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DAS NACHRICHTENPORTAL
JUGENDHILFE CREGLINGEN:
Freier Träger der Jugendhilfe baute ein Gebäude für eine Wohn- und eines für eine
Stabilisierungsgruppe im Tauberbischofsheimer Kirschengarten
Von unserem Redaktionsmitglied Heike v. Brandenstein
1,8 Millionen Euro hat die Jugendhilfe Creglingen in zwei Neubauten für Wohngruppen in der
Kreisstadt investiert. Am Freitag wurden sie offiziell vorgestellt.
TAUBERBISCHOFSHEIM. Die beiden über Eck gesetzten Gebäude an der Duderstädter Allee und im Badener
Ring verdeutlichen es: Die Jugendhilfe Creglingen hat sich nun endgültig in der Mitte des Main-Tauber-Kreises
etabliert. Der Träger der freien Jugendhilfe ist der einzige im Kreis, der neben ambulanten Hilfen für Kinder
und Jugendliche auch stationäres Wohnen bietet. Kinderheim hieß so eine Einrichtung früher einmal.
Mit Darstellungen in Büchern, Dokumentationen oder Spielfilmen aus früheren Jahrzehnten über Kinderheime,
die teils romantisierend, teils drangsalierend daherkamen, haben die überschaubaren und familiär gehaltenen
Wohngruppen der Jugendhilfe Creglingen nichts zu tun. Große Fenster bedeuten viel Licht, der Ausblick über
die Stadt verschafft dem Blick Weite. Architekt Horst Ammon hat jeweils eine klare Raumstruktur mit
zweckmäßiger Inneneinrichtung bei akzentuierter Farbgebung gewählt. Im Außenbereich sind die Gärten der
Häuser optisch voneinander getrennt. Ein Hügel liegt dazwischen, der zwar umgangen werden kann, jedoch
Sichtschutz bietet.
"Ganz unkompliziert war es nicht", beschrieb Helmut Wörrlein, Vorstandsvorsitzender des Vereins Jugendhilfe
Creglingen, das vor gut zweieinhalb Jahren geborene Projekt zum Neubau für eine Stabilisierungsgruppe. Der
Bedarf war da, weil die Zahl an Kindern mit besonders problematischer Vorgeschichte stetig gestiegen war.
Doch letztlich mussten auch die Kostenträger der Jugendhilfe grünes Licht geben. Viele Meinungen waren von
Beginn an einbezogen worden. Wörrlein verdeutlichte das bei der Vorstellung der Gäste: Vertreter von
Jugendämtern aus dem Main-Tauber- Kreis und aus dem Umland waren gekommen, die Sozialdezernentin,
Geschäftsführer anderer freier Träger der Jugendhilfe, Schulleiter, Gemeinderäte, Bürgermeister Wolfgang
Vockel und Vertreter der Polizei.
Helmut Wörrlein berichtete von kritischen Kostennachfragen beim Architekten, handelt es sich beim Neubau
doch um die bei weitem größte Investition in der nunmehr 63-jährigen Geschichte der Jugendhilfe Creglingen.
Schließlich wurde nicht nur ein Neubau für die Stabilisierungsgruppe für Kinder von acht bis zwölf Jahren,
sondern noch ein weiterer für eine neue Wohngruppe für Kinder und Jugendliche ge-stemmt. "Die Humanität
einer Gesellschaft zeigt sich am Umgang mit ihren Randgruppen", so der Vorstandsvorsitzende.
Das Projekt Neubau sollte sich vor dem Hintergrund der Flüchtlingswelle, mit der auch unbegleitete
minderjährige Jugendliche in den Main-Tauber-Kreis kamen und kommen, auch zeitlich als Segen erweisen.
Denn plötzlich musste alles ganz schnell gehen mit dem Umzug, wie Anita Lurz, stellvertretende
Bereichsleiterin für den stationären Bereich bei der Jugendhilfe Creglingen, und Dr. Jan Vollmer, Bereichsleiter
für die Stabilisierungsgruppe verdeutlichten. Sozialpädagogen, Kinder und Jugendliche packten die Kisten,
teilten sich mit den Handwerkern die Häuser, lernten, dass Putzen in so einem Chaos quasi zwecklos ist und
schafften es dennoch, Struktur in das Neue zu bringen. "Es war ein schönes, wenn auch anstrengendes
Erlebnis, sich auf alle verlassen zu können", fasste Anita Lurz zusammen.
Für die jugendlichen Flüchtlinge nämlich galt es, das alte Domizil in der Bahnhofstraße so schnell wie möglich
zu räumen. Dass die Jugendhilfe Creglingen auch in diesem Bereich verlässlicher Partner des Kreises sei,
betonte Sozialdezernentin Elisabeth Krug. Die Jugendhilfe Creglingen sei sofort in die Bresche gesprungen,
als junge Flüchtlinge unter 18 Jahren Mitte September in der Notunterkunft Wertheim ankamen.
Mittlerweile sind 25 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Wohngruppen dieses Jugendhilfeträgers
untergebracht, elf davon in Tauberbischofsheim.
19.10.2015 14:20
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Der Neubau in der Kreisstadt sei nicht nur eine nüchterne Gebäudehülle, so die Sozialdezernentin, sondern
gebe jungen Leuten eine Lebensperspektive. Krug: "Das ist nicht nur für die Jugendlichen, sondern auch für
die Zukunft der Gesellschaft unglaublich wertvoll." Zudem bekannte sie, dass der Landkreis die Gelder für die
Jugendhilfe ohne wenn und aber bereit stelle.
Tauberbischofsheims Bürgermeister Wolfgang Vockel lobte die gute Zusammenarbeit mit der Jugendhilfe
Creglingen und deren erfolgreiche Arbeit an jungen Menschen in besonderen Lebenslagen. Der Gemeinderat
habe von Anfang an hinter dem Projekt gestanden. "Ich hoffe, dass sich die Schützlinge in diesem Haus wohl
fühlen", sagte er. Und er ergänzte mit Blick auf das Wohngebiet Kirschengarten und eventuell skeptischen
Stimmen: "Diese Einrichtung passt hierher. Ich hoffe auf eine gute, harmonische Nachbarschaft."
Als Einstandsgeschenk für die Jugendlichen hatte er eine Tüte Autoscooter-Chips für die Martini-Messe und
für alle gemeinsam, samt Nachbarschaft, einen Gutschein für einen Tag in der städtischen Waldhütte im
Gepäck.
Abschließend beleuchtete Werner Fritz, Geschäftsführer der Jugendhilfe Creglingen, das Motto des Vereins:
"Wie kommt etwas Neues in die Welt?" Wichtig bei allen Überlegungen sei es, den Sinn zu hinterfragen, mit
vielen Menschen über ein Projekt zu sprechen, Ideen zu sammeln, zu puzzeln, bis etwas passt, und letztlich in
der Umsetzung flexibel und geschmeidig zu bleiben. Letztlich seien auf diese Weise in Tauberbischofsheim
zwei Neubauten entstanden, obgleich zunächst lediglich eine Anmietung geplant war. Fritz: "Am Ende wird
alles gut, und wenn nicht, dann wenigstens interessant."
© Fränkische Nachrichten, Montag, 19.10.2015
19.10.2015 14:20