Rede 2016.01.10 Pressefassung

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Rede des Vorsitzenden Klaus Hacker zum Neujahrsempfang des Theaterfördervereins Hagen
e.V. am 10.01.2016
Meine Damen und Herren, ein Neujahrsempfang ist natürlich immer ein Anlass, Rückschau
zu halten, aber auch nach vorn zu blicken. Zur Rückschau hat die Westfalenpost bereits mit
einer Doppelseite beigetragen – es ist eine Darstellung der Kosten, der
Mitarbeiterentwicklung, der Einwohnerentwicklung usw. Die Fakten sind wichtig für eine
sachliche Auseinandersetzung über das, was Theater kostet und leistet. Allerdings sind
zahlreiche Anmerkungen der Theaterleitung nicht wiedergegeben worden, so dass sich an
manchen Stellen ein schiefes Bild ergibt. Herr Hilchenbach wird darauf sicher noch eingehen.
Ich hoffe sehr, dass die heftige Debatte des vergangenen Jahres zwischen den
Theaterverantwortlichen und der Politik jetzt nicht wieder von vorn beginnt. Der Streit entlud
sich wegen der Kürzung des Theaterbudgets ab 2018 um 1,5 Mio. €, die von der
Theaterleitung als nicht machbar und von der Stadtspitze als unverzichtbar beurteilt wird.
Ich habe als Vertreter der Kulturförderer im Aufsichtsrat für eine gerade noch vertretbare
Budgetkürzung von 400.000 € gestimmt und deutlich gemacht, das weitergehende Kürzungen
den Bestand des Musiktheaters gefährden würden. Der Kürzungsbeschluss des Rates der Stadt
Hagen aus Dezember 2013 wird jedoch von der Politik und dem OB als unumstößlich
angesehen.
Ab und zu hört man ja aus dem Rathaus Aussagen wie: „Beim Theater werden die Reichen
aus Steuermitteln subventioniert“. Oder: „Unter jedem Sitz klebt ein Steuerscheck von 83
Euro.“ Das sind nun mal öffentliche Aufgaben, die aus Steuern finanziert werden. Dafür
zahlen wir doch alle unsere Steuern. Wir sagen ja auch nicht, dass unter jedem Sitz der
Hagener Straßenbahn oder in der Umkleidekabine der Schwimmbäder ein Steuerscheck klebt.
Und die These, meine Damen und Herren, dass nur die Reichen ins Theater gehen, stimmt
einfach nicht. Da mögen die Herrschaften, die diese These verbreiten, doch einfach mal zu
uns ins Theater kommen, dann werden sie sehen, dass hier ganz normale Menschen im
Zuschauerraum sitzen. Für viele von ihnen ist der jetzige Eintrittspreis schon schwer
aufzubringen.
Der Besuch des Theaters und die kulturelle Bildung darf schließlich kein Privileg der Reichen
sein! Die Pisa-Studie hat für Deutschland nachgewiesen, dass insbesondere die
Unterpriviligierten keine Chancengleichheit bei der Schulbildung haben! Auf diesem Wege
dürfen wir nicht fortfahren.
Wie soll sich unsere Jugend, insbesondere aus ärmeren Familien und Migranten dann
entwickeln können? In Hagen kommen bereits 60 % der Jugendlichen ausFamilien mit
Migrationshintergrund! Und jetzt kommen die Flüchtlinge und ihre Kinder noch dazu. Wir
müssen uns in Hagen auf einen Zustrom von mehreren Tausenden Menschen einstellen.
Das Theater kann hier eine wichtige Integrationsleistung erbringen. Musiktheater und
Tanztheater können Sprachbarrieren überwinden helfen und das gemeinsame Erlebnis kann
sehr hilfreich sein angesichts des unterschiedlichen kulturellen Hintergrunds. Kulturelle
Bildung muss allerdings finanziell leistbar bleiben. Die Finanzierung des Theaters aus
öffentlichen Mitteln ist da gut angelegtes Geld.
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Jedoch wird seitens der Stadt immer wieder darauf hingewiesen, dass Hagen im Vergleich mit
anderen Städten zuviel für die Kultur ausgibt.
Das ist ein Vergleich von Äpfeln mit Birnen. Hier werden Städte mit und ohne Theater in
einen Topf geworfen. Verglichen mit den Städten, die ein eigenbespieltes Theater haben,
geben wir weniger für Kultur aus. Des weiteren werden wir mit Städten verglichen, die
weniger als 200.000 Einwohner haben. Wären wir noch in der Vergleichsgruppe mit Städten
über 200.000 Einwohner, hätten wir unterdurchschnittliche Kulturausgaben. Vielleicht sind
wir ja dank des Zustroms aus Kriegsgebieten und Osteuropa in ein paar Jahren wieder über
200.000. Ein Plus von 5.000 Einwohnern ist seit 2013 bereits zu verzeichnen. Das relativiert
die Höhe der Zuwendungen pro Einwohner, die das Theater von der Stadt erhält.
Aber bleiben wir bei dem, was heute ist. Ein Vorschlag zur Umsetzung des 10%igen
Kürzungsbeschlusses liegt nicht vor. Die Theaterleitung und der Aufsichtsrat der in diesem
Jahr gegründeten gemeinnützigen Theater-GmbH sehen das nicht als realisierbar an, wenn
gleichzeitig der Bestand aller Sparten gesichert und trotzdem keine betriebsbedingten
Kündigungen erfolgen dürfen. Dies soll nun der neue Intendant bzw. die neue Intendantin
regeln, der oder die zur Zeit von der Findungskommission gesucht wird. Als Mitglied der
Findungskommission kann ich Ihnen versichern, dass wir interessante Bewerberinnen und
Bewerber haben und selbstverständlich sind die Kandidaten über die geplante finanzielle
Ausstattung des Theaters informiert.
Ich denke, nun ist es aber höchste Zeit, dass ich über das spreche, was Theater ausmacht. Das
Theater ist nämlich nicht nur Kostenverursacher, sondern die bedeutendste Kultureinrichtung
der Stadt Hagen.
Im zurückliegenden Jahr haben uns exzellente Leistungen des Ensembles, des Orchesters und
des Balletts begeistert. Die Leistung der Theaterbeschäftigten ist angesichts der öffentlichen
Diskussion über ihre Zukunft wirklich bewundernswert.
Großes Lob kommt auch von außen:
Das Philharmonische Orchester Hagen bekam den Preis für das beste Konzertprogramm der
Saison 2014/2015. Das hat eine Jury des Deutschen Musikverleger-Verbandes entschieden.
Sie lobte das Hagener Orchester für sein außergewöhnlich breites Repertoire.
Am 28. März 2015 wurde der DEUTSCHE TANZPREIS an Ricardo Fernando im
ausverkauften Aalto-Theater in Essen verliehen, weil er als Ballettdirektor seit nunmehr zehn
Jahren beispiellose Aufbau- und Stabilisierungsarbeit leistet.
Zu bewundern und vorbildlich sei die Beharrlichkeit des Brasilianers, der in der klammen
Stadt Hagen das Ballett über alle Finanzkrisen hinweg gerettet hat.
Den kommunalen Klimaschutzpreis, mit 30.000 Euro dotiert, erhielt das Lutz. Die
erfolgreiche Bewerbung stützte sich auf die Theatertrilogie rund um die Mücke „Lucy“. OB
Schulz nahm den Preis entgegen.
Eine weitere Auszeichnung „Kinder zum Olymp“ gab es für die kulturelle Zusammenarbeit
zwischen Schulen und Kunsteinrichtungen. Schüler der Oberlinschule haben in enger
Zusammenarbeit mit dem lutzhagen gemeinsame Theaterprojekte entwickelt. Die Ehrung als
Schule mit kulturellem Profil fand in Anwesenheit des Bundespräsidenten statt.
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Die Welt am Sonntag schrieb: Das Theater Hagen kann sich mehrfacher, ausschließlich
positiver Nennungen erfreuen: So wurde die Aufführung der Barber-Oper „Vanessa“ zweimal
als „Beste Inszenierung“ beurteilt, das Theater Hagen zusammen mit dem Theater KrefeldMönchengladbach einmal als „Bestes Opernhaus“ betitelt, und auch in der Kategorie „Was
sonst noch zu sagen ist“ erwähnt mit Sätzen wie „Hagen überrascht immer wieder mit
exzellenten Produktionen“, „Kleinere Häuser wie Hagen überflügeln die großen Opernhäuser
mit ihrer Fantasie in der Programmgestaltung“
Unsere Politiker schmücken sich mit diesem kleinen aber effektiven Theater, sie sind stolz auf
die zahlreichen Preise, die dieses Theater gerade im letzten Jahr gewonnen hat. Mantramäßig
wird betont, wie toll dieses Bürger-Theater doch ist und dass es auf alle Fälle genauso
erhalten bleiben muss. Ich bin geneigt, dies zu glauben, doch die Quadratur des Kreises ist
noch nicht geglückt. Der neue Intendant soll’s richten. Jung an Jahren und voller kreativer
Ideen soll er sein.
Schau’n mer mal, was da an neuen Konzepten vorgelegt wird. Über eines müssen wir uns
alledings im Klaren sein: Es wird nur mit erheblichen Einschnitten gehen. Das bisherige
Programmangebot kann nicht aufrechterhalten werden und die Mitarbeiterzahl wird um mehr
als 10 % sinken müssen, um das Ziel einer Budgetkürzung von 10 % zu erreichen. Wenn
weniger Stücke auf die Bühne gebracht und gleichzeitig die Eintrittspreise erhöht werden,
werden auch die Zuschauereinnahmen zurückgehen. Das erfordert weitere Sparmaßnahmen.
Ich mache mir da keine Illusionen.
Der Weg wird kein leichter sein. Aber ich hoffe und wünsche mir, dass Sie unserem Theater
weiter die Treue halten und sich von den Veränderungen nicht abhalten lassen, weiterhin die
Vorstellungen zu besuchen. Gerade das Theater lebt von der Veränderung und Sie wissen ja,
das einzig Beständige im Leben ist der Wandel.
Verändert hat sich auch die Zugehörigkeit zum Beirat bei uns im Theaterförderverein: Im
letzten Jahr hat sich Dr. Friedel Schneider nach jahrzehntelanger unermüdlicher Tätigkeit nun
auch aus dem Beirat in den Ruhestand verabschiedet, nachdem er ja bereits vor einigen Jahren
das Amt des Schatzmeisters an Rüdiger Althaus abgegeben hat. Neues Mitglied im Beirat ist
Prof. Ortwin Peithmann. Wir freuen uns sehr über diese Verstärkung.
Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und möchte nun
überleiten zum Grußwort des Bürgermeisters Horst Wisotzki.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte nicht schließen, ohne auf die nächste
Theaterreise hinzuweisen. Sie führt uns am 6. März in die Oper Dortmund. Wir sehen dort
eine außerordentlich hochgelobte Inszenierung von Verdi’s La Traviata. Die Einladungen
werden Mitte Januar verschickt.
Bedanken möchte ich mich bei Ihnen, den Mitgliedern des Theaterfördervereins und den
zahlreichen anwesenden weiteren Förderern und Sponsoren für die kontinuierliche
Unterstützung. Wir erhielten von Ihnen Zuwendungen, zum Teil auch in beträchtlicher Höhe.
Vielen herzlichen Dank für diesen enormen finanziellen Beitrag.
Darüber hinaus haben Sie sich auch in vielen Gesprächen mit der Politik, durch Leserbriefe,
durch Teilnahme an Kundgebungen und an Sitzungen im Rathaus eingebracht. Ich freue mich
und bin zutiefst dankbar, dass Sie sich in so vielfältiger Weise für unser Theater engagieren.
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Zudem ist die deutsche Theaterlandschaft einmalig in der Welt. Nirgendwo sonst auf der Welt
gibt es eine solch ausgeprägte Theaterkultur. Wir wollen dies auch in Hagen pflegen und
hegen und im Rahmen unserer Möglichkeiten alles dazu beitragen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen noch einen schönen
Sonntagnachmittag.