Business in südwestfalen Verschwundene Firmen – Rang 3: Wendener Hütte Pioniere der deutschen Eisenindustrie Südwestfalen Manager 09/12 estfalen dw besaß Schürfrechte an den saynschen Bergwerken und konnte die Hütte mit guten Erzen versorgen. Den weiten Transportweg nahm er in Kauf und nutzte konsequent die günstige Lage der Hütte im kölnischen Herzogtum. Sie unterlag hier weder den im Siegerland geltenden Betriebseinschränkungen, noch war sie vom Ausfuhrverbot für Holzkohle im Herzogtum Westfalen betroffen. Remy bezog Brennstoff aus weiten Bereichen des Sauerlandes und konnte den Hochofen so fast das ganze Jahr hindurch in Gang halten. Die Familie Remy gehört zu den Pionieren der deutschen Eisenindustrie und war Kern eines rheinischen, durch Heirat verbundenen Eisensyndikats, dessen wirtschaftlicher Mittelpunkt das Werk Rasselstein war. Viele technische Verfahren wie das Walzen von Eisenstäben oder das Puddel-Verfahren wurden hier erprobt. Die ersten in Deutschland verlegten Eisenbahnschienen auf der Stecke Nürnberg-Fürth sind auf den Walzen des Rasselsteins hergestellt worden. SE S E R IE „Die Ermertshütte ist dem hiesigen Commerzium am allerschädlichsen ü ten“, urteilten Siegere Fir n in S me länder Eisenhüttenleute, die die Entwicklung in der Nachbarschaft mit großem Misstrauen beobachteten und über Gegenmaßnahmen und ein Kohleausfuhrverbot diskutierten, als das fürstliche Direktorium zu Siegen1768 Berichte über das Eisenhüttenwesen des westfälischen Herzogtums sammelte und dabei die Ausnahmestellung der Wendener Hütte betonte. Dort hatte sich der Guss von Kanonenkugeln als lukratives Standbein entwickelt. Pragmatisch wurde das bekannte Bibelzitat interpretiert: Hier wurden zwar keine Schwerter zu Pflugscharen, wenn aber kein Bedarf für Kanonenkugeln war, formten die Handwerker in Wenden Ackergeräte. Die Produktion war so erfolgreich, dass 1803 ein zweites Raffinierhammerwerk angelegt werden konnte. Damals hatte Gerhard Bayer bereits die d 92 Das Engagement der Familie Remy im kurkölnischen Westfalen hatte sich nicht zufällig ergeben. Remy S RO Ve r s c h w u n M anchmal sind Randlagen nicht zu verachten: Johannes Ermert gründete das Wendener Hütten- und Hammerwerk fernab des hoheitlichen Dunstkreises. Dem bürgerlichen Unternehmergeist, wie ihn die Familien Ermert und Remy mitbrachten, waren hier kaum Grenzen gesetzt, so lange die gesetzlichen Steuern und Abgaben entrichtet wurden. Die Gegend bot aber auch die übrigen Voraussetzungen für den Betrieb einer Eisenhütte. Das holz- und wasserreiche Gebiet im heutigen Kreis Olpe wird von oberirdischen Erzadern durchzogen, die einen stattlichen Eisengehalt aufweisen. 81 mittelalterliche Eisenschmelzen sind bekannt, flache Rennfeuerherde fanden sich bei archäologischen Untersuchungen. Eine dieser Schmelzen ist die Wendener Hütte, deren Betriebszeit im Jahre 1728 begann und auch heute noch besonders deutlich ist: Als „Technisches Kulturdenkmal“ wurde die Hütte gerettet, als Museum macht bietet sie heute Geschichte zum Anfassen, schwärmt Museumsleiterin Monika Löcken, die auch die Geschichte des Hammerwerks zusammengetragen hat. G Randlage förderte Erfolg der Wendener Hütte und war am Untergang beteiligt Verschwundene Firmen – Rang 3: Wendener Hütte Business in südwestfalen Bach-und Flussläufe, Eisenerz-Vorkommen und Brennstoffe sind die Voraussetzung für die Gewinnung und Bearbeitung von Metallen: Die hat in vielen Teilen des Landes Tradition, im SERIE Siegerland und im Sauerland finden sich immer wieder Hinweise auf vorindustrielle Aktivitäten. Die funktionierten zum Teil über Dekaden und Jahrhunderte, neue Verkehrsverbindungen gingen aber einher mit Verbesserungen für einzelne Standorte bei gleichzeitiger Verschlechterung der Situation für andere. Solche Veränderungen und Verdrängungen hat es immer gegeben, prägen insbesondere auch heute im globalen Zeitalter. Ein Beispiel aus einem ganz anderen Wirtschaftszweig lernen wir in der Oktober-Ausgabe kennen. Ware muss nicht nur hergestellt, sondern auch transportiert werden. Blütezeit der Wendener Hütte eingeleitet. Er widmete sich verstärkt der Gusswarenherstellung, organisierte aber auch die Betriebsabläufe im Hammerwerk und im Verhüttungsprozess neu, errichtete Gießhalle, Hochofen, Beschickungsgebäude und Rohstoffmagazin. Eine betriebseigene Bierbrauerei und eine Branntweinbrennerei versorgten die Fuhr- und Hüttenleute und auch die Nachbarschaft. Der Hüttenbesitzer Louis Remy initiierte die Beteiligung der Hütte im Jahre 1855 an der Industrieausstellung in Paris. Zusammen mit 49 anderen Firmen aus dem Arnsberger Kreisgebiet präsentierte die Wendener Hütte Eisenstein, Stahl und Eisenproben. Doch mit dem technischen Übergang von den mit Holzkohle betriebenen Hochöfen zu den mit Steinkohlen betriebenen, geriet auch die Hütte in Bedrängnis. Louis Remy, der letzte Hüttenerbe, verwirklichte noch technische Neuheiten, ließ einen Wasseralfinger Winderhitzer und ein Zylindergebläse einbauen. Doch nun wurde die Randlage dem Unternehmen zum Verhängnis: Nach Fertigstellung der Eisenbahnlinie Hagen - Siegen im Jahre 1861 büßte die Hütte abseits der neuen Verkehrsader die Wettbewerbsfähigkeit ein. Der Ofen wurde 1866 abgeblasen. Mit Michael Born und Eduard Niclas versuchten Erben ihr Glück mit dem Betrieb einer Sägemühle und einer Trikotagenfabrik. Im Stricksaal wurden junge Mädchen im Alter von 14 bis 22 Jahren beschäftigt. 170 Arbeiterinnen waren es 1895, der Strickereibetrieb war damit größter Gewerbebetrieb des Amtes Wenden. Mitten in dieser wirtschaftlich erfolgreichen Zeit erkrankte Niclas schwer und verkaufte den Betrieb an die Firma C. Hügel aus Krefeld. Hügel stattete den Betrieb mit Strickmaschinen aus, die durch eine Dampfmaschine angetrieben wurden. Schließlich machte sich auch Louis Born einen Namen in der Heimat. Er ließ 1905 auf dem Gefälle des Hammerwerkes eine Francis-Turbine errichten, welche die Ortschaft mit Strom versorgen konnte. Die Renaissance der Hüttenanlage begann im Jahre 1969, als ein Mitarbeiter des westfä- lischen Landeskonservators das bestens erhaltene Gebäudeensemble der Hütte samt dem auf dem Dachboden der ehemaligen Verwaltung aufbewahrten Hüttenarchiv fand. Nach Sichtung der Archivalien gilt die Anlage als Markstein der gewerblichen Entwicklung im südlichen Westfalen. Ende der 70er Jahre entschloss man sich für eine Sanierung des Gebäudebestands. Die Hütte wurde als „Technisches Kulturdenkmal“ unter Denkmalschutz gestellt und ab 1989 wurde mit der Gründung des Museumsvereins klargestellt, dass hier ein Museum entstehen sollte. Das Gebäudeensemble der Wendener Hütte umfasst acht erhaltene historische Gebäude: Einen Gewölbekeller aus dem 18. Jahrhundert, einen Pferdestall, eine Remise und ein „neues Wohnhaus“. Weiter hat sich ein Rohstoffmagazin, das zum Gründungsbestand des Jahres 1728 gehört, erhalten. Zum Gebäudebestand gehören außerdem der zweistöckige Möllerboden und das Gießhallengebäude mit Hochofen aus dem Jahre 1809. Das Hammerwerk wurde 1774 errichtet. In ihren wichtigsten Betriebseinheiten ist die Hütte seit 1993 für die Besucher zugänglich, so dass der Weg des Eisenerzes über die Verhüttung zum Roheisen nachvollziehbar wird. Das Hammerwerk wurde rekonstruiert und ermöglicht regelmäßige Schmiedevorführungen. Die vier in Betrieb befindlichen Wasserräder geben den Besuchern einen Einblick in die Möglichkeiten der mechanischen Nutzung der Wasserenergie in der Zeit vor der Verbreitung der Dampfmaschine. Reinhold Häken | [email protected] www.plakart.de Veränderung und Verdrängung Industriebau Alles außer gewöhnlich. Museum Wendener Hütte Hochofenstraße 6 · 57482 Wenden Tel.: 0 27 61 / 81-401 INFO Öffnungszeiten: 01. April bis 31. Oktober · Dienstag bis Sonntag 15 bis 18 Uhr und nach Vereinbarung 01. November bis 31. März · Dienstag bis Sonntag 14 bis 17 Uhr und nach Vereinbarung Südwestfalen Manager 09/12 93 ECO.PLAN GmbH & Co. KG Coesfeld · Dresden · Neuenrade Hönnestraße 45 58809 Neuenrade Fon 0 23 94 / 616 660 Fax 0 23 94 / 616 661 [email protected] www.eco-plan.de
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