Ausgabe 1 / März 2016 ein blick Das Haus der speziellen Lösungen Der Umzug auf Zeit Der Fotokrimi – pures Sozialtraining Menschen und Mauern geben Sicherheit Ein Tagebuch von Natalie Hanke Jugendliche mit Autismus stellen ihren Fotokrmi vor INHALT 3 Vorwort 4 Wer wir sind und was wir bieten 3 Hier gibt es uns online 6 Der Fotokrimi – pures Sozialtraining Jugendliche mit Autismus stellen ihren Fotokrimi vor Der einblick: Die Wohngruppen für autistische Kinder und Jugendliche 8 Wir sind der Familienersatz 15 Jahre Wohngruppen für autistische Kinder und Jugendliche 9 Das Haus der speziellen Lösungen Menschen und Mauern geben Sicherheit 10 Der Umzug auf Zeit Ein Tagebuch von Natalie Hanke 13 Leons erster Schultag 14 Mohammeds erster Schultag 15 Heute ist ein schwarzer Tag Impressum Herausgeber: Therapiezentrum für autistische Kinder gemeinnützige GmbH / Autismus Zentrum Hannover (AZH) V. i. S. d. P.: Dipl.-Kfm. Markus Kriegel, Geschäftsführer Redaktionelle Mitarbeit: Markus Kriegel (mk), Immigje Steenwijk (is), Natalie Hanke (nh), Barbara Fox (bf ), Anja Reuper (reu) Layout: Anja Reuper Korrektorat: Dörte Lebahn Die namentlich gekennzeichneten Beiträge geben nicht in jedem Falle die Meinung der Redaktion wieder. Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe gekürzt zu veröffentlichen und Manuskripte redaktionell zu bearbeiten. Anschrift: Therapiezentrum für autistische Kinder gemeinnützige GmbH / Autismus Zentrum Hannover (AZH) Prinz-Albrecht-Ring 63, 30657 Hannover Tel.: (05 11) 67 67 59-0, Fax: ( 05 11) 67 67 59 59 E-Mail: [email protected] Web: www.autismus-zentrum-hannover.de Kontoverbindung: Evangelische Bank, IBAN DE 58 5206 0410 0000 61 88 88, BIC GENODEF1EK1 Druck: Druckhaus Göttingen, Dransfelder Straße 1, 37079 Göttingen Seite 2 • Ausgabe 1 / 2016 VORWORT Verehrte Leserinnen und Leser, ich freue mich, Ihnen unsere neue Zeitschrift „einblick“ überreichen zu dürfen. Ich bin Markus Kriegel und Geschäftsführer des Autismus Zentrums Hannover, das vor über 40 Jahren als eine der ersten Einrichtungen für Menschen mit Autismus gegründet wurde. Heute betreuen und fördern wir in unseren Einrichtungen insgesamt knapp 200 Kinder und Jugendliche mit allen Ausprägungen des Autismus in ambulanten und stationären Angeboten. Tag für Tag geschehen bei uns spannende und interessante Dinge, über die wir berichten wollen und die ein besseres Verständnis der Welt geben sollen, in der Menschen mit Autismus leben. Einblicke also… Wir planen diese Zeitschrift zweimal im Jahr. Wir freuen uns auch über jede Rückmeldung oder Anregung! Wenn Sie diese Zeitschrift nicht zugesandt bekommen wollen oder Sie lieber per E-Mail erhalten möchten, dann folgen Sie bitte unseren Hinweisen. Sie können den „einblick“ aber auch über unsere Homepage www.autismus-zentrum-hannover.de/ herunterladen! Erfahren Sie in dieser ersten Ausgabe, wie Jugendliche unter pädagogischer Anleitung eine fiktive spannende Geschichte um den Diebstahl eines Bildes in einem Fotokrimi umgesetzt haben. Oder lesen Sie das Tagebuch über die aufregende achtwöchige Ausquartierung unserer Wohngruppen, die erforderlich wurde, weil umfangreiche bauliche Maßnahmen am eigenen Haus durchgeführt werden mussten. Das sind nur zwei von vielen Berichten und ich hoffe, Sie finden auch an allen anderen viel Gefallen. Wenn Ihnen unsere Zeitschrift und unsere Arbeit gefällt, freuen wir uns auf jede Art von Unterstützung und Zuwendung. Damit verbleibe ich herzlichst, Ihr Markus Kriegel Ausgabe 1 / 2016 • Seite 3 AKTUELLES Wer wir sind und was wir bieten Geschäftsführer Markus Kriegel, Pädagogische Leitung Christine Voigt (vorne) und die Einrichtungsleitungen des AZH: Barbara Fox, Immigje Steenwijk und Natalie Hanke (v. l . n. r.). THZ oder AZH – wie heißt es nun richtig? Beides stimmt auf seine Weise. Seit 2014 trägt das Therapiezentrum für autistische Kinder (THZ) den Namen Autismus Zentrum Hannover (AZH). Als gemeinnützige Gesellschaft ist die autismusspezifische Einrichtung als Therapiezentrum für autistische Kinder gGmbH (THZ) nach wie vor im Handelsregister eingetragen. Das heutige AZH blickt auf eine mehr als 40-jährige Erfolgsgeschichte zurück, die ihre Anfänge in einer Etagenwohnung am Dörriesplatz in Hannover nahm. Dort gab eine Heilpädagogin vier autistischen Kindern die ersten Therapiestunden, wofür sie von Eltern des 1973 gegründeten Vereins zur Förderung autistischer Kinder e.V. engagiert worden war. Der Namenswechsel im Jubiläumsjahr hatte mehrere Gründe. Der Begriff „Therapie“ trifft nicht mehr auf die heutigen pädagogischen Angebote im Rahmen der Eingliederungshilfe zu. Inzwischen kann die Einrichtung umfangreiche beratende und begleitende Angebote im Rahmen der Ambulanz, ein Wohnangebot für Kinder und Jugendliche und erweiterte pädagogische und ergänzende therapeutische Angebote im Rahmen des Heilpädagogischen Kindergartens vorweisen. Die Gesellschaft ist mittlerweile zum Zentrum für Autismus gewachsen und erster Ansprechpartner in der Region Hannover. Nach und nach erweiterte sich das Angebotsspektrum im Laufe der Jahrzehnte – ambulant, teil- und vollstationär. Stets stehen die inzwischen rund 100 MitSeite 4 • Ausgabe 1 / 2016 arbeitenden betroffenen Eltern und ihren autistischen Kindern oder Jugendlichen zur Verfügung. Heute umfasst das Autismus Zentrum Hannover viele verschiedene Angebote für Kinder und Jugendliche mit Autismus und ist das Zentrum für betroffene Familien. Individuell, integrativ, ganzheitlich und interdisziplinär arbeitet die Ambulanz und Beratungsstelle für autistische Kinder und Jugendliche unter der Leitung einer Diplom-Sozialpädagogin. Das ambulante Angebot in der Brehmstraße richtet sich an Kinder und Jugendliche mit einer Diagnose aus dem gesamten Spektrum autistischer Störungen. Seit 40 Jahren gibt es die ambulante Förderung für Kinder sowie die Beratung im Lebensumfeld des betroffenen Kindes. Rund 130 Kinder fördern die 13 Mitarbeitenden mit dem Ziel ihrer bestmöglichen Integration in das Familien-, Bildungsund Gesellschaftssystem. Kinder mit Asperger-Syndrom stellen aktuell das Gros der jungen Klienten. Auf eine ebenso lange Erfolgsgeschichte kann die Schule im Bonhoeffer-Haus zurückblicken. Insgesamt 31 Kinder mit Autismus besuchen hier die Grund-, Mittel-, Haupt- und Oberstufe. In jahrgangsübergreifenden Gruppen lernen die Schüler Lebenspraktisches und Fachorientiertes, angelehnt am Kerncurriculum für Förderschulen mit dem Schwerpunkt Geistige Entwicklung. Auf demselben Gelände befindet sich der Heilpädagogische Kindergarten Hummelhaus. Die Einrichtung ist oft die erste Anlaufstelle für Eltern kleiner Kinder mit Autismus. Sie verbinden damit vielfach die AKTUELLES Hoffnung auf Heilung ihres Kindes. Diese können ihnen die Mitarbeitenden des Hummelhauses nicht bieten, wohl aber durch eine autismusspezifische Förderung einen Weg für das Kind aufzeigen, die Symptome lindern und den Familien ein System an die Hand geben, mit dem sie weitergehen können. Zusätzlich bietet das AZH betroffenen Eltern und ihren Kindern ein bundesweit einmaliges Angebot: die frühe Förderung nach autimusspezifischer Verhaltenstherapie (AVT) im Kindergarten des AZH. Das intensive und individuelle Lernprogramm wird parallel im Kindergarten und im Elternhaus umgesetzt. Das Ziel für die Eltern ist, dass sie nach elf Monaten selbstständig mit ihren Kindern weiterlernen können und auf diese Weise unabhängiger von Hilfen unterschiedlicher Art werden sollen. Zu der Einrichtung unter dem Dach der alten Villa in Bemerode gehört das Fünf-Tage-Internat, das sich im Haus der Wohngruppen für autistische Kinder und Jugendliche in Giesen befindet. Vier bis fünf Kinder, die die Schule oder den Heilpädagogischen Kindergarten besuchen, haben hier die Möglichkeit, während der Woche im Internat zu wohnen. Grundsätzlich ist ihr Aufenthalt zeitlich befristet und erfolgt auf Antrag der Eltern. Der vorübergehende Internats- besuch dient der Stabilisierung von Lernzielen für die Kinder, aber auch einer Entlastung betroffener Familien. Einige der Kinder, die das Internat besucht haben, finden später ihr Zuhause in der Wohngruppe für autistische Kinder und Jugendliche in Giesen, die im vergangenen Jahr ihr 15-jähriges Bestehen begangen hat. 13 junge Menschen mit frühkindlichem oder atypischem Autismus haben hier ihr zusätzliches Zuhause gefunden und werden von insgesamt 28 Mitarbeitenden ganzjährig betreut. In der Erstausgabe erfahren Sie zahlreiche Hintergründe zu der Jubiläumswohngruppe und wie sie mit ihrer größten Herausforderung umgegangen ist: Am 15. Januar mussten die 13 Bewohner die alte Villa am Ortsrand in Giesen wegen Umbaumaßnahmen verlassen, vorübergehend wohnten sie in einer ehemaligen Wohngruppe der Diakonie Himmelsthür. Lesen Sie im Folgenden, wie die Bewohner und Mitarbeitenden der Einrichtung mit der Situation umgingen und wie sie diese Herausforderung Text und Foto: reu meisterten. Weitere Infos unter: www.autismus-zentrum-hannover.de Hier gibt es uns online Liebe Leserinnen und Leser, über Ihr Interesse an unserer neuen Zeitschrift freuen wir uns sehr. Gern möchten wir Sie mit dem Magazin regelmäßig über unsere aktuellen Entwicklungen und Ereignisse in den Einrichtungen informieren und Ihnen einen Einblick in die Arbeit mit autistischen Kindern, Jugendlichen und ihren Familien geben. Der einblick erscheint halbjährlich und steht Ihnen sowohl in Papierform als auch digital zur Verfügung. Um Sie in Zukunft optimal informieren zu können, bitten wir Sie an dieser Stelle, sich auf unserer Homepage www.autismus-zentrum-hannover. de einzutragen. Dort erhalten Sie die Möglichkeit, künftig das Magazin per E-Mail als PDF und / oder in der Printversion zugesandt zu bekommen. Das Abo ist jederzeit widerrufbar und kostenfrei. So können Sie sich auf unserer Homepage eintragen: Ausgabe 1 / 2016 • Seite 5 AKTUELLES Der Fotokrimi – pures Sozialtraining Jugendliche mit Autismus stellen ihren Fotokrimi vor Jugendliche raufen auf dem Gelände des Spielparks Tiefenriede miteinander. Ein Schieben und Drücken, verzerrte Gesichter, aus denen der Körpereinsatz jedes Einzelnen spricht. „Klappe, Szenestopp“, eine Sichtprobe auf dem Kamerabildschirm des Fotografen. „Der Blick kann noch deutlicher aufeinander gerichtet sein. Wiederholung der Szene.“ Was hier stattfindet, ist ein Ausschnitt aus dem Projekt „Der Fotokrimi“, das die Ambulanz und Beratungsstelle des Autismus Zentrums Hannover (AZH) von Juni 2015 bis Januar 2016 umsetzte. Eine Gruppe von vier Jugendlichen im Alter von elf bis 17 Jahren, die in der Ambulanz eine autismusspezifische Förderung erhalten, nahm daran teil. Vielfältige Begegnungen gab es jedoch weit über die Grenzen des AZH hinaus. Das Ergebnis dieses Projektes ist das Fotobuch „Das Bild von nebenan“, ein Krimi im Comicstil. Diesen präsentierten die Mitarbeiterinnen aus dem AZH unter der Projektleitung von Diplom-Sozialpädagogin Birte Müller gemeinsam mit den Jugendlichen und dem Fotografen Dr. Harald Gorr am Jahresanfang der Öffentlichkeit in der Stadtbibliothek Hannover. Der Krimi im Comicstil will zum Dialog und zum gemeinsamen Schmunzeln von Menschen mit und ohne Autismus anregen. Inhaltlich greift er, ebenso wie das Projekt selbst, ein für Jugendliche mit Autismus brisantes Thema auf. Einer ihrer größten Wünsche ist es, gemeinsam mit Gleichaltrigen etwas erleben zu können. Demgegenüber steht ihre Erfahrung, in ihrem Alltag oft nicht verstanden zu werden und ausgegrenzt zu sein. „In unserer täglichen Arbeit stellen wir immer wieder fest, dass sich die Integration von Menschen mit Autismus schwierig gestaltet. Hintergrund ist ihre eigene Art der Wahrnehmung, über die sie sich nur selten mitteilen können. Menschen mit Autismus leben in einer eigenen Kultur, die von ihrer Umwelt oft Seite 6 • Ausgabe 1 / 2016 nicht verstanden wird. Ihre Selbstwahrnehmung und -reflexion ist anders. Sie können sich nicht aus der Perspektive eines anderen betrachten und es fällt ihnen schwer, ihr Verhalten entsprechend einem geteilten Interesse anzupassen. Nicht selten werden Jugendliche mit Autismus Opfer von Mobbing. Mit dem Projekt „Der Fotokrimi“ möchten wir Menschen mit Autismus einerseits einen Raum der Zugehörigkeit und der Gemeinschaft, andererseits die Möglichkeit des Ausdrucks und des Dialogs mit ihren Mitmenschen anbieten“, erklärt Birte Müller die Projektidee. Das Projekt verlangte von den Teilnehmern mit Autismus, genau die Verhaltensweisen zu üben, die ihnen im Alltag aufgrund ihrer Andersartigkeit nicht leichtfallen. Sie hatten sich über ihr Verständnis der Geschichte mitzuteilen, sich innerhalb der Gruppe gemeinsam auf Szenen zu einigen, den zur Abbildung der Szenen benötigten Raum mithilfe von Requisiten zu kreieren und sich bei der Darstellung aufeinander zu beziehen. Kurz: Sie waren für alles verantwortlich und sie mussten in Kontakt kommen, um das gewünschte Ergebnis zu erreichen. Unterstützung boten ihnen dabei die vier Sonder- und Sozialpädagogen der Ambulanz und Beratungsstelle Birte Müller, Monika Kowarsch, Carina Abdisalam-Blome, Anke Slebos sowie der Fotograf Dr. Harald Gorr. Regelmäßige theaterpädagogische Übungen halfen den jungen Menschen, miteinander in Kontakt zu kommen. Die unterschiedlich zusammengesetzte Gruppe von Menschen mit und ohne Autismus arbeitete aus Sicht von Birte Müller perfekt zusammen und war in jeder Szene stets vereint. Und: „Sie haben so etwas wie Freundschaft entwickelt“, sagt Birte Müller. Das entstandene Buch zeugt von einer besonderen Lebendigkeit und der Beziehungsfreudigkeit, die mit dem Thema Autismus nur selten in Verbindung gebracht wird. „Wir haben in der Gruppe etwas erlebt, was wir im Alltag der Ambulanz nur in Ausnahmen kennen: dass Jugendliche sich aufeinander freuen, miteinander raufen, kichern und sich necken, Geheimnisse teilen und auch mal kri- AKTUELLES tisch zueinander Stellung beziehen“, erzählt sie. „Zwei Autisten haben sich in der siebenmonatigen Projektzeit angefreundet. Einer von beiden ist jetzt so traurig, dass er seinen Freund nicht mehr regelmäßig am Mittwoch sehen kann. Daher hat er von sich den Mittwoch zum Freundschaftstag erklärt“, berichtet Birte Müller. die Jugendlichen mit Autismus sichtbar verändert, das äußerte sich ganz unterschiedlich, in ihrem Charakter konnten wir sie bestärken“, schildert der Fotograf seine Beobachtungen. Selbstbewusster – in der eigentlichen Bedeutung des Wortes – seien sie geworden, sie seien sich selbst ihrer Stärken bewusst geworden. Das Buch, das die jungen Menschen mit Autismus nun in den Händen halten, ist für sie auch eine Erinnerungshilfe. Es soll sie an das Schöne erinnern, das sie während der sieben Monate erfahren haben – soziales Lernen auf eine positive Art und Weise. „Das können sie später immer wieder abrufen. Auch die nicht autistischen Jugendlichen, die die szenische Arbeit unterstützt haben, waren dankbar für die Begegnungen der Menschen mit Autismus und umgekehrt. Sie konnten gegenseitig voneinander profitieren. Menschen kommen miteinander in Kontakt, die sonst nichts miteinander zu tun haben. Das war für uns Inklusion“, sagt Birte Müller. „Für die Entstehung dieses Buches sind Jugendliche zusammengekommen, denen es noch schwerer fällt als uns allen, sich in Gruppenprozessen zurechtzufinden. Denn Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung haben aufgrund ihrer besonderen Art wahrzunehmen große Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion und Kommunikation. Es fällt ihnen nicht leicht, soziale Signale anhand von Mimik, Gestik und Stimme des Gegenübers zu erkennen und richtig zu interpretieren. Auch die Gespräche bieten viele Fallstricke und Missverständnisse für sie. Es fällt ihnen schwer, soziale Zusammenhänge zu erfassen und auf diese mit angemessenem Sozialverhalten zu reagieren. Viele soziale kommunikative Fähigkeiten müssen zunächst bewusst gemacht und dann geübt werden. Gelebte Inklusion Deswegen ist eine Gruppe imerfuhr das gemischte mer eine größere und besondere Projektteam überHerausforderung für Menschen Jan-Eric, Lea, Paul, Andre und Dr. Harald Gorr (v.l.n.r.) all dort, wo es um mit Autismus-Spektrum-Stö- präsentieren ihr Buch, das in der Stadtbibliothek nach wie vor Hilfe bat: Die PoliFotos: reu rung als für Menschen ohne einzusehen und erhältlich ist. zei kam mit einem Autismus-Spektrum-Störung“, Polizeiauto, sicherte erklärt Andrea Sewing, Einrichtungsleitung der GiB- wie im realen Leben die Spuren und war mit VergnüTagesförderstätten, in ihrem Festvortrag. gen und Engagement dabei. Ebenso gern lieferte das Sofa Loft die gewünschte Kulisse. In einer bestehenMithilfe einer Kombination von szenischem Spiel den Ausstellung wurde flugs Raum geschaffen, um das und Fotografie gelang es, für die Jugendlichen fassba- vermeintlich gestohlene Bild einfach dazuzuhängen. re Ausschnitte darzustellen. „Ein eigenes Drehbuch Die Ausstellungseröffnung durfte das Fotokrimi-Team gab klare Handlungsanweisungen zur Orientierung als weitere Kulisse nutzen. Ein Restaurator stiftete den und der Regisseur wurde zum Coach. Das Einfrie- passenden Rahmen und schließlich flossen Spendengelren der Zeit in Bildern entschleunigte und eröffne- der, um überhaupt das Projekt für die jungen Menschen te den Teilnehmenden die Möglichkeit, eigene Wir- mit Autismus zu ermöglichen. Ihr Ergebnis durften sie kungsweisen reflektieren zu können. So entstand ein schließlich in der Stadtbibliothek Hannover präsenOrt des vielfältigen sozialen Lernens und zugleich tieren. Finanzielle Unterstützung gaben die Diakonie ein Raum, in dem etwas Greifbares, in Erinnerung Niedersachsen, Aktion Mensch, die Stadt Hannover Bleibendes entstanden ist“, sagt Birte Müller. Für Fachbereich Soziales sowie die Langesche Stiftung, die den Fotografen des Projektes, Dr. Harald Gorr, führ- Stiftung Irene, die Wilhelm Hirte Stiftung. reu te die Arbeit mit den jungen Autisten zu besonderen Erkenntnissen. Bereits zum dritten Mal begleitete er ein Projekt der Ambulanz. „Positive Momente zu sammeln, das ist Arbeit und bei Autisten ist das nicht anders. Weitere Infos unter: Es ging darum, ihnen etwas Positives an die Hand zu www.autismus-zentrum-hannover.de/angebote-des-azh/ geben. Wie auch bei den anderen Projekten haben sich ambulanz-und-beratungsstelle Ausgabe 1 / 2016 • Seite 7 DIE WOHNGRUPPEN Wir sind der Familienersatz 15 Jahre Wohngruppen für autistische Kinder und Jugendliche An die Anfangszeit der Jubiläums-Wohngruppe erinnert sich Natalie Hanke noch genau, auch an die folgenden Wochen und Monate, in denen im ZweiWochen-Rhythmus nach und nach die einzelnen Bewohner der neu gegründeten Wohngruppe für autistische Kinder und Jugendliche einzogen. Die Einrichtung des AZH feierte ihr 15-jähriges Bestehen. Eineinhalb Jahrzehnte intensive Förderung, Begleitung von jungen Menschen mit Autismus liegen hinter Diplom-Sozialpädagogin Natalie Hanke und ihrem Team. Das Ergebnis ist ein stabiler Lebensort für autistische Kinder und Jugendliche, unweit von Hildesheim, idyllisch am Ortsrand mit Blick auf den Kaliberg gelegen. Die Gruppe hat sich etabliert, nach innen wie nach außen. Herausforderungen unterschiedlichster Art waren in diesen Jahren immer wieder zu meistern. Eine der ersten Herausforderungen war der Einzug der Kinder vor 15 Jahren, alle zwei Wochen kam ein Kind dazu. Wer braucht wie viel Zeit? Wer passt zu wem? Wie formiert sich die Gruppe? Diese und weitere Fragen waren über einen langen Zeitraum das Dauerthema unter dem Dach der Villa. Im Zweifel ist die Einrichtungsleitung darüber, ob es wirklich für jedes Kind richtig war, alle so schnell hintereinander einziehen zu lassen. Eine auch noch heute gültige Herausforderung im positiven Sinne ist die Zusammenarbeit mit den Eltern. Früher kamen die Kinder zumeist im Alter von ungefähr zwölf oder 13 Jahren in die Wohngruppe, in einem Zeitraum, in dem es für Eltern wegen der Pubertät ihrer Kinder immer schwieriger wurde, die häusliche Situation zu meistern. Nur selten zieht ein erwachsen gewordener Bewohner aus, womit ein Wohnplatz frei wird. Doch auf der Warteliste stehen immer mehr jüngere Kinder, die in Giesen einziehen wollen. Das hat Natalie Hanke im Laufe der vergangenen Jahre beobachtet. Viele Eltern autistischer Kinder suchen heute früher nach Lösungen für ihr Kind aufgrund des Bewusstseins, dass sie es möglicherweise irgendwann nicht mehr schaffen, der häuslichen Situation mit ihrem autistischen Kind gerecht zu werden. Dieser Entscheidung, das Kind frühzeitig in die Wohngruppe zu geben, zollt Natalie Hanke großen Respekt. Denn es bedeute einen großen Schritt für die Betroffenen, ihr Kind in eine Einrichtung zu geben. Hinter dieser Entscheidung stehen schließlich die Eltern und keine Behörden. Oft hört sie von Eltern auch den Satz: „Ich mache das für mein Kind.“ Dazu gehört es auch, den Blick auf die Geschwisterkinder zu richten, die oft in den Hintergrund treten müssen. „Wir begegnen allen Eltern mit großem Verständnis“, betont die Diplom-Sozialpädagogin. Ein Ort, wo autistische Kinder sich sicher und geborgen fühlen: Die Villa am Ein Ort, wovon autistische Kinder sich sicher und geborgen fühlen: Die Villa am Foto: Anja Reuper Ortsrand Giesen. Foto: Anja Reuper Ortsrand von Giesen. Seite 8 • Ausgabe 1 / 2016 Um Natalie Hanke bildet sich ein Team von 28 Mitarbeitenden. Sieben von ihnen sind von Anfang an mit dabei. Teamarbeit ist in der Wohngruppe ein Muss, denn jeden Tag stehen die Mitarbeitenden beider Gruppen vor neuen Herausforderungen. Vieles ist trotz genauester Organisation und Strukturierung einfach nicht planbar. Teamarbeit gilt auch gruppenübergreifend. „Jeder Mitarbeiter muss auch einmal ehrlich sagen können: ‚Ich kann nicht mehr.“ Ebenso wichtig sind genaue Absprachen zwischen den Mitarbeitern, denn sonst füllen die Kinder die Lücken“, erklärt Natalie Hanke. Das Team ist sich bewusst: DIE WOHNGRUPPEN „Wir sind der Familienersatz.“ Dies wird bei manchen Bewohnern besonders an Weihnachten oder auch im Krankheitsfall spürbar. „Krankenhausaufenthalte funktionieren zumeist nicht ohne uns.“ In der Praxis kann das bedeuten, dass Mitarbeiter das erkrankte Kind 24 Stunden begleiten. Eine Dauerherausforderung ist der Alltag und die Umgebung. Immer wieder versuchen die Gruppen, das Haus zu verlassen, um am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Sie besuchen beispielsweise Konzerte, Feste und Kinofilme. Menschen im Ort haben sich auf die Bewohner längst eingestellt, die Kinder und Jugendlichen sind etabliert. Dienstleister wie Friseure oder auch der Zahnarzt suchen immer wieder nach eigenen Lösungen, um den Bedürfnissen ihrer autistischen Kunden oder Patienten gerecht zu werden. Jeder Einzug war und ist für das Team und die Bewohner eine Herausforderung. Und jeder Auszug ist es auch. Eine Herausforderung stand für diesen Januar an. Wegen eines Umbaus mussten sie die alte Villa für mindestens drei Wochen komplett verlassen, mit allen persönlichen Sachen und Betten. Provisorisch lebten sie in einer ehemaligen Wohngruppe der Diakonie in Sorsum. Ganz bewusst bereiteten Natalie Hanke und ihre Kollegen die Kinder auf den besonderen Auszug vor. Die jungen Bewohner sollen bewusst miterleben, wie das Haus geräumt und die Koffer gepackt werden. Denn Natalie Hanke ist sich hier sicher: „Das Thema wird aufregen. Ich werde immer wieder betonen: Wir werden zurückkommen.“ reu Das Haus der speziellen Lösungen Menschen und Mauern geben Sicherheit Victors (Name geändert) Zimmer wirkt auf den ersten Blick gespenstisch. Kein Teppich, keine Gardinen, keine Regale, keine Bilder, nur ein Bett und ein Schrank mit einem besonderen Vorhängeschloss. Die Heizung ist mit einer Holzverschalung geschützt. Victor hat auch keine normale Zimmertür, sondern eine Schiebetür mit einem besonderen Feststellmodus des Schlosses. Die Steckdosen im Zimmer haben einen Holzrahmen und sind versiegelt. An der Decke hängt ein Lautsprecher, die dazugehörige Stereoanlage hat ihren Platz im Dienstzimmer der Wohngruppen für Kinder und Jugendliche mit Autismus. Alles ist so konzipiert, dass der Autist nichts mehr aus den Angeln heben kann. Türen sind sein spezielles Interesse. Dass Victors Zimmer so aussieht, wie es aussieht, hat seine Gründe, die in seinem autistischen Behinderungsbild verankert sind. „Er zerstört die ihn umgebenden Sachen, weil es ihm in dem Moment schlecht geht und er innere Not verspürt“, erklärt Natalie Hanke, Leiterin der Wohngruppe für Kinder und Jugendliche mit Autismus, dieses Verhalten. Die nächste Stufe dieses Ausdrucks seiner inneren Not ist die Selbstzerstörung. Victors Zimmer ist eines von 13 Zimmern in der alten Villa am Ortsrand von Giesen – jedes sieht anders aus – abgestimmt darauf, was das Kind mit Autismus braucht und für sich aufgrund des Behinderungsbildes aushält. Auch für den Lichtschalter und seine kontrollierte Bedienung haben die Mitarbeitenden des AZH eine Lösung gefunden. Fotos: Anja Reuper Dreizehn Jungen und Mädchen mit Autismus haben hier ihr Zuhause gefunden an einem Ort, der ganz auf ihre Bedürfnisse abgestimmt ist, wo sie ein Zimmer und eine Umgebung haben, die so ausgestattet ist, dass das Kind, entsprechend sich seiner autismusspezifischen Störungen, dort wohlfühlt. Jedes Kind steht vor anderen Schwierigkeiten in seinem Alltag – „was der eine gut annehmen kann, kann bei dem anderen schon in das genaue Gegenteil umschlagen“, erklärt Ausgabe 1 / 2016 • Seite 9 DIE WOHNGRUPPEN die Diplom-Sozialpädagogin, die seit Eröffnung der Einrichtung im Jahr 2000 diese auch leitet. Das Haus ist für seine Bewohner ein sicherer Ort, abgelegen am Ortsrand von Giesen, weitläufig und geschützt mit einem Zaun. Dass sie dieses sichere Gefühl haben, liegt nicht nur an dem Haus, sondern auch an dem 28-köpfigen Team um Natalie Hanke. Sie sorgen rund um die Uhr, ganzjährig für Struktur und Rituale im Leben der so unterschiedlichen Bewohner. Dieses Rund-um-die-Uhr-Paket an Wohlfühlfaktoren gibt ihnen die notwendige Sicherheit im Alltag. Haus und Team bieten einen geschützten Rahmen, der den Jugendlichen auch die Möglichkeit einräumt, Freiheiten zu genießen, ohne sich selbst zu gefährden, fasst Natalie Hanke zusammen. Diesen sicheren Ort haben sie Mitte Januar für mehrere Wochen verlassen, weil ein Auszug auf Zeit wegen eines umfangreichen Umbaus der Villa notwendig geworden war. Der Aus- und Umzug machte viel Arbeit und Gedanken. Monatelang bewegte Natalie Hanke in ihrem Kopf Fragen wie: Klappt alles so wie geplant, welcher Bewohner reagiert wie? Wie lassen sich Schwierigkeiten im Vorfeld vermeiden? Wie vermitteln wir den Bewohnern den Ein– und Auszug, ohne dass sie in Ängste geraten? Wie managen wir die Zeit des Übergangs? Bewohner haben in der Übergangszeit eine Begleitung – vom Aufstehen bis zum Einschlafen. Damit war die volle personelle Besetzung nötig, unter anderem wurde deshalb in diesem Zeitraum das Internat zur Krisenintervention geschlossen und die dort tätigen Mitarbeiter verstärkten das Team. Ihre neue Unterkunft lag auf dem Gelände der Diakonie Himmelsthür in Sorsum. „Das Gebäude war für unsere Zwecke gut geeignet“, sagt Natalie Hanke. Bei den Besichtigungen unterschiedlicher Wohnmöglichkeiten hatte Natalie Hanke die nötigen Feinheiten einer sicheren Übergangsbleibe immer im Hinterkopf: abschließbare Schränke, abschließbare Fenster, abschließbare Kühlschränke, abschließbare Schubladen, getrennte Wohnzimmer und Küchenbereiche für die beiden Wohngruppen. All das bot das Haus in Sorsum und es war nahe der Schule, die neun Kinder aus der AZH-Einrichtung besuchen. Lesen Sie im Folgenden, wie das Team den Übergang gestaltete, wie insbesondere die Bewohner mit dieser besonderen Umstellung ihrer Lebens- Die Heizungsverkleidung, das eingeschlossene Telefon und der situation umgingen und wie sie auf die Veränderungen Schiebetürmechanismus – alles Lösungen für die besonderen Fotos: Anja Reuper Bedürfnisse der Bewohner. reagierten. Seite 10 • Ausgabe 1 / 2016 DIE WOHNGRUPPEN Der Umzug auf Zeit ein Tagebuch von Natalie Hanke 12. November 2015 Haben heute den Bewohnern erzählt, dass wir für eine Zeit lang ausziehen müssen. Hatten lange überlegt, welcher Zeitpunkt der richtige ist. Was ist zu früh? Wann muss es sein? Aber immer mehr wurde unsere Ausquartierung zum Gesprächsthema z. B. in der Schule in Sorsum. So bestand die Gefahr, dass die Kinder es irgendwo hören, und so etwas ist nie gut. Haben uns in den Gruppen zusammen ins Wohnzimmer gesetzt und erzählt. Wobei es ganz wichtig war, zu sagen, dass wir wieder zurückkommen und die Zimmer in Giesen bleiben, wie sie sind. Die Reaktionen waren sehr unterschiedlich – von Freude bis Angst. Häufig gab es keine erkennbare Reaktion. Im Dezember ab und zu erinnert, aber für die meisten Kinder war das noch zu weit weg und andere Themen, wie Weihnachten, im Vordergrund und aufregend genug. Es zu viel zu thematisieren, kann auch Ängste verstärken. Ein Bewohner schien Schwierigkeiten mit dem Thema zu haben, daraufhin machten wir einen Plan mit Bildern, wo klar wurde, von Giesen geht’s nach Sorsum und danach wieder zurück – mit so viel Zeitangaben wie möglich. 4. Januar 2016 Ab jetzt geht’s in die konkrete Vorbereitung, wir erklären und erzählen es immer wieder, für jeden Bewohner individuell. 9.1. Einem Bewohner, Johannes, geht es schlecht. Er isst kaum noch und trinkt wenig, am Ende so wenig, dass er im Krankenhaus behandelt werden muss. Die Eltern überlegen, ob sie das Kind für die Zeit der Ausquartierung zu sich nehmen. Die Idee scheitert zum einen bei einigen Telefonaten an der Bürokratie, aber wir glauben/hoffen auch, dass es für ihn vielleicht vorher schwieriger ist, als wenn das Ganze tatsächlich da ist. 14.1. Endlich Schlüsselübergabe. Nachmittags fahren wir mit den Bewohnern zum Angucken in die Gruppen. Alle sind sehr aufgeregt. Für Lucas haben wir morgens schnell ein Bett aufgebaut, damit er schon sehen kann, wo er dann schlafen wird. Er ist erst vor einigen Monaten in die Wohngruppe gezogen und der Umzug ist für ihn eine besondere Herausforderung. Er wird den Umzug selber nicht miterleben, da er an dem Wochenende zu seinen Eltern fährt. Wir haben hin und her überlegt: Ist es besser für ihn, wenn er beim Umzug dabei ist oder nicht? Aber noch wichtiger schien uns allen, den Rhythmus der Fahrt zu den Eltern beizubehalten. Wird er das Ganze verstehen können, wenn er Sonntag wiederkommt? 15.1. Der Tag ist da!! Wir merken den Kindern und Jugendlichen eine große Aufregung an. Wie viel ist davon unsere? Die Bewohner gehen wie immer zur Schule. Zum Glück sind alle gesund. Während sie in der Schule sind, wird es in den Gruppen emsig. Während das Umzugsunternehmen die Betten abbaut, werden Kisten fertig gepackt. Beruhigend war bei allem der Gedanke, dass wir nicht weit weg ziehen. An der einen Stelle wird noch gepackt. Der Möbelwagen füllt sich bis zum Rand und startet in Richtung Sorsum. Dort kommen die nächsten Kollegen, die auspacken – und man wundert sich, wie viel das doch ist. Die Kinder kommen von der Schule wie sonst in Giesen an. Es gibt Pizza für alle und danach geht’s los. Das Umzugsunternehmen ist noch nicht fertig, aber die Neugierde ist bei allen sehr groß. Den Bewohnern gefällt es von Anfang an gut: ein riesiges Wohnzimmer, von dem aus man in die Küche gucken kann. Vom Sofa aus hat man alles im Blick (Wohnzimmer, Essbereich, Büro, Küche), sodass dieses auch gleich von einer Bewohnerin als Lieblingsplatz ausgesucht wurde. Alles klappt gut, nur ein Bewohner ist sehr ruhig, so ruhig, wie wir ihn gar nicht kennen. 16.1. Dieses legt sich schnell. Am ersten Wochenende wird die Umgebung erkundet. Viele kennen das Gelände schon und können es den anderen zeigen. Die Cafeteria wird geAusgabe 1 / 2016 • Seite 11 DIE WOHNGRUPPEN testet und für gut befunden. So etwas haben wir in unserem Garten natürlich nicht. 17.1. Die Bewohner, die am Freitag zu ihren Eltern gefahren sind, kommen heute wieder und dann auch ganz gut an. Aufregend ist es natürlich! Johannes ist nun wieder ganz munter – immer wiederkehrende Erklärungen haben ihm geholfen. So richtig gut war es aber erst, als er alles sah und merkte, dass wir alle mitkommen. 18.1. Der normale Wochenalltag beginnt. Allerdings mit zwei Tagen ohne Wasser in der Gruppe. Wir haben nun gelernt, dass man zwei Elektrogeräte nicht gleichzeitig benutzen darf – dann fliegt die Sicherung heraus. Trifft leider auch auf den Trockner und die Waschmaschine zu – sodass es nicht leicht wird, unsere viele Wäsche zu bewältigen. Ein Mädchen aus dem Internat kommt heute zum ersten Mal dazu. Sie wird die Zeit immer Montag bis Freitag bei uns verbringen – in einem Doppelzimmer mit einer Bewohnerin. Die freut sich schon darauf. 27.1. Wir haben uns gut eingelebt. Es ist schön, dass wir viel spazieren gehen können, oder Ausflüge machen. Unsere Betreuungssituation ist gut, da das Internatsteam uns unterstützt. Auch ist es für alle besser, dass wir rausgehen, da in den Gruppen Gefahrenquellen sind. Zum Bespiel ein Brandmeldeknopf mitten im Wohnzimmer, der eine Aufschaltung zur Feuerwehr hat. Dieser wurde zwar extra abgesichert, aber wir wissen, dass es nicht ausreichend ist. Dieser muss ständig bewacht werden. Lucas hat alles viel besser bewältigt als gedacht! Wie schön! 3. Februar 2016 Es ist weiterhin eigentlich alles ganz nett. Ab und zu, vor allem an den Wochenenden, geht es nach Giesen mit den Bewohnern, um die Fortschritte auf der Baustelle zu begutachten. Da geht es leider langsamer voran als geplant. Plan war, dass wir in dieser Woche zurückziehen. Neben der Kontrolle der Baustelle müssen Heidi und Susi, unsere Ziegen, versorgt werden. An die wird immer gedacht. 10.2. Man merkt, dass mittlerweile der „Urlaubseffekt“, von dem wir alle zunächst profitiert haben, langsam schwindet. Die Bewohner haben sich an alles gewöhnt und Sorsum ist nun Alltag. Das heißt, dass immer besser aufgepasst werden muss – vor allem auf den Brandmeldeknopf. Die Abende werden gemütlich auf dem Sofa verbracht. Es wird gespielt und Fernsehen geschaut. Fernsehen heißt ARTE und Vox, alles andere ist gesperrt. 17.2. Uns geht es an sich gut – es gibt weiter viele Spaziergänge, viele Ausflüge. Aber immer mehr kommt der Wunsch, nach Giesen zurückzuziehen. Dieses fragen manche der Bewohner konkret, bei anderen ist es zu erahnen. Am Sonntag gibt Seite 12 • Ausgabe 1 / 2016 es für manche Kinder immer noch eine Übergabe von den Eltern zur Wohngruppe in Giesen. Wir treffen uns am Haus, füttern die Ziegen, und das Kind steigt um zu uns. Unsere Gruppen in Sorsum sind schwer zu finden, und für die geplanten zwei Wochenenden hatten wir zum Anfang keinen Sinn gesehen, allen den komplizierten Weg zu erklären….Na, ja, das hätte sich wohl doch gelohnt. 24.2. Seit dem ersten Tag finden alle Kollegen es zumeist sehr nett, dass sich hier beide Gruppen ein Büro teilen. Zunächst war die Grenze zwischen Grün und Gelb mit einem Klebestreifen gezogen worden. Wobei es schwierig war, die Toilette, die davon abging, beiden zuzuteilen. Die Aufteilungen blieben bis zu Schluss schwierig – wer bekommt den schöneren Schreibtischstuhl, wer hat alle Bleistifte, Radiergummis? Insgesamt eine schöne gemeinsame und kommunikative Sache, das Büro, und leider fällt uns nicht ein, wie wir diese „Sache“ mit nach Giesen transportieren können. Der gut bewachte Brandmeldeknopf war erstaunlicherweise kaum in Gefahr. Aber andere Schäden passieren immer mehr. Türen, Heizung. Das passiert wie immer so blitzschnell, dass kein Eingreifen möglich ist. 2. März 2016 Mittlerweile wird ein Umzugsdatum genannt. Wenn wir so die Baustelle sehen, können wir uns das mit dem 11.3. nicht wirklich vorstellen. Und bleiben noch vorsichtig in unserer Vorfreude. 9.3. Es bleibt erstaunlicherweise beim Termin. Zwar wird das ganz ganz knapp mit den Klempnern, Malern, Trockenbauern, und wie sich zum Schluss zeigt, besonders knapp mit der Reinigungsfirma, aber wir haben auch den Willen: Es ist Zeit, wieder nach Hause zu kommen!!! Als wir es – sicherheitshalber erst zwei Tage vorher – den Bewohnern sagen, ist die Freude riesig! Zum Teil wird gestrahlt und gehüpft! Natürlich kommt auch Aufregung dazu: Kommen wirklich alles und alle wieder mit? 10.3. Es geht los mit Packen und Bettenbeschriften in Sorsum, mit Umräumen und Putzen in Giesen. Wie soll das morgen nur geschafft werden? Der Stand in Giesen ist noch ziemlich wirr. Wir versuchen, positiv zu bleiben, hat doch bis jetzt alles irgendwie immer geklappt. Übrigens: Der Feueralarm hat nicht einmal ausgelöst! Gut bewacht! 11.3. Wir ziehen heute wirklich um! Es ist geschafft und alle Mitarbeitenden und Bewohner freuen sich sehr, Haus und Garten wieder genießen zu können. DANKE an ALLE Mitarbeitenden. Ihr habt dazu beigetragen, dass Sorsum trotz der Umstände vor allem in guter Erinnerung bleiben wird und die Bewohner sich wohlgefühlt haben! nh Weitere Infos unter: www.autismus-zentrum-hannover.de/angebote-des-azh/wohngruppen DIE SCHULE IM BONHOEFFER-HAUS Leons erster Schultag Immer mal wieder blättert Christine Wolf in der grünen Fotomappe „Mein erster Schultag“, die sie als Erinnerung an den Einschulungstag ihres Sohnes Leon von der Schule im Bonhoeffer-Haus bekam. Leon bastelte die Mappe gemeinsam mit seinen neuen Lehrern. Seite an Seite reihen sich die Fotos aneinander, die sie an den besonderen, für sie sehr wichtigen Tag erinnern. „Mein Kind kommt zur Schule! Ich war ganz aufgeregt an diesem Tag. Leon fand es cool, dass er endlich den Schulranzen tragen durfte. Tage und Wochen vorher war das nicht erlaubt. Ganz phantastisch war es, dass wir so viele Gäste zur Einschulung mitbringen durften, deshalb waren sein Vater, seine Tante, seine Patentante und ich dabei. Nachdem Frau Steenwijk eine kleine Ansprache gehalten hatte, die Lehrer sich einzeln vorgestellt und die Kinder mit ihnen ein Spiel gespielt hatten, konnten wir ganz entspannt Fragen stellen und uns umsehen. Wie läuft das mit dem Essen, wie läuft es mit dem Bustransport? Wie funktioniert es mit dem Essensgeld? Vor der Einschulung hatte ich die Möglichkeit zu hospitieren, so wusste ich schon im Voraus, wo ich Leon lasse.“ Seit der Einschulung hat sich viel getan. Das merkt Christine Wolf im Alltag mit ihrem Sohn. So wie jüngst. Seine bunte Laterne auf der Fensterbank ist Leon heilig. Er hat sie in der Schule im Bonhoeffer-Haus gebastelt. Neulich hüpfte er auf dem Trampolin am Fenster und die Laterne fiel herunter. Ganz behutsam hob Leon sie auf und stellte sie wieder an ihren alten Platz. Zuletzt streichelte er sie noch einmal ganz behutsam. Für seine Mutter Christine Wolf ist das ein außergewöhnliches Verhalten und Ergebnis seiner ersten Monate in der Schule im Bonhoeffer-Haus. Noch vor einem halben Jahr hätte diese Laterne nicht auf der Fensterbank stehen dürfen, Leon hätte sie sofort zerstört. „Mein Sohn geht achtsamer mit seinen Sachen um“, erzählt Christine Wolf von der ersten Veränderung. „Alles, was er aus der Schule mitbringt, wird behandelt wie ein rohes Ei.“ Die Schule macht ihm Spaß und strengt ihn an. Regelrecht erschöpft ist der Junge mit frühkindlichem Autismus, wenn er aus dem AZH nach Hause kommt. Auch das ist für sie neu. Ebenso, dass Leon häufiger am Tisch sitzen bleibt, wenn es Essen gibt. Das ist ebenfalls ein Erfolg seines Schulbesuchs. „Leon geht gern zur Schule, das merke ich. Als er jüngst krank war und zu Hause bleiben musste, brachte er jeden Tag seinen Schulranzen, manchmal bringt er ihn auch am Samstag“, sagt Christine Wolf. „Seit August besucht der Sechsjährige die Schule des AZH in Hannover-Bemerode. Ganz bewusst hat Leons Mutter die Einrichtung für autistische Kinder und Jugendliche ausgewählt. „Dort arbeiten die Profis, hier bekommt Leon eine individuelle Förderung, hier kann ich mir Hilfe holen, hier kann ich nachfragen“, erklärt sie ihren Standpunkt. Andernorts war es für sie nicht einfach, vielfach wurde ihr geraten, dem Jungen Medikamente zu geben, damit er und sie auch schlafen können. Ich fühlte mich alleingelassen mit meinem kranken Kind“, erinnert sie sich. In der Schule im Bonhoeffer-Haus gibt es Antworten auf Fragen und Christine Wolf fühlt sich mit ihrem Sohn gut aufgehoben. Eine inklusive Beschulung ihres Sohnes schloss Christine Wolf grundsätzlich aus. „Das ist für Leon nichts, für die anderen Kinder nichts und auch nichts für die Lehrer. Leon würde einfach untergehen“, erklärt sie die Entscheidung aus der Erfahrung, wie schwierig der Umgang mit ihrem Sohn sein kann. Dabei war es keineswegs so sicher, dass Leon den Platz in der anerkannten Tagesbildungsstätte bekam. Dann aber erreichte sie der Anruf Immigje Steenwijks und die Frage, ob sie denn noch Interesse an einem Schulplatz für ihren Sohn habe. Und ob sie das hatte. „Das war das Beste, was Text und Foto: reu Leon passieren konnte.“ Weitere Infos unter: www.autismus-zentrum-hannover.de/angebote-des-azh/ schule Ausgabe 1 / 2016 • Seite 13 DIE SCHULE IM BONHOEFFER-HAUS Mohammeds erster Schultag Wenn Mohammed die einzelnen Buchstaben aufsagt, wenn er bis zehn zählt, dann sind seine beiden älteren Brüder begeistert und sehr stolz auf Mohammed. Es sind seine Erfolge, die sie genießen. Mohammed ist frühkindlicher Autist, seit August besucht er die Schule im BonhoefferHaus. Mohammeds Brüder und Mutter Maren waren bei der Einschulung des Sechsjährigen dabei, seine Brüder applaudierten laut und lange, als Mohammed auf das Podest in der Turnhalle der Schule stieg, um sich vorzustellen. An den Tag der Einschulung ihres Sohnes erinnert sich Mohammeds Mutter noch ganz genau. „Für die Schultüte interessierte sich Mohammed nicht. Die Turnhalle war sehr schön geschmückt, jedes einzelne Kind wurde vorgestellt,und auch jeder Lehrer stieg auf das Podest, um sich vorzustellen. Nach ihrer kleinen Ansprache stellte die Lehrerin Ute van Treek den Kindern eine kleine Aufgabe mit Farben. Und nachher sind wir alle zusammen nach oben gegangen, um uns die Klassenräume und die Küche anzusehen. Es war schön, dass wir das alles kennen lernen durften, denn mein Sohn spricht nicht und ich habe jetzt eine Vorstellung davon, wo er tagsüber ist“, erzählt Maren von diesem besonderen Tag. zen bleiben, lautieren und damit die anderen ablenken“, beschreibt sie die Nachteile einer inklusiven Beschulung ihres Sohnes mit frühkindlichem Autismus. „Das AZH war zu 100 Prozent die richtige Entscheidung, denn hier wird individuell auf die Kinder eingegangen und hier besuchen nur Autisten die Klasse, hier gibt es die für sie notwendige, spezielle Förderung. Außerdem kennt Mohammed hier alles und fühlt sich wohl, er kann auch mit dem gleichen Bus zur Schule fahren, wie zuletzt zum Kindergarten“, sagt Maren. Sieben Kinder sind in seiner Klasse und bilden eine überschaubare Gruppe. Die Förderung ist eins zu eins, die Kinder lernen nicht nur die Inhalte des vorgegebenen Lehrplans wie Sport, Sachkunde, Kunst usw., sondern auch Lebenspraktisches wie Zähneputzen, Toilettentraining und Hauswirtschaft. Wenige Monate liegt seine Einschulung erst zurück, doch seine Mutter spürt schon die ersten Fortschritte. „Zahlen und Buchstaben sind sein Thema, er versucht alles zu zählen und sagt alle Buchstaben auf, er hat richtig Spaß daran. Ich spüre, Mohammed geht gern zur Schule, aber nachmittags ist er auch richtig erschöpft von dem Schulprogramm. Und: Mohammeds Essverhalten hat sich zum Positiven verändert. Er lernt dort, richtig zu essen“, berichtet seine Mutter. Bevor Mohammed in Die intensive Elternarbeit der Schule im Bonhoefferder Schule war für sie ein weiHaus eingeschult wurde, beteres, schlagendes Argument, suchte er zwei Jahre lang ihren Sohn im Bonhoefferauf dem gleichen GelänHaus einzuschulen. Täglich ist de den Heilpädagogischen sie mit den Lehrern im AusDer erste Schultag: Ein stolzer Moment für MoKindergarten Hummel- hammed und seine Brüder. tausch – ein kleines Heft hilft Foto: AZH haus. Weil sich seine Mutdabei. Hier tragen Eltern und ter nicht sicher sein konnte, dass sie einen der we- Lehrer kurze Mitteilungen über Mohammed ein. Damit nigen Plätze im Bonhoeffer-Haus für ihren Sohn sind beide Seiten bestens informiert im Sinne des Kinbekommt, suchte sie parallel nach einer möglichen des. „Mein Sohn kann nicht sprechen und mir ist es auch Alternative für den Fall einer Absage. Eine inklusive sehr wichtig, zu wissen, was mit meinem Sohn passiert.“ Beschulung schloss sie von vornherein aus, obwohl Passieren, im positiven Sinne, soll noch viel mit ihrem einer ihrer älteren Söhne eine Inklusionsklasse besucht Kind. Ich bin froh, wenn er sich verständigen kann, und sie diese Entwicklung begrüßt. Doch: „Für Mo- und ich wäre glücklich, wenn Mohammed noch mehr reu hammed ist das nichts und es auch nichts für die an- sprechen lernt und noch selbstständiger wird.“ deren Kinder. Mohammed liebt Kinder, aber er würde in einer großen Gruppe nichts lernen, denn er wäre zu stark abgelenkt, er würde aus dem Unterricht nichts Weitere Infos unter: mitnehmen. Die Förderung wäre weder für ihn noch www.autismus-zentrum-hannover.de/angebote-des-azh/ für die anderen Kinder optimal, denn er würde nicht sit- schule Seite 14 • Ausgabe 1 / 2016 AMBULANZ UND BERATUNGSSTELLE Heute ist ein schwarzer Tag „Heute ist ein schwarzer Tag.“ Damit antwortete Jannik auf die Frage, wie er sich heute fühle. Es war seine letzte Förderstunde in den Räumen der Ambulanz und Beratungsstelle. Fast drei Jahre ambulante Förderung lagen hinter ihm. Jannik orientiert sich immer noch gerne an Farben und Zahlen, um seine Emotionen auszudrücken. Grün bedeutet auf der Farbskala: Heute ist ein guter Tag, Schwarz heißt schlecht. „Worte kann er dafür nicht immer finden“, sagt Ellen Stamme, DiplomSozialpädagogin der Ambulanz und Beratungsstelle. Sie fördert Jannik seit drei Jahren, im Sommer endet diese Zeit. „Wenn ich Jannik heute in einer Gruppe sehe, würde ich den Asperger-Autisten in ihm nicht erkennen.“ Vor drei Jahren wäre ihr das leichtgefallen. Ein Junge – sehr intelligent, sehr höflich, voll mit naturwissenschaftlichem und technischem Wissen, aber immer allein. Wenn er Kontakt suchte, dann verstärkt zur Erwachsenenwelt, denn die bot ihm Kontrolle und Sicherheit. Heute winkt der Achtjährige ihr zu und wendet sich dann dem Spielen mit seinen Schulkameraden wieder zu. Der Kontakt zu anderen Kindern war ein zentrales Förderziel, denn Jannik wünscht sich Freunde. Er wusste aber nicht: Wie spreche ich Kinder an, wie komme ich in Kontakt und ins Spiel mit ihnen? Emotionen konnte das damalige Kindergartenkind nicht erkennen und einordnen, es wusste nicht, ob jemand traurig oder wütend ist. Gestik, Mimik, vieles war ihm unbekannt. „Jannik hat an meinem Gesichtsausdruck nicht erkennen können, dass ich wütend bin, ich habe es ihm sagen müssen“, erinnert sich Janniks Mutter. Ein Dreivierteljahr war „The Transporters“ Gegenstand der Förderstunde. Auf unterhaltsame Weise entdeckte Jannik Emotionen, lernte sie einzuordnen. 15 Episoden bietet das Programm, das von Simon BaronCohen, Professor des Autismus-Forschungszentrums der Universität Cambridge, mitentwickelt wurde. „Das Programm hat einen hohen Aufforderungscharakter, weil es am Computer gespielt wird und weil nicht reale Menschen, sondern Fahrzeuge mit menschlichem Gesicht die Emotionen widerspiegeln. In einem kleinen Quiz am Ende jeder Episode muss das Kind erraten, um welches dargestellte Gefühl es sich handelt“, beschreibt Ellen Stamme das Förderprogramm. Der richtigen Antwort folgt eine computeranimierte Belohnung. Nicht in künstlicher, sondern in realer Umgebung arbeitete Ellen Stamme am Ziel, Jannik die Kontaktaufnahme mit Gleichaltrigen zu ermöglichen. Sie begleitete ihn in seiner Vorschulgruppe, sah, woran eine Situation krankte, und war präsent, um ihm Lösungsvorschläge in der Situation anzubieten. Jannik konnte sie sofort, im direkten Umgang mit den Kindern anwenden. Das half. „Heute wird er immer selbstständiger, baut Kontakte auf und hat zwei bis drei Spielkameraden“, berichtet seine Mutter. Er hat die Qualifikation für sich erlangt, andere Kinder anzusprechen, zum Spiel einzuladen und hält es auch aus, wenn er eine Absage bekommt. „Das Aushalten von Situationen sowie die Steigerung seiner Konzentration und die Erhöhung der Aufmerksamkeitsspanne waren weitere Förderziele “, ergänzt Ellen Stamme. Wenn sie ihn heute auf dem Schulhof beobachtet, erkennt sie immer mehr: Jannik löst sich zunehmend von der Erwachsenenwelt und sucht vermehrt den Kontakt zu Kindern. Was andere Eltern ärgert, freut die Mutter und seine Förderin. Jüngst flunkerte Jannik. Bei anderen Kindern ist das ein Ärgernis, bei Menschen mit Autismus eigentlich etwas Unmögliches. Hier ist es Zeichen einer positiven Entwicklung. Dass Jannik heute so ist, wie er ist, verdankt er zum großen Teil einem gut funktionierenden Netzwerk für das Kind. „Wir haben immer die richtigen Leute zum richtigen Zeitpunkt getroffen“, erinnert sich Janniks Mutter. Und diese Menschen haben immer im Sinne der Förderung des Jungen eng verzahnt zusammengearbeitet. Frühförderung, Ambulanz, die Eltern, Kindergarten und später Schule sowie Schulbegleitung – sie alle vermittelten Jannik eine stetige, konsequente Haltung aller Beteiligten, in dem sie ihm einen Weg aufzeigten, an dem er sich entlanghangeln konnte. „Es war ein vorbildhaftes System im Sinne von Jannik. Unsere Aufgabe ist es, Kinder in die soziale Gesellschaft zu integrieren, damit sie ein gleichberechtigtes und zufriedenstellendes Leben führen können. Wir haben ihm die Brücke dafür geschlagen, damit Jannik ein möglichst selbstständiges Leben führen kann“, betont die Diplom-Sozialpädagogin. Dafür nutzen seine Eltern jede, sich bietende Möglichkeit. Seit der Diagnose prüfen sie immer wieder: Was ist der nächste Schritt für Jannik? Aktuell ist Jannik Proband der Studie „Zirkus Empatico“ der Humboldt-Universität zu Berlin. Diese Trainingsstudie will untersuchen, ob und wie emotionale, soziale und andere alltagsrelevante Fähigkeiten wirksam trainiert werden reu können. Weitere Infos unter: www.autismus-zentrum-hannover.de/angebote-des-azh/ ambulanz- und-beratungsstelle Ausgabe 1 / 2016 • Seite 15 Den Dennächsten nächsteneinblick einblick haben habenSie Sieininden den Heilpädagogischen Heilpädagogischen Kindergarten KindergartenHummelhaus Hummelhaus und undinindie die Schule Schuleim imBonhoeffer-Haus Bonhoeffer-Haus
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