Markt realistisch einschätzen - Landwirtschaft und Wald

REGION AKTUELL
24. JULI 2015
Feuerbrand und
Kantonsgrenze
SURSEE n Im Süden des Aargaus
sind viele Bäume an Feuerbrand
erkrankt. Andreas Distel vom
Aargauer Pflanzenschutzdienst
ortete gemäss Regionaljournal
Aargau-Solothurn einen Grund
im Nachbarkanton: In Luzern
werde der Feuerbrand weniger
detailliert bekämpft und lediglich versucht, die Bakterien einzudämmen. In der «Neuen Luzerner Zeitung» kontert Beat
Felder vom BBZN Hohenrain,
man tue lediglich das, was der
Bund vorschreibe. Dieser teilt
die Gemeinden in Tilgungs- und
Befallszonen ein. Während der
Aargau tilgt, also grosszügig rodet, wird im Kanton Luzern als
Befallszone nicht zwingend gerodet. Wenn immer möglich versuche man, einen Baum zu retten, wird Felder zitiert.
rae
Littering: Wieder
Kühe gestorben
INGENBOHL
Auf dem Hof
Breitenen in Ingenbohl lag diesen Frühling eines Morgens eine Kuh tot im Stall; eine weitere musste später eingeschläfert
werden. Die Symptome deuten
auf einen Fremdkörper im Magen hin. Zum Verlust des Tieres –
sie war im 4. Monat trächtig –
kommen Tierarztkosten von
500 Franken, wie die Bäuerin
Claudia Fischlin gegenüber dem
«Boten der Urschweiz» erklärte.
Schon vor zwei Jahren war auf
dem Hof eine Kuh aller Wahrscheinlichkeit nach wegen Splitter einer Aludose im Futter gestorben. rae
n
Abfall im Futter ist gefährlich: Kühe
brauchen saubere Wiesen. (Bild rae)
Klima bedroht
die Fichte
SURSEE n Neben den landwirtschaftlichen Kulturen leidet auch
der Wald unter Hitze und Trockenheit. Bäume verlieren ihre
Blätter, das Laub am Boden mutet teilweise herbstlich an. Besonders grosse Probleme mit
dem wärmeren Klima habe die
Fichte als Flachwurzler. Sie werde in tieferen Lagen Mühe bekommen, sich durchzusetzen,
wird Alex Arnet von der Luzerner
Dienststelle Landwirtschaft und
Wald in der «Neuen Luzerner
Zeitung» zitiert. Im Kanton Luzern beträgt der Fichtenbestand,
gemessen am Volumen, aktuell
noch 40 Prozent, vor 30 Jahren
waren es 50 Prozent. Dies hat negative Auswirkungen auf die einheimische Holzwirtschaft, denn
die Fichte ist für die Branche der
wichtigste Baum.
rae
B AUERN Z EITUNG
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Markt realistisch einschätzen
PRE / Rück- und Ausblick zu den Luzerner Projekten für regionale Entwicklung. Interview mit Thomas Meyer vom lawa.
BAUERNZEITUNG: Der Kanton Luzern war ein Pionier bei
den Projekten für regionale
Entwicklung. Wo stehen diese
heute?
THOMAS MEYER: Schweizweit
Pioniere waren wir nach den Pilotprojekten des Bundes in der
Tat mit zwei PRE, nämlich Hochstamm Seetal und RegioFair
Zentralschweiz im Jahr 2009.
Beide haben nach einer Verlängerung von vier auf fünf Jahren
die Umsetzungsphase inzwischen abgeschlossen und sind
nun in der Eigenständigkeit ohne
weitere finanzielle Unterstützung. Weitere Projekte wie Zuger- und Rigi Chriesi sowie
Rottaler Auslese sind in der Umsetzungsphase, für Michels-amt
und Regio-Fisch sowie Biosphärenmarkt startet die Umsetzungsphase voraussichtlich im
Herbst.
Was bringen solche Projekte eigentlich der Landwirtschaft?
MEYER: Das Ziel ist, mehr Wertschöpfung in der Region zu
schaffen. Die beiden ersten erwähnten Projekte waren sogenannte «start-up», die bei Null
starteten und Produktinnovationen und die Verarbeitung und
Veredelung aufbauten und so
versuchten, einen Markt zu
schaffen. Dabei zeigte sich, dass
die Projektphase von vier Jahren
zu kurz ist, vor allem weil der
Aufbau eines Marktes viel Zeit
braucht. Die folgenden Projekte
basieren auf bereits erfolg­
reichen Verarbeitungsunternehmen am Markt. Hier sollen mit
neuen Produktinnovationen und
gemeinsamer Vermarktung zusätzliche Wertschöpfung geschaffen und die Kosten optimiert werden. Bei Hochstamm
Seetal wurden auch einzelbetriebliche Investitionen unterstützt, zum Beispiel im Bereich
Direktvermarktung oder Agrotourismus. Davon konnten einzelne Bauern, neben der Un­
ternehmung Hochstamm Seetal AG, profitieren und zusätzliches Einkommen generieren.
Wie sind die Erfahrungen bei
den bisherigen Projekten?
MEYER: Den grössten Lerneffekt
machten wir im Bereich Businessplan. Die Annahmen bezüglich Umsatzentwicklung waren durchwegs zu optimistisch.
So hohe Umsätze in so kurzer
Zeit sind nicht realistisch.
Wieso war man so optimistisch,
wurde der Markt falsch eingeschätzt?
MEYER: Es war sicher zu wenig
Markterfahrung seitens der Trägerschaften, aber auch von uns
E
s genügt nicht für
die Wirtschaftlichkeit, Regionalprodukte
nur in der Region
abzusetzen. Thomas Meyer
vorhanden. Marktabklärungen
müssen viel intensiver gemacht
werden, das ist neu auch eine
Auflage bei diesen Projekten, so
zum Beispiel bei Regio-Fisch.
Künftig werden keine neuen Kapazitäten geschafffen, wenn der
Absatz nicht vorhanden ist.
Gerade um Regio-Fisch war es
ja lange Zeit recht ruhig. Wo
steht das Projekt heute, gibt es
einen Markt?
MEYER: Ja, dank den intensiven Marktabklärungen auch bei
Grossverteilern sind wir nun
überzeugt, dass diese bäuerliche
Fischproduktion auch bei kleineren Mengen wirtschaftlich sein
kann. Angestrebt werden Anlagen mit einer maximalen Produktion von 10 Tonnen, was
auch raumplanerisch bewilligungsfähig ist. Die Berechnungen zeigen, dass auch so Stundenlöhne von 30 Franken erreichbar sind.
Zurück zu den bisherigen Projekten, gab es neben Businessplan und Markteinschätzung
weitere Erfahrungen?
MEYER: Auf der Ebene Geschäftsführung. Zum Start von
PRE braucht es Generalisten, um
die verschiedenen Teilprojekte
zeitgerecht zu koordinieren. Sobald gute Produkte vorliegen,
braucht es aber sehr rasch einen
guten Verkäufer für die Produkte.
Diese Kombination ist nicht einfach zu finden. Sinnvollerweise
ist ein Geschäftsführer auch sehr
früh einzusetzen, damit dieser
den Businessplan mit erarbeiten
kann und nicht einfach vorgesetzt bekommt.
Eine weitere Erkenntnis war,
dass es nicht genügt, nur den regionalen Markt im Auge zu haben. Regionale Produkte müssen
überregional vermarktet werden
können, bis in den Grossraum
Zürich, aber auch Basel und Bern.
In diesen Zentren gibt es auch
Konsumenten, die bereit sind, für
solche Produkte den entsprechenden Preis zu bezahlen.
Ist das realistisch, wenn alle regionalen Produkte auf die städtischen Zentren drängen und
sich dort Absatzpotenzial erhoffen?
MEYER: Fakt ist einfach, dass die
nötigen Umsatzzahlen nur erreicht werden können, wenn die
Nachfrage überregional vorhanden ist. Und die Umsatzzahlen
braucht es, um die Kosten einer
solchen Vermarktungsunternehmung, die aus einem PRE entsteht, decken zu können. In der
Tat entstehen nun aber zahlreiche Marken, nur schon innerhalb des Kantons, mit Hochstamm Seetal, Rottaler Auslese,
Produkte vom Michelsamt oder
aus der Biosphäre Entlebuch.
Wir müssen uns gut überlegen,
ob künftig eine Dachmarke Luzern nicht sinnvoll wäre, vor allem wenn die Spezialitäten ausserhalb des Kantons Luzern vermarktet werden sollen.
Da waren wir doch vor Jahren
auch schon mal, mit den Be­
strebungen für eine Marke
Zen­tralschweiz, die schliesslich
scheiterte beziehungsweise von
der Migros mit «Aus der Region.
Für die Region.» aufgenommen
wurde.
MEYER: Ich weiss, dennoch wird
eine Dachmarke zum Thema
werden müssen, um das Marketing zu koordinieren.
Kommen wir zurück auf das
Ziel der PRE, nämlich Wertschöpfung für eine Region zu
schaffen. Einzelbetrieblich ist
das ja wie erwähnt gelungen,
dank den Investitionshilfen auf
Bauernhöfen, wie bei Hochstamm Seetal. Ist es aber auch
gelungen, gesamthaft die regionale Wertschöpfung zu steigern,
auch ausserhalb der Landwirtschaft, bei KMU wie Verarbeitern und Vermarktern?
MEYER: Die Hochstamm-Seetal-Produkte werden im oberen
Für Thomas Meyer ist das Potenzial für Projekte für regionale Entwicklung im Kanton Luzern ausgeschöpft.
(Bild Josef Scherer)
Preissegment verkauft. Somit
konnte auch für die Mostobstproduzenten ein Mehrpreis von
zwei Franken pro Zentner aus­
bezahlt werden. Bei RegioFair
konnten zum Beispiel zusätzliche Arbeitsplätze bei der Vermarktungsplattform geschaffen
werden. Bei weiteren Projekten
wie Michelsamt oder Rottaler
Auslese wird gezielt in bestehende Gewerbebetriebe investiert.
Dank zusätzlicher Verarbeitungs- und Veredelungsschritten
können auch bessere Preise für
die Lieferanten, sprich Bauern
bezahlt werden.
Gibt es weitere Herausforderungen für PRE?
MEYER: Der Grundgedanke für
PRE war vom Bund her, dass die
Nachhaltigkeit auf allen Stufen,
Ökonomie, Ökologie und Soziales/Kulturelles gestärkt wird. Das
ist aufgrund unserer Erfahrungen eher Wunschdenken. Wenn
ein Projekt wirtschaftlich erfolgreich ist, dann profitieren automatisch auch die Ökologie oder
soziale/kulturelle Aspekte. In der
Startphase liegt eine Querfinanzierung aber nicht drin. Deshalb
muss der Fokus klar auf der
Wirtschaftlichkeit liegen. Ein
Beispiel sind die Baumpflan­
zungen im Seetal als Vorinvestition. Die Bäume werden nur gepflegt, wenn auch die Wirtschaftlichkeit der Produkte gegeben ist.
Das wurde ja an der Generalversammlung der Hochstamm
Seetal AG deutlich betont. Die
Finanzierung von Landschafts-
pflege oder Agrotourismus liegt
ohne öffentliche Gelder nicht
mehr drin, deshalb musste ja
auch strukturell die Notbremse
gezogen werden.
MEYER: Wir wurden über die
Reorganisation vorgängig informiert und erachten den Ent-
R
egio-Fisch bietet
auch mit kleineren
Anlagen ein wirtschaftliches Potenzial
für bäuerliche
Betriebe. Thomas Meyer
scheid als richtig. Das Projekt
verliert deswegen nicht an Ausstrahlung, wenn die Produkte
durch die entschlackte Organisation weiterhin gut vermarktet
werden können.
Häufig ist der Vorwurf zu hören, PRE seien überadministiert, der Verwaltungsaufwand
für diese Projekte zu teuer, Kosten und Nutzen in keinem Verhältnis . . .
MEYER: Ein Businessplan ist
heute immer eine Voraussetzung, wer für ein Projekt Geld
will, sei dies von der Bank oder
vom Staat. Wenn man bedenkt,
dass bei PRE Bund und Kanton
bis zwei Drittel der gesamten
Kosten tragen, ist ein gewisser
Verwaltungs- und Kontroll­
aufwand gerechtfertigt. Es geht
nicht, einfach nur Geld zu nehmen, sondern es wird erwartet,
dass mit Zwischenberichten auch
Rechenschaft über die Verwendung gegeben wird.
Intensiviert wurde aufgrund
der Erfahrungen das Controlling.
Der Bund will wissen, ob die PRE
auch mittelfristig funktionieren
und wo zu optimieren ist, auch
wenn kein Fördergeld mehr
fliesst.
Wie sieht die Finanzierung von
PRE künftig aus, wenn der Kanton sparen muss?
MEYER: Wir können momentan
300 000 Franken für die Co-Finanzierung von PRE einzusetzen. Das Geld fliesst nun in die
neuen Projekte, für welche dieses Jahr die Umsetzungsphase
startet.
Sind neben den laufenden noch
mehr PRE absehbar oder ist das
Potenzial nun ausgereizt?
MEYER: Derzeit wird nicht mehr
aktiv geworben, das Budget ist
mit den vier Projekten, die in
die Umsetzung kommen, ausgeschöpft. Die Luzerner Projekte
sind auch geografisch recht gut
verteilt, eigentlich zufällig. Uns
ist es ein Anliegen, dass nun die
laufenden Projekte erfolgreich
umgesetzt werden können und
schlussendlich die Unternehmen eigenwirtschaftlich geführt
werden können. Interview Josef Scherer
Thomas Meyer ist Abteilungsleiter
Landwirtschaft bei der Dienststelle Landwirtschaft und Wald
und gleichzeitig zuständig für die
Projekte für regionale Entwicklung im Kanton Luzern.