beratung,
Training und Coaching. Seit 2008 ist
Regina M. Baumgärtner in der nationalen wie internationalen Tourismuslehre
in Deutschland, in Vietnam und in
Großbritannien tätig.
Fachbereich 5 Polizei und Sicherheitsmanagement
Prof. Dr. Jana-Cordelia Petzold – Gastprofessur Verwaltungsinformatik, insbesondere eGovernment
Jana-Cordelia Petzold war nach ihrem
Studium an der Fachhochschule für
öffentliche Verwaltung des Landes
Brandenburg in Bernau mehrere Jahre
als Polizeikommissarin im Stabsbereich
in der Einsatzplanung in Frankfurt
(Oder) tätig. Danach folgte das Studium
der Informations- und Medientechnik sowie der World Heritage Studies
in Cottbus. Anschließend war sie als
Projektmanagerin für die PrinzMedien
Holding Berlin tätig und gründete 2008
die Kommunikationsagentur AtalanteMedien. 2009 erfolgte die Promotion
zur »Analyse und Modellierung objektgebundener Datenflüsse in Wertschöpfungsketten« zur RFID-Technologie.
Es folgten Beratungs- und Lehraufträge
in den Fachgebieten Kommunikation,
Medien, Kultur und Gesellschaft.
48
Nachrufe
SemesterJournal 1/15
SemesterJournal 1/15
Erschienen & Gelesen
49
Publikationen
Nachruf
Prof. Dr. iur. Peter Doll
Am 17. Oktober 2014 verstarb der ehemalige Rektor der Fachhochschule für
Verwaltung und Rechtspflege (FHVR)
Berlin, die inzwischen zur Hochschule
für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin
gehört. Prof. Dr. Peter Doll war von
1973 bis 1978 Rektor der FHVR Berlin.
In seine Amtszeit fiel 1974 die Einrichtung eines dritten Fachbereichs an der
FHVR Berlin, an dem Studierende des
gehobenen Polizeivollzugsdienstes des
Landes Berlin aufgenommen wurden.
Die Mitglieder der Hochschule werden
Prof. Dr. Doll in dankbarer Erinnerung
behalten.
Sein unermüdlicher Einsatz galt dem
europäischen Gedanken und der
ständigen Verbesserung der Ausbildung
und Lehre in der öffentlichen Verwaltung.
Nachruf
Prof. Dr. iur. Albrecht Dehnhard
Am 13. Februar 2015 verstarb der ehemalige Rektor der Fachhochschule für
Verwaltung und Rechtspflege (FHVR)
Berlin, die inzwischen zur Hochschule
für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin
gehört. Prof. Dr. Albrecht Dehnhard
war von 1973 bis 2002 Professor für
Staatsrecht am Fachbereich Allgemeine
Verwaltung und leitete die FHVR Berlin
von 1981 bis 1986.
ein Denken außerhalb festgefahrener
Gleise gefordert hat.
Die Hochschule ehrt ihn als einen historisch wie sozial orientierten Rechtsprofessor, der auch von seinen Studierenden immer ein juristisch konsequentes
methodisches Vorgehen und zugleich
Die Mitglieder der Hochschule werden
Prof. Dr. Dehnhard in dankbarer Erinnerung behalten.
Internationale Organisationen
Distribution and Growth after Keynes
Einführung in die Wirtschaftsinformatik
Staatliche und nichtstaatliche
­Organisationen in der Weltpolitik
A Post-Keynesian Guide
Band 1: Verstehen des digitalen Zeitalters
Eckhard Hein
Edward Elgar Publishing 2014
576 Seiten, 175,83 Euro
ISBN: 978-1-78347-728-9
Claudia Lemke, Walter Brenner
Springer Gabler 2015
268 Seiten, 24,99 Euro
ISBN: 978-3-662-44064-3
This book offers an assessment of theories
of distribution and growth after Keynes
presenting an overview of the main contributions with a particular focus on the
development of post-Keynesian/Kaleckian models. It describes main approaches
towards distribution and growth including the contributions of Harrod and
Domar, old and new neoclassical theories
including the fundamental capital controversy critique, the post-Keynesian contributions of Kaldor, Pasinetti, Thirlwall and
Robinson, and finally the approaches by
Kalecki and Steindl. Neo- and post-Kaleckian models are gradually developed,
introducing saving from wages, international trade, technological progress,
interest and credit. Issues of ‘financialisation’ are explored and empirical results
related to the different models. The book
is designed for graduate programmes or
at the advanced undergraduate level, also
as supplementary reading for classes in
macroeconomics.
Die Informations- und Kommunikationstechnik ist heute ein allgegenwärtiger Teil
unseres privaten und geschäftlichen Lebens. Die tiefgreifende Veränderung von
Wirtschaft und Gesellschaft entspricht
den Auswirkungen der vergangenen
industriellen Revolution. Dieses Lehrbuch
bricht bewusst mit den traditionellen
Ausbildungskonzepten der Wirtschaftsinformatik. Aus dem Blickwinkel des Digital
Native werden die Wirkungsweisen der
Informations- und Kommunikationstechnik erklärt und durch Fallbeispiele und
Experteninterviews erläutert. Der Mensch
als privater und beruflicher Nutzer der
Informations- und Kommunikationstechnik steht im Mittelpunkt, nicht mehr
das Unternehmen. Das Lehrbuch enthält
Lernziele, Kontrollfragen und vertiefende Übungen. Im ersten Band steht
das Verstehen des digitalen Zeitalters
im Vordergrund. In Band 2 werden die
Grundlagen zum Gestalten des digitalen
Zeitalters beschrieben.
Florian Furtak
Springer VS 2015
460 Seiten, 39,99 Euro
Print-ISBN: 978-3-658-00176-6
Online-ISBN: 978-3-658-00177-3
Dieses Lehrbuch gibt Dozentinnen und
Dozenten sowie insbesondere Studierenden eines sozial-, geistes- oder
rechtswissenschaftlichen Studiums einen
detaillierten Einblick in das Thema
internationale Organisationen. Das Buch
stellt Entstehung und Entwicklung, Ziele
und Grundsätze, Organisationsstruktur
und Finanzierung sowie Aktionsfelder
von neun staatlichen Organisationen
(UNO, AU, ASEAN, EU, OAS, Europarat, NATO, OSZE, WTO) sowie
acht nichtstaatlichen internationalen
Organisationen (Amnesty International, Human Rights Watch, Greenpeace,
WWF, IKRK, Ärzte ohne Grenzen,
CARE International, Oxfam) fundiert,
übersichtlich und verständlich dar. Der
Band eignet sich als Nachschlagewerk,
zur Vorbereitung auf Referate und Prüfungen sowie als Grundlage für Hausarbeiten und Abschlussarbeiten.
50
Erschienen & Gelesen
Markenaudit für Kulturinstitutionen
Die auszehrende Organisation
Business-to-business
Ganzheitliches Tool zur Analyse und
­Professionalisierung der Markenführung
im Kultursektor
Leistung und Gesundheit in einer
­anspruchsvollen Arbeitswelt
A global Network Perspective
Carsten Baumgarth, Marina Kaluza,
Nicole Lohrisch
Springer VS 2014
133 Seiten, 19,99 Euro
Print-ISBN: 978-3-658-01645-6
Ein »Markenaudit für Kulturinstitutionen« kann dazu beitragen, die Professionalität der Markenführung von Kulturinstitutionen nachhaltig zu verbessern
und dadurch auf dem Besuchermarkt
erfolgreicher zu sein. Dazu präsentiert
das Buch neben den Grundlagen zur
Markenführung im Kultursektor und
zu Markenaudits das Tool MAK. Dieses
beurteilt ganzheitlich mit Hilfe von 83
Indikatoren die Marke einer Kulturinstitution. Das Buch beschreibt das
zugrundeliegende Markenmodell (inkl.
15 Best-Practices) sowie alle für die
praktische Durchführung des MAKs
notwendigen Schritte. Die Darstellung
der methodischen Qualität des MAKs
sowie eines verkürzten Ansatzes zur
Selbstevaluation der eigenen Marke
runden das Buch ab.
Dietrich von der Oelsnitz, Frank Schirmer,
Kerstin Wüstner (Hrsg.)
Springer Gabler 2014
330 Seiten, 44,99 Euro
Print-ISBN: 978-3-658-05306-2
Online-ISBN: 978-3-658-05307-9
Das Buch bietet einen vernetzten Blick,
nicht nur auf die beruflichen, sondern
auch auf die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen heutiger Arbeitsprozesse
und untersucht diese auf ihre potenziell
auszehrende Wirkung. Renommierte
Wissenschaftler/innen und Praktiker/innen mit umfassender Erfahrung in
ihren jeweiligen Spezialgebieten beleuchten die betrieblich-institutionellen
Funktionsweisen, Praktiken und Bedingungen moderner Organisationen aus
betriebswirtschaftlicher, soziologischer
und psychologischer Sicht. Die daraus
resultierende Analyse der »erschöpfenden« bzw. »auszehrenden« Organisation ergänzt die aktuelle Diskussion des
Burnout-Syndroms, die das Phänomen
tendenziell eher aus individueller,
medizinisch-pathologischer Perspektive
betrachtet, um eine wichtige systemische Perspektive. Deutlich werden
zudem präventive und kurative Ansatzpunkte herausgearbeitet.
SemesterJournal 1/15
Mario Glowik, Sarah Maria Bruhs
Routledge 2014
296 Seiten, 132,72 Euro
ISBN: 9780415740876
Contemporary business-to-business
(B2B) industries consist of networks
of customers, competitors and other
stakeholders. Firms which manage
their relationships with these important
stakeholders are more likely to enjoy a
sustained competitive advantage in the
international business environment.
This book is the first to provide a comprehensive overview of the field from a
broad and accessible perspective. The
authors bring an authoritative, scholarly
understanding to the subject, taking
readers through the entire process of
creating, developing and maintaining
B2B networks. Case studies illustrating
each chapter include: Apple, Panasonic, Johnson & Johnson, Epson and
Samsung. In providing a single and
explicit established academic framework
for understanding business networks
in a global setting, this book is vital
reading for students and researchers involved with international management,
international marketing and strategic
management.
SemesterJournal 1/15
Erschienen & Gelesen
Police Cooperation in the European
Union under the Treaty of Lisbon
Die Vielfalt der Selbständigkeit
Opportunities and Limitations
Hartmut Aden (Hrsg.)
Nomos Verlag 2015
266 Seiten, 54 Euro
ISBN 978-3-8487-0843-7
Durch den EU-Reformvertrag von
Lissabon wurde die gemeinsame Justizund Innenpolitik, die zuvor Gegenstand
der Regierungszusammenarbeit war,
Ende 2009 voll in die Europäische Union integriert. Das Buch geht auf eine internationale Konferenz zurück, die 2013
an der HWR Berlin, Campus Lichtenberg stattfand. Die Beiträge gehen den
Fragen nach, was sich unter den neuen
politisch-institutionellen Rahmenbedingungen für die Polizeizusammenarbeit
in Europa geändert hat und welche Probleme fortbestehen. Welche praktischen
Auswirkungen haben die neuen Regeln
des Vertrages von Lissabon? Kann das
Europäische Parlament seinen formal
gewachsenen Einfluss nutzen? Welche
Rolle spielen Menschenrechte und
Datenschutz? Die Beiträge analysieren
Kontinuität und Wandel der Polizeikooperation in der EU aus den Perspektiven von Politik, Recht und Praxis. Das
Buch enthält Beiträge von Fachleuten
aus Wissenschaft, Politik, Polizei und
Datenschutzbehörden.
51
Sozialwissenschaftliche Beiträge zu einer
Erwerbsform im Wandel
Claudia Gather, Ingrid Biermann, Lena
Schürmann, Susan Ulbricht, Heinz Zipprian (Hg.)
Edition sigma 2014
331 Seiten, 19,90 Euro
ISBN 978-3-89404-799-3
In der Forschung über Selbständigkeit
und Existenzgründungen dominieren
bislang vor allem betriebswirtschaftliche
Perspektiven. Sehr viel seltener stehen
sozialwissenschaftliche Zugänge im
Zentrum – obwohl die Selbständigkeit
eine Vielzahl von Problemen aufwirft,
die im Fokus der Sozialwissenschaften
stehen: Aspekte der Vereinbarkeit von
Beruf und Familie, der Work-LifeBalance und der sozialen Sicherung
sind hier in besonderer Weise berührt,
ebenso Fragen nach Geschlechterdifferenzen im Gründungsgeschehen sowie
bei Branchen- und Einkommensentwicklungen. Nicht zuletzt stellt der Start
in die Selbständigkeit meist einen tiefen
biografischen Einschnitt dar, der die Lebenslauf- und Berufsverlaufsforschung
herausfordert. Dieser Band zielt darauf
ab, einer sozialwissenschaftlichen Selbständigkeitsforschung neue Impulse zu
verleihen, indem er eine breite Auswahl
von Themen, theoretischen und empirischen Zugängen, auch historischen und
internationalen Perspektiven versammelt. Die Beiträge werfen dabei vor
allem auch Licht auf den tiefgreifenden
Wandel und die wachsende Heterogenität von Selbständigkeit, sichtbar zum
Beispiel in der Zunahme der Solo-Selbständigkeit und der Altersstreuung bei
Gründer/innen.
52
Meinen & Diskutieren
SemesterJournal 1/15
SemesterJournal 1/15
Meinen & Diskutieren
Nach jahrelangem Diskurs in Politik,
Wirtschaft und Zivilgesellschaft tritt
Deutschland nun also dem QuotenClub bei, nach dem Vorbild Spaniens,
Frankreichs, Belgiens und Norwegens.
Das war zweifelsohne ein großer Erfolg
für die Sozialdemokrat/innen, denn
viele Vertreter/innen der CDU/CSU
äußern Zweifel an der Wirksamkeit des
Gesetzes. Skeptiker/innen unken, dass
es kaum wesentliche Veränderungen in
der von Männern dominierten Führungswelt geben wird. Befürworter/innen dagegen sehen in dieser Vorgabe
einen wichtigen, längst überfälligen
Schritt hin zur Gleichstellung von
Mann und Frau. Kann eine Quote also
zu einer veränderten Kultur und einem
aufgeklärteren Rollenverständnis
führen?
hinkt der Entwicklung sehenden Auges
hinterher und tut sich damit keinen
Gefallen.
Klassische Denkmuster durchbrechen
Die Griechin Stylia Kampani hat in ihrer Heimat Internationale Beziehungen studiert und ein Erasmus-Jahr lang an der Universität Bremen.
Sie absolvierte ein Praktikum im Athener Außenministerium und arbeitete für die griechische Botschaft in Berlin. Jetzt macht die EuropaEnthusiastin ihren Master an der HWR Berlin.
Ja, wir brauchen die Frauenquote
Sind nicht längst alle Voraussetzungen für völlige Gleichberechtigung geschaffen? Theoretisch ja, praktisch nein.
Formale Barrieren sind beseitigt, Gleichheit damit aber noch längst nicht hergestellt.
Von Stylia Kampani
Vor einem halben Jahr veröffentlichten Bundesfrauenministerin Manuela
Schwesig und Bundesjustizminister
Heiko Maas ihren gemeinsamen Entwurf zur Einführung der gesetzlichen
Frauenquote in Aufsichtsräten. Ab 2016
müssen, so hat es der Bundestag inzwi-
schen mit großer Mehrheit beschlossen,
mindestens 30 Prozent der Mitglieder
dieses Gremiums in den mehr als 100
großen börsennotierten Unternehmen
weiblich sein. Ansonsten bleiben die
Stühle leer, dürfen nicht mit Männern
besetzt werden. Weitere rund 3 500 klei-
nere, aber ebenfalls mitbestimmungspflichtige Unternehmen sollen sich
selbst eine verbindliche Quote setzen,
um den Frauenanteil in Führungsposition zu erhöhen.
Oft hören wir, dass sich Frauen aufgrund ihrer biologischen Rolle weniger
auf Karriere konzentrieren können oder
wollen. Wer so argumentiert, kommt
in hoch entwickelten kapitalistischen
Gesellschaften in ernste Erklärungsnot.
Mutterschaft kann heute durch die aktivere Rolle der Väter bei der Kinderbetreuung und mit staatlicher Hilfe auch
neben der Berufstätigkeit gut organisiert
werden. Die Erziehungszeit, zunehmend
zwischen beiden Eltern aufgeteilt, ist
nur ein Beispiel dafür. Männer und
Frauen agieren auch privat stärker
auf Augenhöhe. Doch die Wirtschaft
Der schwedische Ministerpräsident
Stefan Löfven unterstreicht diese These:
»Eine männliche Atmosphäre schafft
mehr Risiko und ein höheres Risiko von
Korruption.« Studien belegen, dass die
Geschlechtervielfalt für Unternehmen
von Vorteil ist. Durch einen gemischten
Vorstand erhöhen Unternehmen ihre
finanzielle Leistungsfähigkeit sowie
ihr Innovationspotential und erzielen bessere Gruppenergebnisse. Es ist
belegt, dass die von Männern dominierte Kultur in den oberen Rängen der
Banken- und Geschäftswelt Ghettos
einer Denkstruktur sind, die übermäßige Risikobereitschaft fördert, oft mit
fatalen Folgen für die Allgemeinheit.
Keine gerechte Gesellschaft ohne echte
Gleichberechtigung
Es braucht die »Gleichheit der Folge«,
eine wirkliche Synchronisierung der
Chancen und Bedingungen für Männer und Frauen in der Berufswelt.
Unmittelbare Diskriminierung und ein
komplexes Verhaltensmuster versteckter
Barrieren verhindert Frauen auf Chefposten. Nach wie vor kommt Frauen
eine dreifache Rolle in der Gesellschaft
zu: die reproduktive (Mutterschaft und
Haushalt), die produktive (Arbeit) und
die aktive Beteiligung an der Gemeinschaft. Es gilt, diese Muster in unserem
53
Verhalten und Denken zu durchbrechen. Das braucht den Einsatz von
Männer und Frauen im Alltag, nicht nur
Diktate des Gesetzgebers. Die Quote
und ähnliche Regulierungen sind Mittel,
um Gleichstellung formal messen zu
können. Gleichheit kann jedoch nicht
durch formale Gleichbehandlung allein
erreicht werden.
Quoten dürfen nicht nur von oben
verordnet, sondern müssen getragen
werden durch Graswurzel-Mobilisierung und die aktive und organisierte
Beteiligung von Frauen in allen Bereichen. Quoten allein können nicht alle
Hindernisse beseitigen, aber sie senden
ein wichtiges Signal an Wirtschaft und
Gesellschaft: Frauen und Männer sind
Partner/innen auf Augenhöhe!
Die Autorin studiert an der HWR
■Berlin
und ist Mitglied bei den Young
European Federalists – einem Verein, der
sich für ein enger zusammenwachsendes
Europa einsetzt.
Impressum
Herausgeber
Bildnachweise
Hochschule für
Wirtschaft und Recht Berlin
Der Präsident
Badensche Straße 52
10825 Berlin
Titel Poo, Shutterstock.com
Seite 3
Dr. Cordia
­Schlegelmilch
Seite 6, 7 Polizei Berlin
Seite 8, 9Sylke Schumann,
Christian Kretke,
Christine Beier
Seite 10
DGB/Simone
M. Neumann
Seite 11, 15,
17, 21, 25, 28,
29, 34, 37, 43, 45 Sylke Schumann
Seite 13
Stephanie
Hackels­berger,
Ilka Teermann
Seite 14Dirk Meissner
Seite 19
Rawpixel,
Shutterstock.com
Seite 22Pamela Stenzel
Seite 23Antonia Bello
Seite 24IMB Berlin
Seite 26
Projekt MINT4
HWR Berlin
Seite 27
HWR Berlin,
Sylke Schumann
Seite 30
Kevin Schlenker
Seite 31Juliane Schmidt
Seite 32
Diana Deutzer,
DTK GmbH
Seite 33andel´s Hotel Berlin
Seite 35Usien
Seite 36
Schwulenberatung
Berlin
Seite 39André Nitze
Seite 40
Prof. Dr. Silke
Bustamante
Seite 41Mieke Westerhaus
Seite 42 IMO der HWR Berlin
Seite 44DSF, Andreas Käppner
Seite 52Vincent Immanuel Herr
Redaktion
Sylke Schuman (verantwortlich),
Pressesprecherin HWR Berlin
Barbara Halstenberg, Freie Redakteurin
Layout und Satz
Meike Lorenz, Berlin
Druck
Das Druckteam, Berlin
Erscheinungsweise: halbjährlich,
Auflage: 2 800
Die nächste Ausgabe erscheint im
Dezember 2015
Redaktionsschluss: Oktober 2015
ISSN 0945-7933
Namentlich gekennzeichnete Beiträge stellen die Meinung der jeweiligen
Autorin bzw. des jeweiligen Autors dar.
Die Redaktion behält sich vor, eingereichte Texte sinnwahrend zu kürzen.
Der Nachdruck von Texten ist bei der
Redaktion zu erfragen.