Tax & Law Magazine 02/2015

02 / 2015
Pensionszusagen
Energie-Audit
Altersverpflichtungen entwickeln sich zu gewaltigen
Risiken. Doch Unternehmen können ihre Zusagen
kalkulierbar gestalten.
Brüssel verlangt strenge Maß­nahmen zur Effizienz­
steigerung. Für international aufgestellte Konzerne
wird es schwierig.
Tax Compliance
Health Check
Schon beim Betriebsausflug können CFOs ihr
blaues Wunder erleben, denn die Lohnsteuer
steckt voller Tücken. Der Fehler liegt oftmals
im System.
Göttin Justitia
in ihren schönsten
Ansichten.
Kreml
Basilius-Kathedrale
„Jesus der Erlöser“-Kathedrale
Schokoladenfabrik „Roter Oktober“
EY Moskau
Lomonossow-Universität
Paveletskaya
EY in Moskau
• Auf Seite 56 finden Sie einen Rundgang mit Tobias Luepke.
Türme aus rotem Gold
EY
Mitarbeiter
in Moskau
2.672
TAX
541
Advisory
675
Assurance
Transaction
1.129
327
Hier leben die meisten US-Dollar-Milliardäre Europas (85), weltweit übertroffen nur durch New York (103). Wenige Kilometer vom Kreml entfernt befindet sich Europas größte Baustelle. Mit „Moscow City“ entsteht ein ganzes Viertel auf insgesamt 2,5 Millionen Quadratmetern.
Die russische Zentralbank hat seit 2005 ihren Goldbestand auf 1.238 Tonnen verdreifacht
und nimmt weltweit Platz fünf ein.
Zwei Drittel aller ausländischen Investitionen fließen in die Hauptstadt.
Rund 25 Prozent des russischen Bruttoinlandprodukts werden in Moskau und der Region erwirtschaftet.
2
EY TAX & LAW Magazine 01 / 2015
Liebe Leserinnen,
liebe Leser,
manche Fehler passieren direkt vor unseren Augen. Wir bemerken
sie nicht, weil sie schon immer da sind. Solche Fälle betreffen
auch die verschiedenen Steuerarten. Ich meine an dieser Stelle
konkret die Lohnsteuer.
Vielen Unternehmen unterlaufen im Umgang mit der Lohnsteuer Arbeits­
fehler, wie meine Kollegen Ija Ramirez, Dr. Marcus G
­ euenich und Karl Wirth
in der Top Story dieser Ausgabe anschaulich darstellen. Mal werden Scheinselbstständige nicht als solche erkannt, mal hapert es mit der korrekten
Versteuerung von Vergütungen oder Betriebsveranstaltungen, und auch im
Umgang mit Auslandsaufenthalten ist so manche Hürde zu überwinden.
Oft ­stecken systemtechnische oder prozessuale Versehen dahinter, was auch
mit der verbreiteten Tradi­tion zusammenhängt, dass die Personalabteilung
die Lohnsteuer abwickelt. Ein Tax Compliance Health Check kann für Ordnung
und Sicherheit sorgen.
Ein anderes Schwerpunktthema ist die Energie-Audit. Brüssel verschärft einmal
mehr die Vorschriften zum Energiemanagement, doch jedes Land kann seine
eigenen Akzente setzen. Das sich abzeichnende nationale Gewirr macht es
internationalen Konzernen besonders schwer, die Regelungen umzusetzen. Ab
Seite 44 geben wir Ihnen einen ersten Überblick über die Herausforderungen.
Trocken und kompliziert lauten zwei Adjektive, die der Steuermaterie gemeinhin anhaften. Umso mehr freuen wir uns über eine Auszeichnung, die nun
dem Tax & Law Magazine zuteil geworden ist. Das International Institute for
Information Design hat uns für die verständliche Darstellung komplizierter
Steuersachverhalte ausgezeichnet. Das verstehen wir bei EY als Ansporn,
­Ihnen weiterhin steuerliche und juristische Entwicklungen näher zu bringen.
Ich wünsche Ihnen eine gewinnbringende Lektüre und verbleibe herzlichst
© AFP PHOTO / Valery Hache
Ihre Ute Benzel
Managing Partner Tax / Germany Switzerland Austria
EY TAX & LAW Magazine 02 / 2015
3
© Thomas Lohnes/ Getty Images News
20
© istock
Pensionszusagen entwickeln sich wegen
der extrem niedrigen Zinsen zu gewaltigen
Bilanzrisiken. Interne Treuhandmodelle
bieten eine Möglichkeit, sich vor bösen
Überraschungen zu schützen.
44
Brüssel verschärft die Vorschriften zum
Energiemanagement. Für Konzerne mit
Standorten in mehreren EU-Staaten wird
es besonders schwierig. Worauf müssen
Unternehmen jetzt achten?
Spots
2 EY in Moskau
6 Global Law: Frauenquoten im europäischen Vergleich
3 Editorial Ute Benzel
8Crowdfunding
4Inhaltsverzeichnis
9 Lufverkehrssteuern und Tax Guides
10 Richter / Twittern / Auszeichnung
11 Interview Christian Freiherr von Stetten
Top
12
Tax Compliance Was bei der Lohnsteuer falsch
laufen kann und wie sich Unternehmen dagegen
schützen.
4
EY TAX & LAW Magazine 02 / 2015
52
© iStock
© AFP PHOTO / Valery Hache
Justitia wacht vor Gerichtsgebäuden in aller
Welt – stets streng und nach Gerechtigkeit
strebend, aber immer wieder einzigartig.
Das Tax & Law Magazine gewährt Ihnen inter­
nationale Anblicke der römischen Göttin.
12
Den wohl größten Betriebsausflug
veranstaltete eine chinesische
Firma in diesem Frühjahr. Der Europatrip könnte auch lohnsteuerlich
eine Herausforderung gewesen sein.
Tax
Law
20 Betriebspensionen Risiken beherrschen
44Energiemanagement Verschärfung ab
24Erbschaftsteuer EY-Kompromiss zur Güte
Ende 2015
26Informationsaustausch Auf der Zielgeraden
46Kartelle Strafen umgehen
27Abschlussprüfung Berlin entschärft Brüsseler Vorgaben
47Städtebau Verträge zwischen Investoren und Kommunen
28Familienunternehmen Übertragung Schritt für Schritt
49Insolvenz Haftung bei einer Limited
29Fremdvergleich Hilfe beim DBA
50Ticker
30M&A Verrechnungspreise beachten
32Expats Ärger mit dem Kindergeld
33Compliance EEG-Umlagenbegrenzung
34Controversy Schätzen der Besteuerungsgrundlage
35Controversy Untätigkeit des Finanzamtes
36 Tipps für Sie Das Studium und die Steuern
38 Ticker / Termine / Publikationen
360°
52Justitia Göttin aus Stein
56 Mein Moskau Rundgang mit EY-Partner Tobias Luepke
57 Veranstaltungen / Impressum
EY TAX & LAW Magazine 02 / 2015
5
Spots
Europas Frauen in Führungspositionen
Ab nächstem Jahr gilt in Deutschland eine Mindestquote für beide Geschlechter, wenn große Unter­
nehmen ihre Aufsichtsräte besetzen. Andere Staaten in Europa haben zum Teil schon viel früher gesetzliche Maßnahmen ergriffen, um den Anteil von Frauen in wirtschaftlichen Führungspositionen zu
erhöhen. Insgesamt befindet sich das weibliche Spitzenpersonal in Europa noch sehr in der Minderheit,
wenn auch in unterschiedlichen Ausprägungen je nach Land. Tax & Law gibt einen Überblick.
Geschlechterverteilung in den Entscheidungsgremien *
Tschechien
Polen
Österreich
Irland
Deutschland
Italien
Niederlande
Luxemburg
Portugal
Spanien
Frankreich
Ungarn
Dänemark
Malta
Belgien
Griechenland
Slowakei
Island
Bulgarien
Zypern
Kroatien
Finnland
Estland
Vereinigtes Königreich
Norwegen
Litauen
Lettland
Slowenien
Schweden
Rumänien
6
4
4
4
6
7
8
9
9
9
10
11
11
12
13
13
13
13
15
15
15
16
16
17
17
18
19
20
21
23
23
Europäische Union
Deutschland
Niederlande
Norwegen
Einzelstaatliche Maßnahmen gelten in
Brüssel als gefährlich für den Binnen­
markt. 2012 erarbeiteten mehrere
Kommissare einen Richtlinienvorschlag,
der bis heute keine verbindlichen
Folgen nach sich zog. Danach sollen bis
2020 mindestens 40 Prozent der nicht
geschäftsführenden Direktoren bzw. nicht
geschäftsführenden Aufsichtsratsmitglieder dem unterrepräsentierten Geschlecht
angehören müssen. Die Richtlinie soll
ab 2020 für börsennotierte europäische
Unternehmen gelten, ab 2018 bereits für
börsennotierte öffentliche Unternehmen.
Die Richtlinie spricht von angemes­senen,
abschreckenden Sanktionen, ohne
konkreter zu werden. Die EU steht vor der
Herkulesaufgabe, die verschiedensten Gesellschaftsformen mit teils monistischen,
teils dualistischen Verwaltungsorganen
unter einen Hut zu bringen. Grundsätzlich
soll mit dem Aufsichtsrat begonnen werden, ergänzende Maßnahmen sehen dann
auch Regelungen für den Vorstand vor.
Über hundert börsennotierte Unternehmen,
in denen die Arbeitnehmer voll mitbestimmungspflichtig sind, müssen bei Neubesetzungen des Aufsichtsrats eine Quote von
mindestens 30 Prozent weiblicher Mitglieder
einhalten. Daneben haben rund 3.500 der
übrigen börsennotierten oder mitbestimmten
Unternehmen verbindlich festzulegen, wie
sie den Frauenanteil in ihren Führungs­
gremien erhöhen wollen. Eine sogenannte
Flexiquote müssen u. a. AG, KGaA oder auch
GmbH erfüllen.
Seit 2011 gilt eine Quote von 30 Prozent
bei allen Gesellschaften für Aufsichtsrat und
­Vorstand. Die Regelungen zur Implementierung betreffen jedoch nur große Gesellschaften (Unternehmenswert über 17,5 Millionen
Euro, Nettoumsatz über 35 Millionen Euro,
über 250 Arbeitnehmer). Als Sanktion für
die Nichterreichung der Quote müssen diese
Unternehmen die Gründe dafür in den jähr­
lichen Geschäftsberichten darlegen.
Das nordische Land gilt international als
Vorreiter in Sachen Geschlechtergleichbehandlung. 2008 führte Oslo eine gesetzliche
Regelung mit herben Sanktionen ein. Die
Quote liegt bei 40 Prozent in Verwaltungs­
räten, nicht börsennotierte Unternehmen
sind jedoch von der Regelung ausgenommen.
Eine Nichteinhaltung der Quote kann im
schlimmsten Fall zur Auflösung der Gesellschaft führen. Vor Einführung wechselten fast
400 der betroffenen 563 Unternehmen ihre
Rechtsform von börsennotierten Gesellschaften zu privaten Gesellschaften mit beschränkter Haftung, um der Quote zu entgehen.
EY TAX & LAW Magazine 02 / 2015
Italien
Schweden
8
6
− 8
Malta
Global Law
Spanien
8
Ungarn
4
Litauen
4
7
Island
4
6
Vereinigtes Königreich
4
Bulgarien
− 3
Slowenien
− 1
3
Frankreich
− 1
3
Belgien
− 1
2
Finnland
Slowakei
− 1
2
Niederlande
Portugal
− 1
Norwegen
Polen
− 1
1
Dänemark
Luxemburg
− 1
1
3
6
7
0
Deutschland
Irland
− 2
Kroatien
Lettland
− 2
Österreich
Tschechien
Estland
Rumänien
Veränderungen der Anteile weiblicher Führungskräfte
von 2012 bis 2014 in Prozentpunkten
Zypern
Tendenziell weiblicher
Griechenland
Spots
Stand: Oktober 2014, Quelle: Europäische Kommission (2015)
96
96
96
94
93
92
91
91
91
90
89
89
88
87
87
87
87
85
85
85
84
84
83
83
82
81
80
79
77
77
* Information zur Statistik: Die Europäische Kommission untersucht in regelmäßigen
Abständen den Anteil von weiblichen und männlichen Mitgliedern in den beiden
höchsten Entscheidungsgremien der größten börsennotierten Unternehmen. Hierzu
zählen z. B. Aufsichtsrat, Vorstand und Board of Directors. Zuletzt wurden im Oktober
2014 rund 600 Unternehmen untersucht.
Island
Frankreich
Belgien
Spanien
Seit September 2013 ist eine Quote von 40
Prozent Frauen in Verwaltungsräten in Kraft.
Das Gesetz zielt auf staatliche Unternehmen
und private Kapitalgesellschaften mit einer
Beschäftigtenanzahl ab 50 Arbeitnehmern.
Zusätzlich müssen Unternehmen mit 25 oder
mehr Beschäftigten das Geschlechterverhältnis der Belegschaft sowie des Verwaltungsrats
gegenüber dem Registergericht offenlegen.
Das 2011 erlassene Gesetz zur Gleichstellung
von Frauen und Männern im Verwaltungsund Aufsichtsrat sieht ab 2014 eine weibliche
Beteiligung von mindestens 20 Prozent vor.
Betroffen sind Unternehmen, deren Aktien
zum Handel an einem regulierten Markt
zugelassen sind oder die mindestens 500
Mitarbeiter bei einem Umsatz von über 50
Millionen Euro beschäftigen. Ab 2017 erhöht
sich der Wert auf 40 Prozent. Diese Quote gilt
ab 2020 auch für Unternehmen mit mehr als
250 Mitarbeitern.
Im Jahr 2011 führte das Königreich Regelungen zur Geschlechtergleichbehandlung ein.
Mindestens 30 Prozent der Vorstandsposten
sollen von Frauen besetzt sein. Diese Regelung gilt für staatliche Unternehmen ab 2012,
für börsennotierte Unternehmen ab 2017 und
für Kleine und Mittlere Unternehmen (KMU)
ab 2019. Als diese gelten Unternehmen, die
bestimmte Schwellenwerte nicht übersteigen
(Bilanzsumme 43 Millionen Euro, Nettoumsatz
50 Millionen Euro, 250 Arbeitnehmer) und
deren Streubesitz unter 50 Prozent liegt.
Nach achtjährigem Vorlauf will das Land ab
diesem Jahr eine „ausgewogene“ Besetzung
der Verwaltungsräte erreichen. Nicht weniger
als 40 und nicht mehr als 60 Prozent eines
Geschlechts sollen vertreten sein. Unter
den Geltungsbereich dieser Regelung fallen
Unternehmen, die zur Aufstellung einer
Gewinn- und Verlustrechnung verpflichtet
sind und zwei von den drei Kriterien erfüllen:
Bilanzsumme mindestens 11,4 Millionen Euro,
Jahresumsatz mindestens 20,8 Millionen Euro,
durchschnittliche Mitarbeiterzahl 250 Arbeitnehmer. Als Anreiz für eine Quotenerfüllung
sollen die vorbildlichen Unternehmen bei
öffentlichen Aufträgen bevorzugt werden.
Quellen: Eigene Recherche, diverse Fachveröffentlichungen,
­Tagesspiegel, Handelsblatt, DIW, Europäische Kommission
EY TAX & LAW Magazine 02 / 2015
7
Spots
Crowdfunding & Co
Alternative Finanzierungen über OnlinePlattformen sind auch in Europa auf dem
Vormarsch. Nutzer sind zunehmend Start-ups
und Mittelständler.
© Brainpool/Willi Weber
EY hat in Zusammenarbeit mit dem Cambridge Centre for
Alterna­tive Finance den europäischen Markt für alternative Finanzierungen über Online-Plattformen untersucht.
Die Studie „Moving Mainstream: The European Alternative Finance Benchmarking Report“ kommt zu dem Ergebnis, dass das Transaktionsvolumen über Plattformen außerhalb des klassischen Bankensektors 2014 gegenüber
dem Vorjahr um 144 Prozent auf fast drei Milliarden Euro
gewachsen ist. Für 2015 erwarten die Experten einen
weiteren rasanten Anstieg auf über sieben Milliarden Euro.
„Aber das kriegen wir schon irgendwie hin, der Papa wird’s schon richten“, sagt Stromberg (Christoph-Maria Herbst). Das Crowdfundingprojekt „Stromberg – Der Film“
lohnte sich für die Investoren. Ab einer Million Kinobesuchern erhielten sie 50 Cent
je weiterer Kinokarte.
Am stärksten verankert sind alternative Finanzierungsformen in Großbritannien, wo zuletzt 2,34 Milliarden Euro
und damit 80 Prozent des europäischen Gesamtvolumens eingesammelt wurden. Weit abgeschlagen folgen
998
752
354
275
93
111
80
7
6
Peer-to-peer business
lending (Gleich-zu-GleichGeschäftskredit)
Schuldbasierte Transaktionen
zwischen institutionellen
und privaten Investoren mit
Kleinen und Mittleren Unternehmen (KMU). Hierbei tritt
eine Bank oder häufiger eine
Onlineplattform als Vermittler
auf. Vorwiegend KMU erhalten
so einen direkten Kapitalzugang. Vorteile sind die schnelle
Vermittlung von Krediten,
flexiblere Finanzierungsbedingungen, Transparenz und die
einfache Nutzung.
Peer-to-peer consumer
lending (Gleich-zu-GleichVerbraucherkredit)
Privatpersonen verleihen Geld
direkt an andere Privatperso­
nen, ohne dass ein Finanz­
institut als Intermediär auftritt.
Häufig werden Gelder von
mehreren Personen über einen
Onlinemarktplatz gebündelt
und anschließend (meist unversichert) an den Kreditnehmer ausgegeben. So entstehen
vergleichsweise kostengünstige Verbraucherkredite mit
konkurrenzfähigen Zinssätzen
für die Kreditgeber.
83
n. a.
Invoice Trading
(Handel von Rechnungen)
Verkauf von Rechnungen oder
offenen Forderungen durch
Unternehmen mit einem
Abschlag an einen Pool aus
privaten oder institutionellen
Investoren. Diese Form der
Finanzierung wird häufig dann
verwendet, wenn für die Erfüllung des Auftrags liquide Mittel
benötigt werden.
120
34
30
Equity-based ­crowdfunding
(Eigenkapitalbasierte
­Gruppenfinanzierung)
Häufig mit dem Begriff „Crowd­
investing“ abgekürzt. Investoren erwarten eine finanzielle
Gegenleistung im Erfolgsfall.
Die Kapitalgeber e
­ rwerben mit
ihrem Investment meist Beteiligungen an Unternehmen,
mit denen sie am jährlichen
Gewinn und an der Wertsteigerung partizipieren.
17
Reward-based crowdfunding
(Prämienbasierte Gruppen­
finanzierung)
Das Investment der Geldgeber
zielt auf einen nichtfinan­
ziellen Sach- oder sonstigen
Gegenwert ab. Sehr beliebt ist
reward-based crowdfunding
etwa zur Finanzierung von
Filmen oder Dokumentationen,
bei denen die Investoren zur
Premierenvorstellung exklusiv
eingeladen werden oder im
Abspann ab einem gewissen
Betrag Erwähnung finden.
Angaben in Millionen Euro für 2014
UK Europa (ohne UK) DE
Quelle: EY, University of Cambridge, GreenRocket
Überblick nach Ländern (Auswahl)
Volumen in Millionen Euro von alternativen Finanzierungsmodellen
2.337
8
EY TAX & LAW Magazine 02 / 2015
154
107
62
17
140
78
22
12
8,2
Sonstige
19,8
Spots
Frankreich (154 Millionen), D
­ eutschland (140 Millionen),
Schweden (107 Millionen) und die Niederlande (78 Millionen). Pro Kopf haben die Briten 2014 durchschnittlich 36
Euro über Online-Plattformen investiert – und damit mehr
als das Doppelte der zweitplatzierten Esten (17 Euro),
während die Deutschen nicht einmal auf zwei Euro kamen.
EY Global Publikationen
Jetzt online: Worldwide Corporate Tax Guide &
Worldwide VAT, GST and Sales Tax Guide 2015
In Deutschland verhindern Regulierungen eine stärkere
Ausweitung von alternativen Finanzierungsformen. Mehr
als die Hälfte der untersuchten Online-Plattformen in
Deutschland gaben an, dass die Vorschriften unverhältnismäßig streng seien ; europaweit fanden das nur 24 Prozent der Plattformen. Grundsätzlich dürfen in Deutschland Vermögensanlagen nicht ohne einen Prospekt, den
die BaFin zuvor gebilligt hat, öffentlich angeboten werden.
Plattformen benötigen außerdem eine Erfolgsrechnung
von Investoren, wenn mehr als 1.000 Euro in eine
Crowdfunding-Plattform investiert werden soll. Werbung
ist zudem nur in Printmedien möglich, jedoch nicht in den
sozialen Netzwerken.
Steuersysteme werden weltweit reformiert
und unterliegen einem rapiden Wandel. Für
die Unternehmensbesteuerung liefert unser
beliebter Worldwide Corporate Tax Guide
einen Status quo für mehr als 160 Länder.
Mit einem speziellen Blick auf über 110 Länder im Bereich der indirekten Steuern steht
Ihnen der Worldwide VAT, GST and Sales
Tax Guide 2015 zur Verfügung.
Tax & Law stellt die aktuell meist genutzten alternativen
Finanzierungsmodelle vor.
Umstrittene Luftverkehrssteuer
88
41
7
Sonstige
Debt-based securities (Schuldbasierte Wertpapiere)
Wertpapiere, bei denen der Kreditgeber eine unbesicherte
Schuldverpflichtung meist mit einer Laufzeit zwischen zehn und
25 Jahren erhält. Diese Finanzierungsmethode unterscheidet
sich von der Heraus­gabe von Anleihen durch andere Rechte und
Pflichten. Von einem Intermediär können beispielsweise mehrere
Unter­nehmensanleihen kombiniert werden, wobei das Risiko
mittels Tranchen in verschiedene Klassen unterteilt wird, so dass
Investoren individueller investieren können.
Pension-led funding ­(Finanzierung mit Pensionsforderungen)
KMU-Gesellschaften können ihr angesammeltes Pensionsfondskapital für Investitionen in ihr eigenes Unternehmen nutzen.
­Geistiges Eigentum wird dabei häufig als Sicherheit verwendet.
Diese Form ist in Deutschland nicht erlaubt.
Donation-based crowd-funding
(Spendenfinanzierte Gruppenfinanzierung)
Hierbei tragen zahlreiche ­Personen durch kleine ­Spenden größere
Beträge für gute Zwecke, Projekte und ­Vereine zusammen. Den
­Spendern geht es primär ­darum, bei der Lösung von Problemen
zu helfen und anderen Menschen Gutes zu tun.
Der Bund hat im vergangenen Jahr durch die Luftverkehrssteuer
eine Milliarde Euro eingenommen. Die deutschen Fluggesellschaften
fordern indes die Abschaffung der Abgabe. Ihr Argument: Bei der
Einführung der Steuer vor vier Jahren habe es geheißen, sie werde
gesenkt bzw. ganz gestrichen, sobald die Luftfahrt in den Emissionshandel der EU einbezogen werde. Dies ist seit vergangenem Jahr
der Fall. Das Bundesfinanzministerium entgegnet, dass die Steuer
jährlich um den Prozentanteil abgesenkt wird, den die Unternehmen
im Vorjahr für den Kauf von Emissionszertifikaten im Verhältnis
zu einer Milliarde Euro aufgewendet haben. Damit wolle man eine
­Doppelbelastung der Luftverkehrswirtschaft vermeiden.
Einnahmen aus der Luftverkehrsabgabe
838
Auslandsflüge
171
Inlandsflüge
32
Mehrwertsteuer auf Luftverkehrssteuer Inland
Community shares and ­microfinance
(Gemeinschaftsanteile und Mikro­finanzierung)
Unter Mikrofinanzierung wird eine Kreditvergabe an lokale
­Kleinstunternehmer, Genossenschaften oder Gemeinschaftsorganisationen verstanden. Lokal gemeinnützige Klein(st)unternehmen erhalten somit Zugang zum Kapitalmarkt, aus dem sie sonst
ausgegrenzt sind. Lokal verbundene Investoren unterstützen
mit Kleinkrediten.
1041
Insgesamt
Quelle: BMF, Statistisches Bundesamt, Angaben in Millionen Euro
EY TAX & LAW Magazine 02 / 2015
9
Spots
Wann schläft ein Richter ?
© Hulton Archive
„Ein Gericht ist nicht vorschriftsmäßig besetzt,
wenn ein Richter während der mündlichen
Verhandlung schläft und deshalb wesent­lichen
Vorgängen nicht folgt. Dass diese Voraussetzungen vorliegen, kann im Allgemeinen jedoch
erst dann angenommen werden, wenn sichere
Anzeichen für das Schlafen, wie beispielsweise
tiefes, hör­bares und gleichmäßiges Atmen oder
gar Schnarchen oder eindeutige Anzeichen von
fehlender Orientierung, gerügt werden.“ (BFHBeschluss vom 16. Juni 2009 X B 202/08,
BFH/NV 2009, 1659)
Auch Richter kann der Schlaf immer mal übermannen – wie auf diesem Bild
aus dem 18. Jahrhundert. In der Mitte ruht Sir John Willes, damals oberster
Richter am Zivilgericht in London.
Es zwitschert aus Berlin
Als Follower von Regierungssprecher S
­ teffen
Seibert erhält man auf Twitter politische
Informationen aus erster Hand. Neben der
wöchentlichen Videobotschaft der Kanzlerin
kommuniziert Seibert zahlreiche Infos aus dem
Tagesgeschäft des Bundeskabinetts in maximal
145 Zeichen. Allerdings nutzen die Bundes­
bürger diese Informationsquelle vergleichs­
weise wenig. Im Vereinigten Königreich folgen
z. B. bereits mehr als sechs Prozent der Bevölkerung den getwitterten Meldungen ihres
Premier­ministers.
Auswahl der Twitter-Follower in Prozent der Gesamtbevölkerung
# twitter
@ BritishMonarchy | Vereinigtes Königreich
2,95 %
@ IsraeliPM | Israel
2,80 %
@ Kronprinsparet | Norwegen
2,46 %
@ MinPres | Niederlande
1,94 %
@ PresidenciaMX | Mexiko
1,94 %
@ WhiteHouse | Vereinigte Staaten
1,60 %
@ PrimeministerGR | Griechenland
1,21 %
@ Elysee | Frankreich
@ Presidencia | Portugal
@ valtioneuvosto | Finnland
0,85 %
0,75 %
@ CourGrandDucale | Luxemburg
0,75 %
@ Palazzo_Chigi | Italien
0,73 %
@ desdelamoncloa | Spanien
@ trpresidency | Türkei
@ Regsprecher | Deutschland
6,35 %
4,14 %
@ GobiernodeChile | Chile
0,70 %
0,54 %
0,45 %
Quelle: Twitter (Nennung des größten
Twitteraccounts), Weltbank, März 2015
Tax & Law ausgezeichnet
10
EY TAX & LAW Magazine 02 / 2015
SILVER
aktualisieren
2014
rn
ati
ona
l
sig
n
IIIDaward
e
Int
Das „International Institute for Information
Design“ (IIID) hat das Tax & Law Magazine für
seine verständliche Darstellung komplizierter
Steuersachverhalte ausgezeichnet. Konkret
würdigte die IIID-Jury die Info-Grafiken der
Rubrik Global Tax mit dem silbernen Award in
der Kategorie Financial für das Jahr 2014.
e
nD
atio
Instit
ute for Inform
Spots
„Der Fehler muss beseitigt werden“
Christian Freiherr von Stetten über die Auswirkungen des Eckpunktepapiers zur
Erbschaftsteuerreform auf Firmenerben und zukünftige Unternehmensübertragungen.
Von Stetten: Wenn in Zukunft bei Übertragung von
Unternehmensanteilen über einer Freigrenze von 20
Millionen Euro eine Bedürfnisprüfung im Privatvermögen
stattfindet, bei der auch der nicht betriebsnotwendige
Vermögensanteil eines Unternehmens zum Privatvermögen hinzugerechnet wird, ist das für zahlreiche Erben in
Zukunft nicht mehr finanzierbar.
Nehmen Sie einen Unternehmensanteil, der mit 100 Millionen Euro bewertet wird, und der sich nach Abzug aller
Verrechnungsmöglichkeiten auf 70 Prozent betriebsnotwendiges Vermögen und 30 Prozent nicht betriebsnotwendiges Vermögen verteilt.
Dann muss der Erbe für die 30 Millionen nicht betriebsnotwendiges Vermögen sofort 30 Prozent Erbschaftsteuer (also neun Millionen Euro) an das Finanzamt
überweisen. Die verbleibenden 21 Millionen Euro nicht
betriebsnotweniges Vermögen werden nun zu seinem bereits vorhandenen Privatvermögen hinzugezählt und bei
der dann anschließenden Bedürfnisprüfung als vorhandenes Privatvermögen behandelt. Das heißt: Da die 70
Millionen Euro betriebsnotwendiges Vermögen über der
Freigrenze von 20 Millionen Euro liegen, wären eigentlich
30 Prozent Erbschaftsteuer (21 Millionen Euro) an das
Finanzamt abzuführen.
Hierfür muss der Erbe jetzt 50 Prozent seines Privatvermögens (inklusive des verbleibenden nicht betriebsnotwendigen Vermögens von 21 Millionen Euro) einsetzen.
Sie plädieren bei der Bedürfsnisprüfungsgrenze für eine
höhere Summe als die vorgesehenen 20 Millionen Euro
pro Unternehmensübertragung. Hebeln Sie damit nicht
den Willen des Bundesverfassungsgerichts aus, da es
dann nach Meinung von Kritikern kaum noch eine Bedürf­
nisprüfung gäbe?
Wäre eine moderate Anhebung der erbschaftsteuerlichen
Belastung bei Großunternehmen nicht verkraftbar?
Von Stetten: In den Koalitionsverhandlungen haben die
Parteien Steuererhöhungen für diese Legislaturperiode
ausgeschlossen. Diese Vereinbarung gilt auch für die Erbschaft- und Schenkungsteuer. Wenn das Verfassungsgericht nun einzelne Paragrafen des Gesetzes moniert hat,
müssen die Fehler zwar beseitigt werden, aber es darf zu
keiner generellen Steuererhöhung kommen.
Wie beurteilen Sie die Überlegung aus dem Finanzminis­
terium, das Verschonungsbedürfnis des Erwerbers unter
Einbezug seines Privatvermögens zu ermitteln?
Von Stetten: Dieser Schritt ist steuersystematisch nicht
nachvollziehbar. Maximal sollte das ebenfalls mitübertragene Privatvermögen zu der privaten Bedürfnisprüfung
herangezogen werden.
Inwieweit sollten gesellschaftsrechtliche Verfügungsbe­
schränkungen in die Reform der Erbschaft- und Schen­
kungsteuer einbezogen werden? Ist dies überhaupt prak­
tikabel?
Von Stetten: Natürlich ist das ein zusätzlicher Aufwand,
aber für mich die Voraussetzung dafür, dass wir dieses
Gesetz überhaupt verabschieden können. Wenn Erben in
der Verfügung beschränkt werden, z. B. durch eine klare
gesellschaftsvertragliche Regelung zur 80-prozentigen
Thesaurierung des erwirtschafteten Gewinns, muss dies
Auswirkungen auf die steuerliche Behandlung des Erben
haben. Wenn nur 20 Prozent dem Erben als jährliche Auszahlung zur Verfügung steht, dann können wir nicht von
ihm verlangen, dass er die Erbschaftsteuer auf 100 Prozent des zu erwartenden Jahresgewinns zahlt. Zahlreiche
Gesellschaftsverträge sehen auch Anteilsverkaufsverbote
außerhalb der Familie vor und dann auch nur zu einem
sehr geringen Veräußerungsbetrag, der knapp über dem
Buchwert liegt. Wenn diese Beschränkungen nicht gesetzlich berücksichtigt werden, haben Erben großer Familienunternehmen keine Chance, dem Standort Deutschland
treu zu bleiben.
© Rudolf Prell
Sie befürchten, dass die Eckpunkte des Bundesfinanz­
ministeriums zur Erbschaftsteuerreform für viele Firmen­
erben zu hohen Belastungen führen würden. Können Sie
dies anhand von Zahlen verdeutlichen?
Zur Person
Christian Freiherr von
Stetten ist Berichterstatter
für das Thema Erbschaftund Schenkungsteuer der
CDU/CSU-Bundestags­
fraktion. Zudem gehört er
dem Finanzausschuss
des Deutschen Bundestags
an. Als Vorsitzender des
Parlamentskreis Mittelstand (PKM) der CDU/
CSU-Bundestagsfraktion
führt er den mit 190
Parlamen­tariern größten
fraktions­internen Zusammenschluss des gesamten
Bundestags.
Von Stetten: Nein. Das Bundesverfassungsgericht hat
mehrfach betont, dass der Gesetzgeber sehr großen
Spielraum bei der Neufassung des entsprechenden Paragrafen hat. Wenn wir als Gesetzgeber große Familienunternehmen mit Standorttreue und einem Versprechen
zum Arbeitsplatzerhalt für besonders schützenswert halten, dann muss dies in der Gesetzesbegründung deutlich
herausgearbeitet werden.
EY TAX & LAW Magazine 02 / 2015
11
Kein Pardon
bei Lohnsteuer
Verfehlungen bei der Lohnsteuer kosten Unternehmen viel Geld.
Meist hapert es an den internen Strukturen und Prozessabläufen.
Compliance Health Checks können CFOs vor einem blauen Wunder
bewahren.
D
er wohl größte Betriebsausflug der Welt führte
6.400 Beschäftigte eines chinesischen Unternehmens in diesem Jahr nach Frankreich. Es war eine
logistische Leistung, die Mitarbeiter in Paris auf rund 140
Hotels zu verteilen und in Cannes überhaupt ausreichend
Zimmer zu organisieren. Doch auch steuerlich dürfte der
Trip des Unternehmens eine Herausforderung dargestellt
haben. Denn ein reiner Betriebsausflug war es wohl
nicht. Die in Firmen-Blau gekleideten Chinesen posierten
auf Straßen und an Stränden für ihr Unternehmen und
machten daraus eine gewaltige Marketingveranstaltung.
Sicherlich war die Europa-Sause auch ein Incentive für die
fröhlich winkenden Mitarbeiter. Und wer weiß, ob nicht
der ein oder andere Familienangehörige mitreisen durfte.
Wie auch immer, die Finanzbehörden in Frankreich und
China dürften sich anschließend akribisch über die Lohnabrechnungen, Hotelrechnungen, Bewirtungsbelege und
sonstigen Spesen beugen und nachrechnen, ob Unternehmen und Beschäftigte auch überall korrekt die Steuern
abgeführt haben.
Wenn es um das korrekte Berechnen und Abführen von
Steuern beim Personal geht, können auch deutsche
Unternehmen ein blaues Wunder erleben – selbst wenn
es sich nicht um Mega-Events handelt, sondern lediglich
um alltägliche Routinen. Und das auch im Bereich der
Lohnsteuer, der unter Steuerexperten bislang als eher
langweilig galt. Schließlich sind hier die Möglichkeiten
einer aktiven Gestaltung im Gegensatz zu direkten oder
12
EY TAX & LAW Magazine 02 / 2015
indirekten Unternehmensteuern sehr begrenzt. Beim
Erfassen und Abführen der Lohnsteuer schleichen sich
jedoch immer wieder (und häufiger) Fehler ein, die sich zu
Nachzahlungen in zweistelliger Millionenhöhe summieren
können. Plus Strafverfahren.
Zu spät im Spiel
Für viele Steuerabteilungen und ihre CFOs fallen solche
Ärgernisse oft aus heiterem Himmel. Der Grund ist simpel:
Die Lohnsteuer wird in der Regel von der Personalabteilung gemanagt, die Steuerabteilung kommt lediglich am
Rande ins Spiel. Das hat historisch gewachsene Gründe
und die Macht der Gewohnheit ist so groß, dass sich kaum
jemand bisher darüber Gedanken macht.
Würde man die Steuerabteilungen deutscher Unternehmen darüber befragen, ob sie für Steuern in Deutschland
umfassend zuständig sind, würde die Antwort in den meisten Fällen „Selbstverständlich!“ lauten. Die Folgefrage, ob
dies auch für die Lohnsteuer gilt, dürfte vielfach eher vage
beantwortet werden, insbesondere verbunden mit der einschränkenden Bemerkung, dass für das laufende Procedere die Personalabteilung zuständig ist, und nur bestimmte
Teilaspekte des Prozesses durch die Steuerabteilung durchgeführt werden, wie z. B. die technische Übermittlung
der monatlichen Lohnsteueranmeldung oder die Betreuung von Betriebsprüfungen. Kein Wunder also, dass sich
die Lohnsteuer für viele CFOs in einer Black Box befindet.
Wurden die Kosten
der teilnehmenden
Familienmitglieder
dem Mitarbeiter
zugerechnet ?
© AFP PHOTO / Valery Hache
Steht die
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Mitarbeiter des
Unternehmens offen ?
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TOP
Hunderte Milliarden Euro
Ahnungslosigkeit schützt jedoch nicht vor Strafe. Erst
recht nicht bei der Lohnsteuer, die für den Fiskus eine
äußerst ergiebige und stetige Einnahmequelle darstellt.
Allein im vorigen Jahr erbrachte die Lohnsteuer 168 Milliarden Euro, das sind 26 Prozent aller Steuereinnahmen.
Da geben Finanzbeamte bei Verfehlungen immer weniger
Pardon.
Böse Absichten möchte man betroffenen Unternehmen
gar nicht unterstellen. Die Lohnsteuer ist grundsätzlich
für sie nur ein durchlaufender Posten. Unternehmen
erfüllen hier für den Staat eine (nicht entgoltene) Treuhänderfunktion. Gleichwohl haben sie diese korrekt zu
erfüllen. Nach bestem Wissen und Gewissen. Für CFOs
ist die Lohnsteuer deshalb vor allem eine ComplianceAufgabe. Ein Health Check bzw. ein Compliance-Projekt
helfen dabei, effiziente und nachvollziehbare Strukturen
und Prozesse aufzubauen, um sich nicht dem Vorwurf des
Organisationsverschuldens auszusetzen.
Die Herausforderungen bei der Lohnsteuer beginnen
damit, dass die operationelle Zuständigkeit meist bei der
Personalabteilung liegt, diese auf Ebene der Geschäftsleitung als eigenständiges Ressort organisiert und nicht
dem CFO unterstellt ist. Die Lohnsteuer zählt darüber
hinaus – neben der Umsatzsteuer – zu den bedeutendsten
operationellen Steuern im Unternehmen. Kennzeichnend
dafür ist, dass viele operative Abteilungen (Vertrieb,
Fuhrparkmanagement etc.) jenseits der Steuer- und der
Personalabteilung involviert sind.
Die Party mitgestalten
Zu den praktischen Herausforderungen einer Steuer­
abteilung gehört es bei der Lohnsteuer zum Beispiel, so
früh wie möglich von einem Kundenevent oder einer internen Mitarbeiterveranstaltung zu erfahren. Nur auf diese
Weise lassen sich lohnsteuerliche Konsequenzen rechtzeitig ziehen und formale Aspekte berücksichtigen. Übersteigen die Aufwendungen des Arbeitgebers das ü
­ bliche
Maß, so geht die Finanzverwaltung davon aus, dass dem
Arbeitnehmer ein geldwerter Vorteil zuzurechnen ist, der
Lohnsteuer auslöst und sozialversicherungspflichtig ist.
Hinzu kommen Querverwicklungen: Bestimmte lohn­
steuerlich relevante Sachverhalte haben auch unmittelbar
umsatzsteuerliche Konsequenzen. Umso mehr muss ein
Unternehmen einen effektiven und zeitnahen Informa­
tionsaustausch zwischen seinen verschiedenen Abteilungen sicherstellen.
Genau daran mangelt es aber, wenn die Verantwortlichkeit für die Lohnsteuer beim Personal- und nicht beim
Finanzvorstand angesiedelt ist. Angesichts der gesetz­
EY TAX & LAW Magazine 02 / 2015
lichen Verpflichtung, für die Lohn- und Umsatzsteuer
­monatliche Steueranmeldungen abzugeben, kann schon
eine verzögerte Deklaration kostspiele Konsequenzen
nach sich ziehen. Ein beliebtes Prüfungsgebiet von Betriebsprüfern besteht im Bereich der Umsatzsteuer darin,
die vorsteuerrelevanten Rechnungen aus dem Januar des
ersten Prüfungsjahres daraufhin zu kontrollieren, ob die
Rechnung nicht bereits im Dezember des Vorjahres eingegangen ist. Falls ja, versagen sie den Vorsteuerabzug im
Januar – das Unternehmen aber kann den vorangehenden
Dezember wegen erhöhter Bestandskraft durch die Vorprüfung nicht mehr ändern.
Richtige Reisevorbereitung
Ohne klare Prozesse für die Abwicklung der Lohnsteuer
schleichen sich Fehler ein, die zu einem Dauerproblem
werden können. Wenn im Unternehmen zum Beispiel kein
Bewusstsein dafür besteht, dass etwaige Zuwendungen
oder Kostenerstattungen an Mitarbeiter meistens eine
lohnsteuerliche Konsequenz haben, dann findet auch
eine entsprechende Kommunikation zwischen Personal-,
Finanz- und Entgeltabrechnungsabteilung gar nicht erst
statt.
Das passiert häufig im (lohnsteuerlich) sorglosen Umgang
mit Auslandsaufenthalten von Mitarbeitern. Vor Entsendungen oder auch nur Dienstreisen ist jedoch darauf zu
achten, dass die Vergütungen der Mitarbeiter im In- und
Ausland richtig und vollständig abgegrenzt werden. Sehr
oft werden Vergütungsbestandteile entweder gar nicht
oder nur unvollständig nach Deutschland gemeldet und
im Rahmen der Lohnabrechnung nicht erfasst. Die Folge
kann eine unzureichende Lohnversteuerung in Deutschland sein, während im Ausland unerwartete Steuermehrbelastungen bei sogenannten Expats für Ärger sorgen.
Bei Entsendungen ist auch auf bestehende Pensionspläne
oder Stock-Options-Programme zu achten. In Staaten
bestehen unterschiedliche steuerliche Anreize und arbeitsrechtliche Vorgaben von betrieblichen Pensionen.
Böse Folgen können auch einfache Auslandsreisen von
Mitarbeitern haben, die in Unternehmen mit einer SingleEntity-Struktur beschäftigt sind. Ist das Stammhaus in
Deutschland und operiert das Unternehmen im Ausland
nur mit Hilfe von Betriebsstätten, lösen auch einfache
Dienstreisen von Mitarbeitern zum Stammhaus grundsätzlich eine Lohnsteuerabzugsverpflichtung für das deutsche Unternehmen aus. Und zwar völlig unabhängig von
der magischen Grenze von 183 Tagen und ob diese nun
überschritten wird oder nicht. Dieses Problem kann man
nur mit stringenten und gut geplanten Prozessen unter
Leitung der Steuerabteilung in den Griff bekommen.
TOP
Teure Scheinselbstständige
Richtig teuer kann die Beschäftigung von Scheinselbstständigen werden. Regelmäßig engagieren Unternehmen
Fremdkräfte für die Erbringung bestimmter Leistungen.
Flexibilität, Zugriff auf spezielles Know-how, die Abdeckung von projektbedingten Spitzen sowie ein gewisses
Potenzial zur Senkung der Lohnnebenkosten zählen zu
den Vorzügen von Fremdkräften. Im Unternehmen werden sie als selbstständig tätige Personen betrachtet und
nicht durch die Lohnsteuerabrechnung erfasst. Es besteht
jedoch ein hohes Risiko, dass sich eine selbstständig
­tätige Person später als ein sogenannter Scheinselbstständiger entpuppt. Etwa, wenn jemand eine selbstständige Erwerbstätigkeit beim Gewerbeamt und/oder
Finanzamt angemeldet hat, obwohl die Voraussetzungen
für eine unselbstständige Erwerbstätigkeit vorliegen, er
also tatsächlich abhängig beschäftigt ist. Es gibt eine Reihe von Merkmalen, die auf eine Scheinselbstständigkeit
hindeuten können ; letztlich ist jedoch immer eine Einzelfallbetrachtung und Gesamtwürdigung der Umstände
erforderlich.
Die Entscheidung über den Einsatz von Fremdkräften
trifft stets die jeweilige operative Unternehmenseinheit.
Eine Einbindung der Steuerabteilung bzw. der Entgeltabrechnung erfolgt in der Regel nicht. Somit findet auch
keine Analyse der Beschäftigung von Fremdkräften aus
steuerlicher oder sozialversicherungsrechtlicher Sicht
statt. Entpuppt sich eine Fremdkraft allerdings als Scheinselbstständiger, ist diese Person aus lohnsteuerlicher,
umsatzsteuerlicher und sozialversicherungsrechtlicher
Sicht falsch behandelt worden. Bei gutverdienenden Fachkräften kommen schnell Nachzahlungen von 30.000 Euro
pro Jahr allein an Lohnsteuern und Sozialversicherungsbeiträgen auf die Unternehmen zu.
Damit nicht genug. Haben Fremdkräfte in ihren eigenen
Einkommensteuererklärungen Betriebsausgaben geltend gemacht, Umsatzsteuer in Rechnung gestellt und
Vorsteuern abgezogen, wird es richtig kompliziert. Denn
der Fiskus kann bei Scheinselbstständigkeit die Rückabwicklung all dieser Steueraktivitäten einfordern, was die
betroffenen Unternehmen vor fast unlösbare Aufgaben
stellt. Es gibt Unternehmen, die das Missgeschick mit
scheinselbstständigen Fremdkräften mehrere Millionen
Euro gekostet hat.
Kritischer Umgang mit Fehlern
Die genannten Fälle stehen stellvertretend für mögliche
Fehler, die sich im Bereich der Lohnsteuer einschleichen
können. Die Zahl der steuerstrafrechtlichen Aufgriffe
nimmt spürbar zu, auch wenn die Beamten häufig betonen, dass eine Einschaltung der Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamts nur aus formalen Gründen
erfolge und der einzelne Sachverhalt eigentlich nicht für
strafrechtlich relevant gehalten werde.
Neben einer kontinuierlichen Verkomplizierung des
Steuerrechts und einer deutlichen Verringerung der
Halbwertszeit von steuerlichen Regelungen liegt eine
wesentliche Ursache in der gesetzlichen Verschärfung der
Selbstanzeige zum 1. Januar 2015 sowie einer unverändert restriktiven Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
in Steuerstrafsachen. Auch wenn steuerliche Fehler in der
Unternehmenspraxis bereits vom Sachverhalt her nicht
mit einem verschwiegenen Auslandskonto im privaten
Bereich vergleichbar sind, erhöht der Gesetzgeber mit der
jüngsten Verschärfung der Selbstanzeigeregeln den Druck
auch auf die Unternehmen – und die Finanzbeamten.
Sorgen und Nöte der Beamten
So muss sich der Finanzbeamte bei einer steuerlichen
Korrektur von mehr als 25.000 Euro fragen, ob diese
nicht als strafbefreiende Selbstanzeige gemäß § 371 AO
zu werten ist und ein Selbstanzeige-Zuschlag zwischen
zehn und 20 Prozent oder Hinterziehungszinsen von
sechs Prozent p. a. festzusetzen sind. Kein Beamter möchte sich dem Vorwurf der Strafvereitelung im Amt aussetzen. Im Zweifel meldet er folglich jede Nachmeldung eines
Unternehmens über 25.000 Euro an die Straf- und Bußgeldstelle, die sogenannte „kleine“ Staatsanwaltschaft im
Finanzamt, die dann eine strafrechtliche Prüfung einleitet.
Ärger und Kosten sind damit programmiert.
Organisationsmodell der Entgeltabrechnung
Ein klares Bild über Struktur und Anbindung schafft Fehlerquellen ab.
1
Strategie
Die Strategie für die Entgeltabrechnung basiert auf der Antwort auf
die Frage wie die Entgeltabrechnung zum Erreichen der Geschäftsziele beitragen soll. Typische Ziele sind eine rechtzeitige, fehlerfreie
Bezahlung der Mitarbeiter, Kosteneffizienz und Compliance.
2
Aufbau­
organisation
Die Aufbauorganisation der Entgeltabrechnung besteht aus unterschiedlichen Rollen, Verantwortlichkeiten und Berichtslinien, die häufig in der Funktion der Entgeltabrechnung zusammengefasst sind.
3
Ablauf­
organisation
Die Ablauforganisation umfasst die Prozesse vom Input eines einzelnen Geschäftsvorfalls, über die Brutto-Netto-Rechnung bis zum
Output in Gestalt von Auszahlung oder Meldewesen. Wichtig ist eine
ganzheitliche Betrachtung aller Prozesse über die eigene Funktion
oder das Unternehmen hinaus.
4
IT System
Überwiegend werden Softwarelösungen für Entgeltabrechnung,
Zeitmanagement und Finanzbuchhaltung eingesetzt.
EY TAX & LAW Magazine 02 / 2015
15
TOP
Hinzu kommt eine Besonderheit bei der Lohnsteuer. Sie
unterliegt nicht der Verzugsverzinsung bei verspäteter
Abgabe. Deshalb fragen sich fragen Finanzbehörden
häufig, wie der Zinsvorteil aus einer verspäteten Zahlung
abgeschöpft werden kann. Da sich hier die Festsetzung
von Hinterziehungszinsen oder eine im Bußgeldverfahren
angesiedelte Verfallsanordnung (§ 29a OWiG) anbieten,
werden die Überlegung häufig in Richtung Steuerstrafverfahren gelenkt.
© iStock
Vor zehn Jahren war es noch unvorstellbar, dass CFOs für
lohnsteuerliche Verfehlungen strafrechtlich belangt wurden. Damals einigte man sich ohne viel Aufhebens auf rein
steuerlicher Ebene. Heute befinden sich die Unternehmen
Tax Compliance Health Check
Nur durch eine systematische Bestandsaufnahme und
Überprüfung der (Steuer-)Prozesse kann ein Unternehmen
konkret feststellen, ob in seiner Steuerorganisation signifikante Prozessrisiken schlummern. Dem Health Check
kann je nach Bedarf ein Compliance-Projekt folgen. Bei
einem solchen Projekt kann es aber nicht um eine filigrane
Einzelfallprüfung gehen, die im Ergebnis einer simulierten
steuerlichen Außenprüfung gleichkommt. Selbst eine
nahezu perfekt organisierte Steuerorganisation kann nicht
verhindern, dass individuelle Arbeitsfehler und bedauerliche Ausreißer passieren. Sind im Vorfeld einer präventiven
Überprüfung der (Steuer-)Prozesse keine konkreten Fehler
bekannt – die gemäß § 153 AO ohnehin zu einer unverzüglichen Korrektur verpflichten – sollte eine Überprüfung
sinnvollerweise eine Analyse der gesamten (Steuer-)Prozesse umfassen (siehe Seite 17).
Projektvarianten
Eine systematische Überprüfung der (Steuer-)Prozesse
eines Unternehmens kann auf unterschiedliche Weise
erfolgen. Einige Unternehmen entscheiden sich, mit der
Steuerart zu beginnen, die nach einer ersten kursorischen
Überprüfung das höchste Risiko aufweist. Häufig ist es
die Lohn- oder Umsatzsteuer. Anhand der so gewonne­
nen Blaupause nehmen sie dann weitere Steuerarten ins
Visier. Andere Unternehmen starten Projekte für sämtliche
Steuerarten verteilt auf parallele Workstreams, was nur
mit Hilfe einer stärker ausgebildeten Projektorganisation
realisiert werden kann.
Selbst bei Piloten sind inzwischen so genannte atypische Beschäftigungs­
verhältnisse verbreitet, ermittelte die Universität Ghent in einer Befragung
von 6.000 Piloten in Europa. Im Fall von Scheinselbständigkeiten drohen
den betroffenen Fluggesellschaften hohe Nachzahlungen von Steuern und
Sozialabgaben.
in einer unbequemen Verteidigungssituation. Viele CFOs
und Steuerabteilungsleiter schlafen unruhiger und fragen
sich, ob ihre Steuerorganisation im Ernstfall den hohen
Anforderungen der Finanzbehörden genügt. Auch wenn
(korrigierte) Lohnsteuer- und Umsatzsteuervoranmeldungen von einem Selbstanzeige-Zuschlag gemäß § 398a
AO ausdrücklich ausgenommen sind, stellt sich für jeden
Steuerverantwortlichen im Unternehmen die Frage, wie er
sich trotzdem gegen nicht auszuschließende steuerstrafrechtliche Vorwürfe verteidigen kann. Denn für eine strafrechtliche Würdigung ist mitentscheidend, was ein Unternehmen im Vorfeld unternommen hat, um steuerliche
Verfehlungen organisatorisch und personell zu minimieren.
16
EY TAX & LAW Magazine 02 / 2015
Den Projektvarianten ist gemeinsam, dass eine strukturierte Bestandsaufnahme des Ist-Zustands der Steuerprozesse stattfindet und die so gewonnenen Erkenntnisse mit
dem anzustrebenden Soll-Standard verglichen werden.
Daraus ergibt sich ein konkreter Handlungsbedarf, um
den Mindeststandard des § 130 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) und darüber hinaus eine Qualitäts- und
Effizienzsteigerung der Steuerorganisation zu erreichen.
Mündet die präventive Überprüfung in ein kontinuierliches Monitoring der Steuerprozesse, sollte es um den
Schlaf der Steuerverantwortlichen wesentlich besser
bestellt sein.
Im Falle des Falls können sich Geschäftsleitung und Steuermanagement wesentlich erfolgversprechender gegen
strafrechtliche Vorwürfe der Finanzbehörden verteidigen.
Schließlich bietet selbst eine optimal strukturierte Steuerorganisation zwar keine Garantie dafür, dass individuelle
Fehler oder Ausreißer mit absoluter Sicherheit vermieden
werden. Viel entscheidender ist in diesem Zusammenhang jedoch die Frage, ob alles Notwendige getan wurde,
um einen solchen Fehler von vornherein zu vermeiden.
Dieser Nachweis lässt sich mit einem dokumentierten Tax
Compliance Health Check Projekt viel leichter und für die
individuell Betroffenen wesentlich entspannter führen.
TOP
Tax Compliance Health Check und Tax Compliance Projekt:
Mindeststandard und mehr
Eine systematische Überprüfung der Steuerprozesse sollte mindestens die gesetzlichen
Anforderungen des § 130 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) berücksichtigen. Dabei
handelt es sich um den Bußgeldtatbestand
(„Verletzung der Aufsichtspflicht in Betrieben
und Unternehmen“), der mit dem zentralen
Kriterium der „gehörigen Aufsicht“ an die
Steuerorganisation von Unternehmen anknüpft. Wichtig ist für ein Unternehmen, die
Einhaltung der gehörigen Aufsicht durch eine
angemessene und vollständige Dokumentation der Steuerprozesse nachzuweisen.
Ausgehend vom Zentralbegriff der „gehörigen Aufsicht“ in § 130 OWiG konzentrieren
wir uns bei der Prüfung auf vier maßgebliche
Kriterien:
• Aufgabenverteilung und
Verantwort­lichkeit
Eine Geschäftsführung kann die Erfüllung
von steuerlichen Aufgaben zwar delegieren,
nicht jedoch die (persönliche) Verantwortung
für die ordnungsgemäße Durchführung dieser
Aufgaben. Daher müssen die Zuständigkeiten
von der Ebene der Geschäftsleitung bis in
die operativ zuständigen Fachbereiche klar
geregelt und in umgekehrter Richtung die
Berichtswege eindeutig festgelegt sein. Konkurrierende (Doppel-)Zuständigkeiten sind
ebenso wie eine organisierte Unzuständigkeit
zu vermeiden.
Hat das Unternehmen eine Steuerrichtlinie
und daran anknüpfend dokumentierte Steuerprozesse? Sind bestimmte Abteilungen,
bei denen steuerrelevante Tatbestände
stattfinden, z. B. Fuhrparkmanagement,
Procurement, überhaupt auf dem steuerlichen Radar? Findet ein ggf. notwendiger
Austausch zwischen HR und Tax statt, soweit
lohnsteuerlich relevante Sachverhalte auch
umsatzsteuerliche Konsequenzen haben?
Mitarbeitern keine Prüfung der Gehaltsdaten
auf Vollständigkeit.
• Auswahl und Instruktion
Steuerverantwortliche können nur dann
Aufgaben mit enthaftender Wirkung delegieren, wenn die beauftragten Mitarbeiter die
notwendige Kompetenz zur Erfüllung der
Aufgaben besitzen, sorgfältig ausgewählt
und instruiert wurden. Dies erfordert einen
strukturierten Auswahlprozess und wirksame
Schulungskonzepte.
• Reaktions- und Eskalationsmecha­nismen
Ein Steuerprozess ist nur dann hinreichend
robust, wenn aufgetretene Fehler und Versäumnisse aufgrund wirksamer Kontrollen
erkannt und durch Prozessveränderungen für
die Zukunft wirksam vermieden werden. Dies
bedeutet insbesondere, dass die Steuerprozesse Routinen für den Umgang mit Fehlern
und einen wirksamen und angemessenen
Sanktionsmechanismus für Regelverstöße
enthalten müssen.
Sind für alle Schlüsselpositionen Stellenbeschreibungen vorhanden? Werden Mitarbeiter
regelmäßig geschult – und kann dies nachgewiesen werden? Sollte die Finanzverwaltung
einen bestimmten Sachverhalt für strafrechtlich relevant halten, ist es wichtig zu dokumentieren, dass kompetente Mitarbeiter an
den Schlüsselpositionen sitzen. Dann lassen
sich Fehler als Ausreißer erklären.
• Kontrolle
Mit der Delegation von Aufgaben und
Pflichten muss stets eine angemessene
Überwachung der jeweiligen Steuerprozesse
verbunden sein. Notwendigkeit und Umfang
der Kontrollen (die aus Gründen der Beweisvorsorge dokumentiert werden müssen)
orientieren sich am individuellen Risiko der
betreffenden Steuerart.
In der Praxis sind häufig zwei kritische
Spielarten zu beobachten: Entweder werden
durchaus sinnvolle Kontrollen durchgeführt,
wie z. B. das Vieraugen-Prinzip vor Abgabe
der Lohnsteueranmeldung, diese jedoch
nicht dokumentiert. Oder es finden keine
oder nur unzureichende Kontrollen statt, z. B.
eine unkritische Übernahme der Daten von
Shared Service Centern oder bei entsendeten
Haben massive Beanstandungen z. B. bei der
Lohnsteueraußenprüfung hinsichtlich Kundenveranstaltungen dazu geführt, dass die
Prozesse angepasst und Fehler für die Zukunft wirksam vermieden werden? Wurde bei
der Einführung eines neuen IT-Systems die
Steuerabteilung ausreichend in das Design
und Testing involviert? Gibt es Mechanismen,
um auf gesetzliche Änderungen, z. B. ein
neues Reisekostenrecht ab 2014, frühzeitig
reagieren zu können?
Tax Performance Advisory
Über den Mindeststandard für eine Enthaftung gemäß § 130 OWiG hinaus ist es
sinnvoll, beim Tax Compliance Health Check
weitergehende Optimierungspotenziale
aufzuzeigen. Diese ermöglichen im Idealfall
ein tonangebendes Tax Compliance System
(„leading practise“). Zu den maßgeblichen
Untersuchungsfeldern zählen Personal und
Organisation, Technologie, Datenqualität und
Schnittstellen, Prozesse und Arbeitsanweisungen, Steuerstrategie sowie Erfolgs- und
Effizienzmessung (siehe auch Tax & Law
­Magazine 2014 Q3).
Ihre Autoren
Ija Ramirez
Partner /
Steuerberater
[email protected]
Dr. Marcus Geuenich
Executive Director /
Rechtsanwalt /
Steuerberater
Karl Wirth
Partner /
Diplom-Volkswirt
[email protected]
marcus.geuenich
@de.ey.com
EY TAX & LAW Magazine 02 / 2015
17
TOP
Tax Dashboard: Tax Compliance im internationalen Konzern
Den Finanzverwaltungen werden immer mehr rechtliche und
technische Möglichkeiten an die Hand gegeben, international
steuerliche Daten auszutauschen und automatisierte Verfahren
zur steuerlichen Datenanalyse zu nutzen. Dementsprechend
müssen sich auch internationale Konzerne wappnen, um Waffengleichheit durch steuerliche Prävention und Kommunikation
potenzieller steuerlicher Risiken zu schaffen. Proaktives Compliance-Management und die Anforderung nach einem adressatengerechten Management-Reporting passen da gut zusammen.
In einem internationalen Konzernverbund sind die jeweils einschlägigen lokalen steuerlichen Vorschriften einzuhalten. Das Steuerrecht ist häufig komplex und ein Regelverstoß kann schnell zu strafrechtlichen Maßnahmen und Reputationsschäden führen. Um dies
zu vermeiden, werden bei der Erfüllung der steuerlichen Aufgaben
regelmäßig unternehmensinterne lokale Spezialisten und unternehmensexterne Berater tätig. Liegt die Durchführung der steuerlichen
Aufgabenstellungen teilweise oder gänzlich in Verantwortung des
jeweiligen Unternehmens (dezentralisierte Organisation), verbleiben
bei der Konzernsteuerabteilung häufig beratende, prozesssteuernde
und überwachende Aufgaben.
Mit anderen Worten: die Konzernsteuerabteilung setzt den Rahmen
(Tax Governance) für die eigenverantwortliche Erfüllung lokaler
steuerlicher Pflichten durch die Konzernunternehmen und achtet
auf die Einhaltung der Vorgaben.
Die Konzernsteuerabteilung benötigt zur Durchsetzung der erforderlichen Maßnahmen im Konzern die Unterstützung des Managements,
klare Kompetenzregelungen sowie geeignete Softwarelösungen.
Das Management wiederum, hat die berechtigte Erwartung, über
den steuerlichen Compliance-Status, bestehende steuerliche Risiken,
die aktuellen und geplanten steuerlichen KPI sowie die steuerlichen
Auswirkungen von Projekten der Konzernunternehmen schnell und
in verständlicher Form informiert zu werden. Mit der Konzeption
eines Tax Dashboards lassen sich hierfür die notwendigen Grundlagen schaffen. Die benötigten steuerlichen Informationen werden
für das Management-Reporting und die Überwachungsaufgaben der
Konzernsteuerabteilung zentral verfügbar gemacht, mit eindeutigen
Signalen versehen und grafisch ansprechend aufbereitet.
Neue Dashboard-Technologien ermöglichen aber auch die automatisierte steuerliche Analyse von Rechnungslegungsdaten für ein
steuerliches Frühwarnsystem. Auffälligkeiten können so identifiziert
und genauer beleuchtet sowie Gegenmaßnahmen und Einzelprüfungen bereits frühzeitig eingeleitet werden, bevor der Betriebsprüfer
detektivisch fündig wird.
Interne Einflüsse
• Strategie
• Business / Operations
• Governance
Konzernsteuerabteilung und Tax Governance
Gruppe
Einzel­gesellschaft
Externe Einflüsse
• Rechtlicher Rahmen
• Wirtschaftlicher Rahmen
• Branchenentwicklungen
18
EY TAX & LAW Magazine 02 / 2015
• Vorgaben zur Auswahl des lokalen
Steuerberaters
• Systemgeber für Tax-Software
• Überprüfung und Aktualisierung
der Konzernsteuerrichtlinie
• Überwachung der Umsetzung der
Konzernrichtlinie (ggf. Interne
Revision)
• Überwachung steuerlicher Änderungen im Sitzstaat der Konzernholding
• Koordination übergreifender Projekte
• Koordination des steuerlichen
Berichtsprozesses im KA
• Projektmanagement
• Koordination des steuerlichen
Risikoreportings
• Durchführung von Controlling­
gesprächen
TOP
Im Konzernverbund müssen unternehmensinterne lokale Steuer­
spezialisten und unternehmensexterne Berater in eine sachgerechte
Compliance-Organisation eingebunden werden, welche verbindliche Regeln für die durchzuführenden Kontrollmaßnahmen, die
Kommunikation in einem steuerlichen Frühwarnsystem und das
Risikomanagement vorsieht. Mit dem Tax Dashboard hat die Konzernsteuerabteilung ein wirksames Instrument um ihren Überwachungsaufgaben nachzukommen und das Management mit wichtigen steuerlichen Informationen zu versorgen.
Für ein funktionierendes steuerliches Frühwarnsystem gleichermaßen wichtig sind klare Vorgaben zur Kommunikation steuerlicher
Sachverhalte an die Konzernsteuerabteilung. Unverzüglich sind
steuerstrafrechtliche Vorkommnisse und das Erscheinen der Steuerfahndung an die gesetzlichen Vertreter und an die Konzernsteuerabteilung zu berichten. Zu berichten sind auch:
• Betriebsprüfungsanordnungen und -feststellungen,
• Betriebsprüfungshandlungen, die Konzernumlagen und Verrechnungspreise betreffen,
• Akquisitions- und Umwandlungsvorgänge,
• Änderungen des Geschäftsmodells und Steuerrechtsänderungen,
die wesentliche Steuerrisiken auslösen können,
• Ausgestaltung von grenzüberschreitenden Verträgen (mit einem
entsprechenden Volumen),
• identifizierte steuerliche Risiken im Einzelfall mit einem wesent­
lichen rechnerischen Steuereffekt einschließlich möglicher Bußgelder, Säumniszuschläge und Zinsen.
Ihr Autor
Jürgen Dahlke
Partner / Wirtschaftsprüfer /
­Steuerberater
[email protected]
Darüber hinaus sollten regelmäßig (z. B. halbjährlich) ControllingGespräche mit den Steuerverantwortlichen der Konzernunternehmen stattfinden, damit die Konzernsteuerabteilung über die
notwendigen Kenntnisse zum aktuellen Stand der wesentlichen
Sachverhalte verfügt.
EY Tax Dashboard
Ausgangsumsätze
Geographische Abgrenzung Steuerkennzeichen
Weißrussland
Polen
2014 Q1
Management Reporting
C-Level
Deutschland
Buchungsdatum
2014 Q4
Land
Frankreich
(Alle)
Italien
Deutschland
Frankreich
Großbritannien
Verwendung Steuerkennzeichen
Österreich
Entwicklung Steuerschuld
Schweiz
DE-A-Inland 0%
DE-A-Lieferung Inland …
DE-A-Lieferung Inland …
DE-A-Lieferung Inland …
4M
4M
Wert
CH-A-Lieferung …
Steuerbasisbetrag
Beschreibung
2M
Tax controlling
Steuerabteilung
2M
DE-A-Lieferung nonEU …
Kennzahlnamen
Bruttobetrag
Steuerbetrag
0M
0M
Januar
April
Juli
Oktober
Monat von Buchungsdatum [2014]
Januar
April
Juli
Oktober
Monat von Buchungsdatum [2014]
EY TAX & LAW Magazine 02 / 2015
19
Teure Versprechen
Pensionszusagen entwickeln sich in den Unternehmensbilanzen zu gewaltigen Risiken. Dabei lassen sich die
Verpflichtungen kalkulierbar gestalten.
N
iedrige Zinsen sind gut für Schuldner, schlecht für
Sparer und brandgefährlich für Unternehmen mit
Pensionsverpflichtungen. Diese können jede noch
so glänzende Bilanz verhageln und Gewinnausschüttungen vermasseln. Von Jahr zu Jahr wird es schwieriger, mit
dem reservierten Vermögen am Kapitalmarkt die versprochenen Renten zu erwirtschaften. Gleichzeitig zwingen
die niedrigen Zinsen zu einem kräftigen Aufstocken der
Pensionsrückstellungen. Trotzdem sind die Risiken – insbesondere die Auswirkungen auf den Gewinn – beherrschbar, sofern die Unternehmen bestimmte strategische und
Abzinsungszinssätze gemäß § 253 Abs. 2 HGB
Quelle: Bundesbank, Daten zum Ende des jeweiligen Monats, ab Juni 2015 Prognose EY
6 %
5 %
Prognose EY
4 %
3 %
2 %
1 %
0 %
Mai
2010
20
Mai
2011
Mai
2012
Mai
2013
EY TAX & LAW Magazine 02 / 2015
Mai
2014
Mai
2015
Mai
2016
Mai
2017
für alle Beteiligten tragbare Entscheidungen treffen. Dazu
zählen zuallererst eine zeitgemäße Ausgestaltung der
Pensionszusagen selbst und das Minimieren unerwarteter
Effekte wie z. B. längere Lebenserwartungen.
HGB hinkt hinterher
Nach den allgemeinen Bilanzierungsvorschriften müssen
Unternehmen langlaufende Verpflichtungen mit dem
Marktzins diskontieren. Folglich steigen die ergebnismindernden Zuschreibungen des Gegenwartswerts von
Pensionsverpflichtungen – und das derzeit in bisher ungeahntem Ausmaß. Für eine Bilanzierung nach IFRS bzw.
US-GAAP liegt der EY-Referenzzinssatz für die Eurozone
im Mai 2015 am unteren Ende bei gerade noch 1,37 Prozent, während der Diskontierungssatz nach deutschem
Handelsrecht derzeit noch 4,26 Prozent zum Stichtag beträgt. Der Unterschied der Zinssätze begründet sich darin,
dass für Zwecke des deutschen HGB zur Bestimmung
des Rechnungszinses der durchschnittliche Marktzinssatz
der vergangenen sieben Geschäftsjahre heranzuziehen
ist. Bei der HGB-Bilanzierung sorgt dieser Glättungseffekt
nach § 253 Abs. 2 HGB i. V. m. der RückAbzinsV dafür,
dass der HGB-Zins weniger volatil ist, als der Rechnungszins nach IAS 19, und sich der Zinsverfall langsamer in
der Bilanz bemerkbar macht, weshalb entsprechend über
die nächsten Jahre weiterhin mit steigenden Pensionsrückstellungen zu rechnen ist.
© Thomas Lohnes/ Getty Images News
Unter Leitung des Präsidenten Mario Draghi hat die Europäische Zentralbank am 4. September 2014
den Leitzins auf 0,05 Prozent gesenkt. Im Jahr 2008 lag er noch bei 4,25 Prozent.
Ausfinanzierungsgrad von Pensions­
verpflichtungen im freien Fall
Durch den massiven Anstieg der Pensionsrückstellungen,
nicht nur bei Dax-Konzernen, sind die Verpflichtungen zur
betrieblichen Altersversorgung, die Unternehmen ausgeschiedenen und aktiven Mitarbeitern zugesagt haben,
allerdings auch immer weniger durch Vermögen gedeckt.
Dabei bezeichnet man die Quote mit der die Pensionsverpflichtungen durch Vermögenswerte gedeckt sind als
sogenannten Ausfinanzierungsgrad oder auch Deckungsgrad. Dieser ist in den vergangenen Jahren ebenfalls
deutlich gesunken. Dies belastet vor allem Unternehmen,
die sich kein aktives Management der Kapitalanlage leisten können oder wollen.
Achtung bei Kreditverträgen
Auf Basis der aktuellen Zinserwartungen lassen sich
bereits heute die Auswirkungen auf kommende Jahresabschlüsse prognostizieren. Die Ergebnisse sollten Unternehmen zum Anlass nehmen, bestimmte Maßnahmen
mit Blick auf die Ergebnisplanung, auf Ausschüttungsziele
oder insbesondere auf Covenants zu erwägen. Schließlich verpflichten sich Unternehmen in Kreditverträgen in
vielen Fällen, bestimmte Eigenkapitalquoten, Bilanzrelationsquoten oder andere finanzwirtschaftliche Kennzahlen
einzuhalten. Höhere Pensionsrückstellungen infolge der
extrem niedrigen Zinsen könnten daher zur Auflösung
von Kreditverträgen führen.
Spielraum bei den Bewertungsparametern
Rasanter Anstieg
Pensionsverpflichtungen der DAX 30-Unternehmen
2009
2010
2011
2012
2013
2014
222,4
249,3
257,4
310,9
301,8
372
Quelle: Geschäftsberichte, eigene Recherche, Angaben in Milliarden Euro
Was sollen betroffene Unternehmen tun? Zunächst sollten sie die Bewertungsparameter für ihre Pensionsrückstellungen überprüfen. Entsprechen die Annahmen zu
Inflationserwartung oder Gehaltssteigerungstrends noch
den heutigen Gegebenheiten? Selbst scheinbar geringfügige Anpassungen haben durch die langen Laufzeiten
und den Zinseszinseffekt erhebliche Auswirkungen auf
die Verpflichtungshöhe. Diese Anpassungen schlagen allerdings nicht auf die Steuerbilanz und damit die tatsäch­
lichen Steuerzahlungen durch, denn künftige Pensionsleistungen sind gemäß § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 2,
2. Halbsatz EStG mit dem Betrag anzusetzen, der sich
nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag ergibt. Allen­
falls in der Handelsbilanz ist ein gewinnmindernder
steuerlicher Gegeneffekt aus einer korrespondierenden
Verringerung aktiver latenter Steuern zu erwarten.
Covenants ist ein
Sammelbegriff für
Nebenvereinbarungen und Zusatz­
klauseln in Kredit­
verträgen nach
denen sich z. B. ein
kreditnehmendes
Unternehmen verpflichtet, bestimmte
Eigenkapitalquoten,
Bilanzrelationsklauseln oder sonstige
finanzwirtschaft­
liche Kennzahlen
einzuhalten oder
andern­falls z. B. den
Zins oder andere
Kreditbedingungen
an die geänderte
Risiko­situation anzupassen.
EY TAX & LAW Magazine 02 / 2015
21
TAX
Biometrische Parameter
Flankierend können Unternehmen die biometrischen
Parameter zur Sterbe- oder Invaliditätswahrscheinlichkeit
anpassen. Soweit handels- und steuerrechtlich bislang
die Richttafeln von Heubeck für die Bewertung der Pensionsrückstellung zu Grunde gelegt wurden, könnte eine
Änderung bei manchen Unternehmen den Rückstellungsbedarf reduzieren. Die Berücksichtigung anderer oder
modifizierter biometrischer Rechnungsgrundlagen als
den sogenannten Heubeck-Richttafeln ist nicht nur im
Handels-, sondern auch im Steuerrecht grundsätzlich
zulässig, kommt jedoch nach Verwaltungsauffassung nur
unter bestimmten Voraussetzungen in Betracht.
Falls sich dadurch die Rückstellungen reduzieren, erhöhen sich der handelsrechtliche Gewinn, das steuerliche
Einkommen und damit auch die tatsächlichen Steuerzahlungen. Ob in Fällen der gewinnerhöhenden Rückstellungsreduzierung eine Verteilung des Anpassungsbetrags
auf mindestens drei Wirtschaftsjahre nach § 6a Abs. 4
Satz 3 EStG zur Anwendung kommen
darf, ist indes fraglich. Hier besteht
Auch wenn das Gewicht der Pensionseine steuerliche Unsicherheit, welche
rückstellungen in den Handelsbilanzen
Rechtsauffassung die Finanzverwalstark zugenommen hat, können die
tung vertritt. Dem handelsrechtliUnternehmen steuerlich daraus keine
chen Ertrag steht also grundsätzlich
Reduzierung der laufenden Steuerzahein steuerlicher Gegeneffekt bei den
lungen erwarten. Durch den in § 6a EStG
laufenden Steuern gegenüber.
gesetzlich festgeschriebenen Zinssatz
von sechs Prozent bleibt nämlich die
steuerliche Bewertung einer PensionsAlternative Gestaltungsrückstellung unberührt. Zu hoffen wäre,
möglichkeiten
dass die Bundesregierung dem aktuellen
Die handelsrechtlichen Folgen der
Niedrigzinsumfeld durch Absenken des
Minizinsen sollten Unternehmen
steuerlich anzuwendenden § 6a-Zins­
auch zum Anlass nehmen, sich über
satzes Rechnung trägt, wenn sich das
mögliche und zulässige Gestaltungsderzeitige Zinsniveau weiter verfestigt.
alternativen der Altersversorgung
an sich Gedanken zu machen. Hat
Durch die zunehmenden Bewertungsder Arbeitgeber seinem Arbeitnehunterschiede gewinnen allerdings
mer erst einmal eine Pensionszu­latente Steuern an Bedeutung, denn die
sage erteilt, kann er sich zwar aus
handelsrechtliche Ergebnisbelastung
dieser Versorgungsverpflichtung
aus den Niedrigzinsen wird durch die Beaufgrund strenger arbeitsrechtlicher
rücksichtigung aktiver latenter Steuern
Vorschriften nicht mehr ohne weizumindest teilweise kompensiert. Dabei
teres befreien. Er kann diese aber
ist jedoch zu beachten, dass in der Bilanz
durchaus im Sinne aller Beteiligten
ausgewiesene aktive latente Steuern
gestalten. Dabei unterliegen bereits
nach § 268 Abs. 8 Satz 2 HGB grunderdiente Anwartschaften einem besätzlich zu Ausschüttungssperren führen
sonders strengen arbeitsrechtlichen
soweit sie die passiven latenten Steuern
Besitzstandsschutz. Dies schränkt
übersteigen.
den Gestaltungsspielraum des Arbeit-
22
EY TAX & LAW Magazine 02 / 2015
gebers zusätzlich ein, sich von unliebsamen bilanziellen
Auswirkungen bestehender Pensionszusagen zu befreien.
Es verbleibt ihm jedoch die Möglichkeit, die Art der Durchführung der betrieblichen Altersversorgung zu ändern
und die Versorgungsverpflichtung teilweise oder vollständig auf einen nicht bilanzberührenden Durchführungsweg
zu übertragen.
Raus aus der Bilanz
Zur Verfügung stehen dem Arbeitgeber insbesondere
der neu überarbeitete Durchführungsweg des Pensionsfonds und die (rückgedeckte) Unterstützungskasse. Die
Finanzierung erfolgt grundsätzlich nach dem Kapitaldeckungsverfahren. Der steuerliche Betriebsausgabenabzug
ist zwar für Pensionsfonds nach § 4e EStG und für Unterstützungskassen nach § 4d EStG beschränkt, stellt aber
selten die Übertragung insgesamt in Frage. Entsprechend
kommt es bei der Übertragung zunächst nicht zu einer
Lohnversteuerung, später aber zu einer nachgelagerten
Besteuerung bei Rentenbezug.
Der gewählte Versorgungsträger übernimmt im vereinbarten Umfang die Erfüllung der Pensionszusage und
erhält dafür finanzielle Zuwendungen. Kommt es zur
Übertragung einer Pensionszusage auf einen der genannten Durchführungswege, ist die Pensionsrückstellung in
der Handelsbilanz soweit aufzulösen, wie der externe Versorgungsträger die Verpflichtung übernimmt. Liegt eine
mittelbare Zusage vor, so braucht keine handelsrechtliche
Rückstellung gebildet werden, wenn aufgrund eines nicht
ausreichenden Vermögens der Versorgungseinrichtung
eine Unterdeckung verbleibt (Passivierungswahlrecht).
In der Steuerbilanz führt die Übertragung einer Pensionszusage auf einen Pensionsfonds oder eine rückgedeckte
Unterstützungskasse gegen Einmalbeitrag oder laufenden
Beitrag grundsätzlich zur Ausbuchung der Rückstellungen nach § 6a EStG. Aufgrund steuerlicher Einschränkungen des Betriebsausgabenabzugs sowie der engen
lohnsteuerfreien Dotierungsgrenzen ist besonders auf die
erfolgsneutrale Gestaltung der Übertragung zu achten.
Vorteilhaftes Treuhandmodell
Eine besondere Form der Absicherung von zukünftigen
Pensionszahlungen ist die interne Liquiditätsvorsorge mittels einer Treuhandlösung, dem sogenannten Contractual
Trust Arrangement (CTA). Ein solcher CTA, auch Pensionstreuhand oder Treuhand-Modell bezeichnet, dient der
Finanzierung von Pensionen und kann darüber hinaus
zur gesetzlich geforderten Insolvenzsicherung von Alters-
TAX
teilzeitguthaben und sogar von Zeitwertkontenmodellen
eingesetzt werden. Beim CTA geht es vor allem darum,
die Bilanzkennziffern zu verbessern, die bestehenden
Versorgungsverpflichtungen zu finanzieren und einen verbesserten Insolvenzschutz zu ermöglichen.
Ein CTA bietet flexible Dotierungsmöglichkeiten. Es bestehen kaum Kapitalanlagebeschränkungen noch gibt es
Vorgaben, in welcher Höhe oder in welchen Zeiträumen
die Dotierung des CTA zu erfolgen hat. Vereinfacht stellt
sich die Struktur eines CTA im Wege einer doppelseitigen
Treuhand wie folgt dar.
Versorgungsansprüche
Arbeitgeber
Versorgungszusage
Vermögens­
übertragung
Treuhandvertrag
Verwaltungs­
treuhand
Echter Vertrag
zu Gunsten
Dritter
Treuhänder
Pension Trust e. V.
Kapitalanlage
Vermögensgegenstände als Deckungsvermögen bzw.
Planvermögen gemäß IFRS oder US-GAAP zu qualifizieren sind, ist eine Saldierung nicht nur möglich, sondern
zwingend erforderlich. Dies führt regelmäßig zur Verkürzung der Handelsbilanz und damit zur Verbesserung verschiedener betriebswirtschaftlicher Kennzahlen.
Fazit
Im Ergebnis wird deutlich, dass trotz des aktuellen Niedrigzinsumfeldes die Risiken und Gewinnbelastungen der
traditionellen Pensionszusage beherrschbar sind, sofern
die Unternehmen strategisch
langfristige und für alle Beteiligten tragbare Entscheidungen bei
der betrieblichen AltersversorAktive / ehemalige
gung treffen. Dazu zählt zuallerArbeitnehmer
erst die zeitgemäße Ausgestaltung der Pensionszusagen selbst,
wodurch der Aufwand für das
Unternehmen planbarer wird und
gleichzeitig unerwartete Effekte,
Sicherungstreuhand
z. B. aus Langlebigkeit, minimiert
werden können. Gleichzeitig kann
durch eine einzelfallangemessene
Auswahl der Bewertungsparameter einschließlich der Erstellung
von
Langzeitprognosen die zuz. B. Kapital­
künftige Entwicklung und damit
anlagegesellschaft
die Auswirkung auf die Unternehmensbilanz vorhersehbarer
gestaltet werden.
Durch Einrichtung eines CTA und Übertragung von Assets auf den Treuhänder hält dieser grundsätzlich das
rechtliche Eigentum an den Vermögensgegenständen.
Gleichzeitig verbleibt aber das wirtschaftliche Eigentum
beim Unternehmen als Treugeber und ist entsprechend
den allgemeinen Bilanzvorschriften zu bilanzieren. Sofern
Diese Maßnahmen, ergänzt durch eine maßgeschneiderte
und flexible Finanzierung der Pensionen, z. B. durch eine
interne Treuhandlösung oder durch Übertragung auf
einen externen Versorgungsträger, zeigen den Weg einer
zukunftsfähigen betrieblichen Altersversorgung, auf die
künftig immer mehr Menschen angewiesen sein werden.
Ihre Autoren
Janis Leckschas
Senior Manager /
LL.M.
Dr. Andreas S. Bolik
Senior Manager /
Steuerberater
[email protected]
[email protected]
EY TAX & LAW Magazine 02 / 2015
23
TAX
Kompromiss zur Güte
Im Zuge der heftigen Diskussion um die Novelle des
Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes legt EY einen
eigenen Reformplan vor.
Dr. Michael Meister,
Parlamentarischer
Staats­sekretär beim
Bundes­minister der
Finanzen, auf dem
Gipfelgespräch Familienunternehmen am
14. April 2015 von EY.
24
B
ei den großen Familienunternehmen kreist der
Fokus im Wesentlichen um das Verschonungsbedürfnis: Wann gilt der Erbe von Betriebsvermögen
als bedürftig, um von der Steuer verschont zu werden?
Auf welcher Ebene soll die Prüfung ansetzen – auf Seiten
des Unternehmens oder des Erwerbers? Und inwieweit
kann und muss auch das Privatvermögen des Erben bzw.
Beschenkten in die Prüfung einbezogen werden? Eine
klare Aussage hierzu trifft ein Rechtsgutachten des ehemaligen Verfassungsrichters Hans-Jürgen Papier, das der
Wirtschaftsrat der CDU in Auftrag gegeben hatte. Danach
gehe es beim vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Erfordernis einer Bedürfnisprüfung in erster Linie
um die Begünstigung der Unternehmensstrukturen und
nicht um die individuelle Zahlungsfähigkeit des Erwerbers.
Grundsätzlich sei der Gesetzgeber von Verfassung wegen
nicht gehindert, das mit der Erbschaft oder Schenkung
zugleich übertragene nicht-privilegierte Privatvermögen
in eine Bedürfnisprüfung einzubeziehen. Verfassungsrechtlich bedenklich sei jedoch der Ansatz an bereits vorhandenem nicht-betrieblichen Vermögen des Erwerbers.
EY TAX & LAW Magazine 02 / 2015
Grundzüge des EY-Vorschlags
In Verbindung mit einer Online-Befragung unter mehr als
tausend Familienunternehmern, die zwar nicht repräsentativ, aber durchaus statistisch belastbar ist, haben die
EY-Experten nun folgende steuerpolitischen Empfehlungen formuliert:
Typisierende Bedürfnisprüfung auf der Unternehmens­
ebene in Verbindung mit einer degressiven Verschonung
nur des begünstigten Betriebsvermögens. Das Kriterium
für die Grenzziehung sollte ein Unternehmenswert von
150 Millionen Euro sein. Der Verschonungsumfang von
100 bzw. 85 Prozent könnte je nach Größe des Unternehmens um jeweils fünf Prozentpunkte auf mindestens
65 Prozent des Verschonungsumfangs (100 Prozent)
abschmelzen. Dann ergäbe sich eine Schenkung- bzw.
Erbschaftsteuer auf das begünstigte Betriebsvermögen
von knapp zehn Prozent in der Spitze. Bei einer zinslosen
Stundung über zehn Jahre als Normalfall käme es zu einer
maximalen Belastung von einem Prozent des produktiven
Unternehmenswertes pro Jahr (siehe nächster Punkt).
TAX
• Zinslose Stundung der Erbschaftsteuer über zehn Jahre
(als Normalfall) und zusätzlich individuelle Bedürfnis­prüfung auf Ebene des Erwerbers von Anteilen an „Groß­
unternehmen“ (falls überhaupt nötig).
• Konzernbetrachtung und Versteuerung nur des NettoVerwaltungsvermögens, also nach Abzug sämtlicher Schulden. Entfall der jetzigen Differenzierung von „jungem“
und sonstigem „normalen“ Verwaltungsvermögen.
Stichtags­bezogenen Liquiditätsüberhängen ist mit einer
Reinvestitionsklausel zu begegnen.
• Lohnsummenkontrolle ab dem fünften Arbeitnehmer,
es sei denn, die Ausgangslohnsumme unterschreitet eine
Bagatellgrenze von 100.000 Euro.
• Berücksichtigung gesellschaftsrechtlicher Verfügungs­
beschränkungen in der Unternehmensbewertung. Be­
schränkung des Kapitalisierungsfaktors beim vereinfachten
Ertragswertverfahren auf maximal 14, da die derzeit
extrem niedrigen Zinsen zu unrealistisch hohen Unternehmensbewertungen führen.
Familienunternehmen stimmen ErbSt-Konzept von EY zu
Welches Kriterium ist maßgebend, ein Bedürfnis für die Privilegierung von
­Betriebsvermögen anzuzeigen? Auf welcher Ebene soll es ansetzen – auf
Seiten des Unternehmens oder des Erwerbers? Und inwieweit kann und
muss auch das Privatvermögen des Erben bzw. Beschenkten in die Prüfung
einbezogen werden?
Die Ergebnisse unserer Studie „Erbschaftsteuer nach dem Urteil des
BVerfG – ­Ergebnisse einer Online-Befragung und Empfehlungen für Neuregelungen“ l­iefern wichtige Antworten für zukünftige Regelungen des
Gesetzgebers. Der von EY erarbeitete Vorschlag geht auf alle w
­ esentlichen
„Baustellen“ der erbschaft­steuerlichen Verschonungsregelungen ein
­(Bedürfnisprüfung, Verwaltungsver­mögen und Lohnsummenregelung).
Meistgenannte Kriterien für eine Bedürfnisprüfung
24
Unternehmenswert
19
Arbeitnehmer-Anzahl
Bündel an Befindlichkeiten
Wie der weitere Zeitplan zur Reform des ErbStG ausschaut,
ist auch gut ein halbes Jahr nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht ganz klar. Die politische Debatte
ist immer noch in vollem Gange. Das Bundesfinanzministerium ist bei der Reform zwar federführend, es muss aber
ein Bündel von Vorgaben und Befindlichkeiten beachten.
Staats­sekretär Meister erläuterte beim jüngsten EY-Gipfel
der Familienunternehmen die Anforderungen des Gesetzgebers an ein Eckpunktepapier: Es müsse politische Mehrheiten finden, sich aus den grundsätzlichen Vorgaben des
Bundesverfassungsgerichts ableiten lassen und – vielleicht
der wichtigste Punkt – man möchte für den Fall einer erneuten Vorlage beim Bundesverfassungsgericht ein verfassungskonformes Gesetz verteidigen.
17
Liquide Mittel
15
Investitions-/Thesaurierungsquote
13
Mangelnde Kreditwürdigkeit
13
Privatvermögen
5
Jahresumsatz
4
Jahresbilanzsumme
10
Sonstige
Ja
57 %
Pauschalierter Wertansatz
Nein
43 %
Übertragungen vorziehen
Hinzu kommt, dass die Positionen von Bund, Ländern und
Wirtschaft bislang auseinanderklaffen und noch keine
wirkliche Einigung zu erkennen ist. Dies liegt natürlich auch
daran, dass das Bundesverfassungsgericht in sei­nem Urteil
vom 17. Dezember 2014 zwar detailliert die verfassungswidrigen Kritikpunkte aufschlüsselt, jedoch keine Lösungen
für eine Neuregelung der Verschonung unternehmerischen
Vermögens konkretisiert. Damit wird immer wahrscheinlicher, dass sich das Gesetzgebungs­verfahren bis in das
Jahr 2016 hineinziehen wird. Im Juni wurde vom BMF
ein Referentenentwurf für ein Gesetz zur Anpassung der
Erbschaftsteuer- und Schenkungsgesetze an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts veröffentlicht. Ziel
ist ein Beginn des Gesetzgebungsverfahrens noch vor der
Sommerpause. Da mit einer rückwirkenden Verschärfung
eher nicht zu rechnen ist, erscheint es für betroffene Familienunternehmen ratsam, de lege lata über vorgezogene
Schenkungen nachzudenken. Allerdings natürlich nur dann,
wenn sie ohnehin geplant und persönlich und unternehmerisch sinnvoll sind.
Ja
64 %
Abschmelzmodell
Nein
36 %
Die Gesamtstudie „Erbschaftsteuer nach
dem Urteil des BVerfG – Ergebnisse einer
Online-Befragung und Empfehlungen für
Neuregelungen“ steht Ihnen auf unserer
Internet-Seite zur Verfügung.
EY TAX & LAW Magazine 02 / 2015
25
TAX
Die lange Leitung des
Informationsaustausches
Das internationale Amtshilfeübereinkommen biegt
nach drei Jahrzehnten auf die Zielgerade ein.
I
m Jahr 1988 zündete ein gewisser Gerhard Stoltenberg als Bundes­finanzminister die zweite Stufe seiner
großen Steuerreform, ein Autotelefon wog gut sieben
Kilogramm – und die OECD legte zusammen mit dem
Europarat die erste Version eines internationalen Übereinkommens zur gegenseitigen Amtshilfe in Steuersachen
vor. Während Autotelefone und Steuerreformen lange
gefragt waren und inzwischen aus der Mode gekommen
sind, startet das internationale Amtshilfeübereinkommen
jetzt erst richtig durch.
© Sean Gallup/ Getty Images News
Das damals zwischen Dänemark, Finnland, Norwegen,
Schweden und den Vereinigten Staaten ausgehandelte
Übereinkommen trat 1995 in
Kraft und fristete lange ein
Schattendasein. Dies änderte
sich erst mit der weltweiten
­Finanzkrise. Auf der Suche
nach Geld erklärten die Staatsund Regierungschefs der
führenden 20 Industrie- und
Schwellenländer (G20) im
Jahr 2009 die Ära des Bankgeheimnisses für beendet. Es
ging darum, auf unerschlossene Anlegergelder zuzugreifen. Erster Schritt in diese Richtung war die inhaltliche
Überarbeitung und Öffnung des Amtshilfeübereinkommens auch für Nichtmitgliedstaaten der OECD und des
Europarates in einem Ergänzungsprotokoll im Jahr 2010.
Deutschland holte flugs die Unterschrift unter dem Übereinkommen nach. Doch erst im März dieses Jahres legte
die Bundesregierung einen Referentenentwurf für ein
deutsches Umsetzungsgesetz vor, das notwendig ist, um
das Abkommen völkerrechtlich verbindlich zu ratifizieren.
Der internationale Informationsaustausch ist aber nicht
nur ein langwieriger Vorgang, sondern auch ein komplexer. Der automatisierte Zugriff auf umfassende Finanzdaten gilt schon immer als Wunderwaffe gegen internationale Steuerhinterziehung, ist aber organisatorisch und
politisch schwer durchsetzbar. Weitere Varianten sind der
Informationsaustausch auf Ersuchen eines anderen Staates und die spontane Weitergabe interessanter Daten an
einen anderen Staat.
26
EY TAX & LAW Magazine 02 / 2015
Drei Varianten
Alle drei Möglichkeiten – automatisch, auf Ersuchen und
spontan – waren bereits in der 1988er-Fassung grundsätzlich vorgesehen. Allerdings leiteten sich aus dem
Amtshilfeübereinkommen weder eine Verpflichtung, noch
ein genauer Standard zum automatischen Informationsaustausch ab. Dafür waren erst weitere internationale
Verhandlungen nötig. Mit Vorlage des OECD Common
Reporting Standards (CRS) im Juli 2014 und der Unterzeichnung eines zusätzlichen multilateralen Abkommens
(MCAA) zwischen Deutschland und 50 weiteren Staaten
im Oktober 2014 in Berlin wurden auf diesem Weg weitere Meilensteine erreicht.
Nach Abschluss der in Deutschland bereits angelaufenen
Ratifikationsverfahren von Amtshilfeübereinkommen
und MCAA kann ab 2017 (für 2016) mit dem weltweiten
automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten
begonnen werden. Einen Schritt voraus sind die USAmerikaner. Ihr FATCA-System sichert ihnen bereits seit
Sommer 2014 einen umfassenden weltweiten Zugriff auf
die Daten ihrer Steuerbürger.
Innerhalb der EU stellten die Finanzminister den automatischen Informationsaustausch über eine Erweiterung
der EU-Amtshilferichtlinie Ende 2014 sicher, die derzeit
in deutsches Recht umgesetzt wird. Und es geht weiter:
Derzeit bereitet die EU im Windschatten der LuxemburgLeaks-Affäre eine erneute Ergänzung der EU-Amtshilferichtlinie vor. Ziel ist eine zusätzliche Auskunftspflicht
für sogenannte Tax Rulings mit grenzüberschreitendem
Bezug, worunter nach Verwaltungsauffassung auch verbindliche Auskünfte zu fassen sind.
Ob die Finanzverwaltung die möglicherweise hohen
­Datenmengen überhaupt verarbeiten kann, muss sich
noch zeigen. Was bei Kontodaten vielleicht noch gelingt,
dürfte im Fall von Rulings (verbindlichen Auskünften)
Probleme aufwerfen. Gerade Rulings sind inhaltlich kompliziert und können nicht nach Schema F ausgewertet
werden. Dem Vernehmen nach brüten deutsche Finanzbeamte immer noch über den knapp 150 Luxemburger
Rulings mit Bezug zu deutschen Unternehmen, die Ende
2014 durch „Lux-Leaks“ veröffentlicht wurden.
TAX
Berlin entschärft Brüsseler Vorlage
Die EU-Reform der Abschlussprüfung befindet sich im
nationalen Umsetzungsprozess.
Wechsel nach zehn Jahren
Ein Kernpunkt des Referentenentwurfs von Justizminister
Heiko Maas (SPD) ist die Einführung einer maximalen Prüfungsmandatsdauer von 20 bzw. 24 Jahren (externe Rotation) bei Unternehmen des öffentlichen Interesses. Dazu
gehören kapitalmarktorientierte Unternehmen, Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen. Nach einem Ausschreibungsverfahren kann somit die Grundrotationsdauer
von zehn Jahren um weitere zehn bzw. 14 Jahre verlängert werden. Bisher gibt es eine solche Wechselrestriktion
nicht. Damit bleibt Berlin unter den strengen Empfehlungen der Brüsseler Kommission, die grundsätzlich nach
zehn Jahren eine Rotation der Abschlussprüfer vorsieht.
Tatsächlich ermöglicht die EU-Abschlussprüferverordnung
(EU-APVO) es den Mitgliedstaaten, bestimmte Verbote
oder Fristen zu verschärfen, aber auch zu entschärfen.
Noch ein Jahr Zeit
Das Bundesjustizministerium macht von letzterer Möglichkeit auch bei dem umfangreichen Verbotskatalog von
sogenannten Nichtprüfungsleistungen Gebrauch.
Unter anderem sieht der Referentenentwurf vor, dass der
Prüfer neben der Abschlussprüfung weiterhin bestimmte
Steuerberatungs- und Bewertungsleistungen – wie das
Erstellen von Steuererklärungen – erbringen darf, soweit
© Bundesregierung/Steffen Kugler
D
ie Finanzmarktkrise 2008/2009 hat nach Auffassung der Europäischen Kommission einen
erheblichen Änderungsbedarf im Bereich der
Abschlussprüfung offengelegt. Eine EU-weite Reform soll
Qualität und Unabhängigkeit der Abschlussprüfer verbessern, um die finanzielle Stabilität größerer Unternehmen
und der Wirtschaft insgesamt zu sichern. Nachdem die
EU-Kommission entsprechende Vorgaben vor einem Jahr
machte, hat das Bundesjustizministerium im Frühjahr
2015 einen ersten Referentenentwurf zur nationalen Umsetzung ausgearbeitet. Dabei geht es um Anpassungen
im deutschen Handels- und Gesellschaftsrecht. Daneben
hat das Bundeswirtschaftsministerium einen Referentenentwurf über die notwendigen Änderungen im Bereich
des Berufsrechts und der Berufsaufsicht der Wirtschaftsprüfer veröffentlicht.
diese seine Unabhängigkeit nicht gefährden, d. h. soweit
sich die Leistungen nicht unmittelbar und wesentlich auf
den zu prüfenden Jahresabschluss auswirken. Dieses ist
im Prüfungsbericht darzustellen und zu erläutern.
Die Abstimmung innerhalb der Bundesregierung ist jedoch noch nicht abgeschlossen. Auch haben Kammern
und Wirtschaftsverbände die Möglichkeit, eine Stellungnahme zum Referentenentwurf abzugeben. Das Gesetzgebungsverfahren muss bis spätestens zum 17. Juni
2016 abgeschlossen werden.
Zur EU-Rechtsetzung
Grundlage für die nationale Gesetzgebung sind zwei
Rechtsakte der EU-Kommission vom 16. Juni 2014:
• Eine für die Prüfung von Unternehmen des öffentlichen Interesses unmittelbar geltende Verordnung,
die sogenannte EU-Abschlussprüferverordnung (EU
Nr. 537/2014, kurz: EU-APVO).
• Eine in nationales Recht umzusetzende Richtlinie,
die durch EG-RL 2014/56/EU modifizierte „Achte EGRichtlinie 2006/43/EG“ (EU-Abschlussprüferrichtlinie
oder kurz: EU-APRL).
EU-Verordnungen wie die EU-APVO stellen die schärfste
Form der europäischen Gesetzgebung dar und beruhen auf
dem Prinzip der Rechtsvereinheitlichung. Sie gelten sofort
und unmittelbar in allen EU-Mitgliedstaaten. Eine Umsetzung durch den nationalen Gesetzgeber ist, anders als bei
EU-Richtlinien, nicht erforderlich. Sie werden ohne Zustimmung der nationalen Parlamente rechtlich wirksam.
EY TAX & LAW Magazine 02 / 2015
27
TAX
Familienunternehmen
Schrittweise richtig
Die Übertragung eines verkleinerten Betriebs muss
kein steuerlicher Missbrauch sein, urteilt der BFH.
E
© imageBROKER/F1online
in Unternehmer (Kommanditist) veräußerte vorab
ein Grundstück aus seinem Sonderbetriebsvermögen an einen fremden Dritten, bevor er wenige Tage
später seinen gesamten Mitunternehmeranteil unentgeltlich an seinen Sohn übertrug, ebenfalls Kommanditist
der KG. Für das Finanzamt war damit klar, dass der dem
vorangegangenen Verkauf folgende Übertragungsvorgang
des gesamten Mitunternehmeranteils nicht zum Buchwert
erfolgen könne, sondern eine Aufdeckung stiller Reserven
mit entsprechender Versteuerung auslöste. Es kam zum
Prozess. Am Ende stellte der Bundesfinanzhof fest, dass
die vorab veräußerten oder entnommenen Wirtschaftsgüter keine Bestandteile des übertragenen Betriebsvermögens mehr darstellten, da die einschlägige Steuervorschrift
ausdrücklich auf eine „funktionsfähige betriebliche Einheit“
im Zeitpunkt der Übertragung abstellt. Eine zeitliche Nähe
beider Transaktionen – die vorherige Veräußerung und die
anschließende unentgeltliche Übertragung des Mitunternehmeranteils – sei unerheblich für die Anwendung der
Missbrauchsnorm nach § 42 AO (Urteil vom 9. Dezember
2014, IV R 29/14). Die einzelnen Transaktionen fassten
die Richter deshalb nicht in einem einzigen Übertragungsvorgang (Gesamtplan) zusammen, sondern werteten sie
als eigenständige Teilschritte. Die Transaktionen in Teilschritten stehen demnach nicht der Buchwertfortführung
nach § 6 Abs. 3 EStG für die Übertragung des Mitunternehmeranteils entgegen, da weder die Veränderung des Betriebsvermögens durch Zu- oder Abgang noch dessen tatsächliche Nutzung bzw. Nichtnutzung in der betrieblichen
Einheit im Zeitpunkt der Übertragung für die Anwendung
des § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG eine Rolle spielen.
28
EY TAX & LAW Magazine 02 / 2015
Klarere Unterscheidung
Durch die Nichtberücksichtigung zeitlich vorgelagerter
Übertragungen in der jüngsten BFH-Rechtsprechung
eröffnen sich bei der Unternehmensnachfolge neue Gestaltungsspielräume, sowohl was die Zuführung als auch
die Abstockung betrifft. Für die Abgrenzung zwischen
einem Gesamtplan und einem Plan von Einzelakten ist
dabei entscheidend, ob den Teilschritten eine eigenständige Funktion zukommt und ob wirtschaftliche Gründe für
die einzelnen Teilschritte vorliegen. Demzufolge ist nicht
sofort jede mehrstufige Umgestaltung als Gesamtplan
mit der steuerlichen Folge eines Gestaltungsmissbrauchs
nach § 42 AO anzusehen. Für einen Gesamtplan spricht
dagegen laut BFH, wenn ein einheitlicher wirtschaftlicher
Sachverhalt aufgrund eines vorherigen zielgerichteten
Plans „künstlich“ zerlegt wird und den einzelnen Teilschritten nur für die Erreichung des Gesamtziels Bedeutung zukommt.
Gestaltungsmissbrauch als
­Abwehr­instrument
Ob nun eine unangemessene Gestaltung vorliegt, die zu
einem Steuervorteil führt, muss zunächst die Finanzverwaltung nachweisen. Gestaltungen gelten als missbräuchlich, wenn diese beim Steuerpflichtigen oder bei einem
Dritten zu einem nicht gesetzlich vorgesehenen Steuervorteil führen. Laut BFH (Urteil vom 25. November 2011,
I R 72/08) greift die Missbrauchsabwehr nur bei vorgeschobenen, bald rückgängig gemachten Transaktionen
oder bei nicht eigenständig wirtschaftlich begründeten
Teilschritten. Für tarifbegünstigte Veräußerungsvorgänge
(§§ 16, 34 EStG) leitet sich die Gesamtplanrechtsprechung nach der aktuellen BFH Rechtsprechung (Urteil
vom 9. Dezember 2014, IV R 36/13 und Urteil vom
17. Dezember 2014, IV R 57/11) aus einer zweckgerichteten Auslegung des § 34 EStG ab und stellt damit kein
Gestaltungsmissbrauch i. S. d. § 42 AO dar. Gleiches gilt
für § 6 Abs. 3 EStG, wo den Verkauf vorbereitende Anpassungen weder zu einem Gesamtplan noch zu einem
Gestaltungsmissbrauch führen. Der BFH wendet die Gesamtplanrechtsprechung also klar normspezifisch an und
trennt sie in der jüngeren Rechtsprechung deutlich vom
Gestaltungsmissbrauch des § 42 AO.
TAX
Abschirmende Wirkung
Enthält ein DBA einen Fremdvergleichsgrundsatz,
hat der Fiskus keine anderen Korrekturmöglichkeiten.
© Ullstein Bild
gemessener Höhe steuerlich nicht zulassen wollen, da die
Kostenumlage gegenüber dem beherrschenden Gesellschafter ohne eine klare, im Voraus getroffene Vereinbarung erbracht wurde und deshalb nach deutschem Recht
eine verdeckte Gewinnausschüttung ausgelöst hätte
(BFH-Urteil vom 11. Oktober 2012, I R 75/11).
A
uf der Suche nach steuererhöhenden Fremdvergleichskorrekturen nehmen Betriebsprüfer
oft die konzerninternen Darlehen und andere
grenzüberschreitende Geschäftsbeziehungen ins Visier.
Zu Korrekturen kommt es nicht nur, wenn der Darlehenszins nicht der fremdüblichen Höhe entspricht, sondern
auch bei einer fehlenden Besicherung des Darlehens. Seit
2008 werden Wertberichtigungen auf Gesellschafterdarlehen im Grundsatz steuerlich nicht mehr anerkannt (§ 8b
Abs. 3 Sätze 4 ff. KStG).
Dagegen können sich die betroffenen Unternehmen jedoch wehren, wenn es um grenzüberschreitende Sachverhalte geht. Die meisten von Deutschland abgeschlossenen
DBA enthalten nämlich einen eigenen Fremdvergleichsgrundsatz zur Gewinnabgrenzung zwischen verbundenen
Unternehmen analog zu Art. 9 OECD-MA. Als Kriterium
für die Fremdüblichkeit gilt dabei nur die Höhe der vereinbarten Gegenleistungen – hier des Darlehenszinses –,
während andere Punkte außen vorbleiben.
Der Bundesfinanzhof hat unlängst die Abschirmwirkung dieser DBA-Regelung bekräftigt (BFH-Urteil vom
17. Dezember 2014, I R 23/13). Ist der DBA-Fremdvergleichsgrundsatz anwendbar, so sind innerstaatlich
zulässige Korrekturmöglichkeiten (im konkreten Fall § 1
AStG a. F.) gesperrt, sofern sie nicht auf einer fehlenden
Fremdüblichkeit des Preises (z. B. eines Zinssatzes) beruhen. Bereits 2012 bejahte der BFH die Sperrwirkung
des abkommensrechtlichen Fremdvergleichsgrundsatzes
vor nationalen Korrekturregelungen. Damals hatte die
Finanzverwaltung den Betriebsausgabenabzug trotz an-
Konzernrückhalt als Sicherheit
Die zwischen den Konzerngesellschaften vereinbarten
Bedingungen können Betriebsprüfer laut BFH nur korrigieren, wenn sie preisrelevant sind, also tatsächlichen
Einfluss auf die Höhe der Leistungsbedingungen nehmen.
Dazu gehören im Einzelfall auch mögliche Zinsaufschläge,
die aus einer fehlenden Darlehensbesicherung resultieren.
An dieser Stelle weist der Bundesfinanzhof – der Finanzverwaltung folgend – darauf hin, dass der Konzernrückhalt an die Stelle einer fremdüblichen Kreditsicherheit
tritt. Folglich muss eine fehlende (andere) Sicherheit nicht
zur Erhöhung des Zinssatzes führen.
Die Sichtweise des BFH
wird auch für Personen­
gesellschaften relevant.
Hier hat der Gesetzgeber
erst kürzlich eine der für
Kapitalgesellschaften
­vergleichbare Regelung zur
steuerlichen Nichtanerken­
nung von Wertminderun­
gen auf fremdunübliche
Gesellschafterdarlehen
­eingeführt (Erweiterung
des § 3c Abs. 2 Sätze 2ff
EStG i. d. F. des Zollkodex­
anpassungsgesetzes).
Alle von der Finanzverwaltung vorgenommenen Korrekturen von grenzüberschreitenden Leistungsbeziehungen
im Konzern gilt es vor dem Hintergrund der BFH-Rechtsprechung genau unter die Lupe zu nehmen und entsprechend anzugreifen. Das gilt u. a. auch für die seit 2008
geltende steuerliche Nichtberücksichtigung von Wertminderungen auf fremdunübliche Gesellschafterdarlehen
(§ 8b Abs. 3 Sätze 4 ff. KStG) selbst und die Funktionsverlagerungsbesteuerung.
Dauernde Wertminderung bei Rückhalt im Konzern ?
Die Finanzverwaltung lässt bereits die Abschreibung in der Steuerbilanz nicht zu,
solange im Außenverhältnis den wirtschaftlichen Verpflichtungen nachgekommen
wird (Rückhalt im Konzern, BMF-Schreiben vom 29. März 2011). Dem widerspricht auch der BFH in seinem aktuellen Urteil nicht und weist die Prüfung der
dauernden Wertminderung an die Vorinstanz zurück. Die Klärung ist laut BFH u. a.
auch davon abhängig, ob ein Konzernrückhalt bei Darlehensbegebung zunächst
bestanden, ein solcher später – im Zeitpunkt der Wertberichtigung – jedoch entfallen wäre und das Darlehen in Anbetracht der anhaltenden Verluste der kreditnehmenden Tochtergesellschaft evtl. als Einlage hätte erfasst werden müssen. Ein
Punkt, der die Praxis weiter beschäftigen wird.
EY TAX & LAW Magazine 02 / 2015
29
TAX
Vorsicht beim Verrechnen
Bei M&A-Verhandlungen finden Verrechnungspreise
oft zu wenig Beachtung. Das kann für Käufer und
­Verkäufer teuer werden.
D
ie Globalisierung hat zu einer drastischen Zunahme der grenzüberschreitenden Handelsströme
geführt. Rund 60 Prozent der Volumina entfallen
dabei auf Transaktionen zwischen Konzernunternehmen.
Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass sich
die konzerninternen Verrechnungspreise zu einem der
bedeutendsten steuerlichen Themen entwickelt haben.
Zwar hat der Fiskus die Fremdüblichkeit der Verrechnungspreise bereits im Fokus, doch die Finanzminister
wollen diese Thematik im Zuge der BEPS-Initiative gegen
„aggressive Steuergestaltung“ noch intensiver verfolgen.
Hinzu kommt, dass die Konzerne selbst immer internationaler werden. Umfragen von EY im Rahmen des Capital
Confidence Barometers lassen einen weiteren Anstieg
des weltweiten M&A-Volumen erwarten. Dennoch werden
konzerninterne Verrechnungspreise bei M&A-Transaktionen oft vernachlässigt.
Risikopositionen
Tatsächlich können Risikopositionen im Bereich der Verrechnungspreise die Kaufpreisverhandlungen oder den
Abschluss etwaiger Steuerklauseln maßgeblich beeinflussen. Dazu zählen etwa Risiken aus Funktionsverlagerungen oder Zinsen auf konzerninterne Darlehen. Für den
Käufer können sich ferner Konsequenzen hinsichtlich der
künftigen Finanzierungsstruktur oder der Kaufpreisallokation ergeben. So besteht die Gefahr einer Überbewertung
einzelner Anteile, wenn das Verrechnungspreissystem
geändert wird und außerordentliche Abschreibungen
handelsrechtlich erforderlich werden. Im Blickfeld muss
man in diesen Fällen auch Effekte auf die Zinsschranke
haben, die die Abzugsfähigkeit von Finanzierungskosten
zu beeinträchtigen droht.
Tax Fact Book
Für den Verkäufer spielen Verrechnungspreise insbesondere in der Vorbereitungsphase eine große Rolle. Steuerliche Unsicherheiten sollte er frühestmöglich ausräumen.
Wichtig ist das Erstellen von steuerlichen Verrechnungspreisdokumentationen. Oft empfiehlt sich eine ausführliche Darstellung des Verrechnungspreissystems und etwaiger Sondereffekte im Rahmen eines „Tax Fact Books“. Das
erhöht die Transparenz bei der steuerlichen Due Diligence.
Bei mangelhafter Vor- und Aufbereitung sieht sich der
Verkäufer ansonsten aufgrund der Komplexität bei den
Verrechnungspreisen mit einer Vielzahl von Nachfragen
des Kaufinteressenten konfrontiert. Im Rahmen einer
Vendor Due Diligence lassen sich Verrechnungspreisrisiken vorab identifizieren, die der Verkäufer erläutern und
quantifizieren kann. So vermeidet man böse Überraschungen und Diskussionen im Rahmen der Kaufverhandlungen.
© AFP PHOTO/William West
Preisabschläge
Die Verrechnungspreise sind immer dabei. Unter der Leitung des
australischen Finanzministers Joe Hockey tagten die G20
Finanzminister im September 2014 in Cairns (Australien).
30
EY TAX & LAW Magazine 02 / 2015
Verrechnungspreisrisiken, die im Rahmen der steuerlichen Due Diligence identifiziert werden oder nicht ausreichend dokumentiert sind, führen bei Kaufverhandlungen
zu Preisabschlägen. Oder der Käufer fordert die Vereinbarung entsprechender Steuerklauseln wie z. B. Haftungsoder Kostenübernahmen. Schätzt der Interessent die Risiken zu hoch ein und müsste er mehrere Millionen Euro für
potenzielle Verrechnungspreisrisiken einpreisen, können
die Kaufverhandlungen letztlich auch scheitern. Umso
wichtiger ist eine realistische Einschätzung im Rahmen
der Due Diligence. Die Analyse hilft dem Käufer auch bei
der Einschätzung, ob er unter Fremdvergleichsgesichtspunkten oder im Hinblick auf etwaige Integrationsmaßnahmen das derzeitige Verrechnungspreissystem ändern
muss. Das wirkt sich auf den M&A-Prozess aus.
TAX
Die größten M&A Deals mit deutscher Beteiligung 2014
Steuerklauseln
Oft beeinflusst das Verrechnungspreissystem die Steuerquote eines Unternehmens. Ändert sich die Steuerquote
aufgrund von Anpassungen im Verrechnungspreissystem,
hat dies Folgen für die Unternehmensbewertung und die
Kaufpreisfindung. Änderungen am Verrechnungspreissystem nach Kaufabschluss können zudem Risiken für die
Vergangenheit transparent machen. Mögliche Änderungen für die Zukunft sind bei der Formulierung vertraglicher
Steuerklauseln zu berücksichtigen, da sonst die Haftungsverpflichtungen des Verkäufers beschränkt sein können.
Finanzierungsstruktur
Ein klares Bild über das künftige Verrechnungspreissystem ist auch für die Strukturierung des Erwerbs wichtig.
Denn es bestimmt maßgeblich die Einkommensverteilung
zwischen den Konzerngesellschaften und setzt damit den
Rahmen für die Finanzierungsstruktur, die u. a. aufgrund
von Zinsabzugsbeschränkungen das künftige Ertrags­
potenzial einzelner Konzerngesellschaften zu berücksichtigen hat. Daneben gilt es, fremdübliche Verrechnungspreise für konzerninterne Finanzbeziehungen (Darlehen,
Garantien etc.) zu bestimmen. Das betrifft insbesondere
den Debt-Push-Down beim Leveraged-Buy-out im PrivateEquity-Umfeld, bei dem Konzerngesellschaften in starkem
Maße fremdkapitalisiert werden und entsprechend hohe
konzerninterne Zinszahlungen anfallen.
Kaufpreisallokation
Daneben hat die Einkommensverteilung im Rahmen des
künftigen Verrechnungspreissystems Auswirkungen auf
eine etwaige Kaufpreisallokation. So ist das vom Verrechnungspreissystem beeinflusste Ertragspotenzial einzelner
Gesellschaften maßgeblich für den Wert der im Rahmen
eines Share Deals erworbenen Anteile. Auch sollten
Werte von im Asset Deal erworbenen Vermögensgegenständen (z. B. Patente, Markenrechte) mit potenziellen
konzerninternen Lizenzerträgen im Einklang stehen. Eine
mangelhafte Abstimmung kann zu außerordentlichen
Abschreibungen führen und steuerliche Fragen aufwerfen,
wenn die im Wege der Kaufpreisallokation festgelegten
Werte und die korrespondierenden Erträge aus dem künftigen Verrechnungspreissystem auseinanderfallen.
Insbesondere im Rahmen von Asset Deals kommen
weitere Planungsaspekte während der Strukturierung
der Transaktion hinzu. Mit Blick auf das künftige Verrechnungspreissystem gilt es, den Erwerb der einzelnen
Vermögensgegenstände durch eine oder mehrere Konzerngesellschaften steuereffizient zu gestalten.
Objekt / Industrie
Käufer
Sigma-Aldrich Corp.
Chemie / Pharma
Merck KGaA
Merck & Co. Inc. (OTC-Sparte)
Chemie / Pharma
Bayer AG
TRW Automotive Corp.
Automobil
ZF Friedrichshafen AG
Scania AB
Automobil
Volkswagen AG
6.700
Concur Technologies, Inc.
Computerindustrie
SAP AG
6.500
Celesio AG
Chemie / Pharma
McKesson
6.200
British Sky
Broadcasting PLC
(BSkyB)
5.500
Sky Deutschland AG
Medien / Verlage
Transaktionswert
13.000
10.400
9.600
4.400
Hypothekenbank Frankfurt AG
Finanzdienstleistungen
Lone Star
TUI Travel PLC
Transport und Verkehr
TUI AG
3.500
Grohe AG & Co KG
Bau-/ Baustoffindustrie
LIXIL Corp
3.000
Quelle: M&A Review, Angaben in Millionen Euro
Anschlussarbeiten
Nach dem Unternehmenserwerb liegt es im Interesse des
Käufers, die im Rahmen der Due Diligence identifizierten
Verrechnungspreisrisiken für die Zukunft (z. B. für künftige Betriebsprüfungen) zu beseitigen. Daneben ist ggf.
das Verrechnungspreissystem des Verkäufers in das des
Käufers zu integrieren. Ferner sind Transaktionskosten
unter Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes zu
allokieren und fremdübliche Verrechnungspreise für neu
auftretende Transaktionen zu bestimmen. Hieran schließen sich eine Vielzahl von Implementierungsaspekte an,
wie z. B. das Erstellen von konzerninternen Verträgen und
von Verrechnungspreisdokumentationen.
Ihr Autor
Jan-Ole Kuers
Partner / Steuerberater
[email protected]
EY TAX & LAW Magazine 02 / 2015
31
TAX
… und raus bist Du !
Familienkassen verweigern Expats das Kindergeld,
auch wenn ihnen der Fiskus einen deutschen Wohnsitz
bescheinigt.
I
© Getty Images News
n Einzelfällen summieren sich die Außenstände auf
über 20.000 Euro. So hoch ist das nicht gezahlte
Kindergeld bei manchen Beschäftigten, die von ihrem
deutschen Arbeitgeber für einen Einsatz ins Ausland
entsendet und von ihrer Familie begleitet werden. Obwohl
sie ihren Familienwohnsitz in Deutschland nicht aufgeben
und die Finanzämter einen inländischen Wohnsitz bejahen, versagen die Familienkassen eine Auszahlung des
Kindergeldes. Warum? Die Familienkassen, die dem BZSt
und damit dem BMF unterstehen, verneinen einen inländischen Wohnsitz. Neben dem direkten Schaden für die
betroffenen Familien ergibt sich damit die ungewöhnliche
Situation, dass zwei deutsche Behörden den Wohnsitz­
begriff vollkommen gegensätzlich beurteilen.
Dabei reichen das Beibehalten der alten Wohnung und
gelegentliche Heimatbesuche offenbar nicht mehr aus.
Dazu schreibt das Bundesfinanzministerium auf Nachfrage: „Für das Innehaben einer Wohnung wird zwar eine
Mindestanzahl von Tagen oder Wochen an Aufenthalt, in
denen die Wohnung tatsächlich genutzt wird, nicht gefordert. Jedoch kommt es auf eine regelmäßige Nutzung an,
und zwar durch Aufenthalte, die Wohncharakter haben.“
Aufenthalte lediglich zu Urlaubszwecken stellten keinen
Wohncharakter dar, so das Ministerium.
Trotzdem steuerpflichtig
Das steht im Gegensatz zur Praxis der Finanzämter,
Expats als unbeschränkt Steuerpflichtige zu behandeln
und deshalb ihr weltweites Einkommen grundsätzlich der
deutschen Steuer zu unterwerfen. Der Kinderfreibetrag
wird vom Einkommen abgezogen und das Kindergeld zur
tariflichen Einkommensteuer hinzugerechnet, sofern dies
die Günstigerprüfung ergibt. Hierbei setzt das Finanzamt
das Kindergeld unabhängig davon an, ob es tatsächlich
ausgezahlt wurde. Die Familienkasse hingegen verneint
den Anspruch, so dass es faktisch zu einer Hinzurechnung des Kindergeldes zur Einkommensteuer kommt, die
nicht gerechtfertigt ist, weil das Kindergeld tatsächlich nie
ausgezahlt wurde.
Wie bei Franz Kafka
Deutsche Schule in der chinesische Hauptstadt, in die auch Kinder von Expats gehen.
Finanzministerium schwenkt um
Das Problem hat sich für Expats in den vergangenen Jahren verschärft. Inzwischen schwenkt selbst das Bundesfinanzministerium um und erklärt, dass ein Kindergeldanspruch für in Drittländer entsendete Arbeitnehmer (samt
Familie) grundsätzlich „nicht in Betracht kommt“. Es sei
denn, die betroffenen Familien hätten ungeachtet der
Entsendung in Drittländer noch einen Wohnsitz im Inland.
32
EY TAX & LAW Magazine 02 / 2015
Nach § 31 EStG soll aber die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrages in Höhe des Existenzminimums
eines Kindes entweder durch den Kinderfreibetrag oder
das Kindergeld bewirkt werden. Die sich hieraus ergebende Günstigerprüfung kann jedoch nicht durchgeführt
werden, wenn die eine Behörde den Anspruch bejaht,
die andere den Anspruch verneint und insofern kein Kindergeld gezahlt wird. Warum nun die Familienkassen mit
Unterstützung des Bundesfinanzministeriums auf eine
regelmäßige Nutzung des inländischen Wohnsitzes mit
Wohncharakter abstellen, bleibt ungeklärt und führt zu
großer Rechtsunsicherheit.
Compliance
TAX
Vorsicht Strom
Die EEG-Umlagenbegrenzung verdient bei
­Umstrukturierungen besondere Beachtung.
Was ist geregelt ?
Die Umlagenbegrenzung nach der Besonderen Ausgleichsregelung des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes
(EEG) für stromkostenintensive Unternehmen wird grundsätzlich auf der Datenbasis vergangener Jahre ermittelt.
Unternehmen haben nach einer Umstrukturierung diese
Zahlenbasis oft nicht zur Verfügung bzw. ist es unklar,
auf welche Daten zurückgegriffen werden muss. Seit der
Novellierung des EEG 2014 gibt es erstmals gesetzliche
Vorgaben, die Umstrukturierungen erleichtern bzw. überhaupt erst ermöglichen sollen. Das Gesetz unterscheidet
dabei zwischen neu gegründeten (§ 64 Abs. 4 EEG)
und umgewandelten Unternehmen (§ 67 EEG). Das am
17. April 2015 veröffentlichte BAFA-Merkblatt für
stromkostenintensive Unternehmen konkretisiert diese
Vorgaben. Neu gegründete Unternehmen, die nach dem
30. Juni des Vorjahres der Antragsstellung erstmals
Strom zu Produktionszwecken verbrauchen, sind danach
berechtigt, Daten eines (gewillkürten) Rumpfgeschäftsjahres bis zum 30. September eines Kalenderjahres zu
übermitteln. Der Begrenzungsbescheid wird im Grundsatz
nur unter Widerrufsvorbehalt erlassen.
Etwas anderes sieht das Gesetz bei Umwandlungen vor.
Es unterscheidet dabei zwei Konstellationen: die identitätswahrende und die nicht-identitätswahrende Umwandlung. Als identitätswahrend gilt, wenn die wirtschaftliche
und organisatorische Einheit eines Unternehmens zu
höchstens zehn Prozent verändert wird. Solch ein Unternehmen kann auf die Daten vor der Umstrukturierung
zurückgreifen und so einen vorbehaltslosen Begrenzungsbescheid erhalten. Für das aufnehmende Unternehmen
ist hier ausdrücklich die
Möglichkeit vorgesehen,
bestehende Begrenzungsbescheide auf Antrag zu
übernehmen. Bei einer Änderung des Unternehmens
um mehr als zehn Prozent
(nicht-identitätswahrende
Umwandlung) sind die
Regelungen für die Neugründung entsprechend
anwendbar. Ein Begrenzungsbescheid kann nur
unter Widerruf erwirkt
werden.
Was bleibt offen ?
Trotz der erstmals im EEG
geregelten Umstrukturierungen bleiben zahlreiche
Fragestellungen offen.
Problematisch sind insbesondere die Ermittlung
der 10-Prozent-Schwelle
und die dafür erforderliche
Wertung der verschiedenen Kriterien, wie z. B. Mitarbeiter
und Betriebsmittel. Zudem stellt sich die Frage, ob im
Falle einer Neugründung eine EEG-Begrenzung für das
erste Jahr immer nur mit Widerrufsvorbehalt möglich ist
— selbst wenn aufgrund einer handelsrechtlichen und steuerlichen Rückwirkung bereits Daten eines ordentlichen
Geschäftsjahres vorliegen.
© iStock
B
ei Umstrukturierungen von Unternehmen sind
verschiedene Faktoren wie gesellschaftsrechtliche,
arbeitsrechtliche und steuerliche Implikationen zu
berücksichtigen. Für stromkostenintensive Unternehmen
kommen zusätzlich Implikationen bei der EEG-Umlage
hinzu. Insbesondere dann, wenn an der Umstrukturierung
beteiligte Unternehmen oder Unternehmensbereiche
partiell von der EEG-Umlage befreit waren. Dieser Aspekt
kann wegen seiner hohen finanziellen Bedeutung einen
entscheidenden Faktor der Umstrukturierung ausmachen
und erfordert daher eine genaue Betrachtung.
Vor dem Hintergrund der Komplexität und der finanziellen Bedeutung für stromkostenintensive Unternehmen
empfiehlt es sich, Umstrukturierungsmaßnahmen mit
Blick auf die Besondere Ausgleichsregelung im Vorfeld
genau zu analysieren. Diese sollten insbesondere in die
gesetzliche Systematik eingeordnet, mithilfe von Simulationen die Implikationen auf die Stromkostenintensität
des Unternehmens bewertet und rechtliche und praktische Zweifelsfragen identifiziert werden. In jedem Fall
empfiehlt sich eine Abstimmung mit dem BAFA, um eine
erfolgreiche Umstrukturierung sicherzustellen.
EY TAX & LAW Magazine 02 / 2015
33
TAX
Controversy
Pi mal Daumen *
Betriebsprüfer sind oft voreilig, wenn es ums
Schätzen der Besteuerungsgrundlage geht.
D
as Schätzen von Besteuerungsgrundlagen ist eine
Keule, mit der manche Betriebsprüfer schon unmittelbar zu Beginn einer Prüfung drohen. Viele
Steuerpflichtige nehmen die ungefähre Festlegung a la
Pi mal Daumen leider zu oft als gegeben hin. Denn nach
§ 162 AO ist eine Schätzung nur dann erlaubt, wenn eine
Verletzung der Mitwirkungs- und/oder Dokumentationspflichten seitens des Steuerpflichtigen vorliegt. Zudem
muss die Finanzverwaltung zuvor alle ihr zur Verfügung
stehenden und zumutbaren Möglichkeiten zur Erkenntnisgewinnung ausschöpfen. Die Schätzung ist erst danach
als äußerstes Mittel der Finanzbehörde zulässig, um die
Besteuerungsgrundlagen mit Hilfe von Wahrscheinlichkeitserwägungen (möglichst) zutreffend festzustellen.
Wo beginnt eine ordnungswid­rige
­Buchführung ?
In Bezug auf die Gewinnermittlung ist dem Gesetzeswortlaut nach grundsätzlich die Buchführung des Steuerpflichtigen der Besteuerung zu Grunde zu legen (§ 158 AO).
* Warum Pi mal Daumen?
Der Daumen diente früher zur
Entfernungsmessung. In unserem
Beispiel ist der Abstand des ausgetreckten Arms zwischen Daumen und Nase 60 cm. Zwischen
den Augen beträgt der Abstand
sechs cm, also ein Zehntel. Nun
wird geschätzt: rechtes Auge
schließen, mit dem linken Auge
den Turm bei ausgestrecktem
Arm anpeilen. Dann das Auge
wechseln und mit dem Daumen
den Baumgipfel in der Nähe
anpeilen. Geschätzt wird der
Abstand zwischen Baum und
Turm auf circa 50 Meter. Das
ganze muss mit 10 multipliziert
werden wegen der Relation AugeDaumen zu Auge-Auge. Folglich
steht der Turm ungefähr 500 m
weit weg. Und was soll Pi dabei?
Die Zahl gaukelt im Volksmund
die scheinbare Präzision vor.
34
EY TAX & LAW Magazine 02 / 2015
50 m
500 m
Nur im Falle einer unrichtigen bzw. ordnungswidrigen
Buchführung darf die Finanzverwaltung eine Schätzung
der fehlenden oder fehlerhaften Daten vornehmen. Aber
ab wann gilt eine Buchführung als ordnungswidrig? Die
Buchführung muss schwere Mängel aufweisen, entweder
materieller oder formeller Art.
Materielle Fehler
Zum Nachweis einer ordnungswidrigen Buchführung
ist von der Betriebsprüfung in der Regel ein innerer
Betriebsvergleich oder eine Vermögenszuwachs- bzw.
Geldverkehrsrechnung heranzuziehen. Bei materiellen
Mängeln kann es sich z. B. um eine unvollständige Erfassung der Einnahmen oder um manipulierte Belege über
­Betriebsausgaben handeln.
Formelle Fehler
Formell kann die Buchführung unter anderem bei Bleistiftaufzeichnungen oder Überschreibungen verworfen werden. Hierbei ist es zunächst unerheblich, ob diese Fehler
bewusst gemacht wurden oder versehentlich entstanden
sind. Diesbezüglich handelt es sich um die sogenannte
Beweisrisikosphäre des Steuerpflichtigen.
Bei einer menschlichen Unzulänglichkeit – wie etwa bei
kleineren Fehlbeträgen – liegt in der Regel allerdings ein
nur unwesentlicher Mangel vor, der die Finanzbehörde
nicht zur Schätzung befugt. Folglich müssen die Pflichtverletzungen des Steuerpflichtigen einen beträchtlichen
Umfang annehmen, um eine Schätzung zu rechtfertigen.
Zudem müssen die Mängel Anlass geben, die sachliche
Richtigkeit zu bezweifeln. Eine weitere Voraussetzung
ist, dass die Prüfer die Mängel nicht durch anderweitige
Ermittlungsmaßnahmen ausgleichen können.
Fazit: Bis Buchführungen verworfen und die Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden dürfen, muss der
Prüfer nachweisen, dass schwere formelle oder materielle
Mängel vorliegen. Da eben jene Mängel laut Definition
schwerwiegender Natur sein müssen, ist die Betriebsprüfung keinesfalls zum Schätzen befugt, wenn sie den
zugrunde liegenden Sachverhalt nicht auf den ersten
Blick versteht.
Controversy
TAX
Wenn der Fiskus nichts tut
Die Untätigkeit des Finanzamtes kann teuer werden.
Steuerpflichtige können dagegen wenig unternehmen.
M
Auch beim Antrag auf Erteilung einer Steuernummer sind
Verzögerungen kostspielig: Obwohl der steuerpflichtige
Unternehmer möglicherweise schon seine Leistung
erbracht hat, wird der Auftraggeber üblicherweise die Bezahlung verweigern bis eine ordnungsgemäße Rechnung
einschließlich Steuernummer vorliegt.
Besonders ärgerlich ist es, wenn das Finanzamt eine
Steuererklärung vorab anfordert und der Steuerpflichtige
diese mit erhöhtem Aufwand innerhalb der verkürzten
Frist erstellen muss. Danach passiert monatelang nichts,
weil sich beim Veranlagungsbeamten die Steuererklärungen stapeln.
Die Finanzverwaltung begründet diese Verzögerungen
mit Personalmangel, Rechtsänderungen oder EDV-­
Umstellungen – eine Besserung der Situation ist leider
nicht in Sicht.
Was aber kann der Steuerpflichtige tun, um das Finanzamt zum Handeln zu bewegen?
Untätigkeitseinspruch einlegen
Hat der Steuerpflichtige einen Antrag auf Erlass eines
Verwaltungsaktes gestellt und reagiert das Finanzamt
ohne Nennung eines plausiblen Grundes nicht innerhalb
einer angemessenen Frist, so kann der Steuerpflichtige
dagegen einen Untätigkeitseinspruch einlegen. Von
der angemessenen Frist haben Steuerpflichtige und
Finanzverwaltung allerdings durchaus unterschiedliche
Auffassungen. Nach sechs Monaten ist sogar die Untätigkeitsklage zulässig ; eine angemessene Frist zur Bearbeitung der Steuererklärung sollte zwischen vier bis sechs
© iStock
anch ein Steuerpflichtiger freut sich, wenn er
nichts vom Finanzamt hört. Andere warten dagegen dringend auf die Rückmeldung des Sachbearbeiters. Nicht zuletzt hängt der wirtschaftliche Erfolg
einer Entscheidung oft davon ab, wie das Finanzamt die
steuerlichen Folgen bewertet. Zum Beispiel kann die
Nichtbearbeitung eines Antrags auf verbindliche Auskunft
dazu führen, dass ein Unternehmen betriebswirtschaftlich notwendige und kostensparende Umstrukturierungen
wieder und wieder aufschieben muss.
Wochen liegen. Aus der Rechtsprechung lässt sich leider
keine eindeutige Frist ableiten, denn die Angemessenheit
hängt vom konkreten Einzelfall ab. Bei besonders schutzwürdigem Interesse muss das Finanzamt in der Regel
weitere Beschleunigungsmaßnahmen treffen.
Reagiert das Finanzamt auch auf den Untätigkeitseinspruch nicht oder weigert sich, eine Einspruchsentscheidung zu treffen, eröffnet sich für den Steuerpflichtigen
die Möglichkeit einer Untätigkeitsklage beim Finanzgericht. Laut Gesetz ist für die Klage ein offenes Einspruchsverfahren Voraussetzung und sie kann frühestens sechs
Monate nach Einlegung des Einspruchs erhoben werden.
Grundsätzlich ist zu beachten, dass man mit einem
Untätigkeitseinspruch zu oft nicht allzu viel gewinnt.
Schließlich verbleibt die Entscheidungskompetenz über
das Tätigwerden im jeweiligen Steuerfall in derselben
Steuerbehörde. Mit einer Klage bei Gericht wird jedoch
die Entscheidungsbefugnis dem Finanzamt entzogen.
In der Praxis lautet das frustrierende Fazit: Die Anforderungen, die an die Mitwirkung von Steuerpflichtigen
gestellt werden, müssen diese in aller Regel unter Einhaltung gesetzlicher oder behördlicher Fristen – von in der
Regel einem Monat – erfüllen. Auf Gegenseitigkeit beruht
das definitiv nicht. Bei Fristüberschreitung droht der
Fiskus mit Verzögerungsgeld und sonstigen Zwangsmaßnahmen ; ein gleichwertiges Repertoire steht den Steuerpflichtigen allerdings noch nicht zur Verfügung.
EY TAX & LAW Magazine 02 / 2015
35
von Martina Ortmann-Babel
Leiterin National Office Tax
Das Studium und die Steuern
Ein Studium ist eine kostspielige Angelegenheit. Neben
den Studiengebühren müssen Fachliteratur, oft auch eine
auswärtige Unterkunft und Fahrtkosten finanziert werden.
Nicht selten tragen Eltern die Hauptlast. Doch auch der
Fiskus beteiligt sich. Zum einen bei dem Studierenden
selbst, aber auch die Eltern können Kosten für ihren akademischen Nachwuchs steuerlich berücksichtigen.
Was der Studierende abziehen kann
Der Fiskus unterscheidet bei der steuerlichen Berücksichtigung zwischen der sogenannten Erstausbildung und
­einer Zweitausbildung. Für die Erstausbildung, wie z. B.
einen Bachelor gewährt Vater Staat ­einen Sonderausgabenabzug von maximal 6.000 Euro jährlich. Der macht
sich jedoch nur bemerkbar, wenn der Studierende bereits
eigene Einkünfte, etwa aus einem Job als Werkstudent
hat. Sonst läuft der Sonderausgabenabzug ins Leere. Der
nicht genutzte Teil kann auch nicht zwecks Verrechnung
in das nächste Jahr vorgetragen werden, um spätere
Einkünfte zu mindern.
Der Gesetzgeber hat jüngst den Begriff der Erstausbildung definiert. Er versteht darunter eine von einem
ordentlichen Bildungsträger durchgeführte, mindestens
zwölf Monate andauernde Berufsausbildung (oder ein
Studium), welche in der Regel mit einer Abschlussprüfung endet. Kürzere Ausbildungen werden daher nicht
mehr als Erstausbildung anerkannt, mit der Folge, dass
für die Folgeausbildung nur der beschränkte Sonderausgabenabzug greift. Anders noch bis zum Veranlagungszeitraum 2014: Hier können noch Kosten für ein
Zweitstudium in vollem Umfang als Werbungskosten
abgezogen werden, wenn dem eine kurze Erstausbildung voranging. So hat der BFH u. a. den vollen Werbungskostenabzug für ein Medizinstudium nach einer
erfolgten Ausbildung zum Rettungssanitäter zugelassen (BFH vom 27. Oktober 2011, VI R 52/10).
36
EY TAX & LAW Magazine 02 / 2015
Anders sieht es bei einer Ausbildung aus, die
der Erstausbildung folgt
(Zweitstudium/Master/­
Studium nach abgeschlossener Lehre) oder im
Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet. Hier
kann der Studiosus die
Aufwendungen als voll abzugsfähige und als Verlust
vortrags­fähige (vorweggenommene) Werbungskos-
ten in der Einkommensteuererklärung eintragen. Hat er
dann seinen ersten gut bezahlten Job, kann er die vorgetragenen Werbungskosten aus der Studienzeit bei seinen
Einkünften abziehen.
Ob die Ungleichbehandlung von Erst- und Zweitstudium
verfassungswidrig ist, prüft derzeit das Bundesverfassungsgericht. Studierende sollten daher alle entsprechenden Belege während der Studienzeit sammeln und stets
eine Einkommensteuererklärung abgeben – auch wenn
sie keine oder nur geringe Einkünfte erzielen. In dieser
Steuererklärung sollten die Studienkosten – egal, ob es
sich um eine Erst- oder Zweitausbildung handelt – als
vorweggenommene Werbungskosten angegeben werden.
Übersteigen die Werbungskosten den Gesamtbetrag der
Einkünfte, ist auch ein Bescheid über die gesonderte Verlustfeststellung zu beantragen.
Für Steuerpflichtige, die normalerweise keine Einkommensteuererklärung abgeben müssen, gilt eine vierjährige Frist für die Einreichung. Bis Ende 2015 ist also noch
die Möglichkeit einer Steuerfestsetzung bzw. Verlustfeststellung für die Jahre ab einschließlich 2011 gegeben.
Das Finanzamt versieht hier seine Bescheide wegen der
grundsätzlichen Klärung der Abziehbarkeit als Werbungskosten regelmäßig mit einem Vorläufigkeitsvermerk.
Enthalten die Bescheide diesen nicht oder entsprechen
die Bescheide sonst nicht der Erklärung, sollte Einspruch
mit Bezug auf die anhängigen Verfahren (VI R 2/12, VI R
8/12, 2 BvL 22/14 bis 2 BvL 27/14) eingelegt werden.
Neben unmittelbaren Studienkosten wie Aufwendungen
für Fachliteratur, Kosten für Repetitorien oder die Kosten
für den Druck einer Masterarbeit, können auch der studentische Laptop oder der vorbereitende Sprachkurs für
einen Auslandsaufenthalt abgezogen werden. Lukrativ
kann es für Studierende werden, die ein Auslandssemester absolvieren. Hier ist neben den tatsächlich angefallenen Kosten für die Ausbildung im Gastland auch für die
ersten drei Monate die tägliche Pauschale für Verpflegungsmehraufwand abziehbar. Das können – je nach Gastland – auch 50 Euro pro Tag sein.
Hinweis: Hat der Studierende keine Einkommensteuer­­
erklärung abgegeben oder hat das Finanzamt die
Veranlagung wegen Ablauf der Festsetzungsverjährung wieder aufgehoben, ist laut BFH der Erlass eines
Verlustfeststellungsbescheids dennoch möglich. Eine
Verlustfeststellung kann sogar bis zu sieben Jahre
nachgeholt werden (vgl. BFH-Urteil vom 13.01.2015
(IX R 22/14).
Was die Eltern berücksichtigen können
Eltern, die Aufwendungen für das Studium ihrer volljährigen Kinder (bis maximal zur Vollendung des 25. Lebensjahres) tragen, können bei ihrer Einkommensteuererklärung neben Kindergeld oder Kinderfreibetrag auch den
besonderen Ausbildungsfreibetrag (1.320 Euro je Kind
und Elternteil) und ggf. den Freibetrag für die auswärtige
Unterbringung während der Berufsausbildung (924 Euro
pro Kind und Elternpaar) berücksichtigen. Besteht kein
Anspruch mehr auf Kindergeld bzw. die entsprechenden
Freibeträge, können Eltern Aufwendungen bei entsprechender Bedürftigkeit des unterhaltsberechtigten Kindes
auf Antrag bis zu einem Höchstbetrag von 8.354 Euro
geltend machen. Der Höchstbetrag kann sich noch um
gezahlte Kranken- oder Pflegeversicherungsbeiträge
erhöhen. Die Bedürftigkeit muss gegenüber dem Fiskus
nachgewiesen werden. Das Vermögen des Studierenden
(Verkehrswert abzüglich Verbindlichkeiten) darf hierfür
15.500 Euro nicht überschreiten. Vermögen, das die
unterhaltene Person für ihren Unterhalt braucht, etwa ein
eigengenutztes angemessenes Haus, bleibt außer Ansatz.
Etwaige eigene Einkünfte des Kindes, die über 624 Euro
hinausgehen, werden allerdings angerechnet. Der Empfänger muss den Unterhalt grundsätzlich nicht versteuern.
Einen Werbungskostenabzug kann grundsätzlich nur
derjenige vornehmen, der selbst Aufwendungen zur
Erzielung von Einnahmen tätigt. Soll das Kind die Aufwendungen als Werbungskosten geltend machen, muss es die
Aufwendungen auch selbst getragen haben, so z. B. selbst
die angemietete Wohnung bezahlen.
Was wegen Schenkung­steuer zu
beachten ist
Bei den Zuwendungen, die ein Kind für die Bestreitung
seiner Ausbildungskosten von den Eltern bekommt, ist
die schenkungsteuerliche Seite im Auge zu behalten.
Zuwendungen, die auf der gesetzlichen Unterhaltspflicht
beruhen, sind per se keine Schenkungen und fallen damit
nicht unter die Schenkungsteuer. Auch darüber hinausgehende laufende Unterhaltszahlungen zum Zweck der
Ausbildung bleiben schenkungsteuerfrei, vorausgesetzt
das unterstützte Kind ist entsprechend bedürftig und kann
die Ausbildung nicht aus eigenen Mitteln bestreiten. Eine
Angemessenheitsprüfung gibt es hier nicht. Der Begünstigung unterliegen auch hohe Studiengebühren an einer Uni
im Ausland und die dadurch bedingten zusätzlichen Lebenshaltungskosten. Vorsicht ist allerdings bei hohen einmaligen, insbesondere nachträglichen Kapitalzahlungen
geboten, die in der Regel nicht schenkungsteuerfrei sind.
Ansprechpartnerin [email protected]
EY TAX & LAW Magazine 02 / 2015
37
TAX
+++ Ticker +++
Bilanzsteuer
1 EuGH: Inlandsbezug der § 6b-Reinvestitionsrücklage europarechtswidrig
Die Nutzung der Steuervorschrift des § 6b EStG
zur Übertragung stiller Reserven bei der Veräußerung bestimmter Wirtschaftsgüter setzt nach
§ 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG voraus, dass die
stillen Reserven auf ein angeschafftes oder hergestelltes Wirtschaftsgut übertragen werden,
das zum Anlagevermögen einer inländischen
Betriebsstätte gehört. Laut EuGH-Urteil vom
16.04.2015 (C-591/13) ist der Inlandsbezug
europarechtswidrig.
Hinweis: Steuerpflichtige mit geplanten oder
bereits verwirklichten § 6b-Ersatzinvestitionen
im EU-Ausland sollten ggf. ihre Veranlagungen
unter Verweis auf die aktuelle EuGH-Entscheidung offen halten. Der Gesetzgeber muss nun
die Europarechtswidrigkeit beseitigen.
2 BMF: Vorratsbewertung nach der
­ IFO-Methode
L
Die Finanzverwaltung hat ihre Auffassung zu
den Anwendungsvoraussetzungen des LIFOVerbrauchsfolgeverfahrens für Zwecke der
Bewertung des Vorratsvermögens veröffentlicht (BMF-Schreiben vom 12.05.2015). Für
bestimmte Arten von Vorräten schränkt das
BMF die Anwendung der LIFO-Methode ein. So
ist die Methode bei Handelswaren unzulässig,
wenn die tatsächlichen Anschaffungskosten
ohne weitere Rechen- oder Ermittlungsschritte
zu ermitteln sind. Bei verderblichen Waren mit
einer Haltbarkeit von unter einem Jahr ist die
LIFO-Methode laut BMF nicht zulässig.
Hinweis: Das Schreiben stellt klar, dass es sich
bei der LIFO-Methode um ein eigenständiges
steuerliches Wahlrecht handelt, dass unabhängig von der Handelsbilanz oder einer Einzelbewertung in einem IFRS-Abschluss ausgeübt
werden kann.
3 BFH: Zugriffsrechte auf Kassendaten im
Rahmen einer Außenprüfung
Auch für über die Kasse bar vereinnahmte Umsätze gilt die Verpflichtung für Kaufleute, nach
den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) im Rahmen der Zumutbarkeit sämtliche Geschäftsvorfälle einzeln aufzuzeichnen.
38
EY TAX & LAW Magazine 02 / 2015
Zwar ist der Einzelhändler frei in seiner Entscheidung, ob er seine Warenverkäufe manuell oder
beispielsweise über eine Registrierkasse oder
ein PC-gestütztes System erfasst. Entscheidet
er sich jedoch für die detaillierte Aufzeichnung
der einzelnen Barverkäufe, die eine dauerhafte
Speicherung ermöglicht (z. B. PC-Kasse), ist die
Offenlegung der Einzelaufzeichnungen gegenüber der Finanzverwaltung auch zumutbar. Der
Steuerpflichtige kann der Finanzverwaltung den
Datenzugriff auf die Einzelaufzeichnungen nicht
mit Hinweis auf die Unzumutbarkeit der Aufzeichnungspflicht verweigern (BFH-Urteil vom
16.12.2014, X R 42/13).
Ertragsteuer
4 BFH: Zufluss einer Gewinnausschüttung
beim beherrschenden Gesellschafter
Bei beherrschenden Gesellschaftern fließt eine
Gewinnausschüttung bereits im Zeitpunkt der
Beschlussfassung über die Gewinnausschüttung zu, wenn der Anspruch auf die Gewinnausschüttung eindeutig, unbestritten und fällig ist
und die ausschüttende Gesellschaft zahlungsfähig ist. Das gilt laut BFH auch bei einer Vorabdividende, auch wenn diese von vornherein zu
einem festgelegten späteren Zeitpunkt ausgezahlt werden soll. Lediglich Fälligkeitsregeln in
der Satzung einer GmbH können die Zuflussfiktion verdrängen (BFH-Urteil vom 02.12.2014,
VIII R 2/12).
Hinweis: Als zahlungsfähig gilt eine ausschüttende Gesellschaft auch dann, wenn sie zwar
selbst nicht über die ausreichende Liquidität
verfügt, um die beschlossene Ausschüttung
auszuzahlen, sie sich aber jederzeit als beherrschende Gesellschafterin einer Tochtergesellschaft die notwendigen Geldmittel besorgen
kann. Hier hatte die GmbH als beherrschende
Gesellschafterin einer Tochtergesellschaft ihrerseits Anspruch auf eine Vorabausschüttung.
5 FG Düsseldorf: Keine Rückwirkung der
Mindestlaufzeit eines Gewinnabführungs­
vertrags
Der BFH sieht die Ausgliederung einer Mehrheitsbeteiligung mit nachfolgender erstmaliger
Begründung einer ertragsteuerlichen Organschaft als möglich an, wenn seit dem Beginn
des Wirtschaftsjahrs eine finanzielle Eingliederung zunächst zum übertragenden Rechtsträger und anschließend zum übernehmenden
Rechtsträger besteht und bis zum Ende des
Wirtschaftsjahres bestehen bleibt. Nach Auffassung des BFH gilt das auch für den Übergang
eines Teilbetriebs der Überträgerin auf eine neu
gegründete Tochterkapitalgesellschaft durch
Ausgliederung (BFH-Urteil vom 28.07.2010,
I R 89/09). Diese Rückwirkungsfiktion greift
nach Auffassung des FG Düsseldorf allerdings
nicht für die Berechnung der Mindestdauer
des Gewinnabführungsvertrags (Urteil vom
03.03.2015, 6 K 4332/12). Laut der FGRichter ist die fünfjährige Mindestdauer ein auf
tatsächliche Umstände abstellendes Erfordernis
und daher einer fiktiven Rückbeziehung nicht
zugänglich.
6 FG Düsseldorf: Vermeidung der Mindestbesteuerung bei Buchgewinnen aus Billigkeitsgründen
Erfolgt nach einer steuerwirksam erfolgten
Teilwertabschreibung eine steuerwirksame
Teilwertaufholung, können die dadurch ausgelösten Folgen der Mindestbesteuerung nach
Auffassung des FG Düsseldorf durch Billigkeitsmaßnahmen vermieden werden. Das FG sah
in dem Buchgewinn aus der Wertaufholung
keinen Zuwachs an besteuerungswürdiger
Leistungsfähigkeit und gewährte daher eine
vollständige Verrechnung des auf der vorhergehenden Teilwertabschreibung beruhenden Verlustvortrags mit dem aus der Teilwertzuschreibung folgenden Ertrag (Urteil vom 02.09.2014,
6 K 3370/09).
Hinweis: Gegen das Urteil ist Revision beim
BFH anhängig (I R 65/14).
7 BFH: Ausschüttungsunabhängige Nachbelastung des EK 02 im Grunde verfassungsgemäß
Der BFH sieht die mit dem JStG 2008 rückwirkend eingeführte ausschüttungsunabhängige
Nachbesteuerung des aus dem alten Anrechnungsverfahren resultierenden EK 02-Bestandes als dem Grunde nach verfassungsgemäß
an. Dabei hat er weder verfassungsrechtliche
Zweifel an der Rückwirkung noch an der nur für
steuerbefreite Körperschaften und bestimmte
TAX
Wohnungsunternehmen geltenden Option zur
alten ausschüttungsabhängigen Nachversteuerung (Urteil vom 10.12.2014, I R 76/12).
Zweifel hat der BFH jedoch wegen der vom
Gesetzgeber an die Wohnungsunternehmen
gestellten besonderen persönlichen (Beteiligungs-)Voraussetzungen (Beschluss vom
10.12.2014, I R 65/13).
Hinweis: Um prüfen zu können, ob es für die
unterschiedliche Behandlung innerhalb der
Gruppe der Wohnungsunternehmen einen
sachlichen Grund gibt, hat der BFH das BMF
zum Beitritt des Verfahrens aufgefordert.
nach § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG (Kürzung um die
auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte
entfallenden Gewerbeerträge) zu kürzen (BFHUrteil vom 11.03.2015, I R 10/14).
Hinweis: Anders als die Vorinstanz (FG Düsseldorf vom 28.11.2013, 16 K 2513/12) meint,
hängen die betreffenden Einkünfte nicht als
betriebsstättenlose Auslandseinkünfte in der
Luft. Da das Gesetz die Einkünfte der Zwischengesellschaft in solche der an ihr qualifiziert beteiligten Inlandsgesellschaft umformt, sind die
Einkünfte auch einer Auslandsbetriebsstätte
i. S. v. § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG zuzuordnen.
8 BFH: Aufnahme neuer Gesellschafter in
eine Personengesellschaft gegen Zuzahlung
an Altgesellschafter
Laut BFH kann der Eintritt eines neuen Gesellschafters in eine Personengesellschaft für die
Altgesellschafter nicht steuerneutral nach § 24
UmwStG erfolgen, wenn eine Zuzahlung geleistet wird und diese Zuzahlung nicht als Einlage
in das Betriebsvermögen der Personengesellschaft, sondern in ein anderes der deutschen
Besteuerung unterliegendes Betriebsvermögen
der Altgesellschafter gelangt. Im Urteilsfall hatten die Altgesellschafter von den eintretenden
Neugesellschaftern als Gegenleistung Anteile
an einer anderen Personengesellschaft erhalten (BFH-Urteil vom 17.09.2014, IV R 33/11).
Hinweis: Für die Frage, ob eine Zuzahlung an
die Altgesellschafter vorliegt und die Einbringung der Mitunternehmeranteile somit auch
auf Rechnung der Neugesellschafter erfolgt, ist
es ohne Belang, ob die Gegenleistung in das
Privatvermögen oder in ein Betriebsvermögen
der Altgesellschafter gelangt. In beiden Fällen
kommt nach Ansicht des BFH eine Anwendung
des § 24 UmwStG nicht in Betracht.
10 OFD NRW: Zuständigkeit der Gemeinden
für Billigkeitsmaßnahmen bei der Gewerbesteuer
Bei Unternehmen in der Krise entsteht durch
Forderungsverzichte der Gläubiger regelmäßig
ein nicht liquiditätswirksamer Sanierungsgewinn, der nach dem sogenannten Sanierungserlass des BMF aus Billigkeitsgründen
herabgesetzt und erlassen werden kann. Laut
BFH-Rechtsprechung aus dem April 2012 sind
hinsichtlich der Gewerbesteuer die Gemeinden
für die Billigkeitsmaßnahmen zuständig. Ende
2014 wurde die Befugnis zur abweichenden
Festsetzung von Gewerbesteuermessbeträgen
nach § 163 Satz 1 AO den Finanzämtern übertragen, soweit hierzu BMF-Schreiben allgemein
gültige Richtlinien aufgestellt haben (§ 184
Abs. 2 Satz 1 AO in der Fassung des Zollkodex­
AnpG). Darunter fällt laut der OFD NordrheinWestfalen jedoch nicht der o. g. Sanierungserlass, so dass trotz der neu geschaffenen
Ermächtigung die Gemeinden laut OFD NRW
weiterhin für Billigkeitsmaßnahmen zur Gewerbesteuer bei Sanierungsgewinnen zuständig
sind (Verfügung vom 06.02.2015).
Gewerbesteuer
Umsatzsteuer
9 BFH: Gewerbesteuerliche Kürzung um
den AStG-Hinzurechnungsbetrag
In den Gewerbeertrag eines inländischen Unternehmens gehören auch die passiven Einkünfte,
die dem Unternehmen als Gesellschafter einer
ausländischen Zwischengesellschaft nach § 10
Abs. 1 Satz 1 AStG hinzuzurechnen sind. Laut
BFH sind diese hinzugerechneten Einkünfte
11 BFH: Grundsatzurteile zum Abholfall
bei Reihengeschäften
Laut BFH setzt bei einem innergemeinschaftlichen Reihengeschäft mit drei Beteiligten (A,
B und C) und Transportveranlassung durch B
(mittlerer Unternehmer) die für die Umsatzsteuerfreiheit erforderliche Zuordnung der
innergemeinschaftlichen Beförderung oder
­ ersendung des Gegenstands zu einer der beiV
den Lieferungen eine umfassende Würdigung
aller Umstände des Einzelfalls und insbesondere die Feststellung voraus, ob der Ersterwerber
(B) dem Zweiterwerber (C) bereits die Verfügungsmacht an der Ware verschafft hat, bevor
diese das Inland verlassen hat. Dies ist anhand
aller objektiven Umstände des Einzelfalls und
nicht lediglich – entgegen der Auffassung
der Vorinstanz – anhand der Erklärungen des
Ersterwerbers zu prüfen. Lässt sich das nicht
zweifelsfrei klären, soll die in § 3 Abs. 6 Satz 6
Halbsatz 1 UStG enthaltene Vermutung gelten,
dass die erste Lieferung von A an B umsatzsteuerfrei ist (BFH-Urteil vom 25.02.2015, XI R
15/14). In dem Urteil zeigt der BFH eine Absicherungsmöglichkeit für die Unternehmer auf.
Hinweis: Auch wenn der zweite Erwerber (C)
eine Spedition mit der Abholung von Waren
beim Unternehmer (A) beauftragt, ist eine
Steuerbefreiung der Lieferung des A an B möglich, wenn C die Verfügungsmacht an den Waren erst erhalten hat, nachdem diese das Inland
verlassen haben (BFH-Urteil vom 25.02.2015,
XI R 30/13). In diesem zweiten Grundsatzurteil
widerspricht der BFH der Finanzverwaltung
(Abschnitt 3.14 Abs. 8 Satz 2 UStAE), deren
Reaktion abzuwarten bleibt.
12 Generalanwalt am EuGH sieht Personengesellschaft als (umsatzsteuerliche) Organgesellschaft
Nach bisheriger Auffassung der deutschen
Rechtsprechung und Finanzverwaltung kann
eine Personengesellschaft zwar Organträgerin, nicht aber Organgesellschaft in einer
umsatzsteuerlichen Organschaft sein. Der
Generalanwalt am EuGH Paolo Mengozzi ist der
Auffassung, dass eine Personengesellschaft
Organgesellschaft in einer umsatzsteuerlichen
Organschaft sein kann. Es seien allerdings Einschränkungen zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken möglich (Schlussantrag vom
26.03.2015, C-108/14).
Hinweis: Nun bleibt das Urteil des EuGH abzuwarten. Obwohl der EuGH den Schlussanträgen
und der Rechtsauffassung des Generalanwalts
nicht folgen muss, stimmen häufig die Entscheidungen des EuGH mit den Schlussanträgen überein.
EY TAX & LAW Magazine 02 / 2015
39
TAX
+++ Ticker +++
13 BMF: Preisnachlässe durch Verkaufsagenten/Vermittler
Die Finanzverwaltung ändert ihre Auffassung
zur umsatzsteuerlichen Behandlung der Gewährung eines Preisnachlasses durch einen
Vermittler/Verkaufsagenten (BMF-Schreiben
vom 27.02.2015). Sie reagiert auf Urteile, wonach es nicht zu einer Minderung der Bemessungsgrundlage für die Vermittlungsleistung
nach § 17 UStG kommt, wenn ein Vermittler
dem Empfänger des von ihm vermittelten
Umsatzes einen Preisnachlass gewährt (EuGHUrteil vom 16.01.2014, C-300/12 und BFHUrteile vom 27.02.2014, V R 18/11 sowie vom
03.07.2014, V R 3/12). Der Preisnachlass
führt dann nicht zu einer Vorsteuerberichtigung beim Kunden. Für Zentralregulierungskonstellationen behält sich das BMF in Einzelfällen eine abweichende Einordnung vor.
Hinweis: Das BMF-Schreiben ist in allen noch
offenen Fällen anzuwenden. Es wird jedoch
nicht beanstandet, wenn die Vermittler/
Verkaufsagenten für Preisnachlässe, die bis
zur Veröffentlichung der o. g. BFH-Urteile im
­BStBl. II vom 27.03.2015 gewährt wurden,
von einer Entgeltminderung ausgegangen
sind. Die neue Auffassung hat u. a. erhebliche
Auswirkungen für Reisevermittler, den Telekommunikationssektor, den Automobilhandel
und alle Branchen, die mit Zentralregulierern
zusammenarbeiten.
14 BFH: Innergemeinschaftliche Lieferung
verbrauchssteuerpflichtiger Waren
Für die Anerkennung einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung muss der Verkäufer u. a. nachweisen, dass der Abnehmer der
Ware im Zielland der Umsatzsteuer unterliegt
(§ 6a Abs. 1 Nr. 3 UStG). Dafür ist regelmäßig
die USt-IdNr. des Empfängers nötig. Laut BFH
kann eine Lieferung verbrauchsteuerpflichtiger Waren durch einen im Inland ansässigen
Unternehmer an einen im Ausland ansässigen
Unternehmer, der keine USt-IdNr. verwendet,
trotzdem als innergemeinschaftliche Lieferung
steuerfrei sein. Voraussetzung ist, dass der Lieferer redlicherweise, und nachdem er alle ihm
zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, diese
USt-IdNr. nicht mitteilen kann. Ferner muss
er Angaben machen, die hinreichend belegen
40
EY TAX & LAW Magazine 02 / 2015
können, dass der Erwerber ein Steuerpflichtiger ist, der bei dem betreffenden Vorgang
als solcher gehandelt hat (BFH-Urteil vom
21.01.2015,XI R 5/13).
Hinweis: Das FG München hat dem EuGH
eine Vorlagefrage zu dem Erfordernis und der
­Bedeutung der USt-IdNr. für die Umsatzsteuerfreiheit zur Vorabentscheidung vorgelegt
(FG München vom 04.12.2014, 14 K 1511/14 ;
EuGH, C-24/15).
15 BMF: Lieferungen von Metallen
Lieferungen bestimmter Edelmetalle, unedler
Metalle und Cermets unterliegen gemäß § 13b
Abs. 2 Nr. 11 UStG i. V. m. Anlage 4 der umgekehrten Steuerschuldnerschaft, bei der der
Leistungsempfänger anstelle des leistenden
Unternehmers die Umsatzsteuer abzuführen
hat. Durch das ZollkodexAnpG wurde § 13b
Abs. 2 Nr. 11 UStG sowie die dazugehörige
Anlage 4 zum 01.01.2015 neu gefasst. Dabei
wurden auch manche Metalle und Erzeugnisse
aus der Anlage gestrichen. Für die Lieferung
der in Anlage 4 genannten Metalle wurde eine
Bagatellgrenze i. H. v. 5.000 Euro pro wirtschaftlichem Vorgang eingeführt. Zu diesen
Änderungen nimmt nun das BMF ausführlich
Stellung (Schreiben vom 13.03.2015).
Hinweis: Die Regelungen des Schreibens sind
grundsätzlich auf Umsätze anzuwenden, die
nach dem 31.12.2014 ausgeführt werden,
wobei weiterführende Regelungen zur zeitlichen Abgrenzung und Übergangsregelungen
bestehen. Die bestehenden Übergangsregelungen der BMF-Schreiben vom 05.12.2014
und 22.01.2015 sind im aktuellen Schreiben
zusammengefasst.
16 BMF: Entstehung der Steuer bei
­unrichtigem Steuerausweis
Die Finanzverwaltung ändert ihren Abschnitt
13.7 UStAE zur Entstehung der Steuer bei
Ausstellung einer Rechnung mit unrichtigem
Steuerausweis nach § 14c Abs. 1 UStG (BMFSchreiben vom 02.04.2015). Danach entsteht
die nach § 14c Abs. 1 UStG geschuldete Mehrsteuer nicht vor Ablauf des Voranmeldungszeitraumes, in dem die Rechnung mit ausgewiesenem überhöhtem Steuerbetrag erteilt
worden ist. Da ein Unternehmer aber den als
§ 14c Abs. 1 UStG geschuldeten Mehrbetrag
regelmäßig nicht als solchen erkennen wird,
beanstandet es die Finanzverwaltung aus Vereinfachungsgründen nicht, wenn der Unternehmer den Mehrbetrag zusammen mit der für die
Leistung geschuldeten Steuer anmeldet, selbst
wenn die Rechnung erst in einem späteren Voranmeldungszeitraum erteilt wird.
Hinweis: Kommt es im Berichtigungsdokument
erstmalig zu einem unrichtigen Ausweis der
Umsatzsteuer, erscheint es dem BMF nicht
praktikabel, für die Steuerentstehung auf den
Zeitpunkt der Leistungserbringung abzustellen.
17 BFH: Keine ­Geschäftsveräußerung im
Ganzen bei zwei Veräußerern
Die Voraussetzungen einer nicht steuerbaren
Geschäftsveräußerung im Ganzen (§ 1 Abs. 1a
UStG) liegen laut BFH nicht vor, wenn ein Erwerber Vermögensgegenstände von zwei verschiedenen Unternehmern erhält und diese erst
zusammen(gesetzt) dem Erwerber eine unternehmerische Tätigkeit ermöglichen, nicht aber
die Vermögensgegenstände des einen oder
des anderen Veräußerers für sich betrachtet
(Urteil vom 04.02.2015, XI R 42/13).
Hinweis: In dem beim BFH anhängigen Verfahren XI R 14/14 hat der BFH genau den
umgekehrten Fall zu entscheiden, nämlich ob
die Veräußerung(en) wesentlicher Betriebsgrundlagen an zwei unterschiedliche Erwerber
(verbundene Unternehmen) eine Geschäftsveräußerung im Ganzen darstellt. Die Vorinstanz
hält dies für möglich (FG Rheinland-Pfalz vom
13.03.2014, 6 K 1396/10). Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Auffassung halten dürfte, ist
durch das aktuelle BFH-Urteil jedoch gesunken.
Grunderwerbsteuer
18 BFH: Änderung des Gesellschafterbestands nach Grundstückserwerb
Erwirbt eine Personengesellschaft von ihrem
Gesellschafter ein Grundstück, wird die Grunderwerbsteuer in Höhe des Anteils nicht erhoben, zu dem der Veräußerer am Vermögen der
Gesamthand beteiligt ist. Die Steuer ist jedoch
insoweit nachzuerheben, als sich der Anteil
des Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen
innerhalb von fünf Jahren nach dem Übergang des Grundstücks vermindert (§ 5 Abs. 3
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GrEStG). In Fällen einer mindestens 95 %igen
Übertragung von Gesellschaftsanteilen, die als
sogenannter fiktiver Grundstückserwerb innerhalb von fünf Jahren ebenfalls grunderwerbsteuerbar ist (§ 1 Abs. 2a GrEStG), sieht das
Gesetz eine Anrechnung der Bemessungsgrundlage für den Grundstückserwerb auf die spätere
anteilsbezogene Bemessungsgrundlage vor. Die
Steueranrechnung hat laut BFH unabhängig
davon zu erfolgen, ob die Steuer für den Grundstückserwerb der Gesellschaft von ihrem Gesellschafter tatsächlich festgesetzt und erhoben
wurde. Entscheidend ist vielmehr, dass für den
Grundstückserwerb der Personengesellschaft
– wie im Urteilsfall – bei zutreffender materiellrechtlicher Würdigung gemäß § 5 Abs. 3 GrEStG
die Vergünstigungsvoraussetzungen entfallen
sind (BFH-Urteil vom 17.12.2014, II R 2/13).
Energiesteuer
19 BFH: Energieerzeugnisse mit zweierlei
Verwendungszweck („dual use“)
Der BFH modifiziert seine bisherige Rechtsprechung zum Begriff des „zweierlei Verwendungszwecks“ im Rahmen der Entlastung von der
Energiesteuer nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d
EnergieStG (Gewährung der Entlastung bei
gleichzeitiger Verwendung der Energieerzeugnisse zu Heizzwecken und zu anderen Zwecken als Heiz- oder Kraftstoff). Der BFH folgt
damit der Auffassung des EuGH (Urteil vom
02.10.2014, C-426/12).
Der BFH stellt nun darauf ab, dass der Produktionsprozess ohne den Einsatz der Verbrennungsprodukte des Energieerzeugnisses nicht
zu Ende geführt werden kann. Eine Rangfolge
bzw. Wertigkeit der Verwendungszwecke lasse
sich dabei weder aus der Energiesteuerricht­
linie noch aus den nationalen Vorschriften zum
Energiesteuerrecht ableiten. Der BFH stellt
klar, dass unter „zweierlei Verwendungszweck“
keine streng zeitgleiche Verwendung zu verstehen ist. Ausreichend sei die räumliche und
zeitliche Nähe der Verwendung in einer Anlage
im Rahmen eines „einheitlichen industriellen
Prozesses oder Verfahrens“ sowohl als Heizstoff als auch für andere Zwecke. Der Einsatz
des Energieerzeugnisses als Roh-, Grund- oder
Hilfsstoff zur Bearbeitung oder Herstellung
eines anderen Produkts ist laut BFH kein entscheidungserhebliches Kriterium. Der Begriff
„andere Zwecke“ zielt demnach nicht auf eine
stoffliche Verbindung zwischen dem Energieerzeugnis und dem Endprodukt ab, d. h. das
Energieerzeugnis muss nicht Bestandteil des
Endproduktes sein. In den Fällen, in denen es
um die Nutzung von Verbrennungsgasen geht,
muss das eingesetzte Energieerzeugnis (oder
dessen Verbrennungsprodukt) lediglich für den
Abschluss des Produktionsprozesses erforderlich sein (Urteil vom 13.01.2015, VII R 35/12).
Lohnsteuer
20 BMF: BFH-Urteile zu Betriebsveran­
staltungen veröffentlicht
Die für den Steuerpflichtigen günstigen BFHUrteile zur Prüfung der 110-Euro-Freigrenze
bei Betriebsveranstaltungen (Urteile vom
16.05.2013, VI R 94/10 und VI R 7/11) wurden im Bundessteuerblatt veröffentlicht (BStBl.
II 2015, S. 186 ff.), so dass diese nunmehr von
der Finanzverwaltung bis Ende 2014 allgemein
angewendet werden.
Hinweis: Ab dem 01.01.2015 gelten hingegen
die neuen gesetzlichen Regelungen zur Besteuerung von Betriebsveranstaltungen, die mit dem
ZollkodexAnpG eingeführt wurden (Jetzt Freibetrag bis 110 Euro). Mit den Änderungen wurde
die günstige BFH-Rechtsprechung ab dem Veranlagungszeitraum 2015 wieder ausgehebelt.
Siehe auch unsere Top Story ab Seite 12.
Sonstiges
21 BMF: Vorläufige Festsetzung der
­ rbschaftsteuer
E
Sämtliche Festsetzungen von nach dem
31.12.2008 entstandener Erbschaftsteuer
(Schenkungsteuer) sind (weiter) in vollem
Umfang vorläufig durchzuführen (Gleichlautender Ländererlass vom 12.03.2015). Die
Rechtsgrundlage für die Vorläufigkeit basiert
jetzt nicht mehr auf § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3
AO, sondern mit Blick auf die durch das Urteil
des BVerfG vom 17.12.2014 (1 BvL 21/12)
angeordnete Verpflichtung zur gesetzlichen
Neuregelung auf § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2
AO. Die durch die gesetzliche Neuregelung
begründeten Aufhebungen oder Änderungen
von Steuerbescheiden werden von Amts wegen
vorgenommen.
Hinweis: Ausdrücklich weist das Schreiben
vom 12.03.2015 darauf hin, dass das bisherige Erbschaftsteuerrecht bis zur gesetzlichen
Neuregelung weiter anwendbar bleibt. Am
02.06.2015 hat das BMF seinen Referentenwurf zur Anpassung des Erbschaftsteuergesetztes veröffentlicht (siehe auch Seite 24).
22 BFH: ­Darlehen unter Angehörigen
Der BFH verneint die Anwendung der Abgeltungsteuer von 25 % auf ein Darlehen unter nahen Angehörigen bei finanzieller Beherrschung
des Darlehensnehmers durch den Darlehensgeber (Urteil vom 28.01.2015, VIII R 8/14). Ein
Steuerpflichtiger hatte seinem Ehepartner, der
weder über regelmäßiges (Arbeits-)Einkommen
noch größeres Vermögen verfügte, ein vollfinanzierendes Darlehen zur Anschaffung und
Renovierung einer fremdvermieteten Immobilie
gewährt. Grund für die Nichtanwendung der
Abgeltungsteuer ist laut BFH hier nicht das
persönliche Näheverhältnis der Ehegatten,
sondern der beherrschende Einfluss des Steuerpflichtigen auf den von ihm finanziell abhängigen Ehepartner. Da der Darlehensnehmer
weder über (Arbeits-)Einkommen noch über
nennenswertes Vermögen verfügte, wäre eine
alternative Finanzierung z. B. über eine Bank
nicht möglich gewesen.
Hinweis: Das Urteil zeigt Grenzen der Gestaltung bei Darlehensverträgen unter Angehörigen unter Nutzung der Abgeltungsteuer
auf. Weiterhin weist der BFH auf die für die
steuerliche Anerkennung von Darlehensgewährungen unter nahen Angehörigen erforderliche
Fremdüblichkeit hin.
23 BMF: Behandlung von negativen
Einlagezinsen
Die Finanzverwaltung stuft negative Einlagezinsen nicht als Zinsen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7
EStG ein, sondern als eine Art Verwahr- oder
Einlagegebühr, die bei den Einkünften aus
Kapitalvermögen als Werbungskosten vom
Sparer-Pauschbetrag gemäß § 20 Absatz 9
Satz 1 EStG erfasst sind (BMF-Schreiben vom
27. Mai 2015).
EY TAX & LAW Magazine 02 / 2015
41
TAX
Wichtige Steuertermine
01.07.2015
Grundsteuer Fälligkeit bei jährlicher
Zahlungsweise
10.07.2015
Lohnsteuer Elektronische Übermittlung der Anmeldung und Abführung
der im Monat Juni 2015 einbehaltenen Lohnsteuer und Kirchenlohnsteuer
Umsatzsteuer Elektronische Übermittlung der Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat Juni 2015 und
Entrichtung der Umsatzsteuer
Steuerabzugsbeträge bei
­beschränkt Steuerpflichtigen
Elektronische Übermittlung der
Anmeldung und Abführung der im
zweiten Kalender­vierteljahr 2015
einbehaltenen Aufsichtsratsteuer und
der sonstigen Steuerabzugsbeträge
bei beschränkt Steuerpflichtigen
20.07.2015
Mini-One-Stop-Shop Elektronische
Übermittlung der Steuererklärung für
das zweite Kalendervierteljahr 2015
27.07.2015
Umsatzsteuer Elektronische Übermittlung der Zusammenfassenden
Meldung (ZM) für den Monat Juni
2015
10.08.2015
Lohnsteuer Elektronische Übermittlung der Anmeldung und Abführung
der im Monat Juli 2015 einbehal­
tenen Lohnsteuer und Kirchenlohnsteuer
Umsatzsteuer Elektronische Übermittlung der Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat Juli 2015 und
Entrichtung der Umsatzsteuer
17.08.2015
Gewerbesteuer Vierteljahresrate
Grundsteuer Vierteljahresrate
25.08.2015
Umsatzsteuer Elektronische Übermittlung der Zusammenfassenden
Meldung (ZM) für den Monat Juli
2015
10.09.2015
Lohnsteuer Elektronische Übermittlung der Anmeldung und Abführung
der im Monat August 2015 einbehaltenen Lohnsteuer und Kirchenlohnsteuer
Umsatzsteuer Elektronische Übermittlung der Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat August 2015 und
Entrichtung der Umsatzsteuer
Einkommen-, Kirchen- und Körperschaftsteuer sowie Solidaritätszuschlag Vierteljährliche Vorauszahlung
25.09.2015
Umsatzsteuer Elektronische Übermittlung der Zusammenfassenden
Meldung (ZM) für den Monat August
2015
30.09.2015
Umsatzsteuer Fristablauf für Anträge auf Vergütung von Vorsteuern,
die 2014 bei in der EU ansässigen
Unternehmen angefallen sind (Ausschlussfrist)
Energie- und Stromsteuer
Fristablauf für die verlängerte
­Antragsfrist für die Begrenzung der
EEG-Umlage für neu gegründete
­Unternehmen
12.10.2015
Lohnsteuer Elektronische Übermittlung der Anmeldung und Abführung
der im Monat September 2015 einbehaltenen Lohnsteuer und Kirchenlohnsteuer
Umsatzsteuer Elektronische Übermittlung der Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat September 2015
und Entrichtung der Umsatzsteuer
Steuerabzugsbeträge bei
­beschränkt Steuerpflichtigen
Elektronische Übermittlung der
Anmeldung und Abführung der im
dritten Kalendervierteljahr 2015
einbehaltenen Aufsichtsratsteuer und
der sonstigen Steuerabzugsbeträge
bei beschränkt Steuerpflichtigen
20.10.2015
Mini-One-Stop-Shop Elektronische
Übermittlung der Steuererklärung für
das dritte Kalendervierteljahr 2015
26.10.2015
Umsatzsteuer Elektronische
Übermittlung der Zusammenfassenden Meldung (ZM) für den Monat
­September 2015
Publikationen
Bolik, Andreas S. / Kindler, Cornelia
/ Griesfeller, Anne C. / Gesetzentwurf für ein ProtokollerklärungsG –
Relevanz und Anwendungsbereich für
Unternehmen / StuB 2015, S. 261
Bosse, Christian / Referenten­
entwurf zur Umsetzung der EU-Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie:
Änderungen bei periodischer Finanzberichterstattung und Beteiligungstransparenz / BB 2015, S. 746
Dahlke, Jürgen / Auswirkungen regu­
latorischer Entwicklungen auf das Tax
Accounting / BB 2015, S. 939
Domorakova, Dominika / Slowakei:
Änderung der Regelungen zur Verlustverrechnung nicht verfassungswidrig / IStR-LB 2015, S. 56
Ebert, Konrad / Portugal: Haushalt,
Umwelt, Investitionsförderung, Einkommensteuer / IStR-LB 2015, S. 22
42
Ebert, Konrad / Portugal: Investi­
tionsförderung / IStR-LB 2015, S. 33
Hiller, Matthias / Die Facet-Falle im
deutschen Umsatzsteuerrecht – eine
Farce / DStR 2015, S. 621
Königer, Stefan / Mühlhaus, Günter
/ Nach der Entscheidung des BVerfG
vom 17.12.2015 – Mögliche Neuregelungen durch den Gesetzgeber
und Folgen für die Beratungspraxis /
ErbStB 2015, S. 71
Königer, Stefan / Mühlhaus, Gunter
/ Nach der Entscheidung des BVerfG
vom 17.12.2014 – Folgen für Übertragungen bis zu einer gesetzlichen
Neuregelung / ErbStB 2015, S. 100
Kröner, Ilse / Körperschaftsteuer­
erklärung 2014 – Gesetzliche Neu­
regelungen, wichtige Entscheidungen
und Verwaltungsanweisungen / NWB
2015, S. 1152
EY TAX & LAW Magazine 02 / 2015
Mühlhausen, Moritz / Anwendbarkeit des § 8c KStG auf verrechenbare
Verluste gemäß § 15a EStG / Ubg
2015, S. 207
Riegel, Martin / Amler, Falk / Zu
lässig bei der Zulässigkeit? Zulässigkeitsprobleme bei AdV-Anträgen im
FG-Verfahren / BB 2015, S. 796
Neuling, Christian-Alexander / Tax
Compliance im Unternehmen: schlichte Anzeige (§ 153 AO) vs. Selbst­
anzeige / DStR 2015, S. 558
Robisch, Martin / Greif, Stefan /
Umsatzsteuererklärung 2014 – Gesetze, Rechtsprechung und Verwaltung:
Neuerungen 2014, die Sie kennen
sollten / NWB 2015, S. 1182
Nolte, Dirk / Die neue „Diverted
Profits Tax“ – eine unilaterale britische Antwort auf BEPS / DStZ 2015,
S. 364
Normann, Christian / Rechtsformwechsel von der Personen- in die Kapitalgesellschaft – Möglichkeiten des
Wechsels von der GmbH & Co. KG in
die GmbH / GmbH-StB 2015, S. 110
Rengier, Christian / Gewerbesteuer­
erklärung 2014 – Aktuelle Entwicklungen und Hilfestellungen zum Ausfüllen des amtlichen Formulars / NWB
2015, S. 1163
Wissenschaftlicher Beirat Steuern
EY / Rechtsprechungsreport zur
Umsatzsteuer: Praxisrelevante Entscheidungen des EuGH im Zeitraum
01.01.2004 – 31.12.2014 und zurzeit anhängige Verfahren / DB 2015,
Beilage 3 zu Heft 12
Wissenschaftlicher Beirat Steuern
EY / Fragen zur künftigen Entwicklung der BVerfG-Rechtsprechung
zur Rückwirkung von Nichtanwendungsgesetzen – Dargestellt an drei
BFH-Vorlagebeschlüssen / DB 2015,
S. 513
29. – 30. September 2015,
Grandhotel Schloss Bensberg
[email protected]
© Althoff Grandhotel Schloss Bensberg
Sie. Steuern. Unternehmen.
NSK 2015 – Nationale
Steuerkonferenz
Achtung Audits
Unternehmen müssen ihr Energiemanagement ab Ende 2015
optimieren. Für Konzerne mit Standorten in mehreren Mitgliedstaaten eine schwierige Aufgabe.
B
is zum 5. Dezember 2015 müssen große Unternehmen in allen EU-Mitgliedstaaten verpflichtende
Energieaudits einführen. Dies stellt die betroffenen
Unternehmen vor enorme Herausforderungen, insbesondere wenn sie in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten
Gesellschaften oder Standorte haben. Grundlage der
Auditpflicht ist die EU-Energieeffizienzrichtlinie (EED,
Richtlinie vom 25. Oktober 2012, 2012/27/EU). Die EED
sieht darüber hinaus eine Vielzahl von Maßnahmen zur
Steigerung der Energieeffizienz vor. Für die Unternehmen
geht es dabei nicht nur um finanzielle Aspekte und Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz, sondern
auch um Fragen der Compliance.
© iStock
Eigentlich hätten die EU-Mitgliedstaaten die EED schon
vor einem Jahr in das jeweilige nationale Recht umsetzen
müssen, doch einige Länder hinken noch immer hinterher.
In Deutschland trat das Gesetz zur Teilumsetzung der
Energieeffizienzrichtlinie (EDL-G) erst am 21. April diesen
Jahres in Kraft. Es gilt für alle Gesellschaften, die ihren
Sitz oder Standorte in Deutschland haben. Im Folgenden
werden wir darstellen, welche Unternehmen konkret von
der Energieauditpflicht betroffen sind, welche Maßnahmen durchzuführen sind und welche Folgen sich für die
Praxis ergeben.
44
EY TAX & LAW Magazine 02 / 2015
Wer ist betroffen ?
Die Auditpflicht gilt nicht nur für
Unternehmen des produzierenden
Gewerbes, sondern unabhängig vom
Gesamtenergieverbrauch für alle großen Unternehmen. Die jeweilige Branche des Unternehmens spielt keine
Rolle. Wer konkret verpflichtet ist,
bestimmt sich nach den Regelungen
des Landes, in dem eine Gesellschaft
ihren Sitz bzw. Standort hat. Zahlreiche EU-Mitgliedstaaten – darunter
auch Deutschland – haben dabei die
Vorgaben der EED übernommen. Danach gilt die Energieauditpflicht für alle Unternehmen, die nicht unter die
EU-Schwellenwerte für Kleinstunternehmen, Kleine sowie
Mittlere Unternehmen (KMU) fallen. Nicht betroffen sind
danach grundsätzlich Unternehmen, die weniger als 250
Mitarbeiter beschäftigten und einen Jahresumsatz von
höchstens 50 Millionen Euro oder eine Jahresbilanzsumme bis zu einer Höhe von 43 Millionen Euro vorweisen.
Unternehmen, die einem Konzern angehören und die für
sich allein unterhalb der KMU-Schwellenwerte liegen, können aufgrund der Konzernklausel trotzdem zu Energieaudits verpflichtet sein. Denn Umsatzwerte und Mitarbeiterzahlen der mit ihnen verbundenen Unternehmen und der
Partnerunternehmen (Beteiligung von 25 Prozent oder
mehr) sind hinzuzuzählen. Hält folglich ein Unternehmen
an einem KMU die Mehrheit der Stimmrechte oder übt es
einen beherrschenden Einfluss aus, werden dessen Werte
und Zahlen hinzugezählt. Die Werte und Zahlen von Partnerunternehmen, die dem betreffenden KMU unmittelbar
vor- oder nachgeschaltet sind, müssen proportional
zum Anteil der Beteiligung des Partnerunternehmens
hinzugerechnet werden. In der Konsequenz werden viele
Konzerngesellschaften eines großen Unternehmens, insbesondere auch nicht-operative Gesellschaften oder Zwischenholdings, von der Energieauditpflicht betroffen sein.
Zu beachten ist, dass Unternehmen mit einer Beteiligung
der öffentlichen Hand (Bund, Länder, Kommunen mit mehr
als 5.000 Einwohnern) im Grundsatz stets energieaudit­
verpflichtet sind, sofern 25 Prozent oder mehr des Kapitals
oder der Stimmrechte direkt oder indirekt von einer öffentlichen Stelle oder Körperschaft kontrolliert werden.
Unternehmen wird die Umsetzung der EED auch dadurch erschwert, dass einzelne Mitgliedstaaten von der
KMU-­Definition der EU-Kommission abweichen. Zum
Beispiel gibt es nach österreichischem Gesetz lediglich
eine k
­ onzernweise Zusammenrechnung bei Mehrheitsbeteiligungen, nicht hingegen bei Partnerunternehmen.
LAW
Entsprechend sollten europäische Unternehmen die einzelnen nationalen Vorgaben zur Verifizierung der Energieauditpflicht genau analysieren.
Was muss geschehen ?
Die Energieaudits sind erstmals bis zum 5. Dezember
2015 und dann spätestens alle vier Jahre erneut durchzuführen. Nach den Vorgaben des EDL-G sollen die
Energieaudits die Mindestvorgaben der EED erfüllen und
nach den einschlägigen internationalen und europäischen
Standards erfolgen. Als adäquaten Standard nennt die
EED explizit die Vorgaben der EN ISO 50001 oder EN
16247-1. Ebenso kommt der Standard der EN ISO 14000
in Betracht, sofern hierbei auch ein Energieaudit eingeschlossen ist.
Die konkrete Ausgestaltung und Durchführung der Energieaudits bleibt den einzelnen EU-Mitgliedstaaten vorbehalten, die zu den Mindestvorgaben der EED zusätzliche
Anforderungen an das Energieaudit implementieren
können. Deutschland hat davon jedoch keinen Gebrauch
gemacht.
Welche Ausnahmen und Erleichterungen
gibt es ?
Nach den Vorgaben des EDL-G sind Unternehmen von
der Energieauditpflicht ausgenommen, wenn sie ein
zertifiziertes Energie- oder Umweltmanagementsystem
vorweisen. Dies entspricht den Vorgaben der EED, wobei
die Mitgliedstaaten abweichende Regelungen treffen
können. Nach dem aktuellen Informationsstand wird das
Energiemanagementsystem nach EN ISO 50001 in vielen
Mitgliedstaaten als Energiemanagementsystem akzeptiert. Die weitere Gesetzgebung in den Mitgliedstaaten
bleibt allerdings abzuwarten.
Die deutschen Regelungen des EDL-G sehen in Abweichung zur EED Erleichterungen für Unternehmen mit
mehreren Unternehmensteilen oder Standorten vor,
wenn diese zwischen dem 5. Dezember 2015 und dem
31. Dezember 2016 bei einer Überprüfung nachweisen,
dass sie mit der Errichtung der Energiemanagement- oder
Umweltmanagementsysteme bereits begonnen haben.
Dabei müssen die Unternehmen folgende Maßnahmen
bereits umgesetzt haben:
• für ein Energiemanagementsystem: Schritt 4.4.3 Buchstabe a) der DIN EN ISO 50001 oder
• für ein Umweltmanagementsystem: Mindestens die Erfassung und Analyse eingesetzter Energieträger mit einer
Bestandsaufnahme der Energieströme und Energieträger
und der Ermittlung wichtiger Kenngrößen.
Umsetzung der EED in den Mitgliedstaaten
Umgesetzt In Bearbeitung Keine Information
Welche Folgen hat die Energieauditpflicht
für die Praxis ?
Die Pflicht zur Durchführung von Energieaudits stellt
Unternehmen vor große Herausforderungen. Konzernunternehmen sollten zunächst überprüfen, welche ihrer
Gesellschaften von der Energieauditpflicht betroffen sind.
Insbesondere solche mit Gesellschaften oder Standorten
in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten müssen vor der
Implementierung von Energie- oder Umweltmanagementsystemen verifizieren, welche Modifikationen in den
einzelnen Nationalstaaten gelten.
Wenn Gesellschaften bereits zertifizierte Energie- oder
Umweltmanagementsysteme implementiert haben oder
noch rechtzeitig einführen, reduziert sich die Auditpflicht
auf die anderen Konzernunternehmen. Um rechtzeitig,
d. h. im Grundsatz vor dem 5. Dezember 2015 die erforderlichen Maßnahmen umzusetzen, müssen sich die
Unternehmen schnellstmöglich auf ein Energieaudit vorbereiten. Sollte sich ein Unternehmen für die Möglichkeit
der Einführung von Energiemanagement- oder Umweltmanagementsystemen entscheiden, ist eine rechtzeitige
konzernweite Steuerung erforderlich. Bei unterlassener
oder nicht rechtzeitiger Umsetzung drohen den einzelnen
Gesellschaften der Konzernunternehmen neben Reputationsschäden auch nicht unerhebliche Geldbußen in Höhe
von max. 50.000 Euro.
Ihre Autoren
Dr. Christian Hampel
Director / Rechtsanwalt /
Attorney at Law N. Y.
christian.hampel
@de.ey.com
Dr. Nils Graßmann
Senior Manager /
Rechtsanwalt
[email protected]
EY TAX & LAW Magazine 02 / 2015
45
LAW
Adressat gelöscht
Mittels gesellschaftsrechtlicher Gestaltungen lassen
sich Kartellgeldbußen wegen Wettbewerbsverstößen
vermeiden.
G
Zwar hat der Gesetzgeber in Berlin 2013 reagiert und das
Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) novelliert. Der § 30 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) wurde
dabei um Absatz 2a ergänzt. Danach kann im Falle der
Gesamtrechtsnachfolge (insbesondere Verschmelzung)
sowie der partiellen Gesamtrechtsnachfolge (Aufspaltung) die Geldbuße stets auch gegen den oder die Rechtsnachfolger festgesetzt werden. Die Höhe der Geldbuße
ist dabei auf den Wert des übernommenen Vermögens
begrenzt und darf auch nicht die dem Rechtsvorgänger
gegenüber angemessene Geldbuße übersteigen. Die Novelle konnte aber nicht alle Schlupflöcher schließen. Von
der Rechtsnachfolgerhaftung nicht erfasst werden Übertragungen einzelner Vermögensgegenstände im Wege der
Einzelrechtsnachfolge.
Lückenhafte Novelle
Automatische Löschung
Nach deutschem Recht ist ein Bußgeldbescheid des
Bundeskartellamts ausschließlich an diejenige juristische
Person zu adressieren, deren leitende Mitarbeiter gegen
das Wettbewerbsrecht verstoßen haben. Eine Konzernbußgeldhaftung kennt das deutsche Recht – im Unterschied zu kartellrechtlichen Geldbußen der Europäischen
Kommission – nicht. Das eröffnet gesellschaftsrechtliche
Gestaltungsmöglichkeiten bei Kartellgeldbußen.
Diese Möglichkeit haben nun offenbar zwei Fleischwarenproduzenten genutzt. Nach dem Einspruch der beiden
Unternehmen gegen die Bußgeldbescheide über 120
Millionen Euro kam es zu umfangreichen internen Umstrukturierungen. Der Fokus lag auf der Übertragung
sämtlicher Vermögensgegenstände auf andere Konzerngesellschaften im Wege der Einzelrechtsnachfolge – also
Gesamtrechtsnachfolge –
­Einzelrechtsnachfolge
Während bei der Gesamtrechtsnachfolge das Vermögen, d. h. sämtliche
Aktiva und Passiva, automatisch und
einheitlich auf den Erwerber übergeht
(z. B. Erbschaft, Verschmelzung), muss
bei der Einzelrechtsnachfolge jeder
Gegenstand einzeln in der gesetzlich
vorgeschriebenen Form (z. B. Übereignung, Abtretung) übertragen werden.
46
EY TAX & LAW Magazine 02 / 2015
So konnte in der Vergangenheit etwa
ein kartellrechtswidrig handelndes
Unternehmen auf Konzerngesellschaften verschmolzen oder aufgespalten und die ursprüngliche juristische Person gelöscht werden. Nach
der Rechtsprechung des BGH war in
solchen Fällen der Rechtsnachfolger
für die Kartellverstöße nur unter äußerst engen Voraussetzungen haftbar
zu machen.
© iStock
egen zahlreiche Wurst- und Fleischfabrikanten
verhängte das Bundeskartellamt wegen angeblicher Preisabsprachen Geldbußen von 338 Millionen Euro. Rund 120 Millionen Euro entfielen auf zwei
Unternehmen eines der größten deutschen Fleischwarenkonzerne. Das war vor rund einem Jahr. Kurz darauf
legten die beiden Unternehmen, wie auch die Hälfte der
übrigen betroffenen Unternehmen des „Wurstkartells“,
Einspruch gegen die Bußgeldbescheide ein. Noch bevor
das Oberlandesgericht Düsseldorf darüber entscheiden
konnte, nutzte der Konzern die Zeit zur Umstrukturierung
und ließ die beiden betroffenen Unternehmen aus dem
Handelsregister löschen. Damit sind unseres Erachtens
die Geldbußen von 120 Millionen Euro wohl nicht mehr
einzutreiben.
LAW
Auswahl der höchsten Kartellgeldbußen
des B
­ undeskartellamtes
700,8
251,5
Zement (2003)
Investoren und Kommunen
können kooperativ Wohnquartiere
und Gewerbeparks entwickeln.
280
195,5
Zucker (2014)
248,95
67,2
Flüssiggas (2007)
188,081
66,28
Städtebauliche
Verträge
Tondachziegel (2008)
159
83
Kaffee (2009)
151,4
33,85
Industrieversicherungen (2005)
134,5
103
Schienen-DB (2013)
I
115
31,33
Brillengläser (2010)
97,64
88
Schienen-Privatmarkt (2013)
25
61
Dekorpapier (2008)
30
50,5
Feuerwehr (2012)
Angaben in Millionen Euro
Gesamtbußgelder
Höchstes Einzelbußgeld
als Asset Deal. Ergänzend wurden die Gesellschafterstrukturen der Unternehmen derart verändert, dass letztlich
deren automatische Löschung ohne vorherige Liquidation
erfolgte und jeweils nur ein ehemaliger Gesellschafter als
natürliche Person zurückblieb.
Der Zweck war klar: Wenn ein als juristische Person
geführtes Unternehmen durch eine natürliche Person
fortgeführt wird, greift die Haftungsnachfolgeregelung
des OWiG nicht. Da § 30 Abs. 2a OWiG in seiner heutigen
Fassung auch nicht auf Fälle der Einzelrechtsnachfolge
anwendbar ist, erlischt in der hier beschriebenen Konstellation die Bußgeldhaftung mit der Löschung der tatbeteiligten Gesellschaft aus dem Handelsregister mangels
tauglichen Bußgeldadressaten. Denn: Der Einspruch
gegen einen Bußgeldbescheid beseitigt diesen vollständig.
Erst eine gerichtliche Entscheidung kann eine neue Geldbuße begründen. Zwar ist davon auszugehen, dass das
Bundeskartellamt versuchen wird, doch noch eine Sanktion gegen diesen Wurst- und Fleischhersteller zu verhängen. Die Erfolgsaussichten sind jedoch eher gering. Um
seine Kompetenzen zu erhalten und eine effektive Durchsetzung der Wettbewerbsregeln künftig zu gewährleisten,
wird das Bundeskartellamt jedenfalls aber den Gesetzgeber verstärkt auffordern, die Rechtsnachfolgerhaftung
umfangreicher zu gestalten. Es ist davon auszugehen,
dass der Gesetzgeber dem im Interesse einer effektiven
Rechtsdurchsetzung nachkommen wird.
n Ballungsgebieten besteht derzeit eine hohe Nachfrage nach Flächen mit Entwicklungspotenzial. Insbesondere die Umnutzung von Alt- und Brachflächen zu
Gewerbeparks oder Wohnquartieren kann zu einer erheblichen Wertsteigerung führen, die über die aufzuwendenden Entwicklungskosten weit hinausgeht. Die Entwicklung
größerer Grundstücke zu Wohn- oder Gewerbezwecken
ist allerdings nicht nur für den Investor, sondern auch
für die jeweilige Kommune mit erheblichem Zeit- und
Kostenaufwand verbunden. Das beginnt im Regelfall mit
der Aufstellung oder Änderung eines Bebauungsplans,
was zumeist ein mehrjähriges Verfahren erfordert. Zudem ist die Gemeinde grundsätzlich verpflichtet, für die
notwendige öffentliche Erschließung des Grundstücks zu
sorgen und die mit dem Vorhaben verbundenen sozialen
Folgekosten zu tragen, z. B. bei Wohnungsprojekten den
erhöhten Bedarf an Schulen und Kindergärten zu decken.
Angesichts der angespannten finanziellen Situation und
mangels personeller Kapazitäten bei zahlreichen Kommunen laufen viele Projekte Gefahr zu scheitern, auch wenn
sie städtebaulich gewünscht sind.
Angemessene Lastenteilung
Eine Lösung bietet hier eine städtebauliche Kooperation
zwischen Investor und Kommune, wozu das Baugesetzbuch explizite Regelungen enthält. Im Rahmen einer solchen Vereinbarung kann der Investor bestimmte Pflichten
oder Leistungen der Gemeinde auf eigene Kosten übernehmen, um die rechtlichen Voraussetzungen für sein
Bauprojekt zu schaffen. § 11 BauGB zählt exemplarisch
Vertragstypen auf. Dazu gehören Verträge zur Vorbereitung oder Durchführung städtebaulicher Maßnahmen
auf Kosten des Investors (wie z. B. die Ausarbeitung des
notwendigen Bebauungsplans) oder Förderungs- und
Sicherungsverträge, mit denen die Verpflichtung zur Nutzung der Grundstücke entsprechend den Festsetzungen
des Bebauungsplans geregelt wird. Auch können Kommunen einem Investor in einem Kostenübernahmevertrag
die Folgekosten seines Projekts auferlegen – etwa für
EY TAX & LAW Magazine 02 / 2015
47
© iStock
die verkehrliche Anbindung des Areals und für Schulen,
­ indergärten oder Kitas.
K
Die vereinbarten Leistungen müssen den gesamten
Umständen nach angemessen sein. Im Übrigen sind die
Vertragsparteien frei, den Inhalt des Vertrags nach ihren
Interessen auszuhandeln. Dabei muss der Investor auf der
Grundlage seiner wirtschaftlichen Kalkulation entscheiden, in welchem Umfang er zusätzliche Kosten zugunsten
der Gemeinde zu übernehmen bereit ist. Diese Kosten
sollten vertraglich fest umrissen und nach Möglichkeit
begrenzt werden.
Sicherungsklauseln einbauen
Sofern der Investor für sein Vorhaben einen neuen oder
geänderten Bebauungsplan benötigt, ist zu beachten,
dass die Aufstellung eines Bebauungsplanes im Ermessen
der jeweiligen Gemeinde liegt. Ein Anspruch hierauf ist
gesetzlich ausgeschlossen und kann auch nicht durch
Vertrag begründet werden. Der Investor kann somit durch
den Abschluss eines städtebaulichen Vertrages nicht
rechtsverbindlich sicherstellen, dass das erforderliche
Planungsrecht für sein Vorhaben geschaffen wird. Investoren sollten sich daher vertraglich für den Fall schützen,
dass der erforderliche Bebauungsplan bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht in Kraft tritt. In Frage kommen
insbesondere Kostenerstattungspflichten der Gemeinde
gegenüber dem Investor.
48
EY TAX & LAW Magazine 02 / 2015
Sorgfältige Planung
Auch wenn der Investor oftmals recht einseitig Vertragspflichten übernehmen muss, ist der kooperative Ansatz
mittels städtebaulicher Verträge grundsätzlich für beide
Seiten vorteilhaft. Schließlich erhält der Investor das für
sein Vorhaben erforderliche Baurecht. Die Gemeinde
kann ihren eigenen Kostenaufwand minimieren und im
Falle eines Wohnbauvorhabens ihre städtebaulichen Ziele
erfüllen oder im Falle einer Gewerbeansiedlung Gewerbesteuereinnahmen realisieren und ihre Bedeutung als
Wirtschaftsstandort steigern.
Gleichwohl sollte ein städtebaulicher Vertrag angesichts
seiner oft erheblichen Handlungs- und Kostenpflichten
nicht leichtfertig geschlossen werden. Vielmehr müssen
eine sorgfältige Planung des Projekts und eine umfassende Analyse der Rechtslage vorausgehen. Insbesondere
sind die bau- und planungsrechtlichen sowie die umweltund grundstücksrechtlichen Voraussetzungen zu prüfen.
Im weiteren Verlauf erfordert die Vertrags­gestaltung
besondere Aufmerksamkeit, um die jeweiligen Interessen
der Vertragsparteien angemessen zu berücksichtigen und
bestehende rechtliche Risiken zu minimieren.
LAW
Insolvenz- oder Gesellschaftsrecht ?
Diese Frage stellt sich im Fall der Insolvenzhaftung des
Directors einer englischen Limited in Deutschland.
Der Sachverhalt
Über das Vermögen einer überwiegend in Deutschland
tätigen englischen Limited wurde das Insolvenzverfahren
eröffnet. Der Insolvenzverwalter nahm den Geschäftsführer („Director“) der Limited auf Ersatz von Zahlungen
in Höhe von über 100.000 Euro in Anspruch, die die Gesellschaft nach Eintritt der Insolvenzreife noch veranlasst
hatte. Der Director verweigerte jedoch die Zahlung mit
dem Argument, dass die Insolvenzhaftung eines deutschen Geschäftsführers gemäß § 64 Satz 2 GmbHG nicht
auf den Director einer englischen Limited übertragbar
sei. Tatsächlich unterliegen ausländische Gesellschaften
grundsätzlich dem Gesellschaftsrecht des Staates, in dem
sie gegründet worden sind. Dies entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des EuGH.
Mittelpunkt der Interessen
Der Insolvenzverwalter argumentiert hingegen, dass die
Haftungsnorm des § 64 Satz 2 GmbHG eine Regelung des
deutschen Insolvenzrechts sei. Gemäß dem europäischen
Insolvenzrecht ist das Recht des Landes anwendbar, in
dem der Insolvenzschuldner den „Mittelpunkt seiner
hauptsächlichen Interessen“ hat. Da die betreffende Limited überwiegend in Deutschland tätig war, wäre demnach
deutsches Insolvenzrecht anwendbar und der Director zur
Zahlung verpflichtet.
Diese Position, die auch die
derzeit herrschende Meinung in Rechtsprechung
und Literatur vertritt, wird
insbesondere mit dem
Zweck der Vorschrift begründet: Die Haftung gemäß § 64 GmbHG soll Massekürzungen vor Eröffnung
des Insolvenzverfahrens
verhindern. Und für den
Fall, dass der Geschäftsführer dieser Pflicht zur
Sicherung der Insolvenzmasse nicht nachkommt,
soll das Gesellschaftsvermögen wieder aufgefüllt werden,
damit die Gläubiger im Rahmen des Insolvenzverfahrens
gleichmäßig und ihrem Rang entsprechend befriedigt
werden können. Dieser Zweck soll ausdrücklich auch
gegenüber ausländischen Gesellschaften mit Tätigkeitsschwerpunkt in Deutschland durchsetzbar sein, da es für
die Gläubiger keine Rolle spielt, ob ihre Vermögensinteressen von einer deutschen oder von einer ausländischen
Gesellschaft beeinträchtigt werden.
© iStock
D
ie Gesellschaftsform der englischen Limited erfreut sich in Deutschland großer Beliebtheit. Sie
ermöglicht eine Haftungsbeschränkung auf das
Gesellschaftsvermögen, und das nahezu ohne Stammkapital. Allerdings gibt es immer wieder Rechtsunsicherheiten für Gesellschaft, Angestellte und Gläubiger. Etwa
darüber, ob und wie der Director einer englischen Limited
in Deutschland für Zahlungen nach Insolvenzreife haftet.
Nicht einmal der Bundesgerichtshof ist sich hier sicher.
Der BGH legte einen solchen Fall zur Vorabentscheidung
dem Europäischen Gerichtshof vor (BGH-Beschluss vom
2. Dezember 2014, II ZR 119/14).
Vorlagebeschluss
Da sich der BGH-Senat nicht sicher ist, ob die Inanspruchnahme des Geschäftsführers einer ausländischen Gesellschaft dem Insolvenzrecht oder dem Gesellschaftsrecht
unterliegt, hat er die Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt. Die Entscheidung wird mit Spannung erwartet. Nicht nur, weil von ihr die konkrete Anwendbarkeit
der Geschäftsführerhaftung abhängt. Sondern auch, weil
sich aus der EuGH-Entscheidung möglicherweise ablesen
lässt, inwiefern der nationale Gesetzgeber bereits bei Einführung nationaler Regelungen deren Anwendbarkeit auf
internationale Sachverhalte beeinflussen kann. Denn der
Gesetzgeber wollte die in Frage stehende Haftungsnorm
im Rahmen der GmbH-Reform 2008 ausdrücklich dem
Insolvenzrecht unterstellen, damit sie auch ausländische
Gesellschaften in Deutschland erfasst.
Eröffnete Insolvenzverfahren
gegen Private Company
Limited by Shares (Ltd) in
Deutschland
2008
2009
240
310
2010
236
2011
195
2012
165
2013
135
2014
97
Quelle: Destatis
EY TAX & LAW Magazine 02 / 2015
49
LAW
+++ Ticker +++
1 Gesetzgeber plant Änderung des
I­ nsolvenzanfechtungsrechts
Das Bundesjustizministerium hat am
16.03.2015 einen Referentenentwurf zur
Änderung des Insolvenzanfechtungsrechts veröffentlicht. Damit entspricht der Gesetzgeber
vielfachen Forderungen nach einer Entlastung
des Wirtschaftsverkehrs sowie der Arbeitnehmer von Rechtsunsicherheiten, die das geltende Insolvenzanfechtungsrecht und die dazu
ergangene Rechtsprechung mit sich bringen.
Der Entwurf sieht im Wesentlichen Änderungen
bei den §§ 131 und 133 InsO vor. So sollen
künftig etwa die Voraussetzungen für eine
Anfechtbarkeit von Vollstreckungshandlungen
erhöht werden. Bei der Vorsatzanfechtung soll
die Anfechtungsfrist für Deckungsgeschäfte auf
vier Jahre verkürzt werden. Im Übrigen geben
die geplanten Änderungen lediglich die bereits
von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze wieder.
Ob die geplanten Änderungen geeignet sind,
tatsächlich zu einer wesentlichen Entlastung
gerade des Wirtschaftsverkehrs beizutragen,
muss allerdings bezweifelt werden. Die Problemfälle in der Praxis betreffen einen Zeitraum
von kaum mehr als vier Jahren vor dem Insolvenzantrag. Dass die Übernahme der hierzu
entwickelten Rechtsprechungsgrundsätze ins
Gesetz zu wesentlich mehr Rechtssicherheit
führen wird, ist ebenfalls nicht zu erwarten.
2 Anforderungen an Fristsetzung zur
Nacherfüllung bei mangelhafter Kaufsache
BGH, Urteil vom 18.03.2015 – VIII ZR 176/14
Zur wirksamen Fristsetzung zur Nacherfüllung reicht es aus, wenn der Käufer deutlich
macht, dass er „sofortige, unverzügliche oder
umgehende (Ersatz-)Leistung“ verlangt oder
durch eine vergleichbare Formulierung deutlich
macht, dass dem Verkäufer für die Nacherfüllung nur ein begrenzter Zeitraum zur Verfügung steht. Einer Frist- oder sogar Datums­
angabe für einen Endtermin bedarf es nicht.
Im vorliegenden Fall, in dem ein krankes Pferd
verkauft wurde, wertete der BGH entgegen
dem Instanzgericht die Aussage des Käufers
gegenüber dem Verkäufer „Entweder das Pferd
wird ausgetauscht oder wir gehen rechtlich
gegen Euch vor“ als ausreichende Fristsetzung
50
EY TAX & LAW Magazine 02 / 2015
zur Nacherfüllung i. S. d. § 281 Abs. 1 Satz 1,
§ 323 Abs. 1 BGB. Dieser Formulierung ist bei
verständiger Würdigung die unmissverständliche Aufforderung zum sofortigen Austausch
des Pferdes zu entnehmen, deren Ernsthaftigkeit durch die Warnung vor rechtlichen Schritten noch zusätzlich verdeutlich wird.
3 Keine Schutzwirkung durch die
­ esetz­liche Muster-Widerrufsbelehrung bei
g
inhalt­licher Bearbeitung
BGH, Beschluss vom 10.02.2015 –
II ZR 163/14
In seiner Begründung des Beschlusses vom
10.02.2015 bestätigt der BGH einmal mehr,
dass sich der Verwender des Musters nicht auf
dessen Schutzwirkung berufen kann, wenn er
dieses inhaltlich bearbeitet und dies dazu führt,
dass die Belehrung nicht mehr den gesetzlichen
Anforderungen entspricht. Im vorliegenden Fall
hatte der Verwender insbesondere eine unklare
Formulierung zu Beginn der Widerrufsfrist aufgenommen.
Seit Jahren (zuletzt im Juni 2014) versucht
der Gesetzgeber durch Bereitstellung von
Muster-Widerrufsbelehrungen z. B. für Haustürgeschäfte oder außerhalb der Geschäftsräume
des Unternehmers geschlossene (früher „Fernabsatz“-) Verträge die ordnungsgemäße Umsetzung der hohen gesetzlichen Anforderungen
zu erleichtern. Da das Muster jedoch auf eine
Vielzahl von Fällen anwendbar sein soll, muss
es auf den jeweiligen Vertragstyp angepasst
werden. Hierzu hat der Gesetzgeber eine Fülle
von Gestaltungshinweisen beigefügt, die an
sich schon kaum überschaubar sind. Ist der angestrebte Vertragszweck darüber hinaus etwas
spezieller, besteht die erhebliche Gefahr, dass
auch gutgemeinte Anpassungen des Musters
zur Unwirksamkeit der Belehrung und damit
zur Verlängerung der Widerrufsfrist von zwei
Wochen auf ein Jahr und zwei Wochen führen.
Um dieses Risiko zu vermeiden, ist bei der
Formulierung der Belehrung höchste Sorgfalt
geboten, damit die gesetzlichen Anforderungen
vollumfänglich erfüllt werden.
4 Unwirksamer Verzicht auf Erhebung
­ iner Kündigungsschutzklage in vorformue
liertem Formular
BAG, Urteil vom 25.9.2014 – 2 AZR 788/13
Dem Arbeitnehmer war ordentlich gekündigt
worden. Noch innerhalb der dreiwöchigen
Klagefrist nach dem Kündigungsschutzgesetz
erhielt der Arbeitnehmer ein mit der Überschrift „Arbeitspapiere“ versehenes Formular,
in dem er zum einen bestätigen sollte, diverse
Arbeitspapiere wie z. B. Lohnsteuerkarte etc.
zurückerhalten zu haben. Darüber hinaus
enthielt das Formular einen Verzicht auf weitergehende Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis
und seiner Kündigung sowie auf Erhebung der
Kündigungsschutzklage. Mit seinem Urteil gibt
das BAG dem Arbeitnehmer Recht. Der Klageverzicht ist ebenso wie die Kündigung unwirksam. Zum einen ist der Klageverzicht in dem
mit „Arbeitspapiere“ überschriebenen Formular
eine überraschende Klausel i. S. d. § 305c
Abs. 1 BGB. Unter dieser Überschrift muss der
Unterzeichner nur mit Regelungen hinsichtlich
seiner Arbeitspapiere rechnen ; der Verzicht
auf weitere Ansprüche und Klageerhebung war
nicht einmal durch eine eigene Überschrift oder
einen eigenen Abschnitt deutlich hervorgehoben. Zum anderen ist die Regelung auch gemäß
§ 307 Abs. 1 Satz. 1 BGB unwirksam, weil sie
den Arbeitnehmer entgegen Treu und Glauben
unangemessen benachteiligt. Der Arbeitnehmer soll auf die ihm gesetzlich zustehende dreiwöchige Überlegungsfrist ohne jegliche Gegenleistung des Arbeitgebers verzichten. Dies geht
allein zu Lasten des Arbeitnehmers, wohingegen der Arbeitgeber im Falle eines wirksamen
Klageverzichts bereits frühzeitiger anderweitig
planen kann und durch den Verzicht einseitig
bevorzugt wird.
Zwar ist grundsätzlich anerkannt, dass ein
Arbeitnehmer nach Ausspruch der Kündigung
durch den Arbeitgeber (nicht bereits im Vorfeld) auf die Erhebung der Kündigungsschutzklage verzichten kann. Die Anforderungen an
die Wirksamkeit dieses Verzichts werden von
der neueren Rechtsprechung jedoch weiter
erschwert. Inhaltlich ist insbesondere fraglich,
welche Gegenleistung des Arbeitgebers als angemessen angesehen wird. Kann beispielsweise
bereits die Zusage eines vorteilhaften Zeugnisses ausreichend sein? Aus formeller Sicht muss
geklärt werden, inwiefern ein einseitiger Verzicht wirksam gestaltet werden kann oder ob
LAW
möglicherweise ein zweiseitiger Abwicklungsbzw. sogar Aufhebungsvertrag geschlossen
werden muss.
5 Erhöhung der Pfändungsfreigrenzen für
Arbeitseinkommen ab 1. Juli 2015
Angepasst an die Entwicklung der steuerlichen
Grundfreibeträge werden zum 1. Juli 2015
auch die unpfändbaren Grundbeträge für Arbeitseinkommen erhöht. Die Anpassung erfolgt
alle zwei Jahre jeweils zum 1. Juli. Seit der
letzten Erhöhung 2013 ergibt sich ein Plus von
2,76 %, so dass der monatliche unpfändbare
Grundbetrag von 1.045,04 Euro auf 1.073,88
Euro steigt. Dieser Betrag erhöht sich, wenn
gesetzliche Unterhaltspflichten zu erfüllen sind,
um monatlich 404,16 Euro (bisher: 393,30
Euro) für die erste und um monatlich jeweils
weitere 225,17 Euro (bisher: 219,12 Euro)
für die zweite bis fünfte unterhaltsberechtigte
Person. Zudem verbleibt dem Schuldner von
einem über den so ermittelten pfändungsfreien
Grundbetrag hinausgehenden Arbeitseinkommen noch ein gewisser Betrag, der durch
Unterhaltspflichten nochmals steigt. Diese
Regelung soll dem Schuldner Anreiz bieten,
sich trotz der Pfändung um ein möglichst hohes
Arbeitseinkommen zu bemühen, was wiederum
den Gläubigern zu Gute kommt. Ein verheirateter Alleinverdiener mit zwei Kindern (drei unterhaltspflichtige Personen) muss demnach einen
sogenannten bereinigten Nettolohn in Höhe
von mindestens 1.928,38 Euro erhalten, bevor
der Gläubiger überhaupt Gehalt pfänden kann.
6 Auskunftspflicht des Geschäftsführers
einer GmbH im Insolvenzverfahren betrifft
nicht persönliche Vermögensverhältnisse
BGH, Beschluss vom 05.03.2015 –
IX ZB 62/14
Über das Vermögen einer GmbH wurde das
Insolvenzverfahren eröffnet. Zur Sachverhaltsermittlung ordnete das Insolvenzgericht an,
dass die ehemalige Alleingesellschafterin und
Geschäftsführerin über die inneren Verhältnisse der insolventen GmbH Auskunft erteilen
sollte, nachdem die Alleingesellschafterin die
GmbH erst kurz vor der Insolvenz veräußert
hatte. Dieser Auskunftsverpflichtung kam die
ehemalige Alleingesellschafterin nach. Darüber
hinaus wurde sie aufgefordert, Auskunft über
ihre eigenen Vermögensverhältnisse zu erteilen, um die Werthaltigkeit etwaiger Erstattungsansprüche – insbesondere aus § 64 GmbHG als
ehemalige Geschäftsführerin – gegen sie prüfen
zu können. Diese Auskunft verweigerte sie, woraufhin das Insolvenzgericht Erzwingungshaft
anordnete. Gegen diese Haftanordnung legte
die ehemalige Alleingesellschafterin erfolgreich
Beschwerde ein.
Der BGH hat klargestellt, dass die ehemalige
Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin
in Bezug auf die Vermögensverhältnisse der
GmbH vollumfänglich auskunftspflichtig ist
und diese Auskunft gegebenenfalls auch durch
Haftanordnung erzwungen werden kann. Inhaltlich bezieht sich die Auskunftspflicht auf
sämtliche rechtlichen, wirtschaftlichen und
tatsächlichen Verhältnisse der GmbH und
in diesem Rahmen auch auf Tatsachen, die
Forderungen der insolventen GmbH gegen
die Geschäftsführerin selbst – etwa aus § 64
GmbHG – nahelegen könnten. Zeitlich besteht
die Auskunftspflicht bis zu zwei Jahre nach
Ausscheiden aus der Geschäftsführung fort,
wenn das Insolvenzverfahren innerhalb dieser
Zeit eröffnet wird. Dieser Auskunftspflicht
ist die ehemalige Alleingesellschafterin ordnungsgemäß nachgekommen. Eine darüber
hinausgehende Verpflichtung zur Auskunft über
persönliche Vermögensverhältnisse der (ehemaligen) organschaftlichen Vertreterin besteht
nicht. Denn die Insolvenzordnung knüpft die
Auskunftspflicht an die Stellung des Geschäftsführers als Vertreter der GmbH, so dass dieser
nur über die Vermögensverhältnisse der Gesellschaft auskunftspflichtig ist, nicht aber über
seine eigenen.
7 Bußgeld bei fehlenden Energiekenn­
zahlen in Immobilienanzeigen
Bereits seit dem 01.05.2014 muss im Rahmen eines beabsichtigten Verkaufs oder der
Vermietung einer Immobilie spätestens zum
Besichtigungstermin gemäß § 16 Abs. 2 Energieeinsparverordnung (EnEV) ein sogenannter
Energieausweis vorliegen, um potenzielle
Käufer oder Mieter über den energetischen
Zustand eines Gebäudes aufzuklären. Grundsätzlich müssen auch bereits Immobilienan-
zeigen Kennwerte zum Energieverbrauch des
Gebäudes aufweisen. Seit dem 01.05.2015
droht dem Vermieter oder Verkäufer nun bei
Nichteinhaltung ein Ordnungsgeld von bis zu
15.000 Euro – und zwar selbst dann, wenn
sie einen Makler beauftragt hatte, das Inserat
zu schalten. Der Verkäufer bzw. Vermieter
selbst hat sicherzustellen, dass die Art des
Energieausweises (Energiebedarfsausweis
oder Energieverbrauchsausweis), der Wert
des Endenergiebedarfs bzw. des Endenergieverbrauchs, die im Energieausweis genannten
wesentlichen Energieträger für die Heizung
sowie bei Wohngebäuden zusätzlich noch das
im Energieausweis genannte Baujahr und ggf.
eine Energieeffizienzklasse (sofern der Energieausweis ab dem 01.04.2014 ausgestellt wurde)
angegeben sind.
8 Schwiegereltern können schenkungs­
weise übertragenes Miteigentum an
­Immobilie nach Scheidung zurückverlangen
BGH, Beschluss vom 03.12.2014 –
XII ZB 181/13
Dass Eltern ihren Kindern, aber auch deren
Ehepartnern, Immobilien im Wege der Schenkung zukommen lassen, wird häufig praktiziert.
Der BGH entschied nun, dass die Schwiegereltern das geschenkte Grundeigentum, das sie
dem Ehepartner des Kindes geschenkt haben,
unter Umständen zurückfordern können, wenn
die Ehe in die Brüche geht. Der BGH führt aus,
dies könne der Fall sein, wenn die Schwiegereltern die Schenkung der Immobilie erkennbar
unter der Vorstellung vorgenommen hatten,
dass die Ehe fortbestehen würde und ein Festhalten an der Schenkung für die Schwiegereltern nicht zumutbar sei. In diesem Fall entfällt
die „Geschäftsgrundlage“ für die Schenkung
und berechtigt zur Vertragsanpassung. Bei
Hausgrundstücken und Miteigentumsanteilen
kommt ein Rückgewähranspruch anstelle eines
bloßen Ausgleichs in Geld vor allem dann in
Betracht, wenn sich die Schwiegereltern ein
Wohnrecht vorbehalten haben, das durch das
Scheitern der Ehe gefährdet wird.
EY TAX & LAW Magazine 02 / 2015
51
Die Gerechtigkeit
in Person
Als römische Göttin für Gerechtigkeit und Recht ist Justitia weltbekannt
und wacht vor Gerichtsgebäuden, Rathäusern und Schlössern. Sie
symbolisiert die staatliche Ordnung und gesellschaftliche Moral. Oft wägt
sie mit verbunden Augen ab, um sich nicht beeinflussen und höchstmög­
liche Objektivität walten zu lassen. Das Schwert symbolisiert die Durchsetzungskraft des Rechts. Im Kontrast dazu steht die empfindliche Waage.
Sie stellt feinste Differenzen fest, sie wägt Schuld und Bestrafung ab.
Selten ist die Waage ganz ausgeglichen, meist neigt sie sich zu einer Seite
getreu dem Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“.
Justitia lacht nie, ihre Gesichtszüge sind geprägt von Ernsthaftigkeit,
­Würde und Anmut. Tax & Law möchte Ihnen an dieser Stelle einmal ganz
besondere juristische Ein- und Anblicke vermitteln.
Ottawa
Oberster Gerichtshof Kanadas
Diese Justitia ist anders. Das Werk des kanadischen
Bildhauers Walter Seymour Allward war ursprünglich für ein Denkmal für König Edward VII gedacht.
Es wurde im Jahr 1969 vergraben gefunden und
steht seit 1970 vor dem Obersten Gerichtshof. Die
Statue fast völlig verhüllt, das Schwert lässt sich
unter dem Umhang nur erahnen.
52
EY TAX & LAW Magazine 02 / 2015
© iStock
© D. Gordon E. Robertson
Walter Seymour Allward (1914)
360°
Frankfurt am Main
Gerechtigkeitsbrunnen
Diese Justitia hatte in der Vergangenheit ein eher
hartes Leben. Mit dem Niedergang der Altstadt ab
dem frühen 19. Jahrhundert verwitterte der Brunnen, vor allem aber die Figur der Justitia zunehmend, Frost und Witterungseinflüsse setzten dem
Stein zu. 1863 wurde die Justitia zum Frankfurter
Fürstentag zwar notdürftig renoviert, jedoch unter
Blumen versteckt.
Johann Hocheisen (1611)
London
Central Criminal Court
Heroisch wacht diese vergoldete 3,50 Meter große
Dame auf der Spitze der 67 Meter hohen Kuppel des
Zentralen Gerichtshof. Die siebenstrahlige Krone
symbolisiert wie bei der New Yorker Freiheitsstatue
die Zahl der Weltmeere und ist der Gloriole antiker
Sonnendarstellungen entlehnt.
© iStock
F. W. Pomeroy (1902)
EY TAX & LAW Magazine 02 / 2015
53
360°
Birmingham
Samford University
Der Engel der Gnade versucht Justitia zu
beeinflussen. Das Schwert möge nicht
voreilig benutzt werden, die Strafe nicht zu
hart ausfallen.
© imageBROKER / Alamy
© Samford University
Glynn Acree (um 1970)
München
Justizpalast
An Justitia und ihren Gehilfen musste Uli Hoeneß
im März 2014 vorbei, als das Landgericht München
II wegen des großen öffentlichen Interesses in den
Justizpalast auswich. Das neobarocke Gebäude
steht am Stachus.
© iStock
Balthasar Schmitt (1897)
Bern
Gerechtigkeitsbrunnen
Die lebensgroße Statue ist antik gestaltet mit Sandalen, einer dekorativen goldenen Rüstung mit Arabesken
und einem blauen Gewand. Am Fuße
der Statue sind vier kleinere Büsten:
ein Papst, ein Kaiser, ein Sultan und
ein Schultheiß. Die irdischen Mächte
haben ihre Augen als Zeichen der Unterordnung unter Justitia geschlossen.
Brügge
Palais de Justice
© iStock
Hans Gieng (1543)
54
EY TAX & LAW Magazine 02 / 2015
Der in prachtvoller Renaissance gehaltene Justizpalast wurde im 14. Jahrhundert erbaut. Auf ihm triumphiert
Justitia. Zu dieser Zeit galt Brügge
als Weltfinanzzentrum und war somit
auch eine der wohlhabendsten Städte
weltweit.
360°
Memphis
Shelby County Courthouse
Die Dame des Gerichtsgebäudes (engl. Courthouse) in Shelby
­ ounty verzichtet auf die Waage der Gerechtigkeit. Stattdessen
C
hält sie zwei Schalen in ihren Händen, um Schuld und Bestrafung
auszubalancieren.
© Einar Einarsson Kvaran
John Massey Rhind (1909)
Dublin
Finanzamt
© iStock
Diese Justitia blickt auf die Erde herab. Ende des
15. Jahrhunderts verstand man die Augenbinde zwischenzeitlich als Spott für die Blindheit der Justitia.
Oder ist diese Justitia parteiisch? Dafür spricht die
Ausrichtung zum Finanzamt und nicht wie üblich
zum Volke.
John Van Nost (1751)
Argentinien
San Salvador de Jujuy
Lola Mora (1921)
Brasilia
© Morio
© papapol
Diese freizügige Göttin stammt von der Künstlerin Lola Mora, einer Pionierin auf dem Gebiet der
Bildhauerei. Interpreten sprechen von der nackten
Wahrheit ohne Gewand, das etwas verbergen könnte. Sie wacht vor dem Palacio de Gobierno de Jujuy.
Supremo Tribunal Federal
Seit 1961 wacht die moderne Interpretation von Alfredo
­Ceschiatti vor dem obersten Gerichtshof Brasiliens über
Recht und Ordnung. Mit einer Höhe von ungefähr drei
­Metern bestimmt sie den beeindruckenden Freiplatz.
Alfredo Ceschiatti (1961)
55
360°
Добро пожаловать в Москве *
7
1
2
5
6
W
Tobias Luepke
Partner / Rechtsanwalt
Fachanwalt für Steuerrecht
EY
Sadovnicheskaya Nab. 77,
bld.1,
Moskau 115035
Russland
[email protected]
• Tobias Luepke ist Trans­
action M&A Law Leader
und Leiter des German
Business Center in der
GUS-Region (Gemeinschaft
Unabhängiger Staaten)
ie rund 6 Millionen andere Moskauer nehme ich
morgens die Metro zur Arbeit. Diese ist nicht
nur angesichts der chronischen Verkehrsstaus
auf Moskaus Strassen das mit Abstand effizienteste Verkehrsmittel, sondern steht mit ihren teils prunkvoll verzierten Stationen oft auch auf der Liste vieler Touristen.
Die Moskauer Metro genießt zu Recht den Ruf der schönsten U-Bahn der Welt: für den Bau wurden die besten Architekten, Maler und Ingenieure beauftragt und etwa 100
Sorten Marmor und Granit, Kalkstein, Rhodonit, Serpentinit und viele andere hochwertige Materialien verwendet.
Die Metrofahrt dauert rund 30 Minuten und führt uns
vorbei am 1 Kreml. Der Amtssitz von Präsident Wladimir Putin geht zurück auf eine mittelalterliche Festungsanlage und ist der älteste Teil der russischen Hauptstadt.
Die dunkelrote backsteinerne Kremlmauer ist gut zwei
Kilometer lang. Ein Besuch des Kremls mit englischem
oder deutschem Tour-Guide verrät viel über die Geschichte Russlands. Mit etwas Glück werden Sie Zeuge des
Wachwechsels am Grabmal des unbekannten Soldaten
im Alexandergarten am Kreml. Hier wird der sowjetischen Gefallenen des Zweiten Weltkrieges gedacht. Es
ist ­Tradition frisch verheirateter Paare, am Grabmal einen
Blumenstrauß niederzulegen und der Ahnen zu gedenken.
Vergessen Sie nicht, bei einem Gang über den Roten Platz
ein Selfie von den farbenfrohen 2 Zwiebeltürmen der
Basilius-Kathedrale zu machen oder einen Blick in das
Lenin-Mausoleum zu werfen. Noch zu Zeiten der Sowjetunion war es eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten
des Landes und Ausdruck einer tiefen Verehrung des
Theoretikers des Kommunismus.
Meine Endstation heißt 3 „Paveletskaya“ und bezieht
sich auf den Bahnhof nebenan. Er ist einer von neun Fernbahnhöfen in Moskau, die ringförmig als Kopfbahnhöfe
56
EY TAX & LAW Magazine 02 / 2015
3
4
alle Himmelsrichtungen bedienen. Vom Paveletskaya fährt
auch der Aeroexpress zum Flughafen Domodedovo, dem
größten der insgesamt drei internationalen Flughäfen.
Nach zehn Minuten zu Fuß erreichen wir das 4 EY Büro
an einem Seitenkanal der Moskwa. In der Nähe gibt es diverse Lokalitäten für ein Mittagessen oder einen Nachmittagskaffee. Besonders beliebt ist bei ausländischen Gästen die „Sky Bar“ in der 34. Etage im Swissotel gegenüber
von EY. Hier genießt man einen wunderbaren Panoramablick über die ganze Stadt bis hin zur 5 LomonossowUniversität auf den Sperlingshügeln ; von dort blickte
einst Napoleon auf das brennende Moskau.
Vor allem in den warmen Sommermonaten lockt in der
Nähe des Büros auf einer Insel liegend die ehemalige
6 Schokoladenfabrik „Roter Oktober“ – heute eine
Ansammlung von Bars, Restaurants und Lounges – zum
entspannten Feierabendbier. Von hier hat man einen tollen
Blick auf die eindrucksvolle 7 „Jesus der Erlöser“-­
Kathedrale, an deren Stelle unter Stalin ein bombastischer
Kulturpalast entstehen sollte. Als das Fundament jedoch
aufgrund der Nähe zum Wasser immer wieder abrutschte,
begnügte man sich mit einem großen Freibad, bis Boris
Jelzin die Kathedrale nach den Originalbauplänen (ohne
Probleme mit dem Grund) wieder aufbauen ließ.
Moskau ist nicht nur das politische und kulturelle Zentrum
des Riesenlandes. Auch das Nachtleben beeindruckt. Dazu
empfehle ich einen Besuch in ein paar der verrücktesten
Diskotheken, die ich je gesehen habe. Schicke Restaurants
an der Moskwa oder die Bars in der Arbat-Straße stimmen
zuvor in den Abend ein. Für Liebhaber großer russischer
Kunst lohnt sich (Karten vorbestellen !) ein Besuch des Bolschoi-Theaters, dem bekanntesten Opern- und Balletthaus
Russlands und einem der besten der Welt.
* Herzlich Willkommen in Moskau
Veranstaltungen
Exportkontrolle 2.0 –
Aktuelle Entwicklungen und Tendenzen
in der Unternehmenspraxis
07.07.2015 Berlin
09.07.2015Hamburg
13.07.2015Eschborn
20.07.2015Stuttgart
22.07.2015München
26.08.2015Düsseldorf
IHK-Sicherheitskongress
(in Kooperation mit EY)
08.07.2015Stuttgart
Arbeitsrechtsfrühstück
02.07.2015Eschborn
09.07.2015 Berlin
25.08.2015Düsseldorf
17.09.2015Mannheim
22.09.2015Hamburg
Tax Dashboard
02.07.2015Stuttgart
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ED 30.06.2017
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„EU Beihilfen in deutscher Praxis“
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Impressum
Herausgeber Ernst & Young GmbH
Wirtschaftsprüfungs­gesellschaft
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gesellschaft Steuerberatungs­gesellschaft
Mittlerer Pfad 15 / 70499 Stuttgart
T +49 711 9881 15572
[email protected]
Redaktion Ute Benzel, Martina Ortmann-Babel,
Hermann Ottmar Gauß
Gestaltung Fuenfwerken Design AG,
Wiesbaden / Berlin
Mitwirkende dieser Ausgabe Jörg Leißner,
Nico Schönberg
Druck Druck- und Verlagshaus Zarbock
GmbH & Co. KG, Frankfurt (Main)
Ija Ramirez, Jürgen Dahlke, Jan-Ole Kuers,
Tobias Luepke, Karl Wirth, Dr. Marcus Geuenich,
Dr. Christian Hampel, Stefan Neubauer,
Dr. Andreas S. Bolik, Verona Franke, Dr. Nils
Graßmann, Janis Leckschas, Marcus Mayer,
Alexander Vetten, Dr. Cornelia Kindler, Johanna
Wolter, Katharina Groth, Anja Lohmeier, Roland
Nonnenmacher, Carolin Selig, Lisa Stenkamp
Das nächste Tax & Law Magazine erscheint Ende September 2015
EY TAX & LAW Magazine 02 / 2015
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“EY” and “we” refer to all German member firms of Ernst & Young Global Limited, a UK company limited by guarantee. ED 0617. Source U.S. DOT.
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