Wer, wenn nicht wir? Wann, wenn nicht jetzt? Wo, wenn nicht hier?

Impulse
SKF Arbeitshilfe
SKF Schweizerischer Katholischer Frauenbund
4 | Dezember 2015
Wer, wenn nicht wir?
Wann, wenn nicht jetzt?
Wo, wenn nicht hier?
Impulse-Thema
«Darüber reden» – Flüchtlinge bei uns
Methoden
• Interesse zeigen
• Gesprächsplanung und Gesprächsführung
Texte
• Interview mit der Co-Präsidentin
Monika Federspiel
• Interview mit der Ethikerin Regula Ott
• Infos über Gesprächsplanung und
Gesprächsführung
• Zum Schluss:
Eine wahre Weihnachtsgeschichte
Liebe SKF-Frauen
Der Wohnort verbindet die Vereinsmitglieder. Ebenfalls verbindet das Frausein. Werte
verbinden. Sie sind im SKF Leitbild und in den Vereinsstatuten festgehalten.
Darüber hinaus sind wir und denken wir doch sehr verschieden. Zum Glück, denn Frauengemeinschaften sind ja keine Partei. Wir sind eine FrauenBande, ein Frauennetz.
So kommt es, dass Vorstands- und Vereinsmitglieder ganz unterschiedliche Meinungen
haben zu Themen, die ein Dorf, eine Pfarrei, die Schweiz besonders beschäftigen. In
der Flüchtlingsfrage herrschen viele verschiedene Meinungen. Wie können wir anfangen, darüber zu reden? Unsere Gedanken und Ideen zu teilen?
Wir möchten in diesen Impulsen anregen, «darüber» zu reden, denn die Flüchtlingsfrage
betrifft unseren Wohnort und unsere FrauenBande. Sie finden hier Rezepte für einen
sicheren Gesprächsrahmen und guten Gesprächsablauf. So kann «darüber reden»
gelingen.
Viel Erfolg wünschen
Regula Grünenfelder
Regula Ott
Interesse zeigen
Einladen
Die Vorstandsfrauen wissen es voneinander
oder vermuten es: Wir denken unterschiedlich! Wenn ein Team «darüber» reden möchte,
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Äusserungen der anderen Frauen.
Interesse kommt vor allem durch Fragen und im
Zuhören zum Ausdruck.
Das vorbereitete Gespräch
Eine Form ist das vorbereitete Gespräch: Alle
bringen drei Fragen mit, um sie den anderen
zu stellen. Bei der Vorbereitung werden alle
Beteiligten entdecken, dass das Gespräch mit
den unterschiedlichen Meinungen längst schon
begonnen hat. Viele Menschen stellen nämlich
fest, dass es schon allein in ihnen selber ganz
unterschiedliche Stimmen gibt. Diese können
ganz verschiedene Ansichten zu komplizierten
Themen vertreten. Das ist gut so, und noch
besser, wenn wir diese Ansichten in einem
geschützten Raum auch einmal äussern dürfen.
Laut ausgesprochen können wir sie besser verstehen und bei uns einordnen.
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Gesprächsregeln
i ihr.
Einfache Gesprächsregeln sorgen für einen
sicheren Gesprächsrahmen und einen guten
Gesprächsablauf.
. Auf die Zeit achten.
. Wir teilen unsere Fragen und unsere Antworten.
. Wir teilen unsere Ansichten und hören zu. Wir
diskutieren nicht.
. Wir folgen dem Redezeichen: Wer das Redezeichen in der Hand hält (ein Stab, eine grosse
Glasperle, eine Muschel ...) spricht. Die anderen hören zu. Wenn die Rednerin fertig gesprochen hat (ihre Frage gestellt oder ihre Antwort
gegeben hat), dann legt sie das Redezeichen in
die Mitte, so dass es die nächste Frau zu sich
nehmen und sprechen kann.
. Wir achten auf die Redezeit: Die Gesprächsleiterin darf dafür sorgen, dass die Redebeiträge
nicht zu lang werden (3 Minuten) und freundlich
auf die Zeit hinweisen.
. Wir experimentieren. Es darf Freude machen!
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Vorbereiten
Leiten
. Am besten ein Tisch mit genügend Platz . Teilnehmerinnen mit Getränken versorgen
. Begrüssen und Einstimmen (mit einem
für jede oder ein Stuhlkreis
. Ev. ganz unterschiedliche Tassen, um die Moment der Stille oder einem Lied)
Verschiedenheit der Frauen und Meinun- . Gesprächsregeln vorstellen
. Das Gespräch führen
gen gleich sichtbar zu machen
. Tee, Kaffee und etwas zum Knabbern
. Das Gespräch abschliessen
. Ein Symbol, das die Einheit in den Raum . Zum Feedback-Geben einladen (wie war
bringt (eine Kerze, ein Kreis, eine Rose ...)
das für euch?, was habt ihr erfahren?, gab
. Das Redezeichen (siehe linke Spalte)
es Ideen für das Weitergehen?)
. Für das Gespräch danken und zur Pause
einladen
Das Interview
Eine Form, Interesse zu zeigen, ist das Interview. Jemand denkt sich
ins Thema und in eine Person hinein, so dass sie gute Fragen stellen
kann. In einem der Interviews erfahren Sie, liebe Leserin, wie eine CoPräsidentin mit unterschiedlichen Meinungen umgegangen ist, als sie
eine Initiative zur Begegnung mit Flüchtlingen auf den Weg gebracht
hat. Und im zweiten Interview zeigt die Ethikerin fünf Schritte zur Entscheidungsfindung auf.
kann und wie es weitergeht. Dass eine Basis geschaffen werden kann,
die für den Vorstand tragbar ist. Gerade in der Freiwilligenarbeit ist es
für mich zentral, dass jede Frau sich dort engagieret, wo sie sich wohl
fühlt, sich identifizieren kann und wo es ihr Spass macht.
Interview mit Dr. Regula Ott,
SKF Beauftragte für Gesellschaft und Ethik
Interview mit
Monika Federspiel
Co-Präsidentin der Frauengemeinschaft Nottwil
Monika, bei euch im Dorf ist eines der ersten Bundeszentren für Flüchtlinge eröffnet worden. Und du hast als Co-Präsidentin der Frauengemeinschaft Nottwil Begegnungsnachmittage mit Flüchtlingen aufgebaut.
Was hat dich dazu inspiriert?
Als die Bevölkerung über das geplante Bundesasylzentrum informiert
wurde, habe ich eine grosse Verunsicherung in der Bevölkerung wahrgenommen, teilweise Ängste und Vorurteile. Die Tatsache, dass die Flüchtlinge praktisch keine Beschäftigung haben und sich die Zeit um die
Ohren schlagen müssen, bevor sie aus der Schweiz ausgewiesen werden, beelendete mich und motivierte mich aber auch, mich zu engagieren. Ich war überzeugt, dass ein friedliches Miteinander gelingen kann
und wollte dadurch Ängste und Vorurteile in der Bevölkerung abbauen.
Wie seid ihr zu einer Entscheidung gekommen?
Ich habe die Anfrage von Diakon Bruno Hübscher, eine Begegnungsgruppe aufzubauen, in den Vorstand getragen. Wir waren uns einig,
dass Beschäftigungsmöglichkeiten für ein gutes Miteinander förderlich
sind.
Mussten alle mitmachen? Einverstanden sein? Gab es besondere
Gespräch mit Frauen, die mit diesem Engagement nichts anfangen
konnten?
Es war mir wichtig, dass dies für die Vorstandsfrauen freiwillig ist und
niemand mitmachen musste. Wir haben die Anfrage an unsere Mitglieder weitergeleitet. Diese repräsentieren unseren Verein genauso
wie die Vorstandsfrauen. Wir haben über dieses Netzwerk auch eine
Kuchenaktion gestartet, sodass zu jedem Begegnungsnachmittag
Kuchen offeriert werden konnte. Dies wurde sehr geschätzt. So konnte
sich manche Frau mit einer liebevollen Geste solidarisch zeigen. Eindrücklich waren für mich in diesem Zusammenhang die Begegnungen
zwischen Nottwilerinnen und Asylbewerbern. Die Asylbwerber haben
sich riesig gefreut und waren teilweise tief berührt.
Diese Begegnungen haben wesentlich dazu beigetragen, Ängste und
Vorurteile abzubauen. Die Bevölkerung konnte dadurch beobachten,
dass ein gutes Mit- und Nebeneinander möglich ist.
Was findest du besonders wichtig, beim «darüber reden»?
Offenheit ist für mich wesentlich, aber auch, dass andere Meinungen
toleriert werden. Wichtig ist, wie der Konsens dann gefunden werden
Regula, du bist ausgebildete Ethikerin. Bei der Ethik geht es um das
richtige Handeln. Entscheidungen, welche Handlung die Richtige ist,
haben aber immer auch mit unterschiedlichen Meinungen, mit Ängsten
und Erfahrungen zu tun. Wie können wir über solche schwierige Themen
sprechen?
Wie erkenne ich ethische Themen?
Ein gutes Zeichen zu ethischen Themen ist das Gefühl der Empörung.
Wenn wir irritiert sind über eine Handlung eines Mitmenschen oder
überzeugt sind, dass eine andere Handlung nötig gewesen wäre. Allgemeiner gesagt, ist die Ethik eine wissenschaftliche Disziplin zur kritischen Untersuchung von Moral. Es geht um das argumentative Begründen des richtigen Handelns. Dabei gibt es keine absoluten Lösungen
wie in der Mathematik, sondern es bestehen verschiedene Lösungen,
ausgehend von verschiedenen Ethik-Theorien und Argumenten. Ziel ist
es, die wichtigen Fragen herauszuarbeiten sowie mögliche Lösungen,
was die richtige Handlung in einer bestimmten Situation ist.
Wie geht eine Ethikerin mit Themen um, die Menschen so tief berühren
und spalten wie die Flüchtlingskrise?
Ich frage mich, was die wesentlichen Fragen sind. Gibt es einen Unterschied, wenn meine Nachbarin in Not ist, oderwenn es eine Person auf
der Flucht ist? Was sind meine Verpflichtungen gegenüber Menschen
in Not? Was ist meine Mitverantwortung an der Situation, in der sich
diese Menschen befinden? Und was ist die Ursache verschiedener
Gefühle als Reaktion auf Bilder von Menschen in Not? Solchen und
weiteren Fragen versuche ich nachzugehen und mögliche Antworten
dazu zu erarbeiten.
Kann frau ethisches Überlegen lernen?
Ja. Dazu schlage ich fünf Schritte vor: Zuerst muss frau sich fragen, was
die ethische Frage ist. Am Beispiel von Menschen auf der Flucht kann
dies u.a. die Frage sein: Ist es meine Pflicht, Menschen auf der Flucht
in einer bestimmten Form zu helfen? Dann sind zweitens die Fakten zu
klären. Welche Aussagen zu Flüchtlingen stimmen? Was stimmt nicht?
Im dritten Schritt werden verschiedene Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt und zwar noch ohne diese zu bewerten: Zum Thema Flüchtlinge
wären dies, ganz grob gesagt, beispielsweise drei Handlungsmöglichkeiten: A. Wir in der Schweiz nehmen alle auf, B. wir in der Schweiz
nehmen einige Flüchtlinge auf (dafür müssen die Faktoren für die Auswahl bestimmt werden) oder C. wir in der Schweiz nehmen niemanden
auf. Dann im vierten und zeitintensivsten Schritt sollen die Argumente,
welche für die jeweiligen Handlungsmöglichkeiten sprechen, entwickelt
sowie bewertet werden. Fünftens und zum Schluss ist eine Handlung
zu wählen.
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Informationen
aus dem SKF
Dachverband
Das «darüber reden» ist eine Voraussetzung für einen vertrauensvollen,
förderlichen Umgang mit einem Thema, das uns alle in den Kantonen,
Gemeinden und Pfarreien während der nächsten Jahre angehen wird –
ob wir wollen oder nicht.
Der Frauenbund wird sich in den kommenden Jahren unter anderem im
Rahmen des neuen Impulsthemas make up! auch mit der Flüchtlingsfrage beschäftigen.
Kantonalverbände
Eine kleine Auswahl: Der Kantonalverband Oberwallis KFBO fragte per
E-Mail nach Wohnungsangeboten für Flüchtlinge. Der Kantonalverband
Aargau setzte ein Lichtzeichen und rief dazu auf, am 1. Dezember
Lichterschiffe als Zeichen der Solidarität und des Mitgefühls mit Flüchtlingen auf die Flüsse und Seen zu setzen. Der Kantonalverband Luzern
engagiert sich als eine von vielen Organisationen in der Aktionswoche
Asyl, die jeweils im Juni stattfindet.
Informationen
zur Gesprächsführung
Es gibt inzwischen viele Kommunikationsangebote und Hilfen zur
Gesprächsführung. Wir empfehlen die Bücher und Kurse unserer SKFReferentin Cornelia Schinzilarz:
Grundlagen: Cornelia Schinzilarz, Gerechtes Sprechen. Ich sage,
was ich meine. Das Kommunikationsmodell in der Anwendung, 2008
(Beltz Verlag).
Methoden: Dies., Besser Kommunizieren im Beruf durch gerechtes
Sprechen, 2011(Beltz Verlag).
In der Schweiz werden Kurse zur gewaltfreien Kommunikation angeboten. Wenden Sie sich an eine Weiterbildungsinstitution Ihres Vertrauens oder fragen Sie bei der SKF Bildung nach.
Das Buch des Erfinders: Marshal Rosenberg, Gewaltfreie Kommunikation. Aufrichtig und einfühlsam miteinander sprechen, Paderborn
2001.
Ortsvereine
Ortsvereine führen sehr tolle Projekte mit Flüchtlingen durch. Hier
ebenfalls eine kleine Auswahl: Unter dem Titel «Kulturen treffen sich»
bietet der Frauenchreis Speicher-Trogen-Wald seit vielen Jahren für
Flüchtlinge u.a. Spiel-, Koch- und Backabende an. Die Vereine Rothenburg, Dagmersellen, Sursee und Nottwil führen alle Begegnungscafés.
Ortsvereine wie Salouf Graubünden oder das Frauennetz Meggen denken über verschiedene Angebote für Flüchtlinge nach wie z.B. einen
Suppenznacht oder Gratiszugang für das eigene Kursangebot.
Der Dachverband sammelt Berichte über solche Initiativen. Bitte
melden Sie Ihre Aktionen und Überlegungen bei [email protected].
Vielen Dank! Weitere Informationen gibt es im Flüchtlingsnewsletter,
welcher im November 2015 an alle Kantonal- und Mitgliederverbände versendet wurde.
Zum Schluss
... eine wahre Weihnachtgeschichte
Sie engagiert sich im Frauenbund als Vorstandsfrau und arbeitet
Teilzeit in einem kleinen Geschäft. Es befindet sich in der Nähe
eines Flüchtlingszentrums. Was sie erzählt, ist nicht schön: Eritreer
kommen grusslos herein, werfen Geld auf die Theke und sagen nur
ein Wort, Lyca. Aber was macht unsere Vorstandsfrau? Sie antwortet: «Grüezi». Sie schiebt das Geld zurück und fragt: «Möchten Sie
gerne eine Lyca-Karte kaufen?» Nach kurzer Zeit kommen sie mit
einem «Grüezi» ins Geschäft und fragen freundlich nach der TelefonKarte. Achtung und Respekt ebnen den Weg zum Herzen. So viel
Weihnachten: Christus kommt bei Maria an, bei den randständigen
Hirten, den Weisen aus dem Morgenland und den Engeln. Ja, und
auch mitten im Dorf geht eine Tür auf. Frohe Weihnachten!
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Impressum
Herausgeberin SKF Schweizerischer
Katholischer Frauenbund
Kasernenplatz 1 | Postfach 7854
6000 Luzern 7 | 041 226 02 20
[email protected] | www.frauenbund.ch
Verfasserin Regula Grünenfelder, SKF Bildung
Fotos Antonia Fuchs, SKF Bildung
Gestaltung grafikcontainer, Luzern
Druck Brunner AG, Druck und Medien, Kriens