Es geht auch anders: muttergebundene Kälberaufzucht auf Hofgut Rengoldshausen Mechthild Knösel ist Landwirtin auf dem am Bodensee liegenden Hofgut Rengoldshausen, einer Erzeugergemeinschaft mit Ackerbau und Viehzucht. Sie ist dort verantwortlich für 50 Milchkühe plus Nachzucht. Eine der Besonderheiten auf dem Hof: Seit neun Jahren wird dort mit Herz und Seele erfolgreich die muttergebundene Kälberaufzucht betrieben. „Ich wollte der Kuh die Beziehung zu ihrem Kalb zurückschenken.“ KUH+DU: „Frau Knösel, Sie betreiben seit Jahren die muttergebundene Aufzucht, d.h. die Kälber werden für eine längere Zeit von ihren Müttern aufgezogen und nicht am Tag der Geburt von ihnen getrennt, wie es auf den meisten Milchbetrieben der Fall ist. Wie kam es dazu?“ Landwirtin Mechthild Knösel lässt alle Kälber von den Mutterkühen aufziehen. Mechthild Knösel: „Ich hatte schon lange die Idee, das zu machen. Ich wollte der Kuh die Beziehung zu ihrem Kalb zurückschenken. Ich wollte ihr das zurückzugeben, was ihr zusteht. Deshalb kam für mich auch die ammengebundene Aufzucht nicht infrage. Mir ist es wichtig, dass die Mutter ihr Kalb aufziehen darf, denn sie kann es von uns allen am besten. Das macht die Kuh glücklich, und das macht mich auch glücklich.“ KUH+DU: „Wie lange bleiben denn die Kälber bei den Müttern?“ Mechthild Knösel: „Gerade in den ersten Wochen sind Kälber sehr labil. Daher bleiben bei mir Mutter und Kalb in den ersten drei Lebenswochen die ganze Zeit zusammen. Das Kalb kann dann trinken, so oft und so viel es will, und sich gesund entwickeln. Nach den drei Wochen ist es dann stabil, und Drei Wochen lang bleibt das Kalb die ganze Zeit bei die Kuh wird wieder für ein der Mutter, danach kommen sie zwei Mal am Tag paar Stunden zur Herde zusammen. gelassen. Die folgenden drei Monate wird das Kalb dann zwei Mal am Tag für jeweils eine Stunde zur Mutter gelassen. Es saugt nur zehn Minuten, dann ist es satt. Danach haben Kuh und Kalb Zeit zum Schmusen und Schlecken. Und dann ist es auch wieder gut: Das Tor geht auf und die Kuh geht raus. Es gibt kein Theater.“ KUH+DU: „Die Kälber sind dann also alle in einer Gruppe und kommen gleichzeitig zwei Mal am Tag zu ihren Müttern?“ Mechthild Knösel: „Genau. Immer vor dem Melken der Kühe werden die Kälber zu ihnen gelassen. Alles geschieht in der Gruppe. Die Gruppe ist vom ersten bis zum vierten Monat bunt durcheinander gewürfelt. Erst nach vier Monaten trenne Welttierschutzgesellschaft e.V. I Reinhardtstraße 10 I 10117 Berlin Telefon: + 49 (0)30 923 7226-0 I Fax: -29 I E-Mail: [email protected] Spendenkonto: 80 42 300 I Bank für Sozialwirtschaft I BLZ: 370 205 00 IBAN DE38 3702 0500 0008 0423 00 I BIC BFSWDE33XXX Für Überweisungen von Spenden aus der Schweiz: PostFinance Konto-Nummer 60-38235-8 I IBAN: CH79 0900 0000 6003 8235 8 BIC POFICHBEXXX I Clearing Nummer: 9000 www.welttierschutz.org Es geht auch anders: muttergebundene Kälberaufzucht auf Hofgut Rengoldshausen ich die Kälber nach Geschlecht und Alter in verschiedene Gruppen auf. Und die Mädels, die zeitgleich zur Welt gekommen sind, bleiben weiterhin zusammen. Später bekommen sie auch zeitgleich ihr erstes Kalb, säugen gemeinsam und werden gemeinsam gemolken. Das ist toll!“ KUH+DU: „Und die Amme lässt das zu, auch wenn ihr eigenes Kalb da ist?“ „Für mich ist die muttergebundene Aufzucht wesentlich für eine artgerechte Tierhaltung.“ KUH+DU: „Wie groß ist denn der Trennungsschmerz, wenn das Kalb dann gar nicht mehr zur Mutter kommt?“ Mechthild Knösel: „Die Kälber zeigen dabei so gut wie keinen Trennungsschmerz. Für die Kühe ist der Schmerz sehr individuell. Es gibt Kühe die leiden leise, andere leiden laut, und es gibt alles dazwischen. Das Ärgste, was mal passiert, dass mal eine Kuh eine Nacht durchschreit. Das ist aber nicht die Regel. Und für mich ist die muttergebundene Aufzucht wesentlich für eine artgerechte Tierhaltung. Auch wenn die Mütter kurze Zeit leiden, möchte ich ihnen diese Bindung nicht vorenthalten. Und durch die muttergebundene Aufzucht ist der Kreis geschlossen. Die Kälber, die so aufgewachsen sind, machen es dann selbst als Mutter schon besser. Sie sind ruhiger, so als wüssten sie, wie es läuft. Außerdem gibt es bei mir keine abrupte Trennung, sondern sie werden stufenweise voneinander entwöhnt. KUH+DU: „Wie läuft das ab?“ Mechthild Knösel: „Nach drei Monaten wird zuerst die Mutter über fünf Tage entwöhnt und darf in dieser Zeit nur noch einmal am Tag zum Kalb. Das Kalb nimmt dann die zweite Mahlzeit bei einer „Amme“ ein. Wobei die Amme aber selbst Mutter eines Kalbes ist und dieses sowieso säugt.“ Während der Entwöhnungsphase von der Mutter trinken die Kälber ganz unproblematisch bei einer anderen Kuh. Mechthild Knösel: „Das eigene Kalb bekommt den besten Platz, ein anderes darf aber auch trinken. Die Kälber sind von Anfang an sehr flexibel und orientieren sich schnell um.“ „Die Kälber sind weniger gestresst und aktiver, sie sind sozial kompetenter und lernen viel von der Mutter.“ KUH+DU: „Warum betreiben nur so wenige Landwirte die muttergebundene Aufzucht?“ Mechthild Knösel: „Man weiß zu wenig darüber. Die Forschung dazu steckt noch in den Kinderschuhen. Als ich meine Meisterarbeit gemacht habe, habe ich Verschiedenes ausprobiert. Ich hatte drei Gruppen: eine ammen- und eine muttergebundene Gruppe und eine Gruppe, die mit dem Eimer aufgezogen wurde. Das Resultat: Das Wachstum und die Gesundheit bei den muttergebundenen Kälbern hat alles getoppt. Bei der Aufzucht mit dem Eimer hingegen gab es viele gesundheitliche Probleme, die Kälber hatten sehr viel Durchfall.“ Welttierschutzgesellschaft e.V. I Reinhardtstraße 10 I 10117 Berlin Telefon: + 49 (0)30 923 7226-0 I Fax: -29 I E-Mail: [email protected] Spendenkonto: 80 42 300 I Bank für Sozialwirtschaft I BLZ: 370 205 00 IBAN DE38 3702 0500 0008 0423 00 I BIC BFSWDE33XXX Für Überweisungen von Spenden aus der Schweiz: PostFinance Konto-Nummer 60-38235-8 I IBAN: CH79 0900 0000 6003 8235 8 BIC POFICHBEXXX I Clearing Nummer: 9000 www.welttierschutz.org Es geht auch anders: muttergebundene Kälberaufzucht auf Hofgut Rengoldshausen KUH+DU: „Welche weiteren Vorteile gibt es?“ Mechthild Knösel: „Die Kälber trinken über die drei Monate hinweg im Schnitt zehn Liter Milch am Tag, was in jedem Verhältnis steht. Die Kälber sind weniger gestresst und aktiver, sie sind sozial kompetenter und lernen viel von der Mutter. Sie sind gesund und fühlen sich gut. Beim Absetzen wiegen sie 200 kg und sind super stark. Die Kühe wiederum haben weniger Fruchtbarkeitsstörungen.“ KUH+DU: „Bedeutet es mehr Arbeit für den Landwirt?“ Mechthild Knösel: „Nein. Im Gegenteil. Der Zeitaufwand ist sehr gering. Die Aufzucht bedarf weniger Arbeitszeit. Es ist einfacher, als 20 Milcheimer aufzuhängen. Auch die Managementaufgaben sind gering. Man institutionalisiert das einmal, und dann klappt das auch mit den Lehrlingen gut, wenn ich mal weg bin. Man braucht nur den Platz, wo sich Mütter und Kälber treffen können.“ KUH+DU: „Was ist noch wichtig dabei, wenn die muttergebundene Aufzucht umsetzen möchte?“ Mechthild Knösel: „Der Wille, es machen zu wollen. Wenn man es richtig will und erkannt hat, dass es eine gute Sache ist, funktioniert es einwandfrei! Danach kommt ganz lange nichts. Und schließlich muss man nahe am Tier dran sein, was für mich aber klar ist. Das ist ein Selbstläufer, man schaut sowieso nach den Tieren. Es gehört zur normalen Tierbeobachtung. Man muss nicht viel gucken, alle müssen ihren Platz beim Saugen finden.“ haben wir auch Exkursionen zu anderen Höfen mit muttergebundener Aufzucht in der Region durchgeführt. Es kamen Landwirte aus Deutschland, der Schweiz und Österreich, die das anschließend bei sich umgesetzt haben.“ KUH+DU: „Das klingt gut. Wie kann die muttergebundene Aufzucht stärker verbreitet werden?“ Mechthild Knösel: „Was definitiv fehlt, ist eine Beratung zu dem Thema und eine Person, die das durchführen kann. Der Beratungsaufwand ist sehr groß, die Organisation der Seminare erfordert Zeit und man muss sich jedes Mal aus dem Hofbetrieb ausklinken. Mir allein fehlen dafür die Ressourcen. Es müssen richtige Strukturen dazu aufgebaut werden.“ Weitere Besonderheiten auf dem Hofgut: keine Höchstleistungen: durchschnittlich 5.500 Liter Milch pro Kuh und pro Jahr kein Kraftfutter und keine Silage: Die robuste Zweinutzungsrasse Schweizer Original Braunvieh frisst im Sommer frisches Gras auf der Weide und im Winter Heu. behornte Rinder: Der Außenklimastall wurde um die behornten Kühe herum gebaut – nicht anders herum. täglicher Weidegang von April bis November höheres Lebensalter: Im Durchschnitt 8,8 Jahre. Die älteste Kuh ist 15 Jahre alt. Kühe werden von einem Bullen gedeckt (Natursprung) Auch die Bullenkälber bleiben zwei Jahre auf dem Hof und werden dort „Was definitiv fehlt, ist eine Beratung zu dem Thema.“ KUH+DU: „Sind Sie in Kontakt mit Landwirten, die an der Form der Aufzucht interessiert sind?“ gemästet. Mechthild Knösel: „Ja. Ich bekomme viele Anfragen, sogar auch aus dem Ausland. Ich habe auch schon mal zwei Seminare dazu auf meinem Hof veranstaltet. Da Welttierschutzgesellschaft e.V. I Reinhardtstraße 10 I 10117 Berlin Telefon: + 49 (0)30 923 7226-0 I Fax: -29 I E-Mail: [email protected] Spendenkonto: 80 42 300 I Bank für Sozialwirtschaft I BLZ: 370 205 00 IBAN DE38 3702 0500 0008 0423 00 I BIC BFSWDE33XXX Für Überweisungen von Spenden aus der Schweiz: PostFinance Konto-Nummer 60-38235-8 I IBAN: CH79 0900 0000 6003 8235 8 BIC POFICHBEXXX I Clearing Nummer: 9000 Fotos: © Mechthild Knösel, Michael Olbrich-Majer Text: © Welttierschutzgesellschaft, Katharina Tölle www.welttierschutz.org
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