H andball - R egel ä nderungenzum 01.07.2016

HANDBALL - REGELÄNDERUNGEN
Z U M 01.07.2016
11.3.2016
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Die neuen Handball-Regeln ab dem 1. Juli 2016
1. Torwart als Feldspieler
Der Torwart kann als siebter Feldspieler (ohne Torhüter-Kennzeichnung) eingesetzt werden.
2. Verletzter Spieler
Ein verletzter Spieler muss das Spielfeld verlassen, nachdem er auf dem Spielfeld medizinisch
behandelt wurde, und darf es erst wieder betreten, wenn seine Mannschaft drei Angriffe
abgeschlossen hat. (Ausnahmen: Der Spieler verletzt sich bei einer gegnerischen Aktion, die
progressiv bestraft wird, oder der Torhüter wird von einem Wurf am Kopf getroffen).
3. Passives Spiel
Nach der Anzeige des Vorwarnzeichens hat die vorgewarnte Mannschaft insgesamt sechs Pässe
zur Verfügung, um auf das Tor zu werfen.
4. Letzte Minute
Der Wortlaut «letzte Spielminute» in den Regeln 8:5, 8:6, 8:10c und 8:10d wird durch die
«letzten 30 Sekunden des Spiels» ersetzt.
5. Blaue Karte
Die Schiedsrichter haben zusätzlich zur Gelben und Roten auch eine Blaue Karte zur Verfügung,
um bei einer Disqualifikation eines Spielers für mehr Klarheit zu sorgen. Wenn die Schiedsrichter
die Blaue Karte zeigen, wird ein schriftlicher Bericht in den Spielbericht aufgenommen und die
Disziplinarkommission ist für weitere Massnahmen verantwortlich.
Die neuen Regeln kamen im vergangenen Sommer bereits an den Weltmeisterschaften der
U19- und U21-Junioren zur Anwendung und gelten ab dem 1. Juli 2016 verbindlich für alle
Nationen. Bezüglich Anwendung und Interpretation ergibt sich auf den ersten Blick natürlich
die eine oder andere Frage. IHF-Regelexperte Manfred Prause nimmt im Interview mit
handball-world.com dazu Stellung.
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Interview mit Manfred Prause (handball-world.com)
Sechs-Pass-Regel beim passiven Spiel und drei Angriffe Pause für einen verletzten Spieler: Mit
der Veröffentlichung der neuen Handball-Regeln sorgte handball-world.com Anfang der
Woche für einen Paukenschlag. Zahlreiche Fragen erreichten die Redaktion seitdem und in
den sozialen Netzwerken wurden die Regeln heiß diskutiert. Für handball-world.com erklärt
Manfred Prause, Vorsitzender der Regelkommission des Weltverbandes IHF, die Änderungen
und betont: „Diese Regeln sollen - das ist das Hauptziel - von der Basis bis ganz oben
GunAir
11.3.2016
Im Fokus: IHF-Experte Prause erklärt für handball-world.com
die neuen Regeln
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einheitlich sein.“
Herr Prause, bevor wir auf die neuen Regeln einzeln eingehen, das wichtigste vorweg: Werden
die Regeln in allen Spiel- und Altersklassen gelten?
Manfred Prause:
Ja. Diese Regeln sollen - das ist das Hauptziel - von der Basis bis ganz oben einheitlich sein. Der
IHF-Kongress hatte 2015 in Sotchi - mit den Stimmen des DHB - beschlossen, dass die neuen
Regeln am 1.Juli 2016 in Kraft treten. Der Präsident und der Generalsekretär des DHB waren vor
Ort und sind dort über die neue Regeln informiert worden. Die Änderungen hätten nur zur
richtigen Zeit an die richtige Stelle gegeben werden sollen.
Die Regeln sind ab 1. Juli gültig, sodass ausgerechnet die Olympischen Spiele das erste große
Event ist, wo nach ihnen gespielt wird. Ist das nicht ziemlich riskant?
Manfred Prause:
Wir wollten bei der Frauen-WM in Dänemark mit diesen fünf Regeländerungen spielen und
hatten auch alle Mitgliedsnationen darüber informiert. Wir haben aber auch gefragt, ob alle
einverstanden sind und zwei Nationen haben das negativ beantwortet. Daher konnten wir in
Dänemark doch nicht mit den neuen Regeln spielen. Die Konsequenz daraus ist jetzt halt, dass
bei Olympia direkt mit den neuen Regeln gespielt werden muss - ebenso wie bei den weiblichen
Jugend- und Juniorinnen-Weltmeisterschaften in Russland und der Slowakei.
Wird es die Möglichkeit für die Nationalmannschaften geben, die Regeln vorher zu „testen“?
Manfred Prause:
Wir haben nächste Woche eine Sitzung mit der Regelarbeitsgruppe und ich werde vorschlagen,
dass bei Vorbereitungsspielen für Olympia die Möglichkeit besteht, dass die neuen Regeln
angewendet werden können. Ich sage das mal so: Es ist zwar noch offen, aber ich bin guter
Dinge, dass wir dafür eine gute Lösung finden. Wir müssen ja dafür sorgen, dass wir unsere
Sportart bei den Olympischen Spielen bestmöglich präsentieren - und wenn wir Regelprobleme
erkennen lassen, wäre das nicht gut.
Kommen wir nun nacheinander zu den Regeln:
1. Torwart als Feldspieler:
Manfred Prause:
Island hat bei der Jugend-WM in Russland schon oft mit der Variante gespielt und danach
gefragt, ob sie es für sich gleich übernehmen können. Eine offizielle Übernahme war sofort
nicht möglich, aber wir sind ihnen dankbar, dass sie es als Test gespielt haben. Ich habe die
Rückmeldung bekommen, dass man in Island sehr, sehr zufrieden damit ist und permanent mit
dieser Art von Wechsel spielt.
GunAir
11.3.2016
So, wie in Deutschland die Regel mit den letzten 30 Sekunden getestet wurde, hat Island diese
Regel ausprobiert. Wie war das Feedback aus Island?
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Kann eine Mannschaft in einem Spiel variieren, ob sie ihren siebten Feldspieler kennzeichnet
oder nicht?
Manfred Prause:
Ja, die alte Version kann beibehalten werden - es kann also weiterhin ein mit Leibchen
gekennzeichneter Spieler als „Torwart“ ins Feld kommen und in diesem Fall auch den eigenen
Torraum betreten. Das Hauptziel dieser Änderung war es, das laufende Wechseln zu
vereinfachen, denn oft sind die Trikots so verschwitzt, dass die Spieler das Leibchen nicht
schnell ausziehen konnten. Daher haben wir gesagt: Wenn die Mannschaft schon einen
weiteren Feldspieler bringt, kann er auch gleich so gekennzeichnet sein. Dabei gibt es aber die
Einschränkung, dass kein Feldspieler ins Tor zurücklaufen kann, sondern der Torwart erst über
den eigenen Auswechselraum wieder ins Spiel gebracht werden muss. Betritt ein Spieler ohne
Leibchen den Torraum und verhindert damit einen Torerfolg, verursacht er einen Siebenmeter.
2. Verletzter Spieler
Wer kontrolliert die drei Angriffe, wenn kein Delegierter im Einsatz ist?
Manfred Prause:
Das haben wir bereits ergänzt: Es kontrolliert der Technische Delegierte bzw. der Zeitnehmer
und der Sekretär. Natürlich ist der Zeitnehmer in unteren Spielklassen eventuell ungeschult,
aber er überwacht schließlich auch die Strafzeiten. Ich denke, wir sehen es am Anfang immer zu
negativ.
Als wir das Forum in Dänemark hatten, waren Spitzentrainer wie Dujshebaev, Olsson,
Gudmundsson, Wilbek, Biegler und Brand gerade mit dieser Regeländerung sehr zufrieden,,
„Jetzt hört endlich die Provokation und die Schauspielerei auf“ war der allgemeine Tenor. Und
da wir die Regeln wie gesagt durchgängig von den Profis bis zur Basis haben wollen, werden wir
das in den unteren Spielklassen nicht anders handhaben.
Was passiert, wenn ein Verstoß gegen die drei Angriffe nicht geahndet wird? Ist es dann ein
Grund für einen Einspruch?
Manfred Prause:
Wenn der Spieler, der wegen Verletzung die Spielfläche verlassen musste, ohne Aufforderung
des Schiedsrichter, Delegierten oder Kampfgerichts vor Ablauf der 3 Angriffe die Spielfläche
betritt, begeht er grundsätzlich einen Wechselfehler. Wenn der Zeitnehmer oder Delegierte
einen Spieler jedoch zu früh oder zu spät das erforderliche Zeichen zum Wiedereintritt gibt, ist
das eine Tatsachenentscheidung und kann keinen Protest zur Folge haben.
Manfred Prause:
Wenn sich die Spieler ohne ein Vergehen verletzen, erhalten sie natürlich auch die Möglichkeit
zur Behandlung auf der Spielfläche - aber dann müssen sie auch für drei Angriffe vom Feld.
GunAir
11.3.2016
Wenn zwei Spieler ohne Regelwidrigkeit zusammenstoßen und beide auf dem Feld behandelt
werden müssen, müssen dann beide Spieler vom Feld?
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Jede medizinische Behandlung auf der Spielfläche erfordert danach also ein Verlassen der
Spielfläche für drei Angriffe von dem behandelten Spieler?
Manfred Prause:
Grundsätzlich Ja. Es gibt aber zwei Ausnahmen. Wird ein Spieler durch ein regelwidriges
Verhalten eines Gegners verletzt und dieser wird von den Schiedsrichtern progressive bestraft,
braucht er nach der Behandlung die Spielfläche nicht zu verlassen. Gleiches gilt wenn ein
Torwart aus dem Spiel heraus am Kopf getroffen wird und auf dem Spielfeld behandelt werden
muss. Auch er muss anschließend die Spielfläche nicht verlassen.
Wenn die Schiedsrichter das Handzeichen zur Behandlung geben, ist es den
Mannschaftsoffiziellen laut Regelwerk nicht erlaubt, das Betreten zu verweigern. Sollten diese
das Spielfeld aber nicht mehr betreten müssen, weil der Spieler schon wieder aufsteht - muss er
dann trotzdem für drei Angriffe die Spielfläche verlassen?
Manfred Prause:
Wenn sich ein Spieler verletzt, gebe ich als Schiedsrichter Time Out und versuche, mit dem
Spieler in Kontakt zu kommen. Als erstes muss ich mich dann bemühen, bei dem Spieler
festzustellen, ob er Hilfe braucht oder nicht. Wenn das Handzeichen zum Betreten der
Spielfläche gegeben ist und die Offiziellen weigern sich das Spielfeld zu betreten, ist das als
unsportliches Verhalten zu bewerten und muss entsprechend progressiv geahndet werden.
Wenn das Handzeichen zum Betreten der Spielfläche gegeben worden ist, muss der Spieler die
Spielfläche, abgesehen von den bereits genannten Ausnahmen, verlassen.
Was passiert, wenn die Mannschaft nur sieben Spieler zur Verfügung hat? Muss sie dann in
Unterzahl weiterspielen?
Manfred Prause:
Ja.
In den hierzu formulierten Regeländerungen heißt es im Absatz 1: „Nach der medizinischen
Behandlung auf dem Spielfeld muss der Spieler die Spielfläche verlassen.“ Was ist der
Unterschied zwischen Spielfeld und Spielfläche?
Manfred Prause:
Das ist hohe Schule des Regelwerkes, die mit den Regeländerungen an sich aber nichts zu tun
hat (lacht). Das Spielfeld umfasst den Raum zwischen den beiden Torkreisen, die Spielfläche
beinhaltet das Spielfeld und die beiden Torräume.
Manfred Prause:
Ich sehe das eher umgekehrt: Die Spieler werden vorsichtiger sein, weil es mehr Strafen geben
könnte. Wenn der Schiedsrichter eine Verletzung sieht oder vermutet, ist er eher bereit, eine
GunAir
11.3.2016
Einige Amatuerspieler haben auf diese Regeländerung reagiert, indem sie feststellten: „Dann
kann man so ja versuchen, den besten Spieler des Gegners für drei Angriffe aus dem Spiel zu
nehmen“. Könnte die Regel im Amateurbereich, wo es nur einen Schiedsrichter gibt, nicht sogar
zu einer Erhöhung der Foulanzahl führen?
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progressive Strafe gegen den Gegenspieler auszusprechen. Zu einer Erhöhung der Fouls, da bin
ich sicher, wird die Regel nicht führen. Denn grundsätzlich gilt ja erst einmal: Wenn ich einen
Spieler verletzungsreif angreife, werde ich ja selbst progressiv bestraft - damit verschaffe ich
mir ja keinen Vorteil, wenn ich eine Zeitstrafe bekomme, denn der Spieler darf dann ja nach der
Behandlung weiterspielen.
Und was ist, wenn sich herausstellen sollte, dass die Regel doch zu einer höheren Anzahl an
Fouls führt - weil das Spiel im Amateurbereich für einen Schiedsrichter zu unübersichtlich wird?
Manfred Prause:
Wenn wir nach ein, zwei Jahren feststellen, dass die Regel sich in dieser Form nicht umsetzen
lässt, können wir sie entsprechend justieren. Jetzt sollten wir aber erst einmal abwarten, wie es
läuft. Es besteht natürlich die Möglichkeit, dass sich Teile der Änderungen als falsch oder
schlecht herausstellen, aber dann können wir das immer noch korrigieren. Wir haben alle fünf
Regeln in Russland und Brasilien ausführlich getestet und von allen Beteiligten - Trainern,
Spielern, Schiedsrichter und Funktionäre sowie den anwesenden Medienvertreten - ein rundum
positives Feedback erhalten
3. Passives Spiel:
Die Sechs-Pass-Regel verschafft Klarheit, sobald das Vorwarnzeichen angezeigt wird - wann
dieses angezeigt wird, bleibt weiterhin dem Ermessen der Schiedsrichter überlassen. Gibt es
Überlegungen, das zum Beispiel durch die Einführung einer Shotclock ebenfalls zu
vereinheitlichen?
Manfred Prause:
Nein, auf keinen Fall. Die Trainer und Spieler haben in erster Linie moniert, dass die
Schiedsrichter insbesondere nach dem Vorwarnzeichen nicht nach einheitlichen Kriterien
agieren, wann sie auf passives Spiel entscheiden. Der Moment des Anzeigens sei nicht das
Problem. Der Vorschlag zur Sechs-Pass-Regel kam, da erinnere ich mich genau an das Forum in
Dänemark, von den Spitzentrainern selbst.
Es heißt in der Regelerklärung, die Mannschaft habe nun „insgesamt 6 Pässe“ zur Verfügung.
Kann ein Schiedsrichter auch vorher abpfeifen, wenn durch zwischenzeitliches Prellen das Spiel
verschleppt wird oder ein Pass nach hinten gespielt wird, weil er länger unterwegs ist? Oder
müssen sechs Pässe zugelassen werden?
Wenn ein Spieler nach sechs Pässen auf das Tor wirft, der Ball aber vom Abwehrspieler geblockt
wird und ins Toraus geht, ist das Zeitspiel ja weiterhin aktiv. Muss dann von der Ecke direkt aufs
Tor geworfen werden? Oder trägt hier die gleiche Regelung wie ein Freiwurf nach dem sechsten
Pass, wo man einen zusätzlichen Pass erhält?
GunAir
11.3.2016
Manfred Prause:
Da hat sich nichts geändert. Wenn die Schiedsrichter Spielverzögerungen erkennen, können sie
ohne Anzeigen des Vorwarnzeichens zu jeder Zeit auf passives Spiel entscheiden - unabhängig
davon, wie viele Pässe gespielt sind.
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11.3.2016
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Manfred Prause:
Es kommt die gleiche Regelung zur Anwendung. Kommt es beim Vorwarnzeichen nach dem
sechsten Pass zu einem Freiwurf, Einwurf oder einem Eckeinwurf, hat der Spieler die
Möglichkeit, direkt zu werfen oder einen letzten Pass zu spielen.
4. Letzte Minute:
Warum haben Sie die 60 Sekunden auf 30 Sekunden reduziert?
Manfred Prause:
Eine Minute war einfach zu lang. Früher konnte man in einer Minute vielleicht noch ein Tor
erzielen, heute sind - dank der schnellen Mitte - zwei oder sogar drei möglich. Daher haben wir
die Zeitspanne reduziert und das hat sich bewährt.
Wo zum Beispiel?
11.3.2016
Manfred Prause:
Bei der Junioren-WM in Brasilien hat Deutschland im kleinen Finale gegen Ägypten gespielt. In
der ersten Verlängerung steht es acht Sekunden vor Ende Unentschieden. Tor für Ägypten - sie
haben zu diesem Zeitpunkt die Bronzemedaille. Der deutsche Torwart spielt den Pass zur Mitte,
der ägyptische Spieler stört den Anwurf für Deutschland - Konsequenz: Rote Karte für den
Spieler und Siebenmeter für Deutschland. Der Siebenmeter ist im Tor, es steht wieder
unentschieden und es gibt eine zweite Verlängerung. Deutschland gewinnt am Ende Bronze.
Ohne die Regeländerung wäre das DHB-Team auf Platz 4 gelandet. Der ägyptische Spieler hätte
zwar eine Disqualifikation mit Bericht bekommen, aber da hätte er drüber gelacht. Das ist ein
ganz klassisches Beispiel, dass wir mit der Regeländerung diese bewusste Unsportlichkeit
unterbinden wollen.
GunAir
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