Outsourcing von IT-Dienstleistungen

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Sascha Kurth, Till Haselmann
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Outsourcing von IT-Dienstleistungen
– Verträge richtig gestalten
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
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ISBN 978-3-8249-1932-1
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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.
Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
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Outsourcing von IT-Dienstleistungen
Outsourcing von IT-Dienstleistungen – Verträge richtig
gestalten
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fen, ihre Verträge inhaltlich, strukturell
und prozessual so zu gestalten, dass Organisationseffizienz, juristische Unbedenklichkeit und letztendlich auch Kundenzufriedenheit nach Möglichkeit gewährleistet werden.
Autoren: Sascha Kurth
Till Haselmann
E-Mail: [email protected]
[email protected]
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Die Erstellung von Serviceverträgen ist
eine regelmäßige Aufgabe für IT-Outsourcing-Anbieter. Mangels adäquater Standards oder konkreter Best Practices geschieht dies jedoch üblicherweise höchst
individuell und oft mit unzureichendem
Blick auf das Gesamtbild der Verträge eines Unternehmens. In diesem E-Book
skizzieren wir diese Problematik, leiten
Anforderungen an Serviceverträge ab und
stellen auf dieser Basis konkrete Lösungsansätze dar, die Unternehmen hel-
1 Status quo bei der Vertragsgestaltung
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Es liegt in der Natur ihrer Geschäftsbeziehung, dass IT-Service-Provider regelmäßig Serviceverträge mit ihren Kunden
aushandeln und abschließen müssen. Erfahrungsgemäß werden Vorgehen und Inhalt bei einer solchen Vertragsgestaltung
häufig für den Einzelfall neu abgestimmt. Grundsätzlich
existieren derzeit keine adäquaten Standards und auch die
Verwendung von Best Practices wie der ITIL bietet aufgrund
der großen „Flughöhe“ keinen nennenswerten Mehrwert für
die konkrete Ausgestaltung von Vertragsstrukturen. Ausnahmen mag es teilweise mit den EVB-IT-Verträgen in der öffentlichen Verwaltung geben. Die Erstellung von Serviceverträgen basiert daher häufig auf eigenen Erfahrungen oder auf
Empfehlungen von Beratungshäusern und IT-Anwaltskanzleien. Dies wiederum führt dazu, dass am Markt eine große
Vielfalt an Servicevertragsstrukturen existiert.
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Outsourcing von IT-Dienstleistungen
Probleme
aufgrund
fehlender
Standards
Zwar führt die Einzelverhandlung zwischen zwei Parteien oft
kurzfristig zu zufriedenstellenden Ergebnissen in Bezug auf
die konkrete Verhandlung. In einer globalen Betrachtung über
alle Verträge eines IT-Service-Providers mit seinen Kunden
(oder einer internen IT mit ihren IT-Service-Providern) eröffnen sich jedoch diverse Problemfelder, von denen wir die
unserer Erfahrung nach wichtigsten kurz skizzieren:
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• Oftmals entstehen unnötig lange Dokumente, da unzureichend auf entsprechende Rahmendokumente verwiesen
wird. Die langen Dokumente verursachen unnötigen Verwaltungsaufwand bei der Erstellung und Pflege und belasten Mitarbeiter über Gebühr, die darin nach relevanten
Informationen für den Betrieb suchen.
• Die Leistungsbeschreibungen sind unklar und nicht ausreichend differenziert, weil diese für den Einzelfall –
möglicherweise auf der Basis einer Vorlage, die „gerade
zur Hand“ war – erzeugt wurden und man keine gründlich
erarbeitete, bewährte Leistungsbeschreibung zugrunde
legt, in der man auch die nicht naheliegenden Fälle ausreichend berücksichtigt hat. Häufig werden auf diese
Weise seltene Tätigkeiten oder besondere Situationen im
Kontext der Leistungserbringung vergessen. Dies führt zu
Diskussionen und Unstimmigkeiten zwischen den Vertragspartnern, wenn die nicht geregelten Situationen eintreten. Im Streitfall zeigt sich dann außerdem häufig, dass
die so erstellten Verträge einer juristischen Prüfung nicht
standhalten.
• Die verwendeten Begriffe aus verschiedenen Serviceverträgen stimmen nicht überein. Ein markantes Beispiel aus
unserer Erfahrung ist der Begriff „Servicezeit“, der sowohl
von IT-Service-Providern als auch von der internen IT
gerne auf verschiedene, teilweise gegensätzliche Weise
definiert wird. So bezeichnet der Begriff einmal die Zeit,
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Outsourcing von IT-Dienstleistungen
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in der der Service-Desk verfügbar ist, ein anderes Mal die
Zeit, in der lediglich der technische Service (und gerade
kein Support) verfügbar ist. Auch die gesamte Zeit, in der
die Verfügbarkeit eines Service garantiert wird, wird mitunter als Servicezeit bezeichnet. Entsprechend problematisch sind daher die Diskussionen zwischen den Vertragsparteien.
• Die Verträge enthalten in sich Unstimmigkeiten, weil
verschiedene Abschnitte von verschiedenen Personen geschrieben werden, die Inhalte im Vorfeld nicht ausreichend abgestimmt wurden und eine abschließende, konsolidierte Qualitätssicherung gegenüber Vertrags- und
Leistungsstandards fehlen. Ein typisches Beispiel sind
Diskrepanzen zwischen den vereinbarten Service Level
Targets (SLT) und den zu erstellenden Kundenberichten,
die dann nicht alle Service Level Targets enthalten.
• Schließlich führt die Orientierung am Einzelfall in der
Regel zu Diskrepanzen zwischen verschiedenen Kunden,
die sich einerseits in der Struktur der Dokumente niederschlagen und andererseits auch in den vereinbarten Service Level Targets. Im ersten Fall findet man die gesuchten
Informationen im Vertrag nicht immer an der gleichen
Stelle. Im zweiten Fall müssen alle Sonderfälle im Tagesgeschäft, z. B. in Form individueller Reports, berücksichtigt werden.
Die beschriebenen Problemfelder haben Auswirkungen auf
die Effizienz, die Wirksamkeit, die Qualität und die juristische Unbedenklichkeit bei Serviceverträgen.
Typische Probleme, deren
Auswirkungen
und Lösungsansätze
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Abbildung 1 zeigt die typischen Probleme, deren Auswirkungen und Lösungsansätze im Kontext von Serviceverträgen
in Outsourcing-Situationen. Alle drei „Säulen“ beeinflussen
sich gegenseitig, da z. B. Auswirkungen zu neuen Problemen
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Outsourcing von IT-Dienstleistungen
führen können oder die Intensität der vorliegenden Probleme
die zutreffenden Lösungsansätze beeinflusst.
unnötig lange
Dokumente
Vertragswerke, die in
sich unstimmig sind
hohe
Transaktionskosten
„verwendbare“
Verträge (prägnant,
juristisch sicher,
verständlich)
Inkonsistenzen in den
Verträgen
Verrminderung der
Auswirkungen
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uneinheitliche
Verwendung von
Standardbegriffen
Lösungsansätze
Intransparenz
Informationsasymmetrie
Verursachung
neuer/anderer
Probleme
Diskrepanz in der
Wahrnehmung
zwischen Service
Provider und Kunde
es
Leistungsbeschreibung
nicht ausreichend
differenziert
Erzeugung
von
Auswirkungen
Auswirkungen
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Probleme
Beeinflussung
der möglichen
Ansätze
Korrespondenz von
Servicevertrag und
Servicekatalog
Einheitlichkeit der
Vertragsstrukturen
Einheitlichkeit der
Leistungsstrukturen
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zu viel Raum für
Interpretationen
kunden- oder
providerübergreifende
Diskrepanz zwischen
Verträgen
juristische Probleme
Einbindung in
Unternehmensprozesse
Abb. 1: Typische Probleme, deren Auswirkungen und Lösungsansätze im Kontext von
Serviceverträgen in Outsourcing-Situationen
Aus unseren Erfahrungen lassen sich konkrete Anforderungen bzw. Lösungsansätze an Serviceverträge ableiten, die für
alle Serviceverträge Geltung haben.
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Outsourcing von IT-Dienstleistungen
2 Allgemeine Anforderungen an Serviceverträge
2.1 Verwendbarkeit
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Leider gibt es kein Patentrezept und keine allgemeingültige
„optimale Balance“. Vielmehr muss jedes Unternehmen für
sich die richtige Abwägung treffen zwischen den drei Zielen
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Abwägen
zwischen drei
Zielen
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Die Verträge müssen „verwendbar“ sein, das heißt, sie müssen
einerseits juristisch einwandfrei und eindeutig formuliert
sein, andererseits aber auch für Nichtjuristen verständlich
bleiben und möglichst prägnant sein, damit benötigte Informationen schnell gefunden werden können. Prägnante Darstellungen erfordern jedoch häufig die Verwendung von
Fachbegriffen aus der IT oder einer bestimmten Domäne
(bspw. der Energiewirtschaft), sodass sehr knappe Darstellungen wiederum nicht allgemein verständlich sind. Zu lange
Erläuterungen von juristischen oder domänenspezifischen
Fachbegriffen führen hingegen zu sehr langen Texten, die der
Prägnanz und damit mittelbar der Verwendbarkeit der Verträge schaden.
• Prägnanz,
• juristische Unbedenklichkeit und
• Verständlichkeit.
Maßnahmen
Gerade die juristische Seite wird gerne zurückgestellt, obwohl
und
beim Bezug von IT-Services teilweise bedeutende juristische
Auswirkungen Fragestellungen aufkommen [1]. Abbildung 2 zeigt einige
beispielhafte Maßnahmen und ihre Auswirkungen auf die drei
erstrebenswerten, in Teilen gegensätzlichen Eigenschaften,
die bei der Erstellung von Serviceverträgen abgewogen werden müssen. Sie verdeutlicht, dass üblicherweise nicht alle
drei „Dimensionen“ auf einmal verbessert werden können.
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Outsourcing von IT-Dienstleistungen
Auswirkung auf
beispielhafte
Maßnahme
juristische
Unbedenklichkeit
Allgemeinverständlichkeit
Verwendung juristischer
Fachbegriffe
positiv
positiv
negativ
Verwendung
domänenspezifischer
Fachbegriffe
positiv
fallabhängig
negativ
ausführliche Erläuterungen
negativ
fallabhängig
positiv
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Prägnanz
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Abb. 2: Beispielhafte Maßnahmen und ihre Auswirkungen, die bei Erstellung von ITServiceverträgen abzuwägen sind
2.2 Korrespondenz von Servicevertrag und
Servicekatalog
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Services aus einem Servicekatalog (oder zumindest einer
Sammlung von Standardbeschreibungen) sollten sich möglichst unverändert im Servicevertrag wiederfinden – oder es
muss redundanz- und widerspruchsfrei darauf verwiesen
werden. Das erleichtert die Erstellung der Verträge und reduziert die Arbeit, die sonst durch die Berücksichtigung von
Sonderfällen im Tagesgeschäft entstünde.
2.3 Einheitlichkeit der Vertragsstrukturen
Inhaltlich und
strukturell
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Die Serviceverträge sollten über alle Kunden bzw. über alle
Service-Provider (aus Sicht einer internen IT) hinweg möglichst einheitlich sein. Das bezieht sich sowohl auf die
Struktur (gleicher Aufbau) als auch auf den Inhalt (dieselben
Begriffsdefinitionen).
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Outsourcing von IT-Dienstleistungen
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Erfahrungsgemäß ist es in der Praxis leichter zu „verschmerzen“, wenn strukturelle Abweichungen zwischen Verträgen
existieren, als wenn es sich um inhaltliche Abweichungen
handelt. In der Regel werden die Inhalte der Serviceverträge
(insbesondere die Service-Level) in eigene Übersichten oder
ITSM-Tools zusammengefasst, sodass die zugrunde liegenden Verträge nicht mehr so häufig zurate gezogen werden.
Inhaltliche Abweichungen, z. B. hinsichtlich der Art der vereinbarten Service Levels, sind hingegen schwieriger zu
handhaben, vor allem, wenn diese auch in nachgelagerten
Prozessen oder Tools nicht standardmäßig abgebildet werden
können.
2.4 Einheitlichkeit der Leistungsstrukturen
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Insbesondere für Service-Provider sollten zudem die angebotenen bzw. zu erbringenden Leistungen möglichst homogen
und an Marktstandards angelehnt sein (passender Leistungszuschnitt und gleichartige Service Level Targets). Nur so
lassen sich entsprechende Synergie- und Kosteneinsparungseffekte realisieren. Insbesondere bei IT-Infrastrukturleistungen – virtuelle Server, Storage, Datenbanksysteme – sind die
Leistungsbündel heutzutage gut vergleichbar und in hohem
Maße standardisiert.
2.5 Einbindung in IT-Service-Management- und
Unternehmensprozesse
Der Prozess zur Erstellung und Vereinbarung von Serviceverträgen muss sowohl in die IT-Service-Management-Prozesslandschaft als auch in die Unternehmensprozesslandschaft eingebunden werden. Insbesondere ist es wichtig, explizite Prüfungs- und Freigabeschritte für die fachlichen und
kaufmännischen Inhalte des Vertrags zu etablieren.
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Outsourcing von IT-Dienstleistungen
3 Ansätze für eine optimale Vertragsstruktur
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In diesem Abschnitt beschreiben wir einige Empfehlungen für
die Vertragsgestaltung, die wir aufbauend auf konkreten, in
der Praxis verwendeten Ansätzen in verallgemeinerter Form
darstellen. Wir skizzieren, wie die allgemeinen Anforderungen an Serviceverträge aus dem vorigen Abschnitt in einer
einheitlichen und konsistenten Vorgehensweise umgesetzt
werden können. Zunächst erläutern wir Ansätze für eine optimale Vertragsstruktur basierend auf einem modularen Aufbau des Vertragswerks. Anschließend zeigen wir die Wichtigkeit einheitlicher Leistungsstrukturen auf und gehen auf
die Einbindung in IT-Service-Management- und Unternehmensprozesse ein.
3.1 Modularer Aufbau des Vertragswerks
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Um einerseits den individuellen Anforderungen eines Outsourcing-Gebers und andererseits den Standardisierungsbestrebungen des Outsourcing-Nehmers gerecht zu werden,
haben wir einen modularen Aufbau für das gesamte Vertragswerk für eine Geschäftsbeziehung entwickelt (siehe
Abbildung 3).
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Modulare
Vertragsgestaltung
Grundvertrag
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Ausgangsbasis ist ein sogenannter Grundvertrag, der in der
Regel vom Outsourcing-Geber vorgegeben wird und auf seinen AGB basiert; oft heißt er „IT-Outsourcing-Vertrag“, „ITBetriebsvertrag“, „IT-Dienstleistungsvertrag“ oder ähnlich.
Dieser Vertrag gibt den allgemeinen Rahmen für die gesamte
Geschäftsbeziehung vor (z. B. hinsichtlich Laufzeit und
Kündigungsfristen, Haftung oder Geheimhaltungsvereinbarungen) und enthält keine detaillierten Festlegungen zu inhaltlichen Aspekten der Services. Es wird häufig Anlagen
zum Grundvertrag geben, in denen z. B. Details zur Auftragsdatenverarbeitung (im Sinne des Datenschutzrechts)
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Outsourcing von IT-Dienstleistungen
Grundvertrag
Vereinbarungen zu Services
Projektverträge
individuell
standardisiert
individuell
allgemeine
Regelungen
(standardisiert)
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Serviceschein
SLA 1
pro Thema ein Service
Level Agreement, SLA
(individualisiert)
SLA n
Abb. 3: Modulares Konzept für Servicevertragswerke
es
oder zum generellen IT-Sicherheitskonzept der Vertragspartner festgehalten werden.
„Einmalige“ Individualleistungen, die nicht als Standardleistungen im Rahmen eines Servicekatalogs (oder vergleichbar)
verzeichnet sind, werden durch individuelle Zusatzvereinbarungen spezifiziert. Hierbei handelt es sich in der Regel um
kundenindividuelle Projektverträge.
Service
Level
Agreement
(SLA)
Alle Standardleistungen hingegen werden pro Thema in ein
Service Level Agreement (SLA) zusammengefasst. Das SLA
besteht jeweils im Wesentlichen aus Servicescheinen, die dem
Servicekatalog entnommen werden. Die Servicescheine beschreiben die zu erbringenden Standardleistungen, z. B. verschiedene Aspekte eines Service zur Bereitstellung von Arbeitsplatzhardware; wir gehen im folgenden Abschnitt näher
auf sie ein.
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Kundenindividueller
Projektvertrag
E TÜV Media GmbH
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