Anschreiben2 - Freie Bürgerliste Gänserndorf

AMT DER NIEDERÖSTERREICHISCHEN LANDESREGIERUNG
Gruppe Innere Verwaltung
Abteilung Gemeinden
3109 St. Pölten, Landhausplatz 1
Amt der Niederösterreichischen Landesregierung, 3109
Herrn
Gemeinderat
Walter Krichbaumer
Beilagen
IVW3-BE-3081701/018-2016
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Kennzeichen (bei Antwort bitte angeben)
-
Bezug
E-Mail: [email protected]
Fax: (02742) 9005/12225 Internet: http://www.noe.gv.at
Bürgerservice-Telefon 02742/9005-9005 DVR: 0059986
BearbeiterIn
(0 27 42) 9005
Durchwahl
Datum
MMag. Mathias Kopf
12617
22. März 2016
Betrifft
Stadtgemeinde Gänserndorf,
Verwaltungsbezirk Gänserndorf;
Parteienförderung, Eingabe des Walter Krichbaumer vom 8. Februar 2016
Sehr geehrter Herr Krichbaumer!
Zur namens der Freien Bürgerliste Gänserndorf übermittelten Eingabe vom 8. Februar
2016 betreffend Gewährung von Parteienförderung an die im Gemeinderat der Stadtgemeinde Gänserndorf vertretenen Fraktionen wurde vom Bürgermeister der Stadtgemeinde Gänserndorf die in Kopie beiliegende Stellungnahme eingeholt.
Ergänzend zum Inhalt der Stellungnahme teilen wir Folgendes mit:
Dem Gemeinderat ist die Gewährung von Subventionen, falls vom Gemeinderat keine
diesbezüglichen Richtlinien beschlossen wurden, gemäß § 35 Z. 2 NÖ Gemeindeordnung
1973, LGBl. 1000 idF LGBl. 96/2015, zur selbständigen Erledigung vorbehalten.
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Subventionen werden als vermögenswerte Zuwendungen definiert, die durch Verwaltungsträger oder einen anderen mit der Vergabe solcher Mittel betrauten Rechtsträger an ein
Privatrechtssubjekt aus öffentlichen Mitteln zur Herbeiführung eines im öffentlichen
Interesse gelegenen subventionsgerechten Verhaltens oder Erfolgs gewährt werden (RISJustiz RS0018992).
Bei der Gewährung einer Subvention handelt es sich um einen im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung gesetzten Akt (vgl. VfSlg. 18.816/2009; 17.607/2005). Hiezu ist auf
den verfassungsrechtlichen Kontext, insbesondere Art. 116 Abs. 1 und 2 BundesVerfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idF BGBl. I Nr. 102/2014 zu verweisen.
Demzufolge sind Gemeinden verfassungsrechtlich als Gebietskörperschaften mit dem
Recht auf Selbstverwaltung und als selbstständige Wirtschaftskörper eingerichtet, die das
Recht haben, innerhalb der Schranken der allgemeinen Bundes- und Landesgesetze
Vermögen aller Art zu besitzen, zu erwerben und darüber zu verfügen, wirtschaftliche
Unternehmungen zu betreiben sowie im Rahmen der Finanzverfassung ihren Haushalt
selbständig zu führen und Abgaben auszuschreiben.
Dass die Gemeinden zu privatwirtschaftlichen Betätigungen berechtigt sind, gründet sich
nicht nur auf die sich aus Art.116 Abs. 2 B-VG ergebende Ermächtigung, privatautonom zu
handeln, sondern zusätzlich aus der Garantie des Art.118 Abs. 2 B-VG, wonach das Recht
auf Selbstverwaltung auch für den Bereich privatwirtschaftlicher Betätigungen gewährleistet ist und damit in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Selbstverwaltungsrecht
der Gemeinden eingeschlossen wird.
Auf die aus der verfassungsrechtlich garantierten Stellung als Selbstverwaltungskörper
resultierende Eigenverantwortlichkeit der Gemeinde ist von der Aufsichtsbehörde Bedacht
zu nehmen (§ 85 Abs. 3 NÖ Gemeindeordnung 1973). Die Aufsichtsbehörde ist insbesondere nicht dazu berufen, die Entscheidungen der demokratisch legitimierten
Gemeindeorgane zu beurteilen, die gesellschafts-, wirtschafts- oder sozialpolitische
Zielsetzungen zum Gegenstand haben (näher Hengstschläger, 16. Teil,
Gebarungskontrolle Rz 239, in Klug/Oberndorfer/Wolny [Hrsg], Das österreichische
Gemeinderecht [2008]).
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Der Landesgesetzgeber hat angesichts dieser verfassungsrechtlichen Garantieen die
Vergabe von Subventionen durch die Gemeinde mit Ausnahme der organisatorischen
Zuweisung in § 35 Z. 2 NÖ Gemeindeordnung1973 keiner näheren Regelung zugeführt.
Inhaltliche Aspekte der Vergabe von Subventionen – insbesondere die Frage, welche
natürlichen oder juristischen Personen begünstigt werden – stellen eine dem demokratisch
legitimierten Organ Gemeinderat vorbehaltene Prioritätenentscheidung dar, die als
politische Angelegenheit einer aufsichtsbehördlichen Beurteilung nicht zugänglich ist
(VwGH 16.2.1983, ZI. 82/03/0076).
Wir weisen dessen ungeachtet darauf hin, dass die öffentliche Hand nach der ständigen
Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs auch bei privatrechtlicher Tätigkeit und
gerade bei Subventionsvergaben unter weitgehenden Anforderungen des Gleichheitsgrundsatzes steht (sogenannte Fiskalgeltung der Grundrechte, vgl. RIS-Justiz
RS0038110, RS0115391; Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht9 [2012], Rz 737), zumal
Gebietskörperschaften immer nur im öffentlichen Interesse handeln dürfen
(OGH 16.1.1995, 6 Ob 514/95).
Durch Subventionen soll etwa ein bestimmtes Förderungsziel im Rahmen der öffentlichen
Aufgaben der Gebietskörperschaft im Interesse der gesamten Gemeinschaft erreicht
werden. Es liegt nach der Rechtsprechung im Wesen einer Subvention, dass, bezogen auf
alle Rechtssubjekte im betreffenden Gebiet, eine Differenzierung erforderlich ist, die
Subvention also nicht in gleicher Weise zugutekommen kann. Es muss allerdings eine
objektiv bestimmbare, sachlich gerechtfertigte Eingrenzung des Berechtigtenkreises
vorgenommen werden (OGH 18.12.1992, 6 Ob 563/92).
In der Stellungnahme des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Gänserndorf wird diesbezüglich festgehalten, dass die in Rede stehende Förderung den Gemeinderatsklubs der im
Gemeinderat der Stadtgemeinde Gänserndorf vertretenen Wahlparteien zugedacht ist.
Gemeinderatsklubs bestehen ausweislich des § 19 Abs. 3 NÖ Gemeindeordnung 1973
aus mindestens zwei Mitgliedern des Gemeinderates, die derselben Wahlpartei (§ 29
Abs. 1 NÖ Gemeinderatswahlordnung 1994, LGBl. 0350-10) angehören. Da die Freie
Bürgerliste Gänserndorf im Gemeinderat der Stadtgemeinde Gänserndorf mit lediglich
einem Gemeinderatsmitglied vertreten ist, kommt ihr kein Klubstatus zu.
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Dem folgend findet sich die Freie Bürgerliste Gänserndorf auch nicht unter den
Subventionsempfängern (bedacht werden ausweislich des in der Sitzung des
Gemeinderats der Stadtgemeinde Gänserndorf vom 27. Januar 2016 gefassten
Beschlusses lediglich „ÖVP“, „SPÖ“, „Grüne“ und „FPÖ“).
Zum Schreiben des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Gänserndorf vom 14. Juli 2015
(betreffend Subventionen für das Kalenderjahr 2015) wird mitgeteilt, dass die darin
angeführten Rechtsansicht der NÖ Landesregierung gegenüber dem Bürgermeister
bekannt gegeben wurde und kein Anlass besteht, von der mitgeteilten Rechtsansicht
abzugehen.
Allfällige weitere Meinungsverschiedenheiten zwischen der Freien Bürgerliste Gänserndorf
und der Stadtgemeinde Gänserndorf als die Subvention gewährende Körperschaft im
Hinblick auf die Gewährung einer Subvention wären als zivilrechtliche Angelegenheit von
den zur Ausübung der Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen berufenen Gerichten
zu klären (§ 1 Jurisdiktionsnorm, RGBl. Nr. 111/1895 idF BGBl. I Nr. 87/2015). Eine
Zuständigkeit der NÖ Landesregierung als Aufsichtsbehörde besteht nicht.
Der Inhalt dieser Erledigung wird der Stadtgemeinde Gänserndorf mit gesondertem
Schreiben kommuniziert.
Mit freundlichen Grüßen
NÖ Landesregierung
Im Auftrag
Dr. S t u r m
Abteilungsleiterin
Dieses Schriftstück wurde amtssigniert.
Hinweise finden Sie unter:
www.noe.gv.at/amtssignatur