politischer lagebericht

POLITISCHER LAGEBERICHT
Fritz Becker, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbandes e.V. (DAV)
52. DAV-Wirtschaftsforum, 6. Mai 2015, Berlin
Es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,
als wir uns im letzten Jahr an dieser Stelle zur Eröffnung des DAV-Wirtschaftsforums getroffen
haben, haben wir intensiv über die politischen Vorhaben im Gesundheitsbereich in den
kommenden Monaten diskutiert und spekuliert.
Konkrete Maßnahmen ließen noch auf sich warten, obwohl die gesundheitspolitische Agenda der
zum damaligen Zeitpunkt noch recht neuen Bundesregierung im Groben bekannt war. In diesem
Jahr stellt sich die Situation grundsätzlich anders dar: Es gibt eine ganze Reihe laufender
Gesetzgebungsverfahren, die auch für uns Apotheker von hoher Relevanz sind. Unseren
Positionen zur Gesundheits- und Arzneimittelpolitik, die ich im Folgenden für Sie zusammenfassen
möchte, kommt daher noch einmal eine ganz andere, fast tagesaktuelle Bedeutung zu.
Die hinter uns liegenden Monate sind auf den ersten Blick durch eine stabile wirtschaftliche Lage
gekennzeichnet. Doch bei näherem Hinsehen muss klar werden: Eine Stagnation in der
wirtschaftlichen Entwicklung der Apotheken kann nicht unser Ziel sein, zumal wir auch im
vergangenen Jahr wieder einen deutlichen Rückgang der Apothekenzahl beobachten mussten. Es
stimmt mich traurig, dass erneut viele Kolleginnen und Kollegen ihre Apotheke schließen mussten,
ohne eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger zu finden. Das ist für den einzelnen zum Teil eine
bedrückende wirtschaftliche Belastung, entfällt damit häufig auch ein Teil der geplanten
Altersvorsorge. Es nimmt aber auch den Menschen in der Umgebung ein Stück
Auswahlmöglichkeit. Und es zeigt außerdem, dass die herrschenden Rahmenbedingungen eben
nicht ausreichend sind. Die Politik hat sich im Koalitionsvertrag deutlich zur inhabergeführten
Apotheke bekannt. Diese für uns positive Aussage darf jedoch keine leere Worthülse bleiben. Das,
was bislang gesetzestechnisch umgesetzt worden ist, ist eindeutig unzureichend und bleibt weit
hinter unseren Erwartungen zurück. Wer eine flächendeckende hochwertige Versorgung will, der
hat auch die Pflicht, dafür auch angemessene wirtschaftliche Rahmenbedingungen zu schaffen.
Die medikamentöse Therapie ist nach wie vor die häufigste angewendete Therapieform in
Deutschland. Im Sinne einer nachhaltigen Gestaltung des Gesundheitssektors mit dem Patienten
und seiner bestmöglichen Versorgung im Fokus, ist die Politik gefordert, sich in aller Ernsthaftigkeit
mit unseren Anliegen zu befassen. Dazu bietet die augenblickliche Vielzahl laufender
Gesetzgebungsverfahren die beste Gelegenheit.
Zweifelsohne stellt eine flächendeckende und hochwertige Versorgung der Bevölkerung mit
ärztlichen Leistungen für die Politik ein zentrales Anliegen dar. Trotzdem ist es aus Sicht der
Apothekerschaft schon bedauerlich, wie wenig das Versorgungsstärkungsgesetz parallel zur
medizinischen die pharmazeutische Versorgung betrachtet. Dies wird der Bedeutung der
Apotheken mit ihren über dreieinhalb Millionen Patientenkontakten pro Tag nicht gerecht. Und
auch nicht der Tatsache, dass die wirtschaftliche und demographische Strukturschwäche von
Regionen nicht nur Ärzte, sondern auch Apotheken trifft.
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Unverständlich bleibt auch die Tatsache, dass Apotheker kein Antragsrecht beim Innovationsfonds
haben. Sollen doch gerade moderne Arzneimitteltherapieformen gefördert werden.
Erfreulich sind die im Versorgungsstärkungsgesetz vorgesehenen Regelungen zum
Entlassrezept. Erfreulich, weil sie auf eine sinnvolle sektorenübergreifende Zusammenarbeit
setzen, ohne dabei die unterschiedlichen Regelungen innerhalb der einzelnen Sektoren
unbeachtet zu lassen. Die Politik darf allerdings den Abstimmungsbedarf nicht unterschätzen, der
notwendig ist, um die für die Patienten so sinnvolle Regelung praktikabel auszugestalten. Ich bin
mir aber sicher, wir werden diese Angelegenheit zum Wohle der Patienten zu einem erfolgreichen
Ende bringen.
Wir freuen uns, dass die Politik den Weg der Festschreibung des Apothekenabschlags auf 1,77
Euro im Rahmen des Versorgungsstärkungsgesetzes mitgeht. Nach Inkrafttreten des Gesetzes
werden die Streitereien zwischen DAV und GKV-Spitzenverband zumindest in diesem Punkte der
Vergangenheit angehören. Dieser mit dem GKV-Spitzenverband nach schwierigen und intensiven
Verhandlungen gefundene Kompromiss und das anschließende gemeinsame Herantreten an die
Politik sind deutlich positiv zu bewerten.
Wir als Apotheker gewinnen ein großes Stück Planungssicherheit, deren Bedeutung man nicht
unterschätzen sollte. Allen kritischen Stimmen zum Trotz – glauben Sie mir, eine Fortsetzung der
jahrbezogenen Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband hätte Jahr für Jahr zu einer Anrufung
der Schiedsstelle geführt. Rückstellungen wären eine konstante Notwendigkeit geblieben und
Klarheit hätten die Apotheken immer erst nachfolgend erhalten. Wir hätten teure Gutachten in
Auftrag geben müssen – immer mit dem Risiko, dass wir das beim Abschlag mühsam gewonnene
Einkommensplus bei einer nachfolgenden Anpassung der Arzneimittelpreisverordnung wieder
verlieren können.
Wir sind uns gleichzeitig aber bewusst, dass durch die Festschreibung des Abschlags eine
regelmäßige Überprüfung und Anpassung der Apothekenvergütung für uns nun unabdingbar
geworden ist. Da sind wir uns übrigens im Grundsatz auch mit dem GKV-Spitzenverband einig.
Kostenentwicklungen müssen zeitnah ihren Niederschlag in unserem Honorar finden, eine
jährliche Überprüfung ist bei anderen Leistungserbringern eine Selbstverständlichkeit. Aber auch
eine zügige Anpassung hilft nichts, wenn die Methode nicht stimmt: Eine Eigenfinanzierung der
steigenden Kosten durch den Apothekeninhaber, wie sie bei der letzten Anpassung des
Apothekenentgelts durch das Wirtschaftsministerium praktiziert wurde, ist nicht nur
leistungsfeindlich, sie findet bei keinem anderen Beruf Anwendung und wird von uns entschieden
abgelehnt. Klare Regelungen, die ein Mehr an Leistungen honorieren und steigende Kosten
berücksichtigen, sind unabdingbar.
Auch die Politik muss einsehen, dass die gegenwärtige Methode zur Bestimmung des
Fixzuschlags keinerlei Anreiz zu neuen Leistungen rund um die Versorgung der Bevölkerung mit
verschreibungspflichtigen Arzneimitteln bietet. Man verwehrt uns schlichtweg die Teilhabe an der
erfreulich positiven wirtschaftlichen Entwicklung unseres Landes. Und man erschwert es uns
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unglaublich, Berufe in der Apotheke auch finanziell für den Nachwuchs interessant zu machen.
Eine immer älter werdende Gesellschaft, die sich das Ziel gesteckt hat, Patienten möglichst lange
in ihrer häuslichen Umgebung versorgen zu wollen, muss doch eigentlich eine Versorgung der
Patienten durch qualifiziertes und motiviertes Personal in flächendeckend erreichbaren öffentlichen
Apotheken fördern, und sie wirtschaftlich ermöglichen. Es ist bedauerlich, dass die
entsprechenden Herausforderungen nicht ausreichend anerkannt werden.
Unsere wirtschaftlichen Forderungen sind bekannt und wir werden sie weiterhin mit Nachdruck
aufrecht erhalten. Denn auch bei der Entlohnung für die zeitaufwändige Herstellung von
Rezepturen und für die immer mehr werdenden Dokumentationspflichten sind Anpassungen mehr
als überfällig. Hier sind wir von einer Kostendeckung durch die bisherige Vergütung meilenweit
entfernt. Der Bearbeitungs- und Beratungsaufwand für die Apotheke bei der Abgabe von
Rezepturarzneimitteln entspricht dem Aufwand, der bei der Abgabe verschreibungspflichtiger
Fertigarzneimittel entsteht. Es ist daher die logische Konsequenz, die Honorierung für die
Leistungen der Apotheken bei der Abgabe anzugleichen. Konkret: Bei Rezepturen muss zusätzlich
zum jeweiligen Arbeitspreis nach der Arzneimittelpreisverordnung auch der Festzuschlag zur
Anwendung gebracht werden. Der Rezepturzuschlag dient nur der teilweisen Deckung der bei der
Herstellung der Rezeptur anfallenden Kosten. Unser Gemeinwohlauftrag bleibt somit weiterhin
mehr als erfüllt.
Bei den dokumentationspflichtigen Arzneimitteln deckt der seit 1974 geltende Zuschlag von 26
Cent bei Weitem nicht einmal die Sondergebühren, die der Apotheke von ihren Lieferanten für
diese Arzneimittel in Rechnung gestellt werden. Dieses Missverhältnis muss dringend korrigiert
werden.
Lassen Sie sich bitte durch unsere Stellungnahme zum GKV-Versorgungsstärkungsgesetz
gegenüber dem Bundestags-Gesundheitsausschuss nicht täuschen. Wir haben hier auf die
Wiederholung verschiedener wirtschaftlicher Forderungen mit Blick auf die politisch gewünschte
Erhaltung der Nicht-Zustimmungspflichtigkeit des Gesetzes verzichtet. Uns wurde klar gesagt,
dass das Versorgungsstärkungsgesetz nicht zustimmungspflichtig werden dürfe. Dies mache ein
Eingehen auch auf verschiedene Forderungen der Apothekerschaft im Zuge dieses Gesetzes
unmöglich. Wir setzen daher auf die Zusage verschiedener Gesundheitspolitiker, beim sich
abzeichnenden Gesetz zur Umsetzung der Ergebnisse des Pharmadialoges der Bundesregierung
Anpassungen bei der Apothekenentgeltung mit vorzunehmen.
Es gibt für die Stärkung der Versorgung ein erfolgreiches Beispiel: den Nacht- und
Notdienstfonds des DAV. Das Jahr 2014 war das erste volle Geschäftsjahr. Der vorgelegte
Geschäftsbericht zeigt eindrucksvoll, dass wir unser Versprechen, den Fonds sehr
verwaltungskostenschlank auszugestalten, gehalten haben. Verwaltungskosten deutlich unter 2
Prozent sprechen eine deutliche Sprache. Wir haben unsererseits dafür gesorgt, dass das Geld
dahin fließt, wohin es gehört: in die Stärkung der notdienstleistenden Apotheken. Die Politik hat
aber sicher zu stellen, dass dafür auch die zugesagten 120 Millionen Euro zur Verfügung stehen.
Der Zuschlag von 16 Cent pro Packung reicht dafür erkennbar nicht aus.
Überhaupt nicht nachvollziehbar ist die Tatsache, dass wir das Geld bei der Bundesfinanzagentur
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anlegen müssen und dafür mit Negativ-Zinsen bestraft werden. Für die Anlage bei der ApoBank
würden wir dagegen einen Zinsgewinn erwirtschaften und könnten den dem Nacht- und
Notdienstfonds zur Verfügung stellen.
Faire Preise kann und muss die Politik sicherstellen – für einen angemessenen Umgang
miteinander sind die Partner in der Selbstverwaltung alleine verantwortlich. Der DAV steht zu
einer starken Rolle der Selbstverwaltung und bemüht sich stets um eine konstruktive
Zusammenarbeit. In dieser Hinsicht ist es mehr als bedauerlich, dass wir es auch im vergangenen
Jahr nicht geschafft haben, partnerschaftlich die Exzesse bei den Retaxationen einiger
Krankenkassen in den Griff zu bekommen. Wir erleben hier – erlauben Sie mir diesen Ausdruck –
einen „Retax-Wahnsinn“ selbst bei kleinsten Formfehlern. Wir werden hier vielfach für Fehler der
rezeptausstellenden Ärzte in Haftung genommen. Und das zum Beispiel auch bei Patienten, die
freitagnachmittags oder am Wochenende mit einem formell nicht korrekten Rezept in die Apotheke
kommen, die trotzdem versorgt werden müssen und die von uns auch nach bestem Wissen und
Gewissen versorgt werden. Es ist einfach zu leicht, das Problem auf die Apotheker abzuschieben!
Uns wird die angemessene Vergütung für unsere pharmazeutische Leistung und sogar für die
abgegebene Packung versagt, obwohl der Patient pharmazeutisch korrekt versorgt die Apotheke
verlassen hat. Dies unterstreicht nochmals: Retaxationen der Krankenkassen „auf Null“ sind
regelmäßig eine völlig überzogene Maßnahme- mir kommt dabei das Wort Zechprellerei in den
Sinn.
Es ist und bleibt mir unverständlich, dass der GKV-Spitzenverband und die ihn tragenden
Mitglieder über mehr als zwei Jahre hinweg in Verhandlungen mit dem DAV nicht bereit waren,
Formulierungen im Rahmenvertrag zu akzeptieren, die den Apotheken einen Schutz vor
ungerechtfertigten Retaxationen „auf Null“ bieten sowie Heilungsmöglichkeiten vorsehen. Wir
haben über viele Monate mit dem GKV-Spitzenverband ein Vertragswerk verhandelt, das im Juni
2013 von beiden Seiten konsentiert wurde. Ein Zustandekommen der erzielten Regelungen
scheiterte jedoch im Nachgang an internen Beschlusslagen innerhalb des GKV-Spitzenverbandes.
Die nun im GKV-Versorgungsstärkungsgesetz formulierte Aufforderung, den Rahmenvertrag
hinsichtlich der Nullretaxationen anzupassen, wird zu weiteren Verhandlungen nach Inkrafttreten
des Gesetzes führen. Die Erfolgsaussichten hängen entscheidend von der Bereitschaft des GKVSpitzenverbandes ab, dem eindringlichen Wunsch der Politik nach Beendigung der Retax-Exzesse
zu entsprechen. Ich wünsche mir eine Einigung auf Selbstverwaltungsebene, der DAV wird sich für
eine partnerschaftliche Lösung einsetzen. Aber wenn eine vernünftige Einigung nichterreichbar ist,
dann werden wir ohne Zögern die Schiedsstelle anrufen.
Es ist jedoch völlig unstrittig, dass der von uns gewünschte Schutz vor Retaxationen auf Null kein
Instrument ist, Rabattverträge von Krankenkassen auszuhebeln. Die hohen Umsetzungsquoten
trotz Lieferengpässen zeugen vom umsichtigen Umgang mit diesem für die GKV so wichtigen
Instrument. Wir wissen um die Bedeutung von Rabattverträgen für die Finanzlage des GKVSystems. Der Erhalt wirtschaftlich leistungsfähiger Krankenkassen liegt in unserem eigenen
Interesse.
Erwähnen will ich hier auch, dass es bis dato trotz der immer wieder auftretenden
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Lieferengpässen zu keinen Versorgungsengpässen bei unseren Kunden und Patienten
gekommen ist.
Für uns Apotheker ist die Teilhabe an einer nachhaltigen Gestaltung und Weiterentwicklung des
Gesundheitssystems ein Kernanliegen. Mit dem Perspektivpapier "Apotheke 2030", das vom
Deutschen Apothekertag im letzten Jahr mit einer überwältigenden Mehrheit angenommen worden
ist, haben wir unsere eigene Vorstellung der weiteren Entwicklung bestimmt. Selbstverständlich
bedarf die Umsetzung auch eines wirtschaftlichen Fundamentes. Nur ein Gesundheitswesen, das
nicht kurzsichtig auf maximale Einsparung sondern auf langfristige Leistungsfähigkeit ausgerichtet
ist, ist nachhaltig und kann zukunftsfähig und patientenfreundlich sein. Wir haben den Anspruch,
an eben diesem Gestaltungsprozess aktiv mitzuwirken – die gesamtgesellschaftliche
Verantwortung, die dies mit sich bringt, tragen wir gerne. Dies ist nicht zuletzt auch ein Aufruf an
die Politik, die Fähigkeiten der Apotheker endlich umfassend zu nutzen.
Ich finde es bedauerlich, dass die Politik in den Überlegungen zum Präventionsgesetz nicht in
höherem Maße auf die Nutzung der spezifischen Stärken der Apotheker setzt. Man sollte die
Angebote der Apothekerschaft als niedrigschwellige Anlaufstelle nutzen. Wir erreichen auch eine
Vielzahl derer, die nicht oder nicht regelmäßig zum Arzt gehen. Hier bieten sich viele
Möglichkeiten, etwa im Bereich der Beförderung des Impfens. Der Impfcheck in der Apotheke mit
entsprechender Beratung und anschließender Impfung durch den Arzt könnte die
Durchimpfungsquote der Bevölkerung deutlich verbessern. Das gilt auch für ein Screening zur
frühzeitigen Detektion von Diabetes – viele Patienten, die sonst den Aufwand des Praxis-Besuchs
oder der Terminvereinbarung scheuen, könnten so erfasst werden. Gerade bei Diabetes kann
durch Früherkennung dem Gesundheitswesen eine Menge Geld durch Vermeidung von
Folgebehandlungskosten gespart werden.
Es ist höchste Zeit, dass der GKV-Spitzenverband endlich von der Apothekerausschluss-Klausel in
seinem „Leitfaden Prävention“ lässt. Eine Liste mit vorgesehenen Leistungserbringern, die ohne
Apotheker auskommt, kann es eigentlich nicht geben. Und dennoch werden wir mit dem
lächerlichen Argument außen vor gelassen, wir agierten in erster Linie als Händler/Verkäufer von
Arzneimitteln. Offensichtlich ignoriert der GKV-Spitzenverband schlichtweg den Verkauf von
IGEL-Leistungen und diversen Nahrungsergänzungsprodukten sowie Blutzucker-Teststreifen
durch in die Arztpraxis integrierten Firmen. Dieses Verhalten ist mehr als eine Zumutung für den
freien Heilberuf Apotheker! Für uns als Berufsstand ist eine klare Trennung zwischen genereller
und produktneutraler Beratung und produktbezogenem Verkauf von oberster Priorität und absolute
Ehrensache. Nicht umsonst kämpfen wir seit Jahren für das System der unabhängigen,
inhabergeführten Apotheke!
Mit dem eHealth-Gesetz befindet sich noch ein weiteres Gesetzesvorhaben des
Bundesgesundheitsministeriums in der Pipeline. Der Gesetzesentwurf ist ein klares Bekenntnis zu
Telematik und gematik. Die elektronische Gesundheitskarte wird also kommen – auch in die
Apotheke. Das heißt für unsere Arbeit, dass sich die Datengrundlage für die patientenindividuelle
Beratung in der Apotheke schon bald verbessern wird. Damit wird dann ebenso für den Patienten
der Nutzen der Telematik sehr viel greifbarer werden. Hier denke ich in allererster Linie an den
Bereich der Arzneimitteltherapiesicherheit, wo eine verbesserte Datengrundlage viele Chancen für
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eine wirkungsvollere und sichere Therapie bietet.
Für uns Apotheker ist AMTS seit Längerem ein zentrales Thema, unser bereits erworbenes Knowhow in diesem Bereich sollte die Politik nutzen. Ich verweise nur auf die Erfahrungen aus dem
Projekt gematik-AMTS, das der DAV federführend vorangetrieben hat. Auch in diesem Projekt
gibt es einen Medikationsplan als ganz zentralen Bestandteil. Nun sieht das eHealth-Gesetz zwar
das Recht auf einen Medikationsplan für Patienten vor, die mehr als fünf Arzneimittel benötigen.
Der Plan soll auch alle OTC-Präparate aufführen, die der Patient einnimmt. Doch gleichzeitig sind
in der Hauptsache die Hausärzte als Verantwortliche vorgesehen. Wir fordern hier eine sinnvolle
Einbindung der Apotheker mit der Möglichkeit, auf Wunsch des Patienten regulär den
Medikationsplan aufstellen und bearbeiten zu dürfen.
Apotheker und Ärzte müssen an dieser Stelle zum Wohle des Patienten besonders eng
zusammenarbeiten. Nur so kann ein möglichst vollständiger und abgestimmter Medikationsplan
erstellt werden – es gibt keine Datenquelle, die alleine genommen umfassend und zuverlässig
genug wäre. Entscheidend sollte sein, die verfügbaren Daten bestmöglich zu nutzen! Es geht nicht
um ein Vordringen von Ärzten oder Apothekern in den jeweiligen spezifischen Kompetenzbereich
des Anderen. Nein, es geht darum, die spezifischen Stärken und Fähigkeiten der beiden
Heilberufe sinnvoll zum Wohle des Patienten zusammen zu führen.
Das ABDA-KBV/ARMIN-Projekt in Thüringen und Sachsen zeigt, wie das enge Zusammenspiel
von Ärzten und Apothekern gut funktionieren kann. Die dort gemachten Erfahrungen und erzielten
Erfolge sollten in weiteren Schritten sinnvoll flächendeckend genutzt werden.
Ich sage hier aber auch deutlich: wir übernehmen gerne neue Aufgaben und werden sie zur
vollsten Zufriedenheit unserer Kunden und Patienten mit Leben füllen. Diese Leistungen sind aber
nicht mit der Arzneimittelpreisverordnung abgegolten. Sie müssen gesondert honoriert werden, wie
dies eben mit ARMIN- oder beim TK-Arzneimittelcoach derzeit erfolgreich umgesetzt wird.
Licht im Dunkel ist im derzeit herrschenden Hilfsmittel-Wirrwarr in Sicht. Das vom DAV in
Zusammenarbeit mit den Landesapothekerverbänden und der Werbe- und Vertriebsgesellschaft
beziehungsweise ABDATA neu entwickelte Online-Vertrags-Portal setzt den Wunsch der
Apothekerschaft um, das vielschichtige Vertragsportfolio jeder einzelnen Apotheke an einem
zentralen Ort abzubilden. Für die Apotheken, die sich bereits zum OVP angemeldet haben,
erleichtert es die Arbeit und reduziert die Verwaltung der Verträge auf ein Minimum. Mit Hilfe des
OVP kann sich ein Apotheker schnell und umfassend ein Bild darüber machen, an welchen
Dienstleistungs- oder Hilfsmittelverträgen sich seine Apotheke beteiligt, ob sie für die Teilnahme
an einer weiteren vertraglichen Vereinbarung eine Präqualifizierung erfüllt werden muss oder ob
andere Voraussetzungen zu beachten sind. Das Portal informiert auch über Änderungen und
Anpassungen bereits bestehender Verträge.
Nun gilt es, das Augenmerk auf die Bereitstellung der Informationen des OVP in der
Warenwirtschaft zu lenken und diese voranzutreiben. Für die Anbindung des OVP an die
Warenwirtschaft ist eine Schnittstelle des OVP zur Warenwirtschaft erforderlich, die die ABDATA
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den Apothekensoftwarehäusern bereits bereitgestellt hat. Nun ist es an den
Apothekensoftwarehäusern, diese Schnittstelle umzusetzen. Denn nur so kann die OVPVertragsdatenbank mit der Warenwirtschaft verknüpft werden. Und nur damit erhalten die
Apotheken die versorgungs- und abrechnungsrelevanten Daten wie Vertragsbeitritt und
Präqualifizierung auch auf Einzelproduktbasis - direkt am Handverkaufstisch - angezeigt. Eine
möglichst schnelle Umsetzung der Schnittstelle durch die die Softwarehäuser ist daher mehr als
wünschenswert. Die Eigeninteressen einiger Softwarehäuser zu Lasten von uns Apotheker
müssen endlich beendet werden.
Auch im vergangenen Jahr war die Zusammenarbeit mit den Verbänden der pharmazeutischen
Industrie und dem PHAGRO wie gewohnt sehr gut. Ich erlaube mir hierzu exemplarisch einige
Hinweise:
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Der DAV betreibt gemeinsam mit dem PHAGRO und der ADAS die Umstellung der
Bestellung beim Großhandel auf MSV3. Der neue Standard bietet neben aktuellen Vorteilen auch
Perspektiven für eine Weiterentwicklung, die den Nutzwert für die Apotheken weiter steigern wird.
Ich kann nur alle Kolleginnen und Kollegen, die noch nicht umgestellt haben, dringend dazu
aufrufen, mit ihrem Großhandel und ihrem Softwarehaus über einen baldigen Wechsel zu
sprechen.
•
Beim Großprojekt securPharm haben die beteiligten Verbände gemeinsam deutliche
Fortschritte erzielt. Dem aktuellen Stand zur Umsetzung der Anti-Fälschungsrichtlinie der EU
entsprechend gehen wir davon aus, dass ab 2018 alle in den Verkehr gebrachten
verschreibungspflichtigen Arzneimittel gesichert und mit Codierung versehen sein müssen. Auch
alle Apotheken müssen natürlich ab diesem Zeitpunkt über die vorgesehene Ausrüstung verfügen
und an den Apothekenserver und mithin an securPharm angeschlossen sein. Sie können sich
sicher vorstellen, ein Projekt mit solchen Ausmaßen bietet viele Fallstricke und so sind noch einige
schwierige Herausforderungen zu meistern. Besonders die Sicherung grenzüberschreitender
Aktionen ist eine komplizierte Angelegenheit. Die ABDA und ihre Partner, der PHAGRO, BAH, BPI
und vfa werden weiterhin gut, vertrauensvoll und intensiv zusammenarbeiten und so das
bestmögliche Ergebnis erzielen. Dabei gehört bei dem von ABDA gemeinsam mit ABDATA
beförderten Zwei-Server-Modell der Schutz der Patientendaten wie auch betrieblicher Daten der
teilnehmenden Apotheken zu den Kernelementen. Da uns die Unabhängigkeit der Apotheken so
wichtig ist, kommt für uns auch eine Werbefinanzierung nicht in Frage – da gibt es keine
Diskussion, das sind wir uns selbst schuldig!
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Für die gute Zusammenarbeit darf ich mich auch beim Thema Selbstmedikation bei
unseren Partnern aus Industrie und Großhandel bedanken. Die Förderung einer verantwortlichen
Selbstmedikation mit nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimitteln aus der öffentlichen Apotheke
ist und bleibt ein gemeinsames Anliegen. Der Erwerb von Arzneimitteln zur Selbstmedikation wird,
das liegt in der Natur der Sache, der häufigste und selbstverständlichste Grund für den Besuch
einer Apotheke sein. Hier wird das Bild der Apotheke als Anlaufstelle für die gesundheitlichen
Sorgen der Patienten entscheidend geprägt. Wie qualifizierte und optimale Beratung in der
Selbstmedikation in den Apotheken aussieht, dokumentieren wir zurzeit auf eindrucksvolle Weise
bei der Pille danach.
Das Programm des diesjährigen Wirtschaftsforums trägt nicht nur aktuellen Entwicklungen und
Themen Rechnung, sondern soll dazu einzuladen, sich auch und in besonderem Maße mit
zukünftigen Herausforderungen an die Rolle der Apotheker in der Gesellschaft
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auseinanderzusetzen. In diesem Zusammenhang möchte ich mich an dieser Stelle ganz herzlich
bei unseren Referenten für ihr Kommen bedanken. Durch ihre Beiträge werden wir mit den
verschiedensten Perspektiven konfrontiert, die das Wirtschaftsforum erst zu der lebendigen
Austauschplattform machen, die wir alle zu schätzen wissen.
Veränderungen sind ein entscheidender Bestandteil des Lebens, man kann und sollte sich ihnen
nicht verschließen. Viel wichtiger ist es, Veränderungsprozesse als Chancen für die eigene
Weiterentwicklung zu erkennen – dies gilt nicht nur im privaten, sondern ganz besonders auch im
beruflichen Bereich. Hier sind es natürlich insbesondere politische Entscheidungen und Vorgaben,
die unser Handeln in vielerlei Hinsicht lenken. Das illustriert sicher auch der Vortrag von Prof. Dr.
Karl Broich, Präsident des BfArM, zur Entwicklung und Zulassung von Arzneimitteln und den
wachsenden Druck auf Zulassungsentscheidungen.
Ein anderes Medium, das in unserer Gesellschaft in allen Lebensbereichen in den letzten Jahren
eine enorme Bedeutung gewonnen und ohne Zweifel zu vielen Veränderungen geführt hat, ist das
Internet. Im Bereich der Gesundheit haben Patienten Zugang zu so vielen Informationen wie nie
zuvor. Dies stellt uns Apothekerinnen und Apotheker vor ganz neue Herausforderungen, sowohl in
der Beratung zu Arzneimitteln, Nebenwirkungen und Interaktionen als auch im Handel mit
Arzneimitteln. Erwartungen und Ansprüche der Patienten wandeln sich zunehmend. Genau
diesen Aspekt wird Gesundheitsökonom und Leiter des IMAG Instituts Prof. Dr. Jörg Saatkamp in
seinen Ausführungen zur zukünftigen Rolle des Apothekers als Gesundheitscoach- und berater
aufgreifen. Walter Pechmann von der GfK wird sich mit einem anderen aktuellen Trend, nämlich
der Zunahme des Online-Handels mit Arzneimitteln, beschäftigen. Er wird uns die strukturellen
Unterschiede zwischen dem Verhalten der Apothekenkunden im Versandhandel und im
stationären Handel erläutern.
Ebenfalls in die Welt der Daten und Informationen mitnehmen wird uns Joss Hertle, Leiter des
Gesundheitsbereichs von Google Deutschland. Es wird spannend sein, zu erfahren wonach
Patienten im Internet im Hinblick auf Gesundheitsthemen suchen und mit welchem Vorwissen sie
dann zu uns Apothekern in die Offizin kommen. Aber auch die Pläne von Google für weitere
Investitionen im Gesundheitsbereich sind ein Thema, das für uns alle interessant sein dürfte.
Zum Ausklang des diesjährigen Wirtschaftsforums wird uns dann noch Pfarrer und Bestsellerautor
Werner Tiki Küstenmacher den Weg zum Glück durch das emotionale Gehirn aufzeigen.
Der Bericht zur wirtschaftlichen Lage der Apotheken wird in diesem Jahr zum ersten Mal von
unserer neuen Geschäftsführerin Wirtschaft, Soziales und Verträge, Frau Claudia Korf, und dem
Leiter der Abteilung Wirtschaft und Soziales, Herrn Dr. Eckart Bauer, vorgetragen. Frau Korf
bekleidet ihr neues Amt zwar bereits seit Beginn des Jahres, trotzdem möchte ich diese
Gelegenheit nutzen, sie noch einmal herzlich willkommen zu heißen und ihr für ihre Arbeit viel
Erfolg zu wünschen. Durch das Programm führt Sie wie bereits im letzten Jahr unser
Kommunikationschef und Leiter der Öffentlichkeitsarbeit, Herr Dr. Reiner Kern.
Unsere Diskussionsrunde mit Gesundheitspolitikern der im Deutschen Bundestag vertretenen
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Fraktionen soll dazu dienen, die gesundheitspolitische Agenda der zweiten Hälfte der laufenden
Legislaturperiode zu beleuchten. Es wird spannend sein, den Austausch der Positionen
hinsichtlich der noch ausstehenden Pläne der Großen Koalition zu verfolgen und die Einschätzung
der Opposition zur bisher geleisteten Arbeit zu hören.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,
ohne Frage liegt in den kommenden zwei Tagen ein vielfältiges Themenspektrum vor uns und ich
bin mir sicher, wir alle werden unseren Horizont in die eine oder andere Richtung erweitern. Ich
freue mich, dass Sie alle dabei sind und begrüße Sie nochmals ganz herzlich zu unserem
diesjährigen Wirtschaftsforum. Ich wünsche Ihnen gute Begegnungen, bereichernde Gespräche
und viele neue Erkenntnisse.
Vielen Dank.
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