Ausbildungsbrief

HANSEATISCHE RECHTSANWALTSKAMMER BREMEN
Abteilung ReNo -Ausbildung
Ausbildungsbrief
im Dezember 2015
Liebe Auszubildende im 1. Lehrjahr,
Zunächst einmal: Glückwunsch! Sie haben die Probezeit erfolgreich hinter sich
gebracht. Ab jetzt haben Sie es weitgehend selbst in der Hand, ob Sie bis zur
Abschlussprüfung durchhalten.
Wichtig: Erliegen Sie jetzt nicht der Versuchung, den Betriebsmodus schlicht
herunterzufahren. Dies könnte zu oberflächlichem Arbeiten und zu Fehlern verleiten.
Unsere Empfehlung: Schalten Sie um vom konzentrierten Arbeiten unter höchster
Anspannung (Probezeit) auf hochkonzentriertes Arbeiten ohne (übertriebene)
Anspannung.
Spätestens jetzt, nachdem sich die Aufregung und das Trommelfeuer an neuen
Eindrücken etwas gelegt haben, wird es für Sie hilfreich sein, etwas zu entwickeln,
was für ein erfolgreiches Lernen unverzichtbar ist: Interesse an Ihrer Arbeit.
Versuchen Sie, die Balance zu finden: Entwickeln Sie Ihr Verständnis für die
Berufswelt einer Rechtsanwaltskanzlei weiter und üben Sie sich in Geduld, weil
genau dies noch lange Zeit in Anspruch nehmen wird. Schauen Sie genau hin und
fragen nach. Wichtig ist ein Gespür dafür, wann Sie am besten Ihre Fragen stellen.
Respektieren Sie es, wenn Sie feststellen müssen, dass gerade nicht der richtige
Augenblick für Ihre Frage war.
Ist Ihr Ausbilder gerade nicht ansprechbar, fragen Sie Ihre Kollegen. Hat niemand ein
Ohr für Sie, heben Sie die Frage auf und stellen Sie sie bei nächster Gelegenheit.
Lassen Sie sich nicht entmutigen, wenn Sie nach einiger Zeit den Eindruck haben,
Sie werden sich in dieser neuen Welt nie zurecht finden. Einen Beruf zu erlernen
heißt auch, über gewisse Frustrationsphasen hinwegzukommen und Misserfolge
wegzustecken. Machen Sie sich klar, dass dies in keinem (Ausbildungs-) Beruf
ausbleibt.
Liebe Auszubildende im 2. Lehrjahr,
So schnell geht das: nicht mehr lange, und die Halbzeit Ihrer Ausbildung ist erreicht.
Die Zwischenprüfung haben Sie abgelegt.
Auch von unserer Seite noch mal der Hinweis (Ihre Berufsschullehrerin wird es Ihnen
schon mehrfach erklärt haben):
Die Zwischenprüfung ist eine ausgezeichnete Möglichkeit zur Orientierung.
Ist sie gut ausgefallen: Glückwunsch, weiter so, nicht nachlassen! War sie nicht so
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Hanseatische Rechtsanwaltskammer Bremen Seite 2 Ausbildungsbrief im Dezember 2015
doll: Verschwenden Sie keine Zeit mit Frust. Analysieren Sie (idealer Weise
zusammen mit Ihrem Ausbilder und Ihrer Lehrerin), wo die Schwächen liegen und
überlegen Sie, was notwendig ist, damit Sie sich verbessern. Zeit genug ist dafür
noch alle mal. Genau das ist ja der Sinn der Zwischenprüfung.
Nachfolgend lesen Sie zwei Beiträge, einen aus der ReNo-, einen aus der
Anwaltsperspektive.
Die Anwaltskanzlei als Dienstleistungsunternehmen
Was Sie sich immer wieder klar machen sollten:
„Ihre“ Anwaltskanzlei ist ein Dienstleistungsunternehmen. Sie sind Teil dieses Unternehmens
und können einen Anteil zu dessen Erfolg beitragen? Warum, fragen Sie sich? Für den Erfolg
einer Anwaltskanzlei ist es nicht nur wichtig, dass Ihr Chef gute Arbeit leistet.
Der Mandant erwartet mittlerweile auch einen gewissen Standard in der Betreuung neben
der eigentlichen Rechtsberatung. Dazu gehört, dass der Mandant die Besprechung vor Ort
sicher in besserer Erinnerung behält, wenn er freundlich mit Namen begrüßt wird, ihm zur
Verkürzung einer ggf. anfallenden Wartezeit bzw. zur eigentlichen Besprechung eine Tasse
Kaffe, Tee oder natürlich auch ein Glas Wasser angeboten wird. Auch hier kommt es auf
Kleinigkeiten an. Wie präsentiert sich die Kanzlei? Sind die Tassen sauber, die Milch im
Milchkännchen frisch (vielleicht sollte man lieber Portionsmilch anbieten)? All dieses
registriert der Mandant, erst recht, wenn man ihm die Getränke mit einem freundlichen
Lächeln und einem netten Wort anbietet. Aber auch die schriftliche Außendarstellung ist
eine Visitenkarte der Kanzlei. Wie sieht das Schriftstück aus? Sind mehrere Seiten ordentlich
„zusammengetackert“? Stimmt der Name im Adressfeld mit dem in der Anrede überein, ist
das aktuelle Datum eingesetzt (schnell vergisst man bei der Verwendung von Bausteinen
genau diese Dinge zu ändern)? Wie ist das Gesamterscheinungsbild des Schriftstückes?
Ob nun beim Empfang des Mandanten, bei der Erstellung eines Schreibens oder bei der
Bewirtung von Mandanten – Sie müssen sich immer überlegen, wie würden Sie, wenn Sie
der Mandant wären, sich fühlen? Würde es Ihnen gefallen, wenn anstatt Müller Meier in der
Anrede steht? Wenn ein altes Datum z. B. vom letzten Jahr in ein an Sie gerichtetes
Schreiben auftaucht oder Kaffee in einer schmutzigen Tasse angeboten wird? Kleinigkeiten,
aber genau diese Kleinigkeiten tragen dazu bei, dass ein Mandant sich in Ihrer Kanzlei wohl
fühlt und die Kanzlei in guter Erinnerung behält, auch wenn die eigentliche Rechtsberatung
abgeschlossen ist. Und Sie werden merken, wenn ein Mandant die ihm entgegengebrachte
Freundlichkeit erwidert, macht die Arbeit auch gleich noch einmal mehr Freude.
Ronja Tietje, ReNo-Fachangestellte, Rechtsanwalts- und Notarfachwirtin und Vorsitzende des
Berufsbildungsausschusses bei der Rechtsanwaltskammer
Die Ausbildung im Anwaltsnotariat
Wenn Sie in einer Kanzlei ausgebildet werden, in der Anwaltsnotare tätig sind, haben Sie
sicher inzwischen einige Unterschiede zwischen Advokatur und Notariat kennengelernt.
Als Auszubildende im ersten Lehrjahr kommen Sie wahrscheinlich noch nicht mit dem
Notariat in Berührung, es sei denn, Sie haben für die Räumlichkeiten Verantwortung, in
denen beurkundet wird. Bei manchen Notaren dürfen die Auszubildenden ab Ende des 1.
Ausbildungsjahres gelegentlich an Beurkundungen teilnehmen und dort das Vorlesen der
Hanseatische Rechtsanwaltskammer Bremen Seite 3 Ausbildungsbrief im Dezember 2015
Urkunde in Gegenwart des Notars/der Notarin übernehmen. Dies setzt natürlich das
Einverständnis der Parteien voraus, ist dann aber sehr lehrreich. Auf der einen Seite machen
Sie sich mit den juristischen Formulierungen vertraut, zum anderen hören Sie die
Belehrungen des Notars und zum Dritten merken Sie, dass jede Beurkundung doch ein
bißchen anders ist, weil die beteiligten Menschen sich unterscheiden. Im Ergebnis wird das
ach so trockene Notariat plötzlich viel konkreter. Dies hilft Ihnen später, wenn Sie
mindestens neun Monate im Notariat ausgebildet werden.
Die Advokatur stellt sich als sehr vielfältig heraus, je nachdem, ob verschiedene
Rechtsgebiete in Ihrer Kanzlei bearbeitet werden. Versuchen Sie frühzeitig herauszufinden,
welche Rechtsgebiete Sie interessant finden. Die Arbeit der Rechtsanwaltsfachangestellten
kann sehr unterschiedlich sein je nach Rechtsgebiet, sei es Strafrecht, Familienrecht,
Baurecht, Verkehrsrecht oder welches Rechtsgebiet auch immer. Für Ihre späteren
Berufsaussichten ist es sehr hilfreich, wenn nicht nur der Anwalt sondern auch die
Fachangestellte spezialisierte Kenntnisse hat. Dies betrifft sowohl den Umgang mit
Mandanten, Gerichten und Akten wie auch das Abrechnungswesen. Jeder Anwalt wird es
Ihnen danken, wenn sie das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bezogen auf ein Rechtsgebiet
gut beherrschen. Immerhin leben sowohl der Anwalt wie auch Sie davon, dass auch die
Abrechnungen stimmen.
Rechtsanwältin und Notarin Irmelin Braungard, Bremerhaven, Vorstandsmitglied der Hanseatischen
Rechtsanwaltskammer Bremen und der Bremer Notarkammer
Liebe Auszubildende im 3. Lehrjahr,
Ihnen winkt ja im Kalender 2016 schon die Abschussprüfung zu (vielleicht gehören
Sie ja sogar zu denjenigen, die wegen sehr guter Leistungen vorzeitig zur
Winterprüfung zugelassen wurden).
Wir machen uns nichts vor: Auf Tips und Anregungen von unserer Seite können Sie
hier und heute bestimmt gerne verzichten.
Falls Sie doch Fragen haben (insbesondere zu Ihrer Prüfung), rufen Sie uns gerne
an (Tel. Rechtsanwaltskammer: 0421-168970).
Ansonsten: nutzen Sie die ruhigen Tage um Weihnachten und den Jahreswechsel,
um auszuspannen und Kraft zu tanken. Die werden Sie für die Prüfung und die
Vorbereitung darauf gut brauchen.
Hierbei wünschen wir Ihnen starke Nerven und viel Erfolg!
Liebe Ausbilder, oder: Welcome to the new ReNoPatAusbVO
Seit dem 01.08.2015 gilt also die neue Ausbildungsverordnung. Die zum Teil
gravierenden Änderungen betreffen die 2015 und später begründeten
Ausbildungsverhältnisse. Für die älteren Jahrgänge bleibt alles weitgehend beim
Alten, insbesondere wird die Abschlussprüfung nach der bisher geltenden PrüfungsO
durchgeführt.
Nochmal die wesentlichen Punkte der neuen VO im Überblick:

Statt der klassischen Fächer wie „Recht, Wirtschaft, Sozialkunde“ unterrichtet
die Berufsschule im Rahmen von Lernfeldern: Geschäfts- und
Hanseatische Rechtsanwaltskammer Bremen Seite 4 Ausbildungsbrief im Dezember 2015
Leistungsprozesse, Mandantenbetreuung, Rechtsanwendung, Vergütung und
Kosten

Entsprechend ändern sich die Prüfungsanforderungen (statt der mündlichen
Prüfung ein fallbezogenes Fachgespräch)

sowohl im Rahmen der betrieblichen Ausbildung als auch im Unterricht an der
Berufsschule werden die Mandanten- bzw. Beteiligtenbetreuung eine größere
Rolle spielen

die Entwicklungen im elektronischen Rechtsverkehr sowie Grundzüge des
Wirtschaftsrechts werden Ausbildungsinhalt

dem zunehmenden grenzüberschreitenden Rechtsverkehr wird Rechnung
getragen: Auch englische Sprachkenntnisse werden in Ausbildung und
Prüfung aufgenommen

der Praxisanteil der Ausbildung im Notariat wird erhöht auf 9 Monate
Die neue ReNoPatAusbVO erfordert auch eine Anpassung der Prüfungsordnung.
Diese hat der Berufsbildungsausschuss bei der HRAK Bremen auf seiner Sitzung am
08.12.2015 beschlossen. Der Kammervorstand wird die neue PrüfungsO im Januar
2016 erörtern und beschließen.
Auf einer Infoveranstaltung der Kammer am 09.09.2015 war festzustellen, dass
insbesondere die von der neuen VO verlangte Vermittlung englischer
Sprachkenntnisse den ein oder anderen Kollegen in gewisse Verlegenheit bringt.
Um nicht lange drumherum zu reden: Wer nur mäßig Englisch spricht, kann es auch
nur entsprechend vermitteln.
Auf folgende Hilfestellung weist die 2. Vorsitzende der Berufsvereinigung ReNo
Bremen eV., Viviane Schrader hin:
In der Zeitschrift „RENO Praxis“ gibt es seit längerem einen monatlich erscheinenden sehr
umfassenden Artikel über Englisch im Kanzleialltag. In jeder Ausgabe wird ein
Themengebiet genau bearbeitet. Vokabeln, typische Redewendungen oder Formulierungen
werden vermittelt.
Der RENO Bremen e. V. hat im Frühjahr 2015 bereits einen „SOS-Workshop Englisch im
Kanzleialltag“ erfolgreich durchgeführt. Ziel des Workshops war es, viel zu sprechen und
typische Situationen im Büro darzustellen und Sicherheit zu vermitteln.
Ein weiterer solcher Workshop findet möglicherweise auch im Herbst 2016 statt.
Wir wünschen Ihnen allen schöne Weihnachtstage und einen guten Rutsch
Die Abteilung ReNo-Ausbildung bei der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer Bremen
RAin u. Notarin I. Braungard, RAin B. Kopp, RA u. Notar Th. Morgenstern
M. Froebe (Schulzentrum Grenzstraße), V. Schrader, R. Tietje (Vorsitzende des
Berufsbildungsausschusses)