Ausgangssituation: Die WINDSTROM AG ist ein weltweit agierender Hersteller von Windkraftanlagen. Nach Jahren des stetigen Wachstums schließt die WINDSTROM AG das Jahr 2009 bei einer Jahresleistung von 320 Mio. EUR mit einem Jahresfehlbetrag von 25 Mio. EUR ab. Im Rahmen eines Restrukturierungsprojektes soll der Turnaround der WINDSTROM AG erreicht werden. Zielsetzung ist neben der Verbesserung der angespannten Liquiditätssituation die Erreichung einer Umsatzrendite von 5% ab 2011 bei konstantem Umsatz. Hierzu sind neben Kostenreduzierungen vor allem Maßnahmen zur strategischen Neuausrichtung, wie z.B. die Optimierung der Produktgestaltung, vorzunehmen. Informationen zum Unternehmen: Der Schwerpunkt der Geschäftsaktivitäten der WINDSTROM AG liegt auf der Entwicklung, dem Vertrieb und der Errichtung von Windkraftanlagen. Hierzu gehört die technische Planung von Windpark-Systemen bis zur schlüsselfertigen Errichtung inklusive Netzanschluss. Neben der Errichtung bietet die WINDSTROM AG die elektronische Fernüberwachung der Windkraftanlagen und die Durchführung von Servicearbeiten an. WINDSTROM Anlagen werden weltweit vertrieben. Während in einigen Ländern eigene Vertriebsstandorte aufgebaut wurden (z.B. Irland/England, Spanien, Griechenland, Frankreich, USA), werden Projekte an anderen Standorten durch den internationalen Vertrieb von Deutschland aus akquiriert (z.B. Norwegen, Italien, Indien, Kolumbien). Der Vertrieb stellt den ersten Kundenkontakt her, erstellt Angebote und führt die Verhandlungen mit dem Kunden bis zur Vertragsunterzeichnung, dann wird das Projekt an das Projektmanagement übergeben. Der Vertrieb geht in der Regel von Herstellkosten i.H.v. 85% des Auftragsvolumens aus. Das Projektmanagement führt eine detaillierte Projektplanung durch, koordiniert den Einkauf, Transport, Produktion und Aufstellung. Für Errichtung und Service werden 470 Mitarbeiter beschäftigt. Die WINDSTROM AG konnte sich bei der Entwicklung von Windkraftanlagen bisher als Technologieführer behaupten, dem Trend zu immer leistungsstärkeren Anlagen folgend. Dabei arbeitet die Entwicklungsabteilung intensiv an dem Ziel immer neue, größere Anlagen möglichst schnell auf den Markt zu bringen. Hierzu sind100 Mitarbeiter in der Entwicklungsabteilung tätig. Die WINDSTROM AG bietet heute die komplette Leistungsbandbreite marktüblicher Serienanlagen an: Anlagentyp Rotordurchmesser [m] Leistungsabgabe [MW] Jahr der Markteinführung WS1 29 0,3 2001 WS2 43 0,6 2002 WS3 50 0,8 2003 WS4 54 1,0 2004 WS5 60 1,3 2005 WS6 70 1,5 2006 WS7 80 2,5 2007 Die Hauptkomponenten (Turm, Generator, Getriebe, Rotorblätter und Steuerung) werden von unterschiedlichen Lieferanten bezogen und am Windparkstandort endmontiert. Die Anlagen der WINDSTOM AG werden sehr stark an individuelle Kundenwünsche angepasst. Dies ist zum einen erforderlich, da die Netzanschlussbedingungen in © Roland Berger Strategy Consultants 1 verschiedenen Ländern variieren, zum anderen, weil die Anlagen optimal auf die am Standort vorherrschenden Windbedingungen angepasst werden müssen. Dabei sind u.a. Auflagen bezüglich Turmhöhe und Lärmpegel zu erfüllen. Des weiteren stehen dem Kunden Getriebe und Rotorblätter von unterschiedlichen Herstellern zur Wahl, sowie unterschiedliche Turmvarianten (Gittermast oder Beton). Der Aufwand bei der Errichtung der Anlagen variiert stark je nach Anlage, so ist der Zeitbedarf für die Errichtung einer WS7 doppelt so groß, wie der für den Aufbau einer WS4. In den letzten zwei Jahren treten zunehmend Qualitätsprobleme auf. Mängel, die in der Regel erst bei der Endabnahme identifiziert werden, führen zu verspäteter Übergabe der Anlagen an die Kunden und erhöhten Nachbesserungsaufwendungen. Des Weiteren entstehen Kosten durch Vertragsstrafen, wenn die technische Verfügbarkeit der Anlage nicht gewährleistet werden kann. Die Mängel entstehen zum einen aufgrund fehlerhafter Komponenten, insbesondere bei Türmen und Rotorblättern. Zum anderen treten bei Anlagen der größeren Leistungsklassen nach Inbetriebnahme häufig Getriebeprobleme und Gelenkwellenbrüche auf. Bei im Ausland errichteten Anlagen sind häufiger unvorhergesehene Probleme mit der Kompatibilität der Anlagen mit den örtlichen Netzen aufgetreten, was teilweise zur Neuentwicklung einzelner Komponenten geführt hat. Eine aktuelle Marktstudie hat folgende Erkenntnisse ergeben: • • • • • Trend zu Hochleistungsanlagen setzt sich fort Sättigungserscheinungen auf dem deutschen Markt aus Ermangelung attraktiver Windstandorte Vergangener Windkraft-Boom in Deutschland durch gesetzliche Regelungen (Stromeinspeisegesetz) erheblich unterstützt, Zukunft der Windkraft in der Diskussion Bisher gesetzliche Förderung im Ausland sehr begrenzt Wachstumspotenziale im Offshore-Bereich: noch keine hinreichenden Studien zu Windverhältnissen und Flächenverfügbarkeit und technischen Risiken Übersicht WINDSTROM AG: Leistung [Mio. EUR] Herstellkosten [Mio. EUR] Ergebnis [Mio. EUR] Forderungen [Mio. EUR] Vorräte [Mio. EUR] Anzahl Mitarbeiter 2006 2007 2008 2009 270 346 439 320 230 304 391 298 15 20 20 -25 49 67 98 116 30 48 67 84 680 820 850 900 © Roland Berger Strategy Consultants 2 Aufgabe: Sie haben diese Informationen im Rahmen einer Vorstudie in Zusammenarbeit mit der WINDSTROM AG erhoben. Ein Vorstandsmitglied der Windstrom AG hat noch einige Fragen an Ihren Projektmanager und vereinbart mit Ihnen noch am selben Tag einen Termin. Im Rahmen dieses Termins sollen erste Ergebnisse Ihrer Analyse und das weitere Vorgehen im Projekt besprochen werden. Ihr Projektmanager bittet Sie, ihn zu diesem Termin zu begleiten und dazu folgende Kernfragen vorzubereiten um ihn vor dem Meeting entsprechend zu briefen. Frage 1: Problemfelder • Stellen Sie die wesentlichen Problemfelder der WINDSTROM AG dar. Was sind aus Ihrer Sicht die Ursachen für den Ergebnisverfall und die angespannte Liquiditätssituation? • Wie hoch ist der Ergebnisverbesserungsbedarf? Frage 2: Optimierung der Produktgestaltung zur Verbesserung der Ergebnissituation • Welchen Einfluss hat die Produktgestaltung auf das Ergebnis und welche Ansatzpunkte zur Optimierung sehen Sie? • Welche aufbau- und ablauforganisatorischen Maßnahmen sind zu treffen? Frage 3: Verbesserung der Liquiditätssituation • Wie viel Liquidität ist Ihres Erachtens ohne zusätzliche Kreditaufnahme kurz- bis mittelfristig zu realisieren? Welche Lösungsansätze sehen sie? • Welche Probleme und Risiken bergen die von Ihnen erarbeiteten Vorschläge? © Roland Berger Strategy Consultants 3 Lösungsvorschlag WINDSTROM AG: Folgende Zusammenstellung stellt keine Musterlösung dar, sondern denkbare Ansätze, die im Rahmen der Bearbeitung vorgestellt werden können. Frage 1: Problemfelder a) Wesentliche Problemfelder Wesentliche Kennzahlen 2006 2007 2008 2009 HK Quote 85% 88% 89% 93% Sonst. Kosten/Leistung 9% 6% 5% 15% Leistung/MA [′000 EUR] 397 422 516 356 Ursachen Anstieg HK Kosten - Hohe Komplexität durch Vielzahl der Anlagentypen und Varianten - Vertrieb kalkuliert mit unrealistischen Herstellkosten 85% für alle Anlagen, aber Errichtungsaufwand für WS7 doppelt so hoch wie WS4, dadurch Margenverschiebung im Produktmix - Fokussierung der Entwicklungsabteilung auf Entwicklung neuer, größerer Anlagen – Vertrieb der Anlagen vor Serienreife, "Fertigentwicklung beim Kunden" - Kein kosten- und errichtungsoptimales Design der Anlagen - Abwicklung von Aufträgen mit unvorhergesehenen Risiken (insb. im Ausland) steigern die Herstellkosten - Qualitätsprobleme seitens der Lieferanten führen zu Verzögerungen und Mehraufwendungen Ursachen Anstieg Sonstige Kosten - Personalaufbau - Aufwendungen für Nachbesserungen/Gewährleistung - Erhöhter Zinsaufwand aufgrund Anstieg Vorräte/Forderungen Ursachen sinkende Leistung pro MA - Nach Wachstumskurs der Vorjahre bestehen Überkapazitäten, teilweise sind Mitarbeiter erforderlich zur Abwicklung der gewachsenen Gewährleistungsprobleme Ursachen Umsatzeinbruch - Rückläufiger deutscher Markt - Qualitätsprobleme sprechen sich am Markt rum - Anlagen zu teuer b) Ergebnisverbesserungsbedarf © Roland Berger Strategy Consultants 4 Bei gleichbleibendem Umsatz soll in 2011 eine Umsatzrendite von 5% erwirtschaftet werden. Damit ergibt sich ein Ergebnisziel von 16 Mio. EUR in 2011. In 2009 wird ein negatives Ergebnis i.H.v 25 Mio. EUR erzielt. Insgesamt ergibt sich damit ein Ergebnisverbesserungsbedarf von 41 Mio. EUR FullYear 2011 Frage 2: Optimierung der Produktgestaltung Senkung der Herstellkostenquote von 93% auf das Niveau von 2006 (85%) ergibt ein Ergebnisverbesserungspotenzial von 25 Mio. EUR Ansätze zur Einsparung: - Kosteneinsparung durch Reduktion der Anlagentypen, insbesondere Verzicht auf leistungsschwacher Produkte und Produkte mit vergleichbarer MegawattLeistung - Reduktion der Varianten, insbesondere Auswahlmöglichkeit der Kunden bezüglich Komponenten - Zusatzleistungen auf Kundenwunsch nur gegen Aufpreis - Einführung eines konsequenten Projektmanagements (Schaffung entsprechender Anreizsysteme z.B. durch Kopplung der Prämien an die Qualität) - Einführung auftragsbezogener Beschaffung, Vermeidung von Kapitalbindung durch hohe Lagerbestände - Beseitigung der Qualitätsprobleme durch Engineering-Maßnahmen, statt Fokus auf Entwicklung neuer, leistungsfähiger Anlagen - Möglichkeit durch Variantenreduktion Einkaufsvorteile zu erzielen (Single Sourcing) - Abschluss von Rahmenverträgen mit Schlüssellieferanten - Qualitätskontrolle bereits beim Lieferanten zur Vermeidung von Ausfällen nach Einbau Frage 3: Verbesserung der Liquiditätssituation 2006 2007 2008 2009 Forderungslaufzeit [Tage] 65 70 80 131 Vorratsreichweite [Tage] 40 50 55 95 a) Verbesserung der Liquiditätssituation Reduzierung des Forderungsbestands um 58 Mio. EUR auf 58 Mio. EUR möglich (entspricht einer Forderungslaufzeit von 65 Tagen = interner Benchmark aus 2006) Mögliche kurzfristige Maßnahmen: - Einschaltung eines Inkassobüros - Forderungsverkauf (aber sehr hohe Abschläge) - Erhöhung Skonto Mittelfristig ist ein konsequentes Forderungsmanagement (z.B. Festlegung von Mahnstufen, rechtzeitige Einleitung rechtlicher Schritte) einzuführen © Roland Berger Strategy Consultants 5 Probleme: - Forderungen meist einredebehaftet, dadurch schwer zu verkaufen und ohne Mängelbeseitigung nicht beizutreiben - Bei Bonitätsproblemen des Schuldners, Forderungen schwer beizutreiben Deshalb mittelfristig Incentivierung Vertrieb und Projektmanagement Bonitätsprüfung durchzuführen und fristgerechten Zahlungseingang durch vertragsgemäße Projektabwicklung sicherzustellen - Vermeidung von Gewährleistungsproblemen durch Designverbesserung der Anlagen Reduzierung des Vorratsbestands um 40 Mio. EUR auf 44 Mio. EUR möglich (entspricht einer Forderungslaufzeit von 50 Tagen = interner Benchmark aus 2007) Probleme: - Abbau Vorräte verlustfrei nur durch Verbau auf Projekten möglich, Verkauf von Beständen an Wettbewerber nur mit hohen Abschlägen möglich - Mittelfristig ist auftragsbezogene Beschaffung einzuführen, um hohe Lagerbestände zu vermeiden © Roland Berger Strategy Consultants 6
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