Die Zukunft von Korruption und Geldwäsche in einer Moral Economy Prof. Dr. jur. Kai-D. Bussmann Professur für Strafrecht und Kriminologie [email protected] I. Moral Economy Moral Economy Definition: Marktbegleitende Moral und Sittlichkeit Marktbegrenzungen durch Normen und moralische Vorstellungen Nicht alles, mit dem profitabel gehandelt werden kann, ist rechtlich zulässig und wird von der Mehrheit der Bürger akzeptiert, wie Organhandel, Drogen, Umweltverschmutzung und Kinderprostitution. Umwelt-, Arbeits-, Verbraucherschutzregelungen und (Wirtschafts-)Strafrecht belegen, dass gesetzliche Restriktionen für alle Teilnehmer an der Marktwirtschaft durchaus selbstverständlich sind. Fazit: Zu keinem Zeitpunkt war Wirtschaft und ihr Teilsystem Marktwirtschaft unreguliert. Juristische und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät 3 Systemische Kriminalität in der Marktwirtschaft Klassiker der Ökonomik, Adam Smith war Moralphilosoph ! (17Jh. Schottland) Marktwirtschaft (Handel) ... ... fördert Toleranz gg. verschiedenen Moralen, Lebensstilen und Religionen (siehe moralische, religiöse Kreuzzüge in vielen Ländern) ... begünstigt Gewaltlosigkeit Gewalt zerstört dauerhaften Austausch von Gütern (Handel) Geld reguliert Knappheit der Güter ohne Gewalt, denn Geld erhöht Motivation zum Tausch anders als Naturalientauschhandel ... kennt keine Angriffe auf Eigentum wie Diebstahl, Raub Handel ist an Fortsetzung interessiert In Entwicklungsländern mit unterentwickelten Märkten sind Diebstahl und Raub verbreiteter ... kennt aber als Form des Tauschens Täuschung durch Betrug, Wettbewerbskriminalität, Korruption, Geldwäsche Juristische und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät 4 Ausgangsthese: Normalität der Wirtschaftskriminalität Zäsur im Markt. Entlang der gesetzlichen Verbote verläuft die Grenze zwischen legalen und illegalen Markt. Marktwirtschaft findet weiterhin im illegalen Markt statt. Dynamik des illegalen Marktes sucht ebenfalls immer wieder neue Wege der Gewinnmaximierung, die ihrerseits wiederum moralisch skandalisiert werden. Normen sind der Marktwirtschaft fremd, daher gehören Formen der Wirtschaftskriminalität wie Betrug, Korruption, Wettbewerbsdelikte, Geldwäsche usw. zum normalen Repertoire des Handels. Sie sind Geschäftsmodelle, die sich in der Marktwirtschaft lohnen. Es handelt sich um systemische Kriminalität (anders als Raub oder Diebstahl) Juristische und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät 5 Ausgangsfrage Aber wie kann es gelingen systemische Kriminalität zu bekämpfen? Wenn das System sie selbst fördert, wenn sie ihr immanent ist. Juristische und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät 6 II. Korruption Corruption Perception Index 2012 – Transparency International Juristische und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät 8 Entwicklung der Korruptionsrisiken 2005-2013 Geschäftsmöglichkeit infolge von Korruption eines Wettbewerbers verloren (mindestens einmal)* 23% 29% 26% 26% 15% 16% 17% Korruptionssituation (mindestens einmal)* 11% Verdachtsfälle*,** 26% 15% 11% 12% 13% 12% Geschädigte Unternehmen 6% 2005 * keine Daten für 2005 ** keine Daten für 2009 und 2007 2007 2009 2011 2013 Quelle: PwC „Wirtschaftskriminalität und Unternehmenskultur 2013“ Juristische und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät 9 Verbreitung von Compliance-Programmen 2013 2011 2009 44% Compliance Programme 52% Compliance Programme 74% Compliance Programme 2007 41% Compliance Programme Quelle: PwC „Wirtschaftskriminalität und Unternehmenskultur 2013“ Juristische und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät 10 Verbreitung von Anti-Korruptionsprogrammen nach Geltungsbereich des FCPA/UK-Bribery Act Stand Sommer 2013 alle Unternehmen FCPA/ UK-BA nicht unterworfen 52% 41% FCPA/ UK-BA unterworfen FCPA/ UK-BA unterworfen 48% 59% 63% … mit über 10.000 Mitarbeitern 85% … mit 5.000 bis 10.000 Mitarbeitern 15% 71% … mit 1.000 bis 4.999 Mitarbeitern … mit 500 bis 999 Mitarbeitern 37% 29% 58% 35% 42% 65% vorhanden nicht vorhanden PwC „Wirtschaftskriminalität und Unternehmenskultur 2013“ Juristische und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät 11 Verbreitung der Anti-Korruptionsmaßnahmen Basis: Unternehmen mit Anti-Korruptionsprogramm (52%) Klares Commitment und Kommunikation der AntiCorruption Policy durch die Führungsebene 96% 94% 99% 93% Transparente Richtlinien mit Verhaltenskodex 69% Systematische Risikoanalyse 55% Regelmäßige Überprüfung der Einhaltung der AntiCorruption Policy 73% 66% 90% Compliance Officer (Anti-Korruptionsbeauftragter) 83% 75% Internes Hinweisgebersystem 67% Code of Conduct für Anti-Corruption Policy bei Geschäftspartnern, Zulieferern, Subunternehmen Evaluation der Wirkung des Anti-Korruptionsprogramms bspw. durch Mitarbeiter-Befragungen 81% 48% 38% 38% Zuverlässige und zeitnahe Sanktionierung von Verstößen interner Mitarbeiter gegen Anti-Corruption Policy 88% 91% 89% Due Diligence Prüfungen bei Unternehmenstransaktionen 57% 86% Durchführen von Schulungen PwC „Wirtschaftskriminalität und Unternehmenskultur 2013“ 76% FCPA/UK-BA Zuständigkeit übrige Unternehmen Juristische und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät 12 Strafrecht im Verbund mit „Pressure Groups“ Strafrecht: Foreign Corrupt Practices Act, Federal US-Sentencing Guideline, Sarbanes-Oxley Act mit erheblicher Signalwirkung für globale Entwicklung Börse: Generell Druck durch Börsennotierung: US-Börsen notierte Unternehmen Nicht an der US-Börse börsennotierte Unternehmen Kapitalmarkt: wegen Investmententscheidungen, due diligence Prüfungen im M&A Wirtschaftsprüfungsgesellschaften/Anwaltskanzleien: Geschäftsmodell Compliance Entwicklung und Prüfung (bspw. IDW 980, ISO 19600) Großunternehmen: Top down Entwicklung Druck von Großunternehmen auf Unternehmen in der Zuliefererkette Öffentlichkeit: Medien, Politik Juristische und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät 13 Bekanntheit und Überprüfung des Compliance-Management-Systems anhand IDW PS 980 Anteil der Nutzung des IDW PS 980 bezieht sich nur auf Unternehmen, die IDW PS 980 kennen 40% Kenntnis des IDW PS 980 54% Zertifizierung anhand IDW PS 980 35% 2011 2013 PwC „Wirtschaftskriminalität und Unternehmenskultur 2013“ Juristische und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät 14 Nationale und globale Treiber einer Anti-Corruption Policy Phase 3 nationale Standardisierung •(Straf-)Rechtlicher Druck •Öffentlichkeit, Medien, NGO‘s •Indirekte Schäden (wie Reputation, Börsenwert, Börsennotierung) Phase 2 partielle Implementation •Marktmacht von Großunternehmen •Compliance Wettbewerb in Zulieferkette •Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte •Compliance Evaluation & Zertifizierung •Marktmacht globaler Untern. •Compliance Wettbewerb in Zulieferkette in Schwellenländern •Nationaler Druck •Druck intern. Organisationen (Weltbank, IWF Phase 4 Globalisierung Juristische und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät 15 III. Paradox des Marktes Compliance ist keine Modeerscheinung Politik achtet auf ihre Wähler Kapitalmärkte Strafjustiz, Aufsichtsbehörden forcieren Sanktionen Empörung der bürgerlichen Mitte Nationen erkennen Wettbewerbsnachteil reagieren Juristische und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät 17 Strukturelle Ursachen der Korruption Juristische und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät 18 The Emancipative Effects of Socioeconomic Development (Inglehart/Welzel 2005, 25) Juristische und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät 19 Kulturelle Ursachen der Korruption Juristische und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät 20 Zunahme oder Abnahme der Korruption? These: Erfolgreiche Industriegesellschaften beobachten mehr denn je Korruption im Hellfeld ! Aber in einem relativ kleinen Dunkelfeld ! Grund: Folge der Industrialisierung Ausdifferenzierung in unabhängige (!) Funktionssysteme, Staat und Verwaltung, Unternehmen, Berufsstände wie Ärzte Korruption: Bedeutet Eindringen fremder Systemlogiken, Kreuzen der Sinnhorizonte bspw. Verwandtschaft oder Geld statt Wettbewerb, Geld statt unabhängige politische Entscheidung, Profit statt medizinisch begründete Therapie usw. Wohlstand: Länder sind wirtschaftlich nur erfolgreich, wenn sie Korruption beobachten und bekämpfen! Globalisierung: Ist der Feind der Korruption! Korrupte Länder verlieren im globalen Wettbewerb! Keine Zunahme im Dunkelfeld, sondern Folge der wachsenden Ausdifferenzierung von Funktionen und Funktionssystemen in der modernen, industrialisierten Gesellschaft Juristische und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät 21 Weitere Entwicklung im privaten Sektor 1. Die Marktgesetze galten lange nur für Non-Compliance, nun gelten sie für Compliance – national und allmählich global. 2. Unternehmen lernen Integrität als Produktionsfaktor einzusetzen. 3. Non-Compliance wird als Geschäftsmodell unattraktiver, Kosten-Nutzen Bilanz von Compliance steigt. 4. Wettbewerb lässt sich zunehmend auch compliant, integer gewinnen. 5. Zertifizierte Integrität beginnt einen Marktwert zu erhalten. Ausgangsfrage: Aber wie kann es gelingen systemische Kriminalität zu bekämpfen? Antwort: Nutzung der Marktkräfte, marktwirtschaftliche Prävention ist die wirkungsvollste. Konsequenz: Korruption verliert im Zuge der weiteren Globalisierung ! Juristische und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät 22 IV. Geldwäsche 1. Geldwäsche als systemisches Delikt Systemisches Delikt: Konsequenz aus der Moral Economy, das Waschen illegaler Profite ist normal, da die Zäsur für Marktwirtschaft immer künstlich ist. Das gilt auch für Korruption, aber sie verliert an Bedeutung (Normalität) durch wachsende Prosperität und Globalisierung. Ihre Gegner sind Marktkräfte in einer Moral Economy Aber gilt das auch für Geldwäsche? Juristische und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät 24 2. OK als Treiber der Geldwäsche Organisierte Kriminalität = illegale Unternehmen mit enormer Marktmacht, Flexibilität und Profitabilität. Sie verschwinden nicht durch Ausgrenzung, sondern haben nur erhöhte Produktionskosten. Organisierte Kriminalität sind Unternehmen, die sich wie in jedem Markt geradezu naturwüchsig entwickeln, da sie sich aufgrund niedriger Transaktionskosten auch in einem illegalen Markt besser behaupten können als (kriminelle) Einzelunternehmer. ( ökonomische Transaktionskostentheorie, siehe Oliver Williamson 1977, Markets and Hierarchies ) OK bleibt daher ein Treiber für illegale Profite, mit dem Handel von Verbotenem, somit für Geldwäsche (Bsp. gescheiterter „War on Drugs“) Juristische und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät 25 3. Wirtschaftliches Wachstum als Treiber These: Kein Absinken des Geldwäschevolumens zu erwarten, im Gegenteil: 1. Kapitalakkumulation. Das integrierte Kapital gewaschener Gelder wächst mit wirtschaftlichem Erfolg. Wert von Immobilien, Kunst, Hotellerie und Gastronomie, Im- und Exportfirmen. 2. Rendite der Kapitalakkumulation ist höher als Einkommensentwicklung. 3. Sichere und prosperierende Industrienationen sind und bleiben Zentren der Geldwäsche, auch durch diesen dynamischen Kapitalzufluss aus der illegalen Wirtschaft. Gravity Modell der ECOLEF Studie: 108 Mrd. Euro für Deutschland pro Jahr. 4. Industriestaaten gewinnen durch Geldwäsche, Entwicklungsländer verlieren durch OK, Juristische und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät 26 4. Globalisierung als Treiber 1. Globalisierung der Marktwirtschaft, des Güter- und Kapitalverkehrs erleichtert Geldwäsche. Offenkundig für Finanz-/Kreditsektor Aber auch im Nicht-Finanzsektor extreme Risiken infolge der Globalisierung der Märkte, insbesondere wenn Investitionen mit inkriminierten Geldern in Güter oder Unternehmen folgende Kriterien erfüllen: ① Eigenschaften einer Währung, leicht konvertierbar und stabil (wie Kunst). ② Unauffälligkeit beim Konvertieren großer Mengen bzw. Werte (wie Immobilien, Kunst) ③ Hohe Transaktionsbeträge zum Erwerb des Gutes möglich (wie Immobilie oder Kunst) ④ Hohe Wertsteigerungsraten möglich (wie Immobilien, Kunst) ⑤ Hohe Bargeldtransaktionen möglich (wie RA-Anderkonten, Hotellerie und Gastronomie, Imund Exportfirmen) Juristische und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät 27 5. Geldwäsche eingebettet in normale Transaktionen 1. Korruption = Plan B in der Geschäftsstrategie (Plan A = nur in einigen Ländern und Branchen noch unumgänglich) 2. Bestechungsgelder = zusätzlicher finanzieller Kostenposten 3. Annahme von inkriminierten Geldern von legalen Unternehmen, Banken etc. (normalerweise) keine Geschäftsstrategie, sondern normale Transaktionen, keine zusätzl. Kosten. Nur Zäsur innerhalb legaler Transaktionen, nur Kostenfaktor für Geldwäscher 4. Konsequenz: Kaum unterscheidbar von illegalen Transaktionen, daher niedrige Verdachtsschwelle mit extrem hohen Zahlen von (eigentlich gebotenen) Verdachtsmeldungen. 5. Strafverfolgung = Suche der Nadel im Heuhaufen (anders als bei Korruption) Juristische und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät 28 Fazit: Strukturproblem der Geldwäschebekämpfung 1. Im Unterschied zur Bekämpfung der Korruption sind kaum präventiv wirkende marktwirtschaftliche Mechanismen erkennbar. 2. Strafverfolgung versinkt im „Meer der Verdachtsmeldungen“, je mehr auch der Nicht-Finanzsektor meldet, desto offensichtlicher wird dieses Defizit. hohe Akzeptanzrisiken Placement, Layering und Integration gelingt in der Regel und in Mrd.Höhe Hohe Kapitalrenditen versorgen OK mit frischem „sauberen“ Kapital Jede Ausweitung des Vortatenkatalogs verschlechtert vermutlich die Präventionschancen (Aufweichung der Kriterien für Verdachtsmeldungen) Sehr fraglich, ob es gelingt Geldwäsche in der legalen Wirtschaft so zu ächten wie Korruption, um Marktmechanismen zu starten, da sie geradezu unsichtbar im normalen Geschäftsalltag eingebettet ist. Erfolg der Geldwäschebekämpfung wird überschätzt, Bekämpfung der Vortaten sehr viel effizienter! Juristische und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät 29 Prof. Dr. jur. Kai-D. Bussmann +49 345 552 3116 [email protected] Professur für Strafrecht und Kriminologie Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg 06099 Halle
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