kongress der autodidakten

KONGRESS DER AUTODIDAKTEN
MAR
STALL
In der Reihenfolge ihres Auftretens
KONGRESS DER AUTODIDAKTEN
als
SIEGFRIED SIGOR
Kenner der Ameisen
als
CORDULA AHRENDS
Kennerin des
Anthropozäns
Matthias Loibner
als
HENRY BUCHSBOOM
Kenner der Bienen
6
Thomas Gräßle
5
Katrin Röver
als
STEFAN KINDSCHI
Entomoakustiker
4
Lukas Turtur
als
MANFRED ZAPATKA
3
René Dumont
Jürg Kienberger
2
Manfred Zapatka
1
als
JEAN-LUC PERRAC
Prothetiker
als
MATTHÄUS LÜFTNER
Umwandler
Musiktitel
Textnachweise
»Ecce quam sit« ANONYM; »Spanish Eyes« BERT KAEMPFERT;
»Is this the Real Life« QUEEN; »Es muss sein« KANON;
»Sons de Carrilhões« JOÃO PERNAMBUCO; »Blowing Away« FLYING PICKETS,
KOMPOSITION ERIC KAZ; »Olpera« JODEL ALPENRAUM TRAD.;
»Die Nebensonnen« FRANZ SCHUBERT, Text: WILHELM MÜLLER;
»The Triumph of the Prince d'Amour« WILLIAM LAWES 17. JH;
»Addormentarmi Così« Musik: VITTORIO MASCHERONI, Text: ORNELLA FERRARI.
Neben eigenen Texten des Schauspielensembles und des Teams zitiert der
»Kongress der Autodidakten« all jene Helden, ohne die wir noch weniger wüssten,
als wir es eh schon tun, unter anderen VILÉM FLUSSER, STEPHEN JAY GOULD,
PLATON, KARL VON FRISCH, HUGH RAFFLES, ALAIN BADIOU, THOMAS SEELEY,
RUDOLF STEINER, CLAUDE LÉVI-STRAUSS, E.M. CIORAN und E.O. WILSON.
Lesetipp: ROY SCRANTON „Learning to Die in the Anthropocene“.
Zum Stück
Erzählt wird ein halber Tag im Leben des Siegfried Sigor, bekennender Autodidakt, Kenner der Ameisen und überhaupt ein Freund sozialer Insekten. Heute hat
er sich fünf Bekannte mit Interessensüberlappungen eingeladen, um gemeinsam auf eine neue Stufe des Wissens zu klettern und so die Gesamtsituation
zu verbessern. Mindestens. Weil Siegfrieds Wohnung zu klein ist, veranstaltet
er den Kongress bei seinem Freund Stefan Kindschi, der nicht nur genug Platz
hat, sondern ebenfalls Käferlarven züchtet, mit deren Klängen er gemeinsam
mit Forscherkollegen in Grönland Menschen vom Tinnitus befreien will. Stefan
ist zugegeben unvorbereitet, weil er dachte, der Kongress fände erst morgen
statt, aber die Zeit lässt sich nicht anhalten und es treffen nacheinander ein:
Regie Bühne
Kostüme Musik Licht Dramaturologie Regiemitarbeit Bühnenbildassistenz Kostümassistenz Regiepraktikum Kostümpraktikantin Henry Buchsboom, Freund der Bienen und einer, der den Lösungsweg weiß und
nur noch die anderen davon überzeugen muss, Cordula Ahrends, Spezialistin für
das Anthropozän, sowie Jean-Luc Perrac, Prothetiker. Eingeladen ist außerdem
Matthäus Lüftner, der an der Umwandlung von Gedanken und Erkenntnissen in
Schallwellen und Sonogramme arbeitet.
Zum krönenden Abschluss und zur Veredelung des Kongresses sieht Siegfried
einen hochkarätigen Gastredner vor. Einzig der taucht nicht auf, die geplanten
Abläufe purzeln durcheinander, das gemeinsame Singen fällt einfacher als das Reden und auch die Verstrickungen der Interessen der Fachmänner und Fachfrauen
erweisen sich als loser als gedacht.
CORINNA VON RAD
RALF KÄSELAU
SABINE BLICKENSTORFER
JÜRG KIENBERGER + MATTHIAS LOIBNER
MONIKA PANGERL
GÖTZ LEINEWEBER
MARIA WEISE
WIEBKE BACHMANN + SWETLANA KLEE
JENNY ŠTUMBERGER
SVENJA VANHOEFER + LUKAS MINK
NAOMI MEAD
INSPIZIENZ Susanne Backes
SOUFFLAGE Annabelle Wittmann
BÜHNENMEISTER Alexander Al Akkam + Klaus Kreitmayr
BELEUCHTUNGSMEISTER Uwe Grünewald
Premiere
04 MÄR 2016
Marstall
Vorstellungsdauer 1 Std 53 Min
STELLWERK Alexander Bauer + Johannes Frank + Oliver Gnaiger
TON Jan Faßbender
MASKE Nicole Purcell
REQUISITE Barbara Hecht + Maximilian Keller + Anna Wiesler
MAR
STALL
RESIDENZTHEATER SPIELZEIT 2015/2016
Wir bedanken uns bei der Zoologischen Staatssammlung München, insbesondere bei Dr. Stefan Schmidt, Sektionsleiter Hymenoptera, für die freundliche Führung durch die Sammlungen.
REDAKTION Götz Leineweber FOTOS Thomas Aurin GESTALTUNG Herburg Weiland, Ingmar Spiller DRUCKEREI G. Peschke Druckerei GmbH
HERAUSGEBER Bayerisches Staatsschauspiel, Max-Joseph-Platz 1, 80539 München
INTENDANT Martin Kušej GESCHÄFTSFÜHRENDER DIREKTOR Holger von Berg CHEFDRAMATURG Sebastian Huber TECHNISCHER DIREKTOR Thomas Bautenbacher
KOSTÜMDIREKTORIN Elisabeth Rauner KÜNSTLERISCHER DIREKTOR Roland Spohr CHEFDISPONENTIN Regina Maier PRESSE- U. ÖFFENTLICHKEITSARBEIT Sabine Rüter
TECHNIK Matthias Neubauer + Philipp Bösch WERKSTÄTTEN Michael Brousek AUSSTATTUNG Bärbel Kober BELEUCHTUNG / VIDEO Tobias Löffler
TON Michael Gottfried REQUISITE Dirk Meisterjahn PRODUKTIONSLEITUNG KOSTÜM Enke Burghardt DAMENSCHNEIDEREI Gabriele Behne + Petra Noack
HERRENSCHNEIDEREI Carsten Zeitler + Aaron Schilling MASKE Andreas Mouth GARDEROBE Cornelia Faltenbacher SCHREINEREI Stefan Baumgartner
SCHLOSSEREI Ferdinand Kout MALERSAAL Katja Markel TAPEZIERWERKSTATT Peter Sowada HYDRAULIK Karl Daiberl
GALERIE Christian Unger TRANSPORT Harald Pfähler BÜHNENREINIGUNG Adriana Elia
Der Einfluss des Anführers
auf das Denken der Gruppe
soll so gering wie möglich gehalten werden.
Ameisen haben genauso wie Spinnen
ihr Bewusstsein im Astralplan.
Dort ruht die Seele des Ameisenhaufens.
Daher handeln sie so geordnet.
Die ersten Bienen
setzen den entscheidenden Schritt hinaus,
stoßen sich von ihren Schwestern ab,
die Schwerkraft verachtend,
und fliegen einer neuen Welt entgegen.
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Es hilft Ihnen nicht,
wenn Sie beim Anblick eines Bienenstocks oder eines Ameisenhaufens
in Tränen ausbrechen.
Im Dunkeln wird dabei die Sonne immer
als »Oben« angenommen.
4
Das Anthropozän,
das Zeitalter des Menschen
auf Erden,
ist nur
ein verschwindend geringer Teil
der universellen Suche
nach dem,
was bleibt.
Wie immer
Alles
entstanden ist,
wir gehen davon aus,
dass Allem
die
gleiche Kraft
zu Grunde liegt,
durch die auch Alles
vergehen wird.
2
Die Lüge ist die ideale Sprache der Seele.
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6
Sein Habitat
ist nicht
nur
die Tiefe im Meer,
sondern
ebenso
die Tiefe
in
unserem lnneren.
Ich bin Entomoakustiker.
Ich möchte ein Gegengift
gegen Tinnitus finden.
2
Die Welt
hat
ohne
den Menschen
begonnen,
und
sie wird ohne ihn
enden.
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Wir Autodidakten fühlen die Konflikte noch, wir gehen sie eher vulkanisch an, als dass wir versuchen, sie zu beruhigen. Wir stellen einen eigenen Kosmos her, mit eigenen,
rohen Regeln, statt uns vom fertig Gekochten leiten zu lassen. Für uns ist das Erleben wie unvergorener Wein, es wurzelt nicht in Rezepten, sondern in einer steten Unruhe:
Entweder technische Perfektion oder menschliche Vollkommenheit und wir haben uns entschieden. Denn es gibt einen Unterschied zwischen dem schweren, schmerzenden Kopf nach dem Studium und seinem ausgelassenen Ebenbild am Abend zuvor. Unsere fröhliche Wissenschaft kennt keinen Kater. Wörter und Wahrheiten gehören ihren
Nutzern nur solange, bis andere sie zurückstehlen. Wir pellen dem kanonischen Wissen die Schale ab und verrühren es neu, flechten lange Traditionen zu neuen Zöpfen,
beleben sie, beatmen sie, durch Kontemplation, durch das wirkliche Gespräch, durch die Begegnung. Der Autodidakt spricht als einziger mit den schon lange Toten, er ist die
Sie
bestürmen
den anderen,
um ihn,
so wie er ist,
mit Ihnen existieren
zu lassen.
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Weshalb eben jener große Eifer,
der Wahrheit Feld zu schauen, wo es ist.
letzte Chance für die Nachgeborenen. Wir sind hier noch nicht fertig. Leibniz, Darwin, Rousseau und wir. Kunst, Naturstudien, Moral, Technik und noch so einiges mehr. Wir
sind keine Eigenbrötler, wir sehen einfach nur genauer hin. Öffnen Sie Ihr Fenster! Sehen Sie hinaus in den Himmel! Jetzt stellen Sie sich diesen gigantischen Raum vor, die
Ausdehnung der Gestirne und all die Milliarden und Abermilliarden kleinen, noch kleineren und allerkleinsten Geschöpfe, die sich dort lieben, langweilen und ihre Gedanken
baumeln lassen. So wie wir. Wir alle sind Repräsentanten einer noch viel größeren, geradezu ozeanischen Meinungs- und Wissenswolke. Alles ist voller Tiere und alle sind sie
irgendwohin unterwegs. Das ist keine leere Abstraktion. Sehen Sie den Tieren in die Augen! Das Zeitalter des Menschen ist vorbei. Es bleiben Tiere und Insekten, Käfer, Bienen, Wespen, es bleibt das Wummern der Erderwärmung, die Ultraschallklangwelt der Pynionkieferborkenkäfer. Diese Musik wird überleben. Beethoven nur vielleicht.
KONGRESS DER AUTODIDAKTEN
MAR
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