MeinungFront und Debatte 11.06.12 Seite12 1 / Teil 01 27.01.16 // Nr. 133 21 //Seite # ! NZZ AG BÖRSEN UND MÄRKTE Bahnund Autoverkehr Mobilität dynamischer finanzieren Investoren wetten auf Lockerungen Investoren in den USA bringen sich zurzeit in Position, um von einer weiteren quantitativen geldpolitischen Lockerung zu profitieren. Seite 21 Gastkommentar von VON RUTH ENZLER und LORENZ KNECHT Da der Treibstoffverbrauch von Fahrzeugen rückläufig ist, nimmt der Bund immer weniger Geld aus den Mineralölsteuern ein, die zweckgebunden der Strasseninfrastruktur zukommen sollen. Der öffentliche Verkehr vermag seine Kosten schon heute bei weitem nicht zu decken. Um die Finanzierung des Mobilitätsangebots langfristig sicherstellen zu können, ist für Strasse und Schiene ein neues und dynamischeres Finanzierungsmodell nötig. Als Lösungsmodell schlagen wir eine fahrleistungsabhängige Mobilitätsfinanzierung für alle Verkehrsträger vor, die im ACS Zürich entwickelt wurde. Für den motorisierten Individualverkehr und den öffentlichen Verkehr sollen fahrleistungsabhängige Preise festgelegt werden, und zwar differenziert nach Zeit, Ort und Distanz. Autobahnvignette, kantonale Motorfahrzeugsteuer und ÖVTickets weichen fahrleistungsabhängigen und transparenten Abgaben für alle Verkehrsträger. Generell soll eine Basisgebühr pro gefahrenen Kilometer für wenig belastete Strecken erhoben werden. Pauschalpreise (Generalabonnement, Vignetten, verschiedene Abgaben und Treibstoffzuschläge usw.) erübrigen sich weitgehend. Neben der Basisgebühr sieht unser Modell vor, dass spezifische Zuschläge für Strasse und Schiene erhoben werden können. Die Zuschläge setzen sich verursachergerecht zusammen: «Pay as you drive» bzw. «pay as you use». Diese Zuschläge gelten insbesondere für belastete Streckenabschnitte und können flexibel (je nach Belastungsintensität der Strecke) berechnet werden. Die Preise können – ähnlich wie es die Airlines oder Telefonanbieter handhaben – dynamisch ausgestaltet werden. Aufgrund der zeitlichen Kostendifferenzierung in stark belasteten Gebieten rechnen wir mit einer Reduktion der Verkehrsmenge um 10 bis 15 Prozent, was der geringen Verkehrslast während der Sommerferien entspricht. Die geltenden Zuständigkeiten für die verschiedenen Verkehrsinfrastrukturfonds werden grundsätzlich nicht angetastet. Die Einnahmen von Strasse und öV sollen transparent in getrennte Kassen fliessen (Nationalstrassen- und Agglomerationsfonds; Bahninfrastrukturfonds). Von weiteren Quersubventionierungen ist abzusehen. Das neue Preissystem soll dazu beitragen, dass der Abgeltungsbedarf für den öV in Zukunft sinkt. Entscheidend ist zudem, dass die Einnahmen aus den Basisgebühren und insbesondere den spezifischen Zuschlägen immer auch dort angerechnet werden, wo sie anfallen, und an die verschiedenen staatlichen Ebenen zurückfliessen. Die Basisgebühr ist für die Instandhaltung der Infrastruktur zu verwenden, die Zuschläge decken die Kosten für deren Ausbau und technische Erweiterungen. Was die technische Umsetzung betrifft, ist ein Abrechnungssystem einzuführen, das den Verkehrsteilnehmern Echtzeitinformationen aus einer Hand liefert. Für den Strassenverkehr sind GPSSysteme bzw. zwei «On-Board-Units» denkbar: auf der Schiene elektronische Tickets (sog. Bibo «be in / be out»). Unterstützend können SmartphoneApps angeboten werden. Ein solch umfassender Ansatz erscheint zweckmässig, weil davon auszugehen ist, dass die verschiedenen Arten des Verkehrs in Zukunft vor allem in städtischen Regionen immer mehr ineinander übergehen werden. Neue Antriebsmotoren und Technologien sowie Mitfahrzentralen und das autonome Autofahren sind bereits klare Anzeichen dafür. Heute schon können Taxis, was ihre Funktionalität betrifft, zum öffentlichen Verkehr gezählt werden. Die Vorteile im städtischen Verkehr dürften mit der Einführung unseres Modells eher beim öffentlichen Verkehr liegen; in Randregionen und an abgelegenen Orten wäre – aus Gründen der flexiblen Einsetzbarkeit – weiterhin der Auto- oder Strassenverkehr in seiner ursprünglichen Form im Vorteil. Damit kann der Kostenbedarf für Bahn und Bus gesenkt werden. Aus diesen Gründen ist ein aufeinander abgestimmtes Finanzierungssystem für Strasse und Schiene unabdingbar: Es bringt stabile Einnahmen und sichert die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur. Es ist zudem transparent, verursachergerecht und vermeidet Querfinanzierungen. Die Basisgebühr fällt gegenüber heute günstiger aus, und insgesamt wird der Preis dynamisch ausgestaltet. Für den Auto- bzw. Strassenverkehr müssen Einnahmen somit für den Unterhalt und den Ausbau von Strecken verwendet werden, auf denen die entsprechenden Gelder auch eingenommen wurden. Schliesslich ist es aufgrund der zeitlichen Kostendifferenzierung möglich, dass das vom Bundesrat angestrebte Lenkungsziel «Spitzen brechen» erreicht werden könnte. Letztgenannter Punkt wäre auf jeden Fall ein erwünschter Zusatzeffekt. Ruth Enzler ist Präsidentin der ACS-Sektion Zürich und Mitglied des Comité de Direction des ACS Schweiz, Lorenz Knecht ist Direktor der ACS-Sektion Zürich.
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