Aquädukt Seite 1 von 3 Das Aquädukt Die griechische und römische Zivilisation waren beide im wesentlichen städtisch orientiert, unterschieden sich aber in ihrem Verständnis von Urbanität. Für die Griechen war die Stadt in erster Linie Mittelpunkt einer politischen Einheit, der Stadtstaat, der sich im ständigen Konflikt mit seinen Nachbarn befand. Das Ergebnis war eine kulturelle Zersplitterung, die durch die Umweltbedingungen noch verstärkt wurde. Inseln, kleine, isolierte Landzungen eigneten sich nicht für Städte, die expandieren wollten... Der Verkehr zwischen den Städten interessierte die Griechen nicht: in ihren politischen Theorien spielte der Handel kaum eine Rolle, da für sie die ideale Stadt ein geschlossenes, mit sich selbst im Gleichgewicht befindliches System war... Die Römer, die schon Ingenieure waren, bevor sie Architekten wurden, hatten eine ganz andere Einstellung. Der römische Imperialismus konnte nur erfolgreich sein, wenn er sich zu den entferntesten Ecken des Reiches, das sich allmählich über den ganzen Mittelmeerraum erstreckte, Zugang verschaffte. Es entstand ein ganzes Netz von Verkehrsbauten und Versorgungseinrichtungen im Verlauf der Entwicklung des römischen Weltreiches: Landstraßen – Wasserstraßen – Entwässerungskanäle – Brücken - Häfen Stehen am Anfang der Entwicklung Übernahmen aus der griechischen Antike oder beispielsweise im Brückenbau von etruskischen Vorbildern, so entwickelt sich die römische Ingenieurkunst stetig, vor allem im Bereich der Wölbetechnik, dem Bau steinerner Bögen, die im hohen Maße z.B. bei Brücken und Wasserleitungen (Aquädukte) das Erscheinungsbild der Architektur bestimmen. Die Aquädukte (Wasserleitungen) hatten die Funktion, Trinkwasser aus höher gelegenen Quellen in die Metropolen zu bringen. So wurde Rom mit einer über 400 km langen Wasserleitung versorgt, insgesamt durch 24 Leitungen. Dem Vorbild Roms folgten auch die Provinzen. Der Pont du Gard -ein dreistöckiges römisches Bogentragwerk In schwindelnder Höhe - fast 50 m über dem Wasserspiegel - überbrückt der Kanal des Aquädukts (273 m lang) das tief eingeschnittene Tal des Gardon. Einst floß in der überdeckten Rinne Wasser für die römische Stadt Nemausus (heute Nimes). Im Gegensatz zu einer benachbarten Brücke jüngeren Datums hat das Bauwerk den reißenden Fluten seit fast 2000 Jahren standgehalten. Die in drei Stockwerken übereinandergestaffelten Bögen sind ohne Bindemittel aus schweren Kalksteinblöcken aufgemauert. Sie lassen erkennen, welche Sorgfalt die römischen Baumeister auf Nutzbauten verwandten und welche Bedeutung sie ihnen zumaßen. Der Pont du Gard wurde unter Augustus begonnen und sollte die Wasserversorgung der Stadt Nimes sichern über eine Entfernung von mehr als 50 km. Das Gefälle beträgt dabei 0,3 - 0,4%. Das Aquädukt, das den Fluß Gardon überbrückt, wurde zweistöckig angelegt mit einer Länge von ca. 275 m und einer Höhe von 49 m: Die untere Arkadenstellung besteht aus sechs Bögen von ca. 20 m Höhe und Spannweiten von 15,75 - 21,50 m. Die Öffnung über dem Sommerflußbett ist besonders weit. Die zweite Bogenstellung geringfügig niedriger, entspricht mit ihren elf Bögen dem Aufbau der unteren. Der 1,85 m hohe und 1,20 m breite gemauerte Wasserkanal ruht auf einer besonders niedrigen Arkadenreihe mit 25 Bögen, deren Pfeilerstellung auf die großen Arkaden abgestimmt ist (Mittelarkade vier, Normalarkaden drei kleine Bögen). Diese Bogenstellung entspricht keiner technischen Notwendigkeit, sie Aquädukt Seite 2 von 3 dient der Verbesserung der Gesamtproportion des Aquädukts. Eine Eigenart sind die aus dem Bogen oberhalb der Kämpfergesimse konsolartig hervortretenden Steinblöcke. Sie dienten während der Bauzeit als Lehrgerüste und werden nicht abgemeißelt, sei es im Hinblick auf spätere Reparaturen, sei es zur Rhythmisierung der Bogenstellung. Das Mauerwerk der Arkaden ist aus Werksteinquadern ohne Mörtel und Metallklammern gefügt, die Wasserleitung aus Ziegeln gemauert und mit hydraulischem Mörtel geglättet. Auffällig an den Pfeilern sind die vorgesetzten Wellenbrecher gegen mögliche Hochwasserfluten. Als weiteres Hilfsmittel diente den römischen Baumeistern ein Kran. Diese Kräne sind eine WeiterentwickIung griechischer Seilwindenkräne, indem die Römer an der Seiltrommel ein großes Rad als eine Art Laufrad anbrachten, das von einem oder mehreren Männern bedient wurde, die darin liefen. Der Reiz des Bauwerkes, mit dem die Römer den Gardon überbrückten, liegt in der uns fremd anmutenden Bauweise mit drei übereinanderliegenden Bogenstockwerken. Die untere Arkade besteht aus 6 Bogen von 22m Höhe, die mittlere aus 11 Bogen mit je 19m Höhe, und die oberste aus 35 Bogen, die - obwohl zierlich und klein aussehend immerhin noch 7m hoch sind. Die Spannweiten differieren zwischen 4,8m und 24,5m. Sämtliche Bogen bilden Halbkreise, die im unteren und mittleren Bogenstockwerk so gesetzt sind, daß die Pfeiler genau übereinander stehen und somit die Bogen selbst wenig belastet werden. Die obere Bogenreihe trägt in 49m Höhe den Kanal. Er ist von nahezu 4m langen und 35cm dicken Steinplatten bedeckt. Die gesamte Brücke wurde ohne Mörtel errichtet. Nur der eigentliche Kanal ist mit einem Beton, dem sogenannten Caementum der Römer, wasserdicht ausgekleidet. Das Bauwerk vermittelt durch die Anordnung seiner Arkaden den Eindruck von wuchtiger Regelmäßigkeit. Dennoch gibt es eine Reihe interessanter Unregelmäßigkeiten: Der Bogen über dem Flußbett des Gardon hat die größte Öffnung, er ist 5m weiter gespannt als seine Nachbarbogen. Aber auch die anderen Bogen haben nicht die gleiche Weite, die Uferbogen sind nochmals um 4m kürzer. Durch die abnehmenden Spannweiten vom Fluß zu den Talseiten hin erreichten die Baumeister einen guten Anschluß des großen und massiven Brückenbauwerkes an die Talhänge. Die an der Innenseite der Bogen etwas oberhalb der Gesimse vorhandenen breiten Steinvorsprünge dienten einst der Konstruktion der Gewölbe. Sie bildeten die Widerlager für das Lehrgerüst, auf das die Steinquader für die Bogen gelegt wurden . Die Bogen der mittleren und unteren Arkade setzen sich aus durchschnittlich 61 Keilsteinen zusammen (wegen des Schlußsteines ist es immer eine ungerade Zahl), jeder etwa 1m dick und 1,5m lang, mit einer durchschnittlichen Masse von 6t. Alle diese Keilsteine mußten den verschiedenen Wölbungen entsprechend nicht nur genau behauen, sondern zuvor ebenso genau berechnet werden - und das mit den unhandlichen römischen Ziffern! An Ort und Stelle mußten die Steine bis zu 50 in Höhe gehievt und dann auf den Lehrgerüsten versetzt werden. Dazu waren Baukräne nötig. Sie hatten die Form eines durch Seile verspannten Auslegers mit einem Flaschenzug. Baubeginn der gesamten Anlage (Wasserversorgung für Nimes) um 15 v. Chr. unter Kaiser Augustus Gesamtlänge 50 km, Gefälle 0,3 - 0,4 %, Länge 275 m, Höhe ca. 49 m Untere Arkadenreihe: sechs Bögen, 20 m Höhe Mittlere Arkadenreihe: elf Bögen, geringfügig niederer als untere Arkadenreihe Obere Wasserleitung 35 Bögen, 1,85 m Heutigen Berechnungen zufolge flossen durch den Kanal des Aquädukts täglich 20 000 – Aquädukt Seite 3 von 3 30 000 m² bestes Trinkwasser nach Nemausus. Der Bogen als Tragwerk Ähnlich wie Stützentragwerke führen auch Bogenkonstruktionen zur Durchbrechung der geschlossenen Mauerfläche und erlauben ihre Aufgliederung in lastabtragende Einzelelemente. Der gemauerte Bogen besitzt meist Halbkreisform und wird über einem Lehrgerüst aus keilförmig behauenen Steinen errichtet. Die Fugen müssen dabei zum Mittelpunkt weisen. In seinem Tragverhalten unterscheide sich der Bogen in mehrfacher Hinsicht vom waagerechten Balken: So ist er belastbarer als ein Träger gleicher Stärke und wird bei gleichverteilter Auflast oder Eigenlast vorwiegend auf Druck beansprucht. Die Lastabtragung vollzieht sich ähnlich wie bei einem gewinkelten Bauelement in schräger Richtung. Am Auflager lassen sich die auftretenden Kräfte in senkrechte und waagerechte Druckanteile aufgliedern. Die waagerechten Druckanteile werden meist als Schub bezeichnet und müssen durch aufwendige Vorrichtungen aufgefangen werden. Besonders tragfähig sind Bogen, die der sogenannten Stützlinie folgen. Diese Linie kennzeichnet den inneren Verlauf der in einem Bogen auftretenden Kräfte und zeigt eine parabelähnliche Form. Waagerechte und senkrechte Druckanteile halten sich im Verlauf dieser Linie das Gleichgewicht. Sie läßt sich am einfachsten ermitteln, wenn eine an 2 Punkten aufgehängte Kette um 180° gedreht wird. (Diese Ketten- oder Hängelinie entspricht ebenfalls dem Gleichgewicht zwischen waagerecht und senkrecht gerichteten Zuganteilen!). Diese Erkenntnis setzte sich jedoch erst im 18. Jahrhundert durch. So betrachtet birgt der halbkreisförmige Bogen statische Risiken: An den Stellen, an denen sich die Stützlinie den Bogenrändern nähert, treten häufig Risse, sog. Bruchfugen auf. Die Bogenschenkel knicken bei etwa 30° nach außen, der Scheitel sinkt nach innen. Trotz seiner Bruchanfälligkeit spricht der halbkreisförmige Bogen den menschlichen Schönheitssinn besonders an und war jahrhundertelang die vorherrschende Bogenform. Die Römer verwandten ihn in großem Umfang, so daß er zu einem Kennzeichen ihrer Architektur wurde. Das Problern des Bogenschubs Die an den Bogen- bzw. Gewölbeauflagern auftretenden Gewölbeschube (Druckkräfte) haben meist eine bedeutende horizontale Komponente. Horizontalkräfte sind bei Massivbauten unerwünscht, da sie Schub- und Zugspannungen erzeugen. Die Bogen und Gewölbeauflager müssen außerdem unverschieblich sein, da sonst die Stabilität der Wölbkonstruktion gefährden ist. Folgende konstruktive Maßnahmen zur Vermeidung von Horizontalkomponenten aus Gewölbeschüben bzw. zur Ableitung der Gewölbeschübe in Kraftrichtung sind denkbar 1. Besondere Ausbildung der Widerlager. Dies ist eine insbesondere bei weitgespannten Brücken- und Hallenbauten gewählte Maßnahme, bei der die Gewölbeschübe direkt in den Baugrund geleitet werden 2. Verbindung der Widerlager durch Zuganker 3. Oberlagerung des schräg nach unten gerichteten Gewölbeschubs durch eine sehr große Vertikallast, die die Resultierende so weit in die Vertikale zwingt, daß Kippen des als Auflager dienenden Mauerwerkskörpers nicht zu befürchten ist 4. Strebepfeiler. Sie wurden im Mittelalter verwendet und prägten insbesondere das äußere Erscheinungsbild gotischer Dome. Der Gewölbeschub wird in Kraftrichtung abgeführt. 5. Reihung mehrerer Bögen oder Gewölbe, so daß die Horizontalkomponenten der schrägen Gewölbeschübe sich gegenseitig aufheben
© Copyright 2024 ExpyDoc