Point of View

I s s u e 3 – D e z e m b e r 20 1 5
P o in t o f V ie w
R e t a il & C o n s u m e r P r o d u c t s
D ie Z u k u n f t
d e r S t o re s
Wie der stationäre Handel im
I nternetzeitalter überleben kann
L ie b e L e s e r in n e n , lie b e L e s e r,
v iele Ex perten glauben, das letzte Stündlein des stationären Handels
habe bereits geschlagen. D och v on einem Ende kann keine R ede
sein, dafür sind die C hancen der klassischen Stores einfach zu groß .
I ch mö chte deshalb lieber v on einem Weckruf sprechen.
L esen Sie in der aktuellen A usgabe unserer Verö ffentlichungsreihe
P oint of View, wie Handel und K onsumwirtschaft in eine erfolgreiche
Z ukunft starten und dabei auch v on den einstigen Stärken unserer
guten alten ante E
a profitieren nnen
I ch wünsche I hnen eine gewinnbringende L ektüre!
I hr
Thomas Harms
R etail & C onsumer P roducts Sector L eader
Germany Switzerland A ustria, EY
V o n T a n t e E m m a le r n e n
D er stationäre Handel stirbt nicht aus, er ändert sich. Einkaufserlebnisse, persö nliche
Bindungen und O mnichannel- Strategien schaffen Z ukunftsperspektiv en.
itten i
e or er tadt iertel o o befindet
sich ein bemerkenswertes M odegeschäft. A ls K unde
suche ich mir ein K leidungsstück aus, ob Hose, K leid
oder M antel. I n der U mkleidekabine erscheint das
Stück im Spiegel in allen v erfügbaren Grö ß en und
F arben. P er K lick erfährt der Verkäufer auf seinem
Tablet v om K undenwunsch, er liefert und berät. D as
Spieglein an der Wand simuliert derweil Tag- und
N achtsituationen, ob im Büro, drauß en oder im C lub,
und schlägt tex tile K ombinationen v or.
Wie altertümlich mutet dagegen das klassische Hoseneinkaufserlebnis an. M an probiert in der K abine ein
schlecht sitzendes Beinkleid an, läuft auf Socken
durchs esch t, u eine er u erin u finden,
während in der Z wischenzeit die Wertsachen unbeaufsichtigt herumliegen. Z wischen beiden Szenen
liegen Welten, und es scheint klar, welche stationäre
Verkaufsform dav on im I nternetzeitalter die besseren
Ü berlebenschancen hat.
L ustlosigkeit in v ielen klassischen L äden hinter sich
lässt. Er stemmt sich einfallsreich gegen das boomende
O nlinegeschäft und hat gute C hancen, einem M assensterben der F ilialen wie etwa im Banksektor zu entgehen. D ort haben v iele K reditinstitute ihre O nlineaktiv itäten zwar v orangetrieben, ihr F ilialnetz aber durch
weniger Standorte, weniger Serv ice und ein – zumindest gefühlt – schlechteres P ersonal entwertet und
sich unterm Strich selbst massiv geschadet.
F ür die nächsten J ahre rechnen wir mit einer regelrechten E plosion der digital beeinflussten onsu
güterkäufe. A llein bei L ebensmitteln dürfte dieser
A nteil bis 2 0 2 0 auf 2 0 P rozent ansteigen, wie wir im
R ahmen einer E Y - S t u d ie mit über tausend K onsumenten ermittelt haben. D er stationäre Handel hat in den
nächsten J ahren aber v iel bessere C hancen, sich
an upassen und stellen eise neu u erfinden, als in
den zurückliegenden J ahren, als „ brick and mortar“
gerade bei Elektronik und Büchern massenhaft U msatz
an das I nternet v erlor.
D er stationäre Shop mit P erspektiv e bietet ein Einkaufserlebnis, das die A nony mität, Sterilität und
D a s C r o s s - C h a n n e l- S p ie lf e ld v e r g r ö ß e r t s ic h
A uch der L ebensmittelhandel geht neue Wege
Entwicklung der Umsätze
im deutschen Lebensmittelhandel
1 7 5 M r d . €*
20 0 M r d . €*
6,0 %
0,3 %
20 %
10 %
93,7 %
70 %
G eh en S ie dav on aus, dass S ie spez iell L eb ensmittel
zukünftig häufiger im Internet kaufen?
Ja, in 2 Jahren
Ja, in 5 Jahren
Nein
2013
2020
C ross- C hannel- U msatz
D igitaler Einkanalumsatz
Stationärer Einkanalumsatz
Q u el l e: U m s ä t z e im L eb ens m it t el hand el ; P l anet R et ail 2013
M ark t ant eil e E Y - B erec hnu ng
Q u el l e: E Y - U m f rag e
23 %
1 3%
64 %
I n Wohlstandsgesellschaften, in denen beim Einkauf
der P reis nicht die alles dominierende R olle spielt,
steigt das Bedürfnis nach persö nlichen Einkaufserlebnissen. D ieses Bedürfnis zu erkennen und zu
befriedigen wird zur Ü berlebens- und Wachstumsstrategie des Handels und der K onsumgüterwirtschaft.
D as gilt v or allem für das stationäre Geschäft, aber
auch für originäre O nliner. L etztere kö nnen sich durch
den A ufbau eines stationären Standbeins breiter aufstellen und die Vorzüge beider Vertriebskanäle kombinieren. F ür die U nternehmensstrategen heiß t dies,
nicht tunnelartig in einzelnen K anälen zu denken,
sondern übergreifend ihre C hancen auszuloten und
ein v ernetztes O mnichannel- K onzept zu entwickeln.
D er stationäre Handel stirbt nicht aus, er ändert sich.
I n v ielen F ällen wird er kompakter, insbesondere in
teuren I nnenstadtlagen. D er L ebensmitteleinzelhandel
beschränkt sich hier auf ein kleines, frischebetontes
Sortiment. Groß e Vollsortimenter dürfte es mehr in
R andlagen ziehen. Wie sehr dabei das Einkaufserlebnis eine R olle spielt, zeigt der Wandel bei den groß en
D iscountern, für die bisher der P reis als M aß aller
D inge galt. A ldi, L idl & C o setzen sich mittlerweile
mit ausladenden F rischetheken und duftenden Backregalen in Szene, ohne grundsätzlich v on ihrer discountty pischen Warenv orauswahl abzukehren. A ber
auch sie erkennen, dass das alte P rinzip des „ Tür auf,
K unde kauft und geht wieder“ nicht mehr so recht
funktioniert. D enn das kann das I nternet insbesondere
im N on- F ood- Bereich einfach besser.
I m I nternetzeitalter widerfährt dem heutigen stationären Handel q uasi das Gleiche, was v or einem halben
J ahrhundert mit Tante Emma geschah. D eren Schicksal besiegelten damals SB- M ärkte und Einkaufszentren,
indem sie ein v iel grö ß eres Sortiment zu niedrigeren
P reisen samt kostenlosen P arkplätzen anboten.
A lle drei Vorteile macht heute das I nternet zunichte.
Bekanntlich wiederholt sich Geschichte nur als F arce.
I n diesem F all geschieht dies mit einer gewissen I ronie,
denn die Z ukunft des stationären Handels liegt in einer
R ückbesinnung auf Tante Emmas Stärken.
Gemeint sind N ähe, eine fürsorgliche Vorauswahl
aus dem M eer an P rodukten, persö nliche Beratung,
Einpacken und bei Bedarf die L ieferung der Waren
nach Hause. Tante Emma kannte ihre K unden, ihre
Wünsche und Vorlieben, sie war für gewisse L ebenslagen eine wichtige A nlaufstelle. N ach ihrem A bleben
ging die persö nliche Bindung zwischen Händler und
Verbraucher v erloren. D ank Big D ata ist der heutige
Handel wieder in der L age, eine personalisierte Beziehung zum K onsumenten aufzubauen – und zumindest
Einblicke in dessen Einkaufsgewohnheiten zu gewinnen
und auf dieser Grundlage in einen kreativ en D ialog zu
treten.
Viele Verbraucher sind dankbar für digitale wie
auch lokale F ürsorge. Sie lassen sich gern beraten,
ob die M ango eher weich oder fest sein soll ( für Soß e
oder Salat) oder welches F leisch und welche Z utaten
das Grillv ergnügen steigern. O der sie freuen sich
über fachkundige Beratung bei der A nprobe im M odegeschäft.
F ühlen, riechen, schmecken, an- und ausprobieren –
stationäre L äden bieten unschlagbare Vorteile gegenüber O nlinern. Sie müssen ihr räumliches A sset j edoch
als Entree in eine Erlebniswelt nutzen und K onsumenten in ihren Bann schlagen. Vor O rt lassen sich neue
P rodukte zudem besser einführen und K unden v erführen. U nd stationäre Shops kö nnen O nlinegeschäfte
festigen bzw. unterstützen, indem sie sich im Sinne
einer O mnichannel- Strategie als A uslieferungs- ,
A nprobe- oder R ückgabeorte zur Verfügung stellen.
I nteraktion schafft N ähe und Vertrauen. A us Vertrauen
lässt sich K apital schlagen – U S- Soziologen sprechen
bei trust auch v on social capital. Vertrauen ist aber
auch ein sensibles apital, das behutsa gepflegt
werden muss und nicht enttäuscht werden darf. F ür
den K onsumsektor gilt das ganz besonders. Ü berhö hte
P reise oder M ängel in der Q ualität sprechen sich in
Windeseile herum und schlagen sich in K aufv erweigerung nieder.
D ie interaktiv e K ommunikation endet im digitalen
Z eitalter niemals. Wir haben es mit einem continuously
connected consumer zu tun. A uf allen K anälen, im
Geschäft, im I nternet, in den Social M edia. C ustomer
L ifetime Value ist das neue Z auberwort, und v ieles
kreist in Z ukunft um R eichweitenv ermarktung.
M it totaler K ommunikation geht aber auch totale
Transparenz einher. D er K unde informiert sich, v ergleicht und lässt sich kaum hinters L icht führen. D er
P reisdruck für einfache, v ergleichbare M assenprodukte
hält an. F ür U nternehmen der K onsumgüterbranche,
aber auch für Einzelhändler heiß t das: Sie müssen
noch mehr eigene M arken aufbauen und mit einem
sachlichen oder e otionalen ehr ert aufladen ei
N ahrungsmitteln zum Beispiel sind es F rische, N atürlichkeit und ein Schuss R omantik, die v iele P rodukte
v om P reisdruck befreien ( ob Bio v om Heilig- K reuz- Hof,
Butter aus der N ormandie oder Eier v on freilaufenden
Hennen aus der N achbarschaft) .
L eitmärkte sind die groß en Städte in A sien und N ordamerika. D ort lässt sich am besten beobachten, welche
R olle die alten „ brick and mortar“ - Geschäfte künftig
spielen, wo O nline dominiert und welche „ brick and
click“ - Strategien Erfolg v ersprechen. A uf allen Z ukunftsr ten ist E fl chendec end ertreten und bereit,
den Shop der Z ukunft mitzugestalten.
D ie Z u k u n f t d e s s t a t io n ä r e n H a n d e ls
Was schätzen K unden am „ brick and mortar store“ ?
38 %
42 %
43 %
56 %
der Befragten gaben an,
auf die ansprechende
Gestaltung eines Stores
Wert zu legen
der Befragten bestätigen,
dass das Verkaufspersonal
im stationären Handel
eine Hilfestellung bei der
Entscheidungsfindung darstellt
der Befragten werden bei der
Wahl des Einzelhändlers dadurch
beeinflusst, ob die Ansprache
personalisiert und auf ihre
Bedürfnisse zugeschnitten ist
der Befragten schätzen den
Einsatz moderner Technologien
auch im stationären Einzelhandel
Q u el l e: P l anet R et ail , T he R et ail B u s ines s M o d el o f t he F u t u re. A d ap t ing t o t he c hang ing g l o b al s ho p p er. S ep t em b er 2015.
A nz ahl d er B ef rag t en: 13. 500 w el t w eit
E Y
| A ssurance | Tax | Transactions | A dv isory
D ie g l o b al e E Y - O rg anis at io n im Ü b erb l ic k
D ie globale EY - O rganisation ist einer der M arktführer in der Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung,
Transaktionsberatung und M anagementberatung.
M it unserer Erfahrung, unserem Wissen und
unseren L eistungen stärken wir weltweit das Vertrauen in die Wirtschaft und die F inanzmärkte.
D afür sind wir bestens gerüstet: mit herv orragend
ausgebildeten M itarbeitern, starken Teams, ex zellenten L eistungen und einem sprichwö rtlichen
K undenserv ice. U nser Z iel ist es, D inge v oranzubringen und entscheidend besser zu machen –
für unsere M itarbeiter, unsere M andanten und
die Gesellschaft, in der wir leben. D afür steht
unser weltweiter A nspruch „ Building a better
working world“ .
Ih r A n s p re c h p a r t n e r
D ie globale EY - O rganisation besteht aus den
M itgliedsunternehmen v on Ernst & Y oung Global
L imited ( EY G) . J edes EY G- M itgliedsunternehmen
ist rechtlich selbstständig und unabhängig und
haftet nicht für das Handeln und U nterlassen
der j eweils anderen M itgliedsunternehmen.
Ernst & Y oung Global L imited ist eine Gesellschaft
mit beschränkter Haftung nach englischem
R echt und erbringt keine L eistungen für M andanten eitere n or ationen finden ie unter
www. ey . com.
T h o m a s H a r m s
R etail & C onsumer P roducts Sector L eader
Germany Switzerland A ustria, EY
Telefon + 4 9 2 1 1 9 3 5 2 1 8 5 0 2
thomas. harms@ de. ey . com
B r ic k a n d c lic k !
I n D eutschland ist EY an 2 2 Standorten präsent.
„ EY “ und „ wir“ beziehen sich in dieser P ublikation auf alle deutschen M itgliedsunternehmen
v on Ernst & Y oung Global L imited.
A uf ein Wunder à la L azarus, den J esus auf Z uruf wieder ins L eben
holte, darf der stationäre Handel nicht hoffen. Statt abzuwarten und
der guten alten Z eit nachzutrauern, ist radikales U mdenken
gefordert.
N och kann der klassische Handel auf die groß en Vorteile seines
N etzwerks v on L äden v or O rt bauen. Er muss aber die R olle( n) der
tores neu und lar definieren Er uss den onsu enten ein Einkaufserlebnis v erschaffen, das O nliner naturgemäß nicht bieten
kö nnen. Er kann die v ernetzten Bürger rund um die U hr begleiten,
indem er sich zusätzlich der O nlinev orzüge bemächtigt und sie in
eine O mnichannel- Strategie einbindet.
©
2 0 1 5 Ernst & Y oung GmbH
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
A ll R ights R eserv ed.
SK N 1 5 1 1 - 1 6 2
ED N one
Titelbild: „ The I nspiration Store“
mit freundlicher Genehmigung v on
eBay D eutschland
Selbst A mazon- Gründer J eff Bezos, der alteingesessenen Einzelhändlern bis heute den Schweiß auf die Stirn treibt, erkennt inzwischen die C hancen v on „ brick and mortar“ und erö ffnete in Seattle
eine Buchhandlung mit hö lzernen R egalen, Sitzgelegenheiten und
direkt ansprechbaren M itarbeitern.
D as R ennen um die Z ukunft des Handels ist noch längst nicht gelaufen, es wird j etzt erst richtig spannend. I ch würde mich freuen, wenn
ich Sie zusammen mit unserem R etail & C onsumer P roducts Team
v on EY begleiten und coachen darf.
I hr Thomas Harms
D iese P ublikation ist lediglich als allgemeine, unv erbindliche
I nformation gedacht und kann daher nicht als Ersatz für eine
detaillierte R echerche oder eine fachkundige Beratung oder
A uskunft dienen. O bwohl sie mit grö ß tmö glicher Sorgfalt erstellt
wurde, besteht kein A nspruch auf sachliche R ichtigkeit, Vollständigkeit und/ oder A ktualität; insbesondere kann diese P ublikation nicht den besonderen U mständen des Einzelfalls R echnung
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w w w . d e. ey . c o m