Professor Dr. Kyrill-A. Schwarz Wintersemester 2015/2016 Professor Dr. Horst Dreier Hausarbeit für Anfänger im Öffentlichen Recht Sachverhalt Das Jahr 2015 stellt Bundesregierung und Bundestag gleich zu Beginn vor eine neue legislative Herausforderung. Die bereits seit Mitte des Jahres 2014 tobenden Arbeitskämpfe in Bahnund Flugverkehr lassen Deutschland immer wieder tagelang still stehen. Die ständige Überlastung von Autobahnen und Fernstraßen durch die andauernden Streiks in Bahn- und Zugverkehr sowie die wirtschaftliche Schäden in Millionenhöhe lassen den Druck auf die große Koalition aus SPD und CDU/CSU steigen, entsprechende Gegenmaßnahmen zu treffen. Um dem wachsenden Unmut seitens Bevölkerung, Industrie und der vom Streik betroffenen Arbeitgeber entgegenzuwirken, bringen 25 Abgeordnete von CDU, CSU und FDP daher am 05. Januar 2015 einen Entwurf zum Erlass des „Gesetzes zur Sicherstellung der Funktion innerstaatlicher Infrastruktur“ (GFI) in den Bundestag ein. Bereits am 06. Januar 2015 findet die erste Lesung statt, in welcher kontrovers über die geplanten Auswirkungen auf die verfassungsrechtlich garantierten Rechte der Tarifpartner diskutiert wird. Insbesondere die Fraktionen der Linken und Grünen hegen Zweifel, ob ein so hohes verfassungsrechtliches Gut, wie das Recht, in den Arbeitskampf zu treten, durch einfachgesetzliche Regelungen wie das GFI beschränkt werden könne. Es verbiete sich auch insoweit auf eventuell überwiegende Belange der bestreikten Betriebe oder gar die der am Arbeitskampf nicht unmittelbar beteiligten Dritten abzustellen. Nach kurz darauf folgender zweiter und dritter Lesung, in welcher nur minimale Änderungen des geplanten Gesetzestextes beschlossen werden, findet am 22. Mai 2015 die Gesetzesabstimmung statt. Aufgrund des Pfingstferienbeginns sind lediglich 48 der 631 Abgeordneten anwesend. Das GFI wird bei 14 Enthaltungen, mit 20 zu 14 Stimmen beschlossen. Nach ordnungsgemäßer Beteiligung des Bundesrates wird das GFI durch den Bundespräsidenten ausgefertigt und am 01. Juli 2015 im Bundesgesetzblatt verkündet. Das GFI tritt am 01. Januar 2016 wie folgt in Kraft. Gesetz zur Sicherstellung der Funktion innerstaatlicher Infrastruktur (Auszug) […] § 2 Ankündigung der Arbeitskampfmaßnahmen Sämtliche Arbeitskampfmaßnahmen sind mindestens 48 Stunden vor Beginn der Maßnahmen dem Tarifpartner mitzuteilen. Das Recht zur Abhaltung spontaner Kundgebungen bleibt hiervon unberührt, sofern der betriebliche Ablauf durch diese nicht gestört wird. 1 § 3 Zulässigkeit von Arbeitskampfmaßnahmen Arbeitskampfmaßnahmen sind nur dann zulässig, wenn eine vorhergegangene gütige Einigung erfolglos blieb. Im Rahmen einer solchen Einigung besteht für beide Tarifpartner die Möglichkeit, eine Schlichtung anzustreben. Schlägt ein Tarifpartner eine Schlichtung vor, ist der andere Tarifpartner zur Teilnahme am Schlichtungsverfahren verpflichtet. Die jeweiligen Verhandlungsführer im Schlichtungsverfahren sind von den Tarifpartnern zu bestimmen. […] § 6 Sonderbestimmungen für infrastrukturrelevante Betriebe In infrastrukturrelevanten Betrieben dürfen Arbeitskampfmaßnahmen nicht länger als sechs Tage dauern. Welche Betriebe als infrastrukturrelevant einzuordnen sind bestimmt das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur durch Rechtsverordnung. […] Als Carl Wischnewski (C), Vorsitzender der Gewerkschaft Bahn & Schienen (GBS), von den Vorgängen in Berlin erfährt, ist er außer sich. Die GBS ist eine unabhängige Arbeitnehmervereinigung, deren alleiniger Zweck darin besteht, die Interessen der Arbeitnehmer der Deutschen Bahn (DB) wahrzunehmen und die Position der Belegschaft gegenüber der Arbeitgeberseite zu stärken. Durch das GFI sieht sich die GBS, die seit 2014 in stockenden Tarifverhandlungen mit der DB steht und seitdem auch mehrfach erfolgreich zum Arbeitskampf aufgerufen hat, in ihren gewerkschaftlichen Rechten benachteiligt. Als das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) am 07. Juli 2015 durch Erlass einer Rechtsverordnung, sämtliche Betriebe des Schienen-Nah- und Fernverkehrs für infrastrukturrelevant erklärt, sieht C die Stellung seiner Gewerkschaft in zukünftigen Tarifkonflikten weiter geschwächt und die verfassungsmäßigen Rechte der GBS endgültig in unzumutbarer Weise beschnitten. Nach anwaltlicher Rücksprache verdichtet sich die Entrüstung der GBS zu ernsthaften Zweifeln an der formellen und materiellen Verfassungsmäßigkeit des GFI. Neben ungerechtfertigten grundrechtlichen Beeinträchtigungen der GBS, äußert der Rechtsbeistand auch die Vermutung, das GFI sei bereits formell verfassungswidrig. So sei nicht nur der Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens in zahlreichen Punkten den einschlägigen Vorschriften zuwiderlaufend, sondern auch der Gesetzesbeschluss aus demokratischer Sicht problematisch. Der Bundestag sei im Fall des GFI-Beschlusses evident unterbesetzt gewesen. Diesen Umstand festzustellen sei die Aufgabe des Bundestagspräsidenten gewesen. Ferner seien lediglich 20 der 48 Stimmen zugunsten des GFI abgegeben worden. Von einem demokratischen Mehrheitsbeschluss, wie ihn das Gesetz vorsähe, könne folglich nicht die Rede sein. Angesichts der anwaltlich vorgebrachten massiven Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes erhebt die GBS, vertreten durch C, am 13. Juli 2015 form- und fristgerecht Verfassungsbeschwerde gegen das GFI. Wie wird das Bundesverfassungsgericht über die Beschwerde der GBS entscheiden? 2 Bearbeitervermerk: Prüfen Sie in einem Gutachten die Erfolgsaussichten der Verfassungsbeschwerde der GBS. Insoweit ist auf alle im Sachverhalt aufgeworfenen Rechtsfragen gegebenenfalls hilfsgutachterlich einzugehen. Die Korrektur dieser Ferienhausarbeiten für Anfänger setzt eine online-Anmeldung vom 01.10.15 - 15.10.15 voraus. Die Hausarbeit darf eine Seitenanzahl von 15 in der Schriftart Times New Roman mit Schriftgröße 12 Punkt im Fließtext und Schriftgröße 10 Punkt in den Fußnoten nicht überschreiten. Ein Zeilenabstand von weniger als 1,5 und 1,0 in den Fußnoten ist unzulässig. Auch jedwede Modifikationen von Abständen zwischen Wörtern oder Buchstaben haben Punktabzug zur Folge. Erforderlich ist zudem ein Korrekturrand von 1/3 der Seite (2cm links, 5cm rechts). Die Hausarbeit ist spätestens bis zum 12.10.2015 (Datum des Poststempels) im Sekretariat der Professur für Öffentliches Recht, Professor Schwarz, abzugeben. 3
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