31. Januar 2016 - Reformierte Kirchgemeinde Unterentfelden

Predigt: Der Gerechte wird aus Glauben leben (Habakuk 2,4)
31.01.2016
Vikar Andreas Ladner
Reformierte Kirche Unterentfelden
Habakuk 2,4: Der Gerechte wird aus Glauben leben
Einleitung
Liebe Gemeinde
Wir leben in einer turbulenten Zeit. Jeden Tag hören und lesen wir von Krieg, Terror und
Katastrophen. Wir sehen Bilder und Videos vom Elend dieser Welt. Aber das Elend ist nicht
einfach irgendwo weit weg, es ist sehr nahe zu uns gekommen. Zum Beispiel durch die vielen
Menschen, die auf der Flucht sind und ein neues Zuhause suchen.
Mich stimmt das alles nachdenklich. Manchmal bin ich auch innerlich richtig wütend, wenn
ich höre, wie Menschen von anderen Menschen brutal umgebracht werden und Frauen und
Kinder verschleppt und missbraucht werden.
Gleichzeitig frage ich mich dann auch: Wo ist Gott in all dem? Warum greift Gott nicht ein?
Warum schafft Gott nicht endlich Gerechtigkeit?
1.1. Anfechtung gehört zum Glauben dazu
Da bin ich auf das Buch des Propheten Habakuk gestossen: „HERR, wie lange soll ich
schreien, und du willst nicht hören? Wie lange soll ich zu dir rufen: „Frevel!“, und du
willst nicht helfen?“
Ja, auch der Prophet Habakuk, ungefähr 700 v. Chr. hatte dieselben Fragen. Er klagt Gott an.
Er fragt: „Warum greifst du nicht ein Gott, du bist doch ein Gott der Gerechtigkeit. Warum
setzt du nicht all dem ein Ende.“
Habakuk lässt die Ungerechtigkeit in dieser Welt nicht los. Er kann das alles, was er sieht mit
einem gerechten Gott nicht in Einklang bringen.
Haben Sie auch schon einmal mit Gott im Gebet gewettert und ihm Vorwürfe gemacht? Das
Buch Habakuk macht mir Mut. Es zeigt mir: Ich darf mit Gott ringen. Ich darf ihm sagen, was
ich denke. Ich muss kein Blatt vor den Mund nehmen. Ja, nicht nur Habakuk hat so mit Gott
gefightet, auch andere Gottesmänner. Die Psalmen sind voll von ernsthaften Vorwürfen
glaubender Menschen an Gott.
Habakuk zweifelt an Gott, und er geht mit seinem Zweifel zu Gott. Genauso sollen und dürfen
auch wir mit unseren Zweifeln zu Gott gehen. Denn Anfechtungen gehören zum Glauben
dazu. Wer an Gott zweifelt und mit Gott hadert, hat nicht einfach zu wenig Glauben, sondern
er nimmt Gott ernst. Er nimmt Gott und sein Wort ernst.
Habakuk hat Gott ernst genommen. Er vertraut darauf, dass Gott gerecht ist. Aber Habakuk
sieht, dass der Gewalttätige und Ungerechte die Zügel in der Hand hat und den Gerechten
beraubt und ausbeutet.
Gott antwortet auf Habakuks Vorwurf. Doch Gottes Antwort klingt in unseren Ohren
unverständlich. Denn es kommt noch schlimmer. Gott sagt nämlich, er werde ein Volk, die
Chaldäer, die Babylonier erwecken, ein grausames Volk. Dieses Volk wird über die Völker
und Länder herziehen und noch schlimmer wüten als die anderen Völker.
Stellen Sie sich vor, Gott würde uns heute sagen, dass er den Islamischen Staat, den IS
erweckt hätte, um Völker und Länder zu richten und zu strafen.
Völlig zu Recht gibt sich Habakuk mit einer solchen göttlichen Antwort nicht zufrieden.
Habakuk weiss zwar, dass Gott im Recht ist, wenn er das Volk Israel richtet und bestraft, aber
er kann nicht verstehen, weshalb Ungerechtigkeit mit noch grösserer Ungerechtigkeit bestraft
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Predigt: Der Gerechte wird aus Glauben leben (Habakuk 2,4)
31.01.2016
Vikar Andreas Ladner
Reformierte Kirche Unterentfelden
werden soll. Ausserdem: Was ist mit all den Menschen, die nichts Böses verbrochen haben?
Ein solches Strafgericht widerspricht doch gänzlich unserem Gerechtigkeitsempfinden. Und
es widerspricht unserem Bild von einem gerechten Gott.
„Deine Augen sind zu rein, als dass du Böses ansehen könntest, und dem Jammer kannst
du nicht zusehen! Warum siehst du dann aber den Räubern zu und schweigst, wenn der
Gottlose den verschlingt, der gerechter ist als er?“
1.2. Warte auf Gottes Gerechtigkeit
Gott antwortet Habakuk ein zweites Mal. Zunächst einmal gibt er Habakuk zu verstehen: Hab
Geduld, wenn es auch jetzt nicht danach aussieht, als würde die Gerechtigkeit siegen. Warte,
das Blatt wird sich noch wenden.
Das ist genau das, was auch Jesus seinen Jüngern gesagt hat: „Die Ungerechtigkeit wird
überhandnehmen und in vielen Menschen wird die Liebe erkalten. Wer aber beharrt bis
ans Ende, der wird selig werden.“ (Matthäus 24,12-13)
Warum aber schafft Gott nicht gleich Gerechtigkeit? Gott rechnet offenbar in anderen
Zeitdimensionen. Er lässt Nationen aufstehen und lässt sie aber auch wieder untergehen.
Genauso hat Gott auch die Babylonier letztlich für ihre Ungerechtigkeit bestraft. Ihr Reich
hatte keinen Bestand.
Die Weltgeschichte zeigt, dass eine Ungerechtigkeit jeweils wieder von einer neuen
Ungerechtigkeit abgelöst wird. Das ist das Ungeheuerliche, was Habakuk nicht versteht und
was auch wir nicht verstehen können.
Der Trost aber besteht darin, dass Gott eines Tages wirklich Gerechtigkeit schaffen wird, ja
dass die Ungerechtigkeit nicht das letzte Wort hat. Ja wir dürfen daran festhalten, dass Gott
uns nicht allein lässt, wenn wir uns ungerecht behandelt fühlen oder wenn uns etwas
Schlimmes widerfährt. Gott geht mit uns durchs finstere Tal und führt uns auch wieder heraus
ans Licht. Es gibt keinen Ort auf dieser Welt, wo Gott nicht ist.
1.3. Gott rettet den, der glaubt
Was aber gibt uns eigentlich die Gewissheit, dass nicht auch wir gerichtet werden? Wo stehen
wir in all dem, was in der Welt geschieht? Sind wir vor Gott gerecht?
„Siehe, wer halsstarrig ist, der wird keine Ruhe in seinem Herzen haben. Der Gerechte
aber wird durch seinen Glauben leben.“
Gott fordert uns auf, unseren Finger auf uns selbst zu richten. Bin ich halsstarrig, stur und
ungehorsam oder bin ich gerecht und vollkommen? Was gibt mir Gewissheit, dass Gott mich
letztlich nicht auch verurteilt?
Genau diese Frage beschäftigte Martin Luther. Er erkannte, dass er vor Gott nicht aufrichtig,
nicht vollkommen ist. Er merkte, ich scheitere daran, Gott zu lieben und meine Mitmenschen
wie mich selbst.
Er merkte insgeheim: Ich liebe, damit ich von Gott und den Menschen geliebt werde. Das
aber, das kann nicht Liebe sein. Denn Liebe achtet nicht auf die eigenen Wünsche, sondern
allein auf das, was dem anderen dient.
Martin Luther merkte: Wenn ich wirklich ganz ehrlich mit mir selbst bin, dann muss ich
eingestehen, dass ich ein Sünder bin, dass meine Gerechtigkeit einfach nicht ausreicht, um vor
Gott bestehen zu können.
„Siehe, wer halsstarrig ist, der wird keine Ruhe in seinem Herzen haben.“
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Predigt: Der Gerechte wird aus Glauben leben (Habakuk 2,4)
31.01.2016
Vikar Andreas Ladner
Reformierte Kirche Unterentfelden
Der Halsstarrige ist derjenige, der auf seine eigene Gerechtigkeit vertraut, der meint, er
brauche Gott nicht, um Heil und Frieden zu finden. Ein Mensch, der sich ständig aus eigener
Kraft abmüht, um zum Ziel zu kommen. Der, so sagt Gott, der wird keine Ruhe finden in
seinem Herz. Als einen solchen Menschen erkannte sich Luther. Ständig bemüht, Gott gerecht
zu werden.
Wie können wir denn aber Frieden finden in unserem Herzen? Gott sagt: „Der Gerechte
aber wird aus Glauben leben“
Der Gerechte ist derjenige, der vollkommen und gerecht ist. Aber nicht etwa aus sich selbst
heraus, sondern weil Gott ihn gerecht macht. Der Gerechte ist derjenige, der Gott vertraut, der
darauf vertraut, dass Gott barmherzig und voller Gnade und Liebe ist.
Der Gerechte ist derjenige, der ehrlich ist mit sich selbst, der seine Schuld und seine
Unzulänglichkeit offenlegt und sich in die Arme Gottes wirft.
Genau dies hat Martin Luther getan. Er hat erkannt: Gott ist es, der mich gerecht macht. Nicht
meine eigenen frommen Taten und Worte.
Gott schenkt mir ganz unverdient seine Gerechtigkeit. Seine Gerechtigkeit, die da kommt aus
dem Glauben an Gott. Gott macht uns gerecht durch seinen Sohn Jesus Christus. In ihm ist
Gott Mensch geworden, um uns freizukaufen aus all unserer Sünde und Schuld. Jesus
Christus, gerecht und vollkommen, hat unsere Schuld auf sich genommen und die Strafe dafür
am Kreuz von Golgatha ein für allemal getragen hat. Gerechtigkeit hat Gott etwas gekostet.
Gott möchte, dass wir dieses grossartige Geschenk annehmen, dass wir seine Gerechtigkeit
annehmen und Jesus Christus zu unserem Herrn unseres Lebens machen.
Der gerechte und barmherzige Gott begegnet uns in Jesus Christus. Gottes Liebe ist so
gewaltig, dass er nicht will, dass wir in unserer Ungerechtigkeit sterben, sondern dass wir
leben. Wer an Jesus Christus glaubt, und sich ihm in die Arme wirft, der darf wissen, dass er
das Leben hat, das ewige Leben.
Ich fasse das Gesagte zusammen:
1. Anfechtung gehört zum Glauben dazu. Wir dürfen zweifeln und Gott auch anklagen, wenn
wir ihn nicht verstehen.
2. Warte auf Gottes Gerechtigkeit. Gott ist gerecht. Er lässt nicht zu, dass die Ungerechtigkeit
siegt. Gott ist auch bei uns in den dunkelsten Stunden unseres Lebens und führt uns wieder
ans Licht.
3. Gott rettet den, der an ihn glaubt. Wer ihm vertraut und auf seine Gnade und
Barmherzigkeit hofft, der kommt zum Ziel und findet das ewige Leben.
Amen.
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