JURISTISCHE FAKULTÄT EXAMINATORIUM ZIVILRECHT MÜNCHNER EXAMENSTRAINING Examinatorium – Arbeitsrecht Sommersemester 2015 Fall 5: Feindliche Übernahme Themenkreis: Betriebsübergang; betriebsbedingte Kündigung wegen Betriebsstillegung; Wiedereinstellungsanspruch Die Bösendorfer-Hinterletztner KG (B-KG) mit Sitz in München ist eine international tätige Unternehmensberatungsgesellschaft und beschäftigt dort mehr als 10 Arbeitnehmer in Vollzeit. Zu ihren Aufgabenbereichen gehören die Beratung bei der Gestaltung und Optimierung von Geschäftsprozessen, Beratung beim Controlling und Marketing, die Entwicklung von Unternehmensstrategien und einer auf das jeweilige Unternehmen zugeschnittenen Corporate Identity nebst wirtschaftlich-philosophischer Unternehmensethik. Für den Bereich der Unternehmensorganisation hat sie ein eigenes Softwareprogramm entwickelt, das sie inzwischen weltweit an viele ihrer Kunden gewinnbringend veräußern konnte. Für die Entwicklung von Software und deren Anpassung an die individuellen Bedürfnisse einzelner Kunden unterhält die Bösendorfer-Hinterletztner KG eine hauseigene Softwareabteilung in München, in der sie sieben angestellte Informatiker Vollzeit beschäftigt. Anfang des Jahres 2014 beschließen die Gesellschafter der Bösendorfer-Hinterletztner KG, die von ihnen vertretene Unternehmensphilosophie auch auf das eigene Unternehmen anzuwenden und sich deshalb von der Softwareabteilung zu trennen. Um das Unternehmen schlanker, effizienter und deshalb wettbewerbsfähiger zu machen, soll der Bereich Softwareentwicklung aus dem Unternehmen ausgelagert werden und dieser Sektor durch den Einkauf von Dienstleistungen und Produkten bei Fremdfirmen abgedeckt werden (sog. Outsourcing). Zunächst wird versucht, die gesamte Softwareabteilung an ein anderes Unternehmen zu verkaufen, das dann möglichst auch den bisherigen Aufgabenbereich dieser Abteilung übernimmt und mit der Bösendorfer-Hinterletztner KG zusammen arbeiten kann. Da schließlich jedoch alle Übernahmegespräche mit anderen Firmen scheitern, beschließen die Gesellschafter der Bösendorfer-Hinterletztner KG im Juni 2014, nicht weiter nach einem potentiellen Erwerber zu suchen, sondern die Abteilung Software im Winter 2014 aufzulösen. Die Rechte an den von der Bösendorfer-Hinterletztner KG hergestellten Softwareprogrammen werden deshalb mit sofortiger Wirkung an die Software-Consulting AG (S-AG) verkauft, wobei vereinbart wird, dass die Bösendorfer-Hinterletztner KG diese Rechte noch bis zum 31.12.2014 ausüben darf. Alle in der Abteilung tätigen Informatiker erhalten noch im Juni Schreiben, in denen ihnen zum 31.12.2014 gekündigt wird. Gleichzeitig werden sie darauf hingewiesen, dass es ihnen freistehe, das Unternehmen schon früher zu verlassen, wenn sie anderweitig einen Arbeitsplatz gefunden hätten. Im August erhalten die Informatiker Fest (F) und Platte (P) überraschend durch die Vermittlung eines sog. Headhunters ein Angebot der Software-Consulting AG, bei ihr ab dem 1.9.2014 als Programmierer tätig zu werden. Beide verlassen daraufhin im September die Bösendorfer-Hinterletztner KG. Nun bewerben sich auch die anderen fünf Informatiker bei der Software-Consulting AG. Zwei von ihnen erhalten dort eine Anstellung ab dem 1.11.2014, zwei andere können ab dem 1.12.2014 dort ihre Arbeit aufnehmen. Einzig und alleine Arno PROF. DR. HANS CHRISTOPH GRIGOLEIT, LL.M. · SOPHIE MITSCHKE · NELE BRIESEMEISTER · MAXIMILIAN LOTZ DR. SEBASTIAN BERKEFELD · RICHARD RACHLITZ, LL.M · DR. LOVRO TOMASIC BENEDIKT BERGER · DR. CHRISTIAN PICKER · JULIA PFROGNER WWW.EXAMINATORIUM.JURA.LMU.DE EXAMINATORIUM ZIVILRECHT SEITE 2 VON 2 Apfel (A) findet keinen neuen Job. Als nun die Software-Consulting AG dazu übergeht, der Bösendorfer-Hinterletztner KG die gesamte bisher in der dortigen Softwareabteilung verwendete Computeranlage abzukaufen, die ihr in zwei Raten zum 1.11.2014 und zum 1.12.2014 überstellt werden soll, reicht es Apfel: er geht Anfang November zu seinem Rechtsanwalt Meyer. Apfel bringt vor, er könne nicht verstehen, warum ausgerechnet er keinen neuen Job finden solle. Dabei sei er der einzige Informatiker bei BösendorferHinterletztner KG gewesen, der schon über 40 Jahre alt ist und noch dazu drei Kinder habe. Die anderen seien alle noch unter 35 Jahre alt und hätten teilweise weder Frau noch Kinder. Darauf hätte man doch Rücksicht nehmen müssen. Zudem sei er schon seit 15 Jahren und damit länger als alle anderen Informatiker bei Bösendorfer-Hinterletztner KG beschäftigt. Das mit der Kündigung könne wohl auch nicht rechtens gewesen sein, schließlich wisse er sogar als Informatiker, dass es bei einem Betriebsübergang keine Kündigungen geben darf. Er möchte jedenfalls weiterarbeiten. Ob bei Bösendorfer-Hinterletztner KG oder in der Software-Consulting AG, das sei ihm einerlei. Dort sei sowieso inzwischen alles so wie früher bei Bösendorfer-Hinterletztner KG. Das Team sei – bis auf ihn – das gleiche, jedenfalls ab dem 1.12.2014. Die Computeranlage sei schon zum Teil dort, der Rest würde bald folgen. Und seine früheren Kollegen wären schon dazu übergegangen für die Software-Consulting AG das bei Bösendorfer-Hinterletztner KG entwickelte Softwareprogramm zu verbessern. Geplant sei dort, ab dem 1.1.2015 den Kundenstamm im EDV-Bereich von BösendorferHinterletztner KG zu übernehmen. Mit der Bösendorfer-Hinterletztner KG sei inzwischen alles abgesprochen und diese habe auch ihre Kunden davon unterrichtet. Rechtsanwalt Meyer beauftragt seinen ihm zur Ausbildung zugewiesenen Rechtsreferendar mit der Ausarbeitung eines Gutachtens, das folgende Fragen ausführlich erörtert: Frage 1: Frage 2: Ist die Kündigung des Apfel wirksam? Kann Apfel verlangen, in einem der beiden Unternehmen weiterbeschäftigt zu werden? Bearbeitervermerk: Das Gutachten des Rechtsreferendars ist zu erstellen. Es ist auf den Zeitpunkt Anfang November 2014 abzustellen.
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