368 Kasuistik Konservative und chirurgische Therapie der Urachusfistel bei einem Alpaka-Cria Ein Fallbericht K. Kubus1; A. Wöckel1; C. Felton1; J. Schwarzenberger2; A. Sobiraj1 1Ambulatorische und Geburtshilfliche Tierklinik, Veterinärmedizinische Fakultät der Universität Leipzig; 2Klinik für Kleintiere, Veterinärmedizinische Fakultät der Universität Leipzig Schlüsselwörter Keywords Neonatologie, Neuweltkameliden, Urachusfistel, Alpaka, Nabeloperation, Neugeborenennarkose Neonatology, New World camelids, urachal fistula, alpaca, umbilical surgery, anaesthesia of neonates Zusammenfassung Summary Die Urachusfistel ist eine neonatale Erkrankung. Es wird zwischen einer kongenitalen und einer erworbenen Form unterschieden. Beschrieben wird der Fall eines 6 Stunden alten weiblichen Alpaka-Cria, das mit einem nicht abgetrockneten Nabelstumpf und einer Mekoniumobstipation vorgestellt wurde. Die konservative Therapie der Urachusfistel (Reinigung und Desinfektion des Nabelstumpfs, lokale sowie systemische Antibiose) führte innerhalb von 6 Tagen nicht zum gewünschten Erfolg, so dass eine chirurgische Behandlung in Form einer Nabelresektion unter Allgemeinanästhesie durchgeführt wurde. Die Rekonvaleszenz verlief komplikationslos. Urachal fistula is a neonatal condition. There are two reported forms: a congenital and an acquired form. We describe the case of a 6-hour-old female alpaca cria that was presented with a damp umbilicus and a meconium impaction. Conservative treatment of the urachal fistula with local and systemic medication was unsuccessful after 6 days; therefore, a resection of the umbilicus under general anaesthesia was performed. Reconvalescence was uneventful. Korrespondenzadresse Katrin Kubus Ambulatorische und Geburtshilfliche Tierklinik Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Leipzig An den Tierkliniken 29 04103 Leipzig E-Mail: [email protected] Nonsurgical and surgical treatment of an urachal fistula in an alpaca cria. A case report Tierärztl Prax 2015; 43 (G): 368–373 http://dx.doi.org/10.15653/TPG-150173 Eingegangen: 8. April 2015 Akzeptiert nach Revision: 13. Juli 2015 Epub ahead of print: 23. September 2015 Einleitung Alpakas erfreuen sich bei Tierhaltern in Deutschland immer größerer Beliebtheit, sodass Tierärzte vermehrt mit verschiedensten Krankeitsbildern dieser Spezies konfrontiert werden. In der Regel werden Alpakas hierzulande als Zucht- und Hobbytiere gehalten, obwohl sie grundsätzlich zu den lebensmittelliefernden Tieren zählen. Daher ist es angeraten, diese Tiere in Absprache mit dem zuständigen Veterinäramt über eine sogenannte Haltererklärung (17) der Zweckbestimmung „Hobbytier“ zuzuordnen. Da es in Deutschland keine für Neuweltkameliden zugelassenen Medikamente gibt, müssen alle eingesetzten Medikamente umgewidmet werden. Über diesen Sachverhalt ist der Tierhalter vom Tierarzt aufzuklären. Die Wahl der Therapie erfolgt nach aktuellem wissenschaftlichem Kenntnisstand und unter Beachtung der allgemeinen tierärztlichen Sorgfaltspflicht. Auch bei Neuweltkameliden kann es zu Komplikationen in der neonatalen Entwicklung kommen. Eine relativ häufig auftretende Entwicklungsstörung ist die Urachusfistel. In diesem Fallbericht wird die Möglichkeit der chirurgischen Versorgung des persistierenden Urachus beim Alpakafohlen (Cria) beschrieben. Um die Entstehung dieser Anomalie verständlich zu machen, wird zunächst auf die embryonale Entwicklung des Nabels und die anatomischen Verhältnisse inklusive der Gefäßstrukturen eingegangen. Nach Wissdorf et al. (16) kommt es während der Embryonalentwicklung zur Spaltung der Kloake in den dorsalen Rektumanteil und den ventralen Harnwegsanteil. Letztgenannter setzt sich als Allantoisstiel (= Urachus) in den Nabel fort und dient als Abflussweg des fetalen Harns aus der Blase in die Allantoishöhle (12). Fowler und Bravo (6) beschreiben die Nabelverhältnisse beim Alpaka wie folgt: Im Nabelstumpf liegen zwei Venen und zwei Arte- © Schattauer 2015 Tierärztliche Praxis Großtiere 6/2015 Downloaded from www.tieraerztliche-praxis.de on 2015-12-10 | ID: 1001077165 | IP: 139.18.73.157 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 369 K. Kubus et al.: Therapie der Urachusfistel bei einem Alpaka-Cria rien sowie der Urachus vor (▶ Abb. 1). Im Rahmen eines physiologischen Geburtsverlaufs kommt es unmittelbar nach dem Abriss der Nabelschnur zur Obliteration und damit zum Verschluss der Nabelgefäße (11). Bei einem unvollständigen Schluss des Urachus entsteht eine Urachusfistel. Unterschieden wird zwischen der angeborenen Form, auch als Urachus persistens bezeichnet, und der erworbenen Form, die in verschiedenen Literaturquellen als Urachus patens bezeichnet wird (10, 11). Beim Equidenfohlen kommen beide Formen verhältnismäßig häufig vor (1). Knottenbelt et al. (11) bezeichnen die angeborene Form als häufigste Missbildung der Harnorgane beim Pferd, wobei sie häufiger bei prämaturen als bei maturen Fohlen auftritt. Grund hierfür ist, dass die beim unreifen Neonaten noch retardierten Nabelstrukturen einen Verschluss der Nabelgefäße kaum möglich machen. Der erworbenen Form liegt zumeist eine Infektion der Nabelgefäße zugrunde, durch die sich der bereits geschlossene Urachus wieder öffnet (1). Als weitere Ursachen wird ein starker Tenesmus (z. B. bei Mekoniumobstipation) angegeben (11). Klinisch auffällig wird die erworbene Form meist erst nach Abfallen des eingetrockneten Nabelstumpfes innerhalb der ersten 2 Lebenswochen (11). Die kongenitale Form ist nach Bostedt et al. (1) mögliche Folge einer partiellen intrauterinen Obstruktion des Nabelstrangs. Knottenbelt et al. (11) vermuten hier auch eine Torsion des Nabelstrangs. Der damit auf den Urachus ausgeübte Zug führt bis zur Geburt zu dessen Dilatation, wodurch der spätere Verschluss durch Obliteration gestört wird. Ein Verschluss der Urethra kann ebenfalls einen Urachus persistens zur Folge haben. Das wichtigste Unterscheidungskriterium zum Urachus patens ist, dass der Nabel von Geburt an feucht ist, es also keine Phase der Abtrocknung gibt. Bei einer Urachusfistel erfolgt der Harnabsatz aus dem Nabel, tropfenweise oder im Strahl (1). Zudem ist eine Entleerung des Harns in die Bauchhöhle möglich (16). Bei der angeborenen wie der erworbenen Urachusfistel kann ein Teil des Harns auch aus der Urethra abgesetzt werden. Dies führt unter Umständen dazu, dass mild ausgeprägte Formen erst dann bemerkt werden, wenn das Fohlen erste Krankheitssymptome zeigt (10). Bleibt eine Urachusfistel unbehandelt, können schwerwiegende Komplikationen auftreten wie lokale Hautnekrosen oder -abszesse, Peritonitis, Zystitis, Blasenwandnekrose, Uroperitoneum, Verwachsung der Harnblase mit der Bauchwand und nicht zuletzt eine Septikämie durch aufsteigende Infektionen (11). Fallbeschreibung Anamnese und klinische Befunde Ein etwa 6 Stunden altes weibliches Cria wurde nach unbeobachteter Spontangeburt mit seiner Mutter in die Ambulatorische und Geburtshilfliche Tierklinik eingeliefert. Vorstellungsgrund war eine vermeintliche Hypogalaktie der Mutterstute und ihr Abwehrverhalten gegenüber dem Neugeborenen. Abb. 1 Nabelverhältnisse bei Kameliden. A = Nabelarterien, V = Nabelvenen, U = Urachus, C = Nabelscheide, B = Harnblase, W = Bauchwand, S = äußere Haut, H = kraniale Richtung. (Abb. aus [6] mit freundlicher Genehmigung des Verlags Wiley-Blackwell). Fig. 1 Umbilical structures in camelids: A = umbilical arteries, V = umbilical veins, U = urachus, C = umbilical covering, B = bladder, W = abdominal wall, S = skin, H = cranial direction. (Figure from [6] courtesy of the publisher Wiley-Blackwell). Bei der klinischen Untersuchung der Stute wurde eine vollständige Retentio secundinarum diagnostiziert. Die Behandlung erfolgte mit einer Oxytocin-Dauertropf-Infusion (15 IE in 500 ml RingerLösung i. v., Oxytocin ad us. vet., aniMedica GmbH) kombiniert mit Uterusspülungen mit steriler isotoner Kochsalzlösung. Weiterhin erhielt die Stute über 5 Tage parenterale (Sulfadimidin + Trimethoprim, 24 mg Gesamtwirkstoff/10 kg KM i. v., Riketron N, aniMedica GmbH) und über 3 Tage intrauterine Antibiotikagaben (400 mg Ampicillin + 800 mg Oxacillin/Tier, Totocillin®, Bayer Vital GmbH) sowie ein nichtsteroidales Antiphlogistikum (Meloxicam, 0,6 mg/kg i. v., Metacam® 20 mg/ml, Boehringer Ingelheim Vetmedica GmbH) am ersten Behandlungstag. Unterstützt durch zweimalige Applikation von Carbetocin (70 µg/Tier, Depotocin® 70 µg/ml, Veyx-Pharma GmbH) im Abstand von 2 Tagen konnten Nachgeburtsverhaltung und Hypogalaktie erfolgreich therapiert werden. Das Cria präsentierte sich bei der segmentalen Untersuchung mit einer Herzfrequenz (HF) von 112 Schlägen pro Minute, einer Atemfrequenz (AF) von 24 Zügen pro Minute und einer inneren Körpertemperatur (IKT) von 38,8 °C (Referenzwerte nach Tibary et al. [15]: HF: 60–100 /min, AF: 10–30 /min, IKT: 37,7–38,9 °C). Die Kopfschleimhäute waren rosarot gefärbt, Lunge und Herz auskultatorisch ohne abweichenden Befund. Die Gelenke der Gliedmaßen zeigten sich klinisch unauffällig. Anzeichen von Unreife wie „floppy ears“ (weicher Ohrknorpel), Durchtrittigkeit infolge eines instabilen Halteapparats der Gelenke oder persistierende „Fohlenkissen“ (Eponychium) lagen nicht vor. Die Nabelschnur Tierärztliche Praxis Großtiere 6/2015 © Schattauer 2015 Downloaded from www.tieraerztliche-praxis.de on 2015-12-10 | ID: 1001077165 | IP: 139.18.73.157 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 370 K. Kubus et al.: Therapie der Urachusfistel bei einem Alpaka-Cria Tab. 1 Ergebnisse der Blutanalyse im Rahmen der Erstuntersuchung des Crias Table 1 Blood analysis findings at the first examination of the cria. Parameter Messwert Referenzbereich Burri et al. (2) Fowler et al. (6) Leukozyten (G/l) 17,3 7,3–16,0 7,1–22,9 Erythrozyten (T/l) 16,01 12,9–15,4 9,6–17,2 Hämoglobin (mmol/l) 8,4 8,3–10,3 6,26–11,2 Hämatokrit (l/l) 0,43 ↑ 0,29–0,37 0,24–0,285 MCV (fl) MCH (fmol) MCHC (mmol/l) 27,1 0,525 ↓ 19,4 ↓ 21,5–25,4 0,6–0,68 26–28,8 Thrombozyten (G/l) 2541 ↑ Kreatinkinase (IU/l) 40 73–213 215 ↑ 91–135 Kreatinin (µmol/l) Harnstoff-Stickstoff (mg/dl) Gesamtprotein (g/l) Albumin (g/l) Natrium (mmol/l) Kalium (mmol/l) Chlorid (mmol/l) 27 ↓ 148 4,6 113 0,65 26,08–39,3 268–912 7,12 48 ↓ 21,5–29,9 12–130 114,9–212,2 4,28–18 54,6–62 31,3–37,9 49–71 34–45 144–154 149–153 4–5,4 4,4–7 104–146 102–114 Kalzium (mmol/l) 2,68 2,3–2,7 2,15–2,68 Glukose (mmol/l) 2,71 ↓ 5,6–8,1 5,99–8,66 war physiologisch gerissen und der Nabel fühlte sich bei Palpation feucht an. Im Verlauf der folgenden Stunden tropfte regelmäßig spontan klare Flüssigkeit aus dem Nabelstumpf. Des Weiteren wies das Abb. 2 Sonographische Darstellung des persistierenden Urachus (Pfeil); Harnblase links im Bild Fig. 2 Sonographic imaging of the persistent urachus (arrow); left side: urinary bladder. Cria bei längerer Beobachtung in der Box wiederholt Tenesmus auf. In der Rektumampulle befanden sich noch Mekoniumanteile. Die zunächst mäßige Milchaufnahme am Euter konnte durch regelmäßiges Ansetzen des Cria verbessert werden und bereits am Folgetag trank es selbständig und ausgiebig. Diagnostik Die bestimmten Blutparameter sind in ▶ Tab. 1 im Vergleich zu den von Burri et al. (2) und Fowler (7) ermittelten Referenzwerten dargestellt. Auffällig waren ein erhöhter Hämatokrit, eine marginal erhöhte Kreatininkonzentration sowie eine deutlich erniedrigte Glukosekonzentration. Die Werte für Gesamtprotein und Albumin lagen etwas unter dem Referenzbereich. Die venöse Blutgasanalyse ergab einen pH-Wert von 7,29. Bei der sonographischen Untersuchung des Nabels (Honda, HS-1600) ließen sich intraabdominal vier Gefäßstrukturen darstellen: eine Nabelvene, zwei Nabelarterien und der Urachus. Das Lumen der Nabelvene betrug 5 mm, die Nabelarterien waren jeweils 3 mm stark. Der Urachus präsentierte sich mit anechogenem Inhalt und in den seinen Längsverlauf darstellenden Ultraschallbildern konnte die persistierende Verbindung zur Blase verfolgt werden (▶ Abb. 2). Diagnose und Therapie Die sonographischen Befunde bestätigten die Verdachtsdiagnose eines persistierenden Urachus. Die Mekoniumverhaltung wurde am Tag der Einlieferung durch ein Klistier (Freka-Clyss®, Fresenius Kabi) behoben. Die Behandlung der Urachusfistel erfolgte zunächst konservativ. Der Nabelstrang wurde äußerlich täglich mit einer PVP-Jod-Lösung desinfiziert. Im Abstand von 2 Tagen wurde je 1 ml Procain-Penicillin (Benzylpenicillin-Procain, Procain-Penicillin Susp. 300 mg/ ml, Albrecht GmbH) in das Urachuslumen appliziert. Ferner erhielt das Cria eine metaphylaktische Antibiose (Sulfadimidin + Trimethoprim, 24 mg Gesamtwirkstoff/10 kg KM i. v., Riketron N, aniMedica GmbH) sowie Vitamine (0,5 ml Ursovit AD3EC wässrig pro inj., Serumwerk Bernburg AG) und Spurenelemente (0,5 ml Vitamin E-Selen Injektionslösung, aniMedica GmbH). Das Tier war stets bei gutem Allgemeinbefinden, saugte regelmäßig an der Mutter und zeigte eine kontinuierliche Gewichtszunahme. Da die Urachusfistel nach Ablauf von 6 Tagen persistierte, wurde am 7. Tag des Klinikaufenthalts eine chirurgische Versorgung vorgenommen. Zur Narkoseeinleitung wurden Butorphanol (0,1 mg/kg, Alvegesic® vet. 10 mg/ml, CP-pharma Handelsgesellschaft mbH), Diazepam (0,2 mg/kg, Diazepam 10 MG-ROTEXMEDICA, Rotexmedica GmbH Arzneimittelwerk), Ketamin (2 mg/kg, Ketavet® 100 mg/ml, Zoetis Deutschland GmbH) und Propofol (2 mg/kg, Narcofol® 10 mg/ml, CP-Pharma Handelsgesellschaft mbH) über einen Venenzugang in die Vena cephalica verabreicht. Nach Intubation des Crias wurde die Narkose mit Iso- © Schattauer 2015 Tierärztliche Praxis Großtiere 6/2015 Downloaded from www.tieraerztliche-praxis.de on 2015-12-10 | ID: 1001077165 | IP: 139.18.73.157 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 371 K. Kubus et al.: Therapie der Urachusfistel bei einem Alpaka-Cria Abb. 3 Operationssitus. a) Ligatur des Urachus inklusive der Nabelarterien (Pfeil). b) Präparation und Ligatur der Nabelvene (Pfeil) Fig. 3 Surgical procedure. a) Ligation of the urachus including the umbilical arteries (arrow). b) Preparation and ligation of the umbilical vein (arrow). fluran (Isofluran CP, CP-Pharma Handelsgesellschaft mbH) in einer Konzentration von 1,5–2% aufrechterhalten. Die Atmung erfolgte teils spontan, teils kontrolliert. Während der Narkose erhielt das Alpakafohlen eine intravenöse Infusion einer Vollelektrolytlösung (40 ml/kg, 10 ml/kg/h, E156, Ringer-Lösung Bernburg, Serumwerk Bernburg AG) sowie Metamizol (40 mg/kg i. v., Metapyrin® 500 mg/ml, Serumwerk Bernburg AG). Zur Operation wurde das Cria in Rückenlage fixiert und anschließend das Operationsfeld chirurgisch vorbereitet. Der Nabel wurde auf einer Länge von ca. 10 cm ellipsoid umschnitten. Danach erfolgte die Präparation durch Fett, Bindegewebe und Muskulatur bis in die Bauchhöhle. Die beiden freipräparierten Nabelarterien wurden gemeinsam mit dem Urachus am Apex vesicae ligiert und danach abgesetzt (▶ Abb. 3 a). Nach Ligatur der Nabelvene wurde diese lebernah reseziert (▶ Abb. 3 b). Der korrekte Sitz der Ligaturen wurde geprüft und anschließend die Abdominalhöhle verschlossen (Adaptation von Peritoneum, Musculus transversus abdominis sowie beider schräger Bauchmuskeln mit Sultan‘schen Diagonalheften, Unterhautnaht, Klammerung der Haut). Ein steriles Wundpflaster deckte die Operationswunde ab. Die Aufwachphase von etwa 20 Minuten verlief komplikationslos. Die präoperativ begonnene parenterale Antibiotikatherapie wurde bis einschließlich Tag 5 post operationem fortgeführt. Am Tag der Operation und am Folgetag erhielt das Cria Meloxicam (0,5 mg/kg i. v., Metacam® 5 mg/ml, Boehringer Ingelheim Vetmedica GmbH). Zum Schutz der Magenschleimhaut wurde ein Protonenpumpenhemmer (Pantoprazol, 1,0 mg/kg i. v., Pantozol i. v., Takeda GmbH) appliziert. Das Tier war postoperativ nicht infusionspflichtig. Nach komplikationsloser Wundheilung wurden am Tag 10 post operationem die Hautklammern entfernt. Anschließend konnte das Jungtier mit seiner Mutter bei gutem Allgemeinbefinden nach Hause entlassen werden. Diskussion Die Therapie der Urachusfistel kann abhängig von den erhobenen Befunden auf konservativem oder chirurgischem Weg erfolgen. Voraussetzung für eine konservative Behandlung beim Pferdefohlen ist nach Jung et al. (9) das Fehlen einer Nabelinfektion sowie ein Urachuslumen von maximal 6 mm Durchmesser. Auch Knottenbelt et al. (11) sowie Reimer und Bernard (13) beschreiben den Erfolg der konservativen Therapie in Fällen ohne Infektion der Nabelstrukturen oder bei nur „milden“ Infektionen. Als konservative Therapiemethoden stehen die chemische Verödung (Kauterisierung) und die Kryochirurgie zur Verfügung. Die chemische Kauterisierung einer kongenitalen Urachusfistel mittels Metakresol kann nach den Erfahrungen von Jung et al. (9) nicht mehr empfohlen werden. Metakresol ist außerdem als Präparat mit Zulassung für den Einsatz in der Veterinärmedizin seit kurzem nicht mehr im Handel. Jung et al. (9) stellten ab ca. 2 Tage nach der Erstbehandlung mit Metakresol eine generelle Entzündung im Bereich des Urachus fest, die sich bei 50% der Tiere in Richtung Harnblase ausbreitete, sodass am 5. Behandlungstag, nach einer zweiten Metakresolinstillation in den distalen Urachusabschnitt, als Komplikation eine Zystitis diagnostiziert wurde. Jung und Velde (10) warnen vor der Provokation eines Uroperitoneums durch Nekrotisierung des periurachalen Gewebes nach Einsatz chemischer Verödungslösungen wie Silbernitratlösung, Metakresol, PVP-Jod-Lösung oder 10%iger Formalinlösung. Knottenbelt et al. (11) hingegen halten den Einsatz von 10%igem Formalin oder 2%iger Jododer Phenoltinktur für vertretbare Praxismethoden und beschreiben die Urachusruptur als seltene Komplikation. Wichtig sei dabei, den mit der Lösung getränkten Tupfer oder Silbernitratstift nicht tiefer als 2 cm in den Urachus einzuführen, um keine aufsteigenden Infektionen zu riskieren. Jung et al. (9) betrachten die Kryochirurgie mit flüssigem Stickstoff als die konservative Therapiemethode der Wahl. Klare Vor- Tierärztliche Praxis Großtiere 6/2015 © Schattauer 2015 Downloaded from www.tieraerztliche-praxis.de on 2015-12-10 | ID: 1001077165 | IP: 139.18.73.157 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 372 K. Kubus et al.: Therapie der Urachusfistel bei einem Alpaka-Cria teile seien Schmerzarmut, eine im Vergleich zur Verödung schnellere Heilung und insbesondere das geringe Infektionsrisiko, unter anderem zurückzuführen auf die Aktivierung lokaler und systemischer Abwehrvorgänge durch den Kälteinsult sowie die Anregung der Granulationsgewebsbildung. Dabei sind sich die Autoren einig, dass das Fohlen zum Schutz vor inflammatorischen Veränderungen des Urachus mit akuter Sepsisgefahr unter systemischen antibiotischen Schutz gestellt werden sollte. In der Studie von Jung et al. (9) wurden die Fohlen mit Amoxicillin kombiniert mit Gentamicin behandelt, Reimer und Bernard (13) verwendeten Sulfadimidin-Trimethoprim, das auch bei unserem Patienten eingesetzt wurde. Auch für Neuweltkameliden wird der antibiotische Schutz des Crias im Rahmen der konservativen Therapie der Urachusfistel über einen Zeitraum von mehreren Tagen angeraten (3). Die für das Pferdefohlen beschriebenen Methoden der chemischen Verödung und der Kryochirurgie werden in der Literatur für Neuweltkameliden nicht erwähnt. Vielmehr wird hier zur Behandlung der kongenitalen Urachusfistel die Ligatur des kompletten Nabels oder des isolierten Urachus beschrieben (3, 8). Auch für das Pferdefohlen wurde in älterer Literatur bei fehlenden Entzündungsanzeichen die Umstechung oder Unterbindung des Urachus empfohlen (4), doch bleibt dieses Verfahren in jüngerer Literatur unberücksichtigt. Nach Duncanson (3) sollte der ligierte Urachus innerhalb von 10 Tagen verschlossen sein. Ewoldt et al. (5) berichten, dass sich der kongenitale „persistent urachus“ in Abwesenheit von Infektionen innerhalb von 5 Tagen nach der Geburt ohne jegliche Behandlung schließt. Bei unserem Patienten führte die 6-tägige konservative Behandlung (lokale Reinigung und Desinfektion des Nabelstrangs mit PVP-Jod-Lösung, Instillation von Procain-Penicillin, systemische Antibiose) nicht zum Verschluss der Urachusfistel, sodass eine chirurgische Therapie erfolgte. Eine Ligatur des Nabelstrangs bzw. Urachus wie von Duncanson (3) oder Fowler (8) beschrieben, wurde wegen zu unsicherer Erfolgsaussichten (Persistenz der Fistel) nicht vorgenommen. In Anlehnung an die Operationstechnik beim Kleintier entschieden sich die Operateure für eine Ligatur des Urachus direkt kranial des Apex vesicae. Da das Gewebe keine makroskopischen Veränderungen aufwies, die eine Heilungsproblematik erwarten ließen, und durch die Ligatur des Urachus auch kein Blindsack geschaffen wurde, unterblieb eine Eröffnung der Fazit für die Praxis Der Nabels bedarf beim neugeborenen Alpaka ebenso wie bei anderen Neonaten innerhalb der ersten Lebenstage einer regelmäßigen Kontrolle. Treten Abweichungen vom physiologischen Zustand auf, sollte zeitnah eine Behandlung erfolgen, um Komplikationen mit drohenden Spätfolgen zu vermeiden. Im Fall einer Urachusfistel ist die konservative Therapie in der Regel der erste Schritt. Bleibt der gewünschte Erfolg nach 5 Tagen aus, stellt die chirurgische Versorgung auch beim Cria eine empfehlenswerte Behandlungsmethode dar. Harnblase. Im Falle einer makroskopisch erkennbaren Infektion der Nabelarterien und/oder des Urachus hätten diese Strukturen im gesunden Gewebe reseziert werden müssen. Diese Vorgehensweise beschrieben Schwantag und Zanolari (14) bei einem Lamafohlen im Rahmen der Therapie einer Omphalourachitis mit intraabdominalem Urachusabszess. Hierbei wurde die Harnblase eröffnet und nach Entfernung des veränderten Gewebes zweischichtig invertierend verschlossen, wie es auch Knottenbelt et al. (11) für die chirurgische Versorgung der Urachusfistel des Pferdefohlens beschrieben. Das bei unserem Patienten eingesetzte Narkoseprotokoll erfolgte in Absprache mit den Kollegen der Kleintierklinik. Erfahrungsgemäß wurde diese Medikation von den bisherigen Alpakapatienten gut toleriert und auch die Aufwachphase verlief in der Regel komplikationslos. Da es, wie in der Einleitung erwähnt, in Deutschland keine für Alpakas zugelassenen Medikamente gibt, muss immer eine Umwidmung mit Angabe der entsprechenden Wartezeit erfolgen. Im vorgestellten Fall wurden auch Medikamente verwendet, die nicht für lebensmittelliefernde Tiere zugelassen sind. Um dies zu ermöglichen und rechtlich abzusichern, werden an unserer Klinik Besitzer von Alpakas bei der Patientenaufnahme grundsätzlich aufgefordert, eine Haltererklärung zu unterschreiben, in der sie versichern, ihr Tier nicht der Lebensmittelgewinnung zuzuführen. Interessenkonflikt Die Autoren bestätigen, dass kein Interessenkonflikt besteht. Literatur 1. Bostedt H. Erkrankungen des neugeborenen Fohlens. In: Handbuch Pferdepraxis, 3. Aufl. Dietz O, Huskamp B, Hrsg. Stuttgart: Enke 2006; 132–162. 2. Burri IH, Tschudi P, Martig J, Liesegang A, Meylan M. Neuweltkameliden in der Schweiz. II. Referenzwerte für hämatologische und blutchemische Parameter. Schweiz Arch Tierheilk 2006; 147 (8): 335–343. 3. Duncanson GR. Medicine and surgery of the urino-genital system. In: Veterinary Treatment of Llamas and Alpacas. Duncanson GR, ed. UK: CABI 2012; 121–122. 4. Elze K. Urachusfistel. In: Handbuch der Pferdekrankheiten für Wissenschaft und Praxis. Dietz O, Wiesner E, Hrsg. Jena: Fischer 1982; 1315–1316. 5. Ewoldt JI, Baird AN, Anderson DE. Urogenital surgery in camelids. In: Lama and Alpaca Care. Cebra C, Anderson DE, Tibary A, Van Saun RJ, Johnson LaRueW, eds. St. Louis: Elsevier 2014; 702–709. 6. Fowler ME, Bravo PW. Neonatology. In: Medicine and Surgery of Camelids, 3rd edn. Fowler ME, ed. Iowa: Wiley-Blackwell 2010; 507–524. 7. Fowler ME. Hemic and lymphatic systems. Medicine and Surgery of Camelids, 3rd edn. Fowler ME, ed. Iowa: Wiley-Blackwell 2010; 407–422. 8. Fowler ME. Surgery. In: Medicine and Surgery of Camelids, 3rd edn. Fowler ME, ed. Iowa: Wiley-Blackwell 2010; 129–171. 9. Jung C, Stumpf G, Litzke L-F, Bostedt H. Zur konservativen Therapie der Urachusfistel beim Fohlen: Kryochirurgie versus Metakresolverödung. Pferdeheilk 2008; 24 (4): 554–564. 10. Jung C, Velde K. Erkrankungen des Nabels. In: Fohlenmedizin. Fey K, Kolm G, Hrsg. Stuttgart: Enke 2011; 344–364. 11. Knottenbelt DC, Holdstock N, Madigan J. Krankheitsbilder. In: Neonatologie der Pferde. Knottenbelt DC, Hrsg. München: Elsevier 2007; 187–436. © Schattauer 2015 Tierärztliche Praxis Großtiere 6/2015 Downloaded from www.tieraerztliche-praxis.de on 2015-12-10 | ID: 1001077165 | IP: 139.18.73.157 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. K. Kubus et al.: Therapie der Urachusfistel bei einem Alpaka-Cria 12. Laverty PH, Salisbury SK. Surgical management of true patent urachus in a cat. J Small Anim Pract 2002; 43: 227–229. 13. Reimer JM, Bernard WV. Urinary and umbilical disorders. In: Equine Pediatric Medicine. Bernard WV, Sparr BS, eds. London: Manson 2012; 203–214. 14. Schwantag S, Zanolari P. Omphalourachitis mit Urachusabszess und Rektumprolaps bei einem Lamafohlen (Lama glama). Tierärztl Prax 2013; 41 (G): 119–123. 15. Tibary A, Johnson LW, Pearson LK, Rodriguez JS. Lactation and neonatal care. In: Lama and Alpaca Care. Cebra C, Anderson DE, Tibary A, Van Saun RJ, Johnson LaRueW, eds. St. Louis: Elsevier 2014; 286–297. 16. Wissdorf H, Glitz F, Bartmann CP, Gerhards H, Harps O. Harnorgane und Nebennieren. In: Praxisorientierte Anatomie und Propädeutik des Pferdes, 3. Aufl. Wissdorf H, Gerhards H, Huskamp B, Deegen E, Hrsg. Hannover: Schaper 2010; 721–735. 17. Vetidata. Haltererklärung. 2010. http://vetidata.de/pdfs/allg/haltererklaerung.pdf (letzter Zugriff am 22.05.2015). Anzeige Downloaded from www.tieraerztliche-praxis.de on 2015-12-10 | ID: 1001077165 | IP: 139.18.73.157 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 373
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