Die Unterwasserjäger - Handelsblatt macht Schule

MITTWOCH, 23. MÄRZ 2016, NR. 58
Tiefsee-U-Boot Dedave auf
dem Meeresgrund: Fünf Jahre
Forschung und gut 3,5 Millionen
Euro an Investitionen.
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Strategiemanagement des IOSB, begleitet
den Markteintritt von Dedave. Über 200
Unternehmen sind bisher nach diesem
Muster entstanden, eines der bekanntesten ist mit Novaled ein Hersteller organischer Leuchtdioden, der 2013 für 260 Millionen Dollar an Samsung verkauft wurde.
Die Marktchancen von Aronnax einzuschätzen fällt aber selbst erfahrenen
Venture-Kapitalgebern schwer: „Das ist
ein sehr spezieller Bereich“, sagt Michael Streich, Managing Director des Frühphasen-Investors Bamboo Ventures aus
München. „Sollte nur ein Ölmulti das
System für sich entdecken, wird es
gleich ein kommerzieller Erfolg.“
Zwar steht der Preis für Dedave noch
nicht fest und variiert je nach Ausstattung. Laut Remy und Brink wird er aber
deutlich unter den fünf bis sechs Millionen Dollar liegen, die ein Produkt der
Konkurrenz aus Norwegen oder den
USA kostet. Vorbild für die FraunhoferForscher ist die Raumfahrt: Dort haben
private Start-ups die Kosten für Weltraummissionen um 70 Prozent gesenkt.
Es gibt noch mehr Parallelen: Ähnlich
wie die Weite des Weltraums ist die Tiefe
der Meere weitgehend unerforscht. „62
Prozent der Erdoberfläche liegt in Meerestiefen unterhalb von 1 000 Metern“,
erklärt Brink. „Davon sind nur fünf Prozent in Karten erfasst.“
Dedave
Jede Woche stellt das
Handelsblatt
junge, aufstrebende
Unternehmer vor. Wir
werfen einen Blick
auf die Persönlichkeit,
das Geschäftsmodell
und die Finanzierung.
Die Unterwasserjäger
Wie ein deutsches Start-up den Markt für
tiefseetaugliche Roboter revolutionieren möchte.
I
n 6 000 Meter Tiefe herrscht ewige
Dunkelheit. Doch der stromlinienförmige Flachkörper, der da fast
lautlos über dem Meeresgrund
schwebt, hat seine Sinne überall:
Ein Echolot misst den Abstand vom Boden, ein Flächensonar mit hoher Bildauflösung registriert selbst kleine Erhebungen, Sensoren erspüren minimale
chemische Veränderungen.
So könnte es aussehen, wenn das Tiefsee-U-Boot Dedave Ende des Jahres erstmals in den Ozeanen zum Einsatz
kommt, für die Vermessung des Meeresgrundes oder die Überprüfung von
Pipelines und Kommunikationskabeln.
Derzeit wird der unbemannte Unterwasserroboter im Atlantik auf seine Tiefseefähigkeit überprüft. Die theoretischen
Tests in den Druckkammern des Fraunhofer-Instituts in Ilmenau hat er bestanden. In Thüringen und am Schwesterinstitut des Fraunhofer-Instituts für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung
(IOSB) in Karlsruhe entstand die Idee,
ein autonom fahrendes und agierendes
U-Boot für Tiefen von bis zu 6 000 Metern zu entwickeln.
Nach fünf Jahren Forschung und Investitionen von mehr als 3,5 Millionen
Euro ist Dedave nun reif fürs kommerzielle Leben. Um seine Marktchancen
zu erhöhen, hat die Fraunhofer-Gesellschaft aus dem Forschungsprojekt ein
Start-up gemacht: Aronnax Maritime
Technologies heißt es und an Gründer
und CEO Philipp Remy liegt es nun,
den Markt für Tiefseefahrzeuge aufzurollen. Von Risikokapitalgebern und Industriepartnern muss er in einer ersten
Finanzierungsrunde einen mittleren
einstelligen Millionenbetrag auftreiben, um die Fertigung zu finanzieren
und den Vertrieb anzukurbeln.
„Im Vergleich zu einem typischen
Online-Start-up ist die erste Finanzierung zwar höher“, sagt der 31-Jährige.
„Dafür sind wir schneller profitabel.“
Schon Ende 2016 soll der erste Dedave
im Leasingverfahren an Kunden gehen. Ein Jahr später will Aronnax vier
bis sechs Einheiten pro Jahr fertigen.
„Ab 2019 wollen wir schwarze Zahlen
schreiben“, meint der Manager.
Remy hat Erfahrungen mit Start-ups:
Er war Mitgründer des Energie-Dienstleisters Smart E-Power und beim Internetpionier Rocket Internet tätig. Seine
Ziele sind ehrgeizig: „Mittelfristig wollen wir Marktführer werden und uns
auf den Bereich ab einer Tauchtiefe von
1 000 Metern abwärts spezialisieren.“
Die Fraunhofer-Gesellschaft, Europas
größte Organisation für anwenderorientierte Forschung, folgt mit der Ausgründung von Aronnax einem bewährten
Muster. Seit 1999 unterstützt die Organisation den Schritt von Mitarbeitern in die
Selbstständigkeit. Gunnar Brink, Leiter
Philipp Remy:
Gründer und
Vorstandschef
von Aronnax.
ARONNAX AUF EINEN BLICK
Das Team Die beiden Gründer Philipp Remy (CEO)
und Peter Puhlmann von Aronnax Maritime Technologies plus zehn Mitarbeiter, davon vier von Fraunhofer.
Das Geschäftsmodell Entwicklung und Verkauf von
autonomen Tiefsee-Fahrzeugen.
Die Investoren Fraunhofer Gesellschaft, die erste Finanzierungsrunde für potenzielle Investoren steht
noch aus.
Der Markt Tiefseebergbau, Überwachung von Telekommunikationskabeln, Öl- und Gasplattformen,
Aufspüren von Munition und Sprengstoff, Schiffswracks.
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Privat
Martin Wocher
Düsseldorf
Allein für die Verlegung eines Glasfaserkabels für die Datenübertragung zwischen zwei Kontinenten müsse der Meeresboden in 15 Kilometer Breite auf Gräben und Abhänge oder Schiffswracks
untersucht werden. Und der Unterwasser-Markt wächst: Die Suche nach Rohstoffen auf dem Meeresboden wie Manganknollen, Zink, Nickel oder auch Gold
und Diamanten hat erst angefangen.
Wissenschaftler interessieren sich für
die unentdeckten Gebiete, wie auch das
Militär. Auf 500 bis 600 Millionen Dollar schätzt Aronnax-Gründer Remy das
Marktvolumen, in vier Jahren könnten
es knapp zwei Milliarden sein.
An Konkurrenz mangelt es nicht. Der
Marktführer ist Kongsberg aus Norwegen. Auch der Flugzeughersteller
Boeing mischt mit. „Viele von ihnen haben bislang das Militär beliefert, Öl- und
Gaskonzerne oder Forschungseinrichtungen“, sagt Fraunhofer-Experte
Brink. „Kosteneffizienz war bei diesen
Kunden nie das vorrangige Thema.“
Lange Zeit wurden hauptsächlich teure Einzellösungen gefertigt. Dedave hingegen ist modular aufgebaut, das verbilligt die Fertigung. Zudem bietet es technische Vorteile. „Es ist kürzer und damit
wendiger – hat aber wegen seiner Form
trotzdem mehr Platz“, sagt Brink. Die
Konkurrenz kommt meist mit einem
torpedoförmigen Vehikel daher. Um
dem hohen Druck von 600 Bar in 6 000
Meter Tiefe standzuhalten, flutet Dedave seinen Innenraum mit Wasser.
Das absorbiert den Druck der Tiefe,
sorgt für geringeren Wasserwiderstand
und spart so die Energie der acht Batterien, die Dedave rund 18 Stunden bewegungsfähig halten. Die empfindlichen
Messgeräte stecken in Behältern aus
Titan oder sind in Kunstharz eingegossen.
Mehr Raum für mehr Messgeräte schätzt auch eine Klientel, die Remy zu den Randgruppen möglicher Kunden
zählt: „Es gab schon erste
Anfragen professioneller
Schatzsucher.“
UNTERNEHMEN & MÄRKTE 21
MITTWOCH, 23. MÄRZ 2016, NR. 58
Neuer Ärger für den DFB
Bahn will 215 Verladestellen
für Güterzüge schließen
Das Kartellamt ermittelt wegen umstrittener Ticketvergabe.
Diana Fröhlich, Alexander Möthe
Düsseldorf
Dieter Fockenbrock
Berlin
D
M
er Deutsche Fußball-Bund
(DFB) will seine treuesten
Fans belohnen, doch das
Bundeskartellamt sieht darin den
Verdacht des Missbrauchs einer
marktbeherrschenden Stellung –
und hat ein Verfahren eingeleitet.
Konkret geht es um die Ticketvergabe für die Fußball-Europameisterschaft in Frankreich. Der DFB
hat beim Verkauf der Eintrittskarten für die Spiele der deutschen Elf
den Ticketerwerb an eine kostenpflichtige Mitgliedschaft im „Fan
Club Nationalmannschaft“ gekoppelt. Wer den Jahresbeitrag überwiesen hat, der darf sich um EM-Tickets bemühen. Kritisch lässt sich
das als erzwungene Markenbindung sehen, allerdings bietet jeder
Profiklub Vorkaufsrechte für Mitglieder. Bundeskartellamtspräsident Andreas Mundt formuliert das
Vorgehen des DFB so: „Eine derartige Kopplung könnte einen Ausbeutungsmissbrauch darstellen.“
Der DFB wiederum sagt, er habe
die Ticketvergabe für die EM 2016
„vorsorglich vorab durch eine kartellrechtlich spezialisierte Anwaltskanzlei überprüfen lassen“. Dieses
dpa
20 UNTERNEHMEN & MÄRKTE
Fußball-Weltmeister 2014 in Berlin: Erzwungene Markenbindung?
Gutachten liegt dem Bundeskartellamt vor. Das Ticketkontingent umfasst nach Angaben von DFB-Sprecher Jens Grittner etwa 20 Prozent
der jeweiligen Stadionkapazität.
„Der überwiegende Teil der Tickets
konnte zeitgleich von den Fußballfans im freien Verkauf erworben
werden“, sagte er dem Handelsblatt. Mit der Kopplung der Tickets
an eine Mitgliedschaft im Fanklub
will der Verband die Atmosphäre im
Stadion erhöhen, die Fantreue belohnen – und über Personalisierung
einen Beitrag zur Sicherheit leisten.
Die Idee, Klubmitglieder bei der
Ticketvergabe zu bevorzugen, ist
nicht neu. Der DFB hatte die eigene
Interpretation des Vorkaufsrechts
für Mitglieder schon bei der WM
2014 in Brasilien angedeutet. Hier
wurden die deutschen Kartenkontingente zwar allen Fans zum Kauf
angeboten. Mitgliedern wurde jedoch Vorzugsbehandlung versprochen, falls die Anzahl der Bewerber
die Zahl der Tickets übersteigt.
Kommt das Kartellamt zum Schluss,
dass der DFB tatsächlich missbräuchlich gehandelt hat, kann die
Behörde anordnen, die Praxis zu unterlassen. Es ist offen, ob das Verfahren noch den aktuellen Verkauf erfassen wird – die EM beginnt im Juni.
Kommentar Seite 27
it einem Fünf-PunktePlan will die Deutsche
Bahn den seit Jahren notleidenden Güterverkehr auf der
Schiene sanieren. Im Zentrum stehen die Schließung unrentabler
Güterverladestellen im ganzen
Bundesgebiet sowie die Optimierung des Verkehrsangebots.
Keine leichte Aufgabe für den
gerade frisch ernannten neuen
Cargo-Chef Jürgen Wilder und den
Transportvorstand der Deutschen
Bahn, Berthold Huber. Denn die
Gewerkschaft EVG hat bereits
massiven Widerstand gegen jedwede Schließungspläne angekündigt. Zudem steht der Bahn eine
kleine Revolution bevor. „Der Güterverkehr ist heute eigentlich
noch Manufaktur“, sagen Insider.
„Dabei funktioniert Güterverkehr
auf der Schiene am besten wie industrielle Serienproduktion.“
Zur Disposition stehen nun 215
von 1 500 Verladestellen mit
2 100 Mitarbeitern. Die machen
zwar zwölf Prozent der Cargo-Beschäftigten im Inland aus, erwirtschaften aber nur 0,4 Prozent
des Cargo-Umsatzes. Der ist in-
zwischen auf 4,4 Milliarden Euro
gefallen.
Die weiteren Punkte des Sanierungsplans: eine Art Fahrplan für
Güterzüge, um die Zuverlässigkeit
der Transportzeiten zu erhöhen.
Optimierte Einsatzpläne für Lokführer, die heute im Schnitt nur 50
Prozent ihrer Dienstzeiten auch
wirklich fahren – sowie eine neue,
auslastungsgebundene Vertriebslogik, vergleichbar dem Preissystem im Personenverkehr.
Pro Jahr verliert Cargo um die zwei
Prozent Marktanteil in Deutschland. Die meist privaten Wettbewerbsbahnen fahren inzwischen
30 Prozent der Güter. Allerdings
haben sich diese Unternehmen die
Rosinen herausgepickt. Sie bieten
fast ausschließlich Ganzwagenzüge und Linienverkehre an, beispielsweise Containerzüge zwischen den Seehäfen und dem Süden. Die Deutsche Bahn dagegen
sammelt auch Einzelwagen auf abgelegenen Gleisanschlüssen ein.
Die Sanierung des Cargo-Geschäfts, das zuletzt 184 Millionen
Euro Verlust einfuhr, ist ein wichtiger Baustein des Gesamtumbaus
der Bahn. Der soll im Wesentlichen bis 2020 abgeschlossen sein.
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