seit 1912 www.palges.de Paläontologische Gesellschaft Schweizerische Paläontologische Gesellschaft seit 1920 www.naturwissenschaften.ch/organisations/spg/ seit 1966 www.paleoweb.net/pal-‐ges/ Österreichische Paläontologische Gesellschaft Stellungnahme, 13. November 2015 Deutschsprachige Paläontologische Gesellschaften nehmen Stellung zum Regierungsentwurf der "Kulturgutschutz-‐Novellierung" und zum Schutz von paläontologischem Kulturgut Zusammenfassung Fossilien als erdgeschichtliche Überreste unserer vormaligen Lebewelt sind oft millio-‐ nenfach, beispielsweise in industriell genutzten Rohstoffen wie Kohle, Erdöl, Ton, Kreide, Kalkstein und Schotter, vorhanden, und werden tagtäglich von natürlicher Verwitterung oder Abbau durch Menschenhand zerstört. Dennoch werden weltweit von Paläontologen und privaten Sammlern viele Fossilien geborgen, die zahlreiche Hinweise auf die Ent-‐ wicklung des Lebens, des Klimas und auf die Geschichte unseres Planeten liefern. Nur wenige von diesen Funden sind herausragende Zeugnisse der Evolution und des Lebens auf der Erde und damit besonders schützenswert. Dazu zählen beispielsweise wissen-‐ schaftliche 'Urmeter' ausgestorbener Arten von fossilen Pflanzen, Tieren und Pilzen, aber auch 'Ikonen' der Paläontologie, wie die Exemplare des Urvogels Archaeopteryx aus Bayern oder den 'Ur-‐Pferdchen' aus der Grube Messel bei Darmstadt in Hessen. Im gerade veröffentlichten Regierungsentwurf des neuen Kulturgutschutz-‐Gesetzes werden auch Fossilien als paläontologisches Kulturgut mit abgehandelt. Die Paläontologische Gesellschaft, die Schweizerische Paläontologische Gesellschaft und die Österreichische Paläontologische Gesellschaft empfehlen in diesem Zusammenhang nachdrücklich, ausschließlich die gesetzlichen Regelungen für nationales Kulturgut oder national wertvolles Kulturgut auf paläontologische Funde anzuwenden. Weitere, darüber hinausgehende Regelungen oder Begriffsausweitungen wären unverhältnismäßig und würden die Wissenschafts-‐ und Forschungsfreiheit der in Deutschland sowie inter-‐ national tätigen Paläontologen und Paläontologinnen, wie auch die museale Landschaft, erheblich einschränken. 1 Anlass und Hintergrund Mit dem am 14. September 2015 veröffentlichten Referentenentwurf1 sowie dem veränderten Regierungsentwurf2 vom 04. November 2015 zur gesetzlichen Neuregelung des Kulturgut-‐ schutzrechts möchte die Bundesregierung bisher bestehende Gesetze3 in einem neuen und ein-‐ heitlichen Gesetz zum Kulturgutschutz zusammenführen sowie darin auch neues EU-‐Recht4 und die UNESCO-‐Konvention5 umsetzen und verbessert implementieren. Das erklärte Ziel des Ge-‐ setzgebers, mit dieser Gesetzesnovelle sowohl illegal aus anderen Staaten ausgeführtes Kultur-‐ gut effektiv an diese zurückgeben zu können, wie auch deutsches Kulturgut besser vor Ab-‐ wanderung in das Ausland zu schützen, kann auch seitens der Paläontologischen Gesellschaften nur begrüßt werden. Wir werten die mit der Gesetzesnovellierung zu vollziehende Unterschutz-‐ stellung aller in öffentlichen Sammlungen befindlichen Kulturgüter als klares Bekenntnis der Politik hinsichtlich Bedeutung und Wert der musealen und forschungsbezogenen Sammlungen in der Bundesrepublik Deutschland. Hinsichtlich der pauschalen Aufnahme von Fossilien als paläontologisches Kulturgut in die neue Gesetzgebung bzw. der teilweisen Gleichsetzung von Archäologie und Paläontologie6 bedarf es jedoch dringend einiger klärenden Korrekturen, denn es liegt ein grundsätzliches Missverständ-‐ nis vor, wenn gravierende Unterschiede zwischen Archäologie und Paläontologie nicht beachtet werden. Der o. g. Gesetzesentwurf wurde von einem umfangreichen schriftlichen (Herbst 2014) und mündlichen (April 2015) Anhörungsverfahren von Fachkreisen, Verbänden, Wissenschaft und Kirchen begleitet7. Dabei verwundert es sehr, dass weder die Paläontologische Gesellschaft als Vertretung der deutschen Paläontologie, noch betroffene naturwissenschaftliche For-‐ schungsinstitutionen und Museen, wie das Konsortium Deutsche Naturwissenschaftliche For-‐ schungssammlungen, vor Publikation des ersten öffentlichen Gesetzesentwurfs1 zu diesem Ver-‐ fahren eingeladen bzw. gehört wurden. Definition von paläontologischem Kulturgut Die in § 2 Absatz 1 geregelten Begriffsbestimmungen, insbesondere (Nummer 9): "... jede bewegliche Sache oder Sachgesamtheit ... aus anderen Bereichen des kulturellen Erbes ... von paläontologischem ... oder wissenschaftlichem Wert" bedarf dringend eines klärenden Zu-‐ satzes im Erläuterungstext des Gesetzes, oder Korrektur im Gesetzestext selbst. Aufgrund von kontextuellen Überschneidungen betrifft dies ebenso (Nummer 1): "archäologisches Kulturgut ... Kulturgut, das sich im Boden oder einem Gewässer befindet oder befunden hat oder bei dem aufgrund der Gesamtumstände dies zu vermuten ist". Sollte diese Begriffsbestimmung im Sinne des Gesetzes so formuliert bleiben, würde dies ebenfalls paläonto-‐ logische, mineralogische und geologische Objekte (bspw. Fossilien, Minerale, Gesteine) bein-‐ 1 http://www.bundesregierung.de/Content/DE/_Anlagen/BKM/2015/2015-‐09-‐15-‐kgsg-‐entwurf-‐online.pdf 2 http://www.bundesregierung.de/Content/DE/_Anlagen/BKM/2015/2015-‐11-‐04-‐novelle-‐kulturgutschutzgesetz.pdf 3 Kulturgutschutzgesetz von 1955; Kulturgüterrückgabegesetz von 2007 4 EU-‐Verordnung 116/2009 (18.12.2008); EU-‐Richtlinie 93/7 (15.03.1993); EU-‐Richtlinie 1024/2012 (25.10.2012) bzw. Neufassung EU-‐Richtlinie 2014/60 (15.05.2014) 5 UNESCO-‐Konvention (14.11.1970), von Deutschland als 115. Vertragsstaat am 30.11.2007 ratifiziert 6 evt. auch aufgrund der Aussage von Prof. Dr. Michael Rind (stellv. Vorsitzender des Verbandes der Landesarchäologen) in der mündlichen Anhörung (22.04.2015) zur Novellierung des Kulturgutschutzgesetzes http://www.bundesregierung.de/Content/DE/_Anlagen/BKM/2015/2015-‐09-‐15-‐kgsg-‐protokoll-‐muendliche-‐ anhoerung.pdf 7 http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2015/11/2015-‐11-‐04-‐kulturgutschutzrecht.html 2 halten. Wir gehen davon aus, dass diese Gleichsetzung von archäologischen und geowissen-‐ schaftlichen Objekten vom Gesetzgeber nicht gewünscht ist, zumal die Archäologie und die Paläontologie als einzelne spezifische Fachwissenschaften in der Öffentlichkeit oft genug ver-‐ wechselt werden. Bei Fossilien als Überreste tierischen oder pflanzlichen Lebens aus erdgeschichtlicher Zeit han-‐ delt es sich primär um Naturgüter, die in großen Massen existieren. Fossilien werden bspw. in Form von Kohlen, Erdöl, Kalkstein oder Schotter als wichtige Rohstoffe industriell abgebaut, und damit tagtäglich zerstört. Das gilt auch für Millionen von Fossilien in natürlichen und künst-‐ lichen Aufschlüssen (Gebirgskämmen, Stränden, Sand-‐ und Tongruben, Steinbrüchen, Straßen-‐ baustellen), die durch Atmosphärilien freigelegt und im Verlaufe der Zeit durch Erosion und Verwitterung zerstört werden. Fossilien sind aber auch eindeutige und deutliche Zeugnisse der Geschichte des Lebens auf der Erde und der Evolution. Daher ist der gesetzliche Schutz herausragender Fossilfunde, wie des Urvogels Archaeopteryx bzw. ihrer Fundstellen, wie das "UNESCO Welterbe" Grube Messel, höchst sinnvoll und auch erforderlich. Dieser notwendige Schutz gilt jedoch nicht für die Fülle aller Fossilien, denn etwa 90 % aller Fossilfunde haben lediglich einen geringen oder gar keinen wissenschaftlichen oder kommerziellen Wert. Auch lässt sich bei der Auffindung bzw. Aufsamm-‐ lung eines Fossils in der Regel noch nicht abschätzen, ob dieses herausragende Bedeutung hat und schutzwürdig ist, sondern erst nach genauerer Prüfung seiner Qualität durch einen Fach-‐ wissenschaftler oder eine Fachwissenschaftlerin. Erst durch menschliche Einwirkung auf solche Objekte bzw. Naturgüter in Form der Aufsamm-‐ lung, Freilegung aus dem Gestein, Konservierung, Bestimmung, Beschreibung und durch weitere Dokumentation und Erforschung werden solche (primären) Naturgüter zu Kulturgütern bzw. nationalen Kulturgütern oder auch national wertvollen Kulturgütern. Hinzu kommt, dass sich der wissenschaftliche Wert häufig drastisch vom wirtschaftlichen Wert unterscheidet. Bei einer differenzierten Qualitätseinschätzung müssen solche unterschiedlichen Bewertungen ebenfalls in Betracht gezogen werden. Paläontologische Objekte in öffentlichen Sammlungen Wir begrüßen nachdrücklich die Unterschutzstellung aller naturwissenschaftlichen Objekte in öffentlichen Sammlungen (§ 6 Absatz 1) als nationales Kulturgut. Alleine für den Bereich der Paläontologie betrifft dies rund 50 Millionen Stücke8 in deutschen Museen, Universitäten und Forschungsinstitutionen. Für einen sachgemäßen Umgang mit den aus dem Transfer von Kultur-‐ gut zu nationalem Kulturgut resultierenden Folgen fehlen unserer Meinung nach jedoch ge-‐ nauere Ausführungen im Gesetzestext bzw. in den Erläuterungen. Dies betrifft vor allem das in § 18 geregelte Beschädigungsverbot, wobei sich Gesetzestext und Gesetzeserläuterungen hinsichtlich der Begrifflichkeiten („national wertvolles Kulturgut“ versus „nationales Kulturgut“) widersprechen. Dies ist in der alltäglichen musealen naturwissenschaft-‐ lichen Sammlungspraxis von Bedeutung, die sich in vieler Hinsicht von der in der Kunst-‐ und Kulturgeschichte, Ethnologie und Archäologie angewandten Praxis unterscheidet. Invasives Arbeiten, wie Freilegung aus dem Gestein, Präparation, Anschliff, histologische Schnitte, Heraus-‐ lösen mittels chemischer Substanzen etc., an paläontologischen, botanischen und zoologischen Objekten zum Zwecke wissenschaftlicher Untersuchungen, sind die Regel und nicht die Aus-‐ 8 Jansen, Ulrich & Steininger, Fritz F. (Hrsg., 2002): Die Paläontologischen Sammlungen in Deutschland. 101 Seiten. Frankfurt/M. ISBN 3-‐510-‐61337-‐6 + Zuwachs bis 2015 3 nahme. Für viele geowissenschaftliche Objekte (Gesteine, Minerale, Meteoriten) sind solche Maßnahmen allein schon für die korrekte Ansprache und Bestimmung unerlässlich. Die in den §§ 22, 23 geregelte vorübergehende bzw. dauerhafte Ausfuhr von nationalem Kultur-‐ gut (und damit von jeglichem Sammlungsmaterial in deutschen öffentlichen Sammlungen) schafft mehr Rechtssicherheit bei Diebstahl oder unerlaubter dauerhafter Ausfuhr. Ergänzt oder bestätigt werden damit schon bestehende Regelungen leihgebender Forschungsinstitutionen. Vom Gesetzgeber wurde hierbei augenscheinlich der intensive Leihverkehr naturwissenschaft-‐ lichen Materials zu Forschungs-‐ (nicht Ausstellungs-‐) zwecken übersehen oder unterschätzt, der in Deutschland, bezogen auf naturwissenschaftliche Sammlungen, monatlich Hunderte von Leih-‐ anfragen mit Tausenden von Einzelstücken umfasst. Nicht ausreichend berücksichtigt wurde bei der Gesetzesnovellierung ebenso die in naturwissenschaftlichen Museen und Institutionen gängige Praxis hinsichtlich Abgabe und Tausch von Dublettenmaterial bzw. die De-‐Inventari-‐ sierung (bei zerstörten oder unbrauchbar gewordenen Stücken, bspw. bei Pyrit-‐ und Knochen-‐ zerfall). Die Möglichkeit einer allgemeinen offenen Genehmigung (§ 25), u. a. für wissenschaft-‐ liche Institutionen, wird generell begrüßt, jedoch scheinen uns die Möglichkeiten eines Entzugs dieser Erlaubnis aufgrund von „Unzuverlässigkeiten“ (bspw. säumige Leihnehmer) zu schnell gegeben. Die im o. g. Regierungsentwurf angegebenen Zahlen bzw. Kosten entsprechen unserer Ein-‐ schätzung nach in keiner Weise dem wirklichen personellen und finanziellen Mehraufwand. Eine Vereinfachung des Verwaltungsaufwands bzw. ein Bürokratieabbau im internationalen Leihverkehr ist aus unserer Sicht nicht gegeben. Behinderung der wissenschaftlichen Arbeit von Paläontologen/Paläontologinnen Internationale wissenschaftliche Kooperationen leben von einem unkomplizierten Austausch (unter Beachtung berufsethischer Verpflichtungen9) von Daten und Material, der mit der Ge-‐ setzesnovellierung eingeschränkt bzw. verkompliziert würde. Es ist für uns mehr als unklar, inwieweit angesichts der in § 30 geregelten Einfuhr von Kulturgütern nach Deutschland (ohne Beschränkung auf nationales oder national wertvolles (paläontologisches) Kulturgut) künftig einfachste Probentransporte (eigentlich primärer Naturgüter; bspw. Gesteine, die Fossilien ent-‐ halten oder enthalten könnten) zu Forschungszwecken durchgeführt werden können. Somit ist es für die in Deutschland arbeitenden Paläontologen/Paläontologinnen derzeit im Detail nicht absehbar, wie stark zukünftige internationale Forschungs-‐ und Sammlungsarbeit, die Entwick-‐ lung unserer Forschungssammlungen, wie auch die jeweilige individuelle Forschungsfreiheit10 eingeschränkt würden. Ohne Zweifel wird in den personell ohnehin oft unterfinanzierten Institutionen mit einem erheblichen Verwaltungs-‐Mehraufwand nebst zusätzlichen Kosten zu rechnen sein. Zusammenarbeit von Paläontologen/Paläontologinnen mit privaten Fossilien-‐ sammlern und -‐sammlerinnen Seit jeher hat das Sammeln von Fossilien in Deutschland einen ausgeprägten Volksbildungs-‐ charakter und führt Menschen unterschiedlichster Herkunft und Alter an Natur, Umwelt und damit verbundene populärwissenschaftliche oder wissenschaftliche Fragen heran. Dies zeigt 9 u. a. ICOM Code of Ethics for Natural History Museums http://icom.museum/uploads/media/nathcode_ethics_en.pdf 10 die im Artikel 5 Grundgesetz (GG) verankerte Forschungs-‐ und Wissenschaftsfreiheit 4 sich auch heute noch in der großen Zahl von Hobby-‐ und Privatsammlern und deren Vereini-‐ gungen und Internetplattformen. Gerade in Zeiten, in denen erdgeschichtliche Themen wie Geo-‐ logie und Paläontologie kaum noch im Schulunterricht behandelt werden, erfüllen sowohl natur-‐ kundliche Museen und Institutionen, als auch Sammlervereinigungen eine gewichtige Rolle in der Bildung von Kindern und Jugendlichen. Weil es keine paläontologischen Heimatpfleger und in fast allen Bundesländern keine flächen-‐ deckenden paläontologischen Denkmalpflegeämter gibt, ist es den wenigen Berufspaläontologen und -‐paläontologinnen an deutschen Museen, Universitäten und vergleichbaren Forschungs-‐ institutionen nur eingeschränkt möglich, in Materialentnahme-‐Gruben und auf Baustellen an-‐ fallendes Fossilmaterial vollständig zu bergen, zu konservieren, vorläufig zu erfassen und zu dokumentieren. Diese Lücke füllen seit langem private Sammler und Hobbypaläontologen, die bei temporären und kurzfristigen Aufschlüssen vor Ort sind, dort z. T. neue Fundpunkte ent-‐ decken und damit wichtige Funde vor der Zerstörung retten. Dabei profitiert die paläontolo-‐ gische Wissenschaft maßgeblich von der Zusammenarbeit mit privaten Sammlern. Diese mehr als 200 Jahre alte bewährte Kooperation sollte nicht eingeschränkt oder unterbunden werden, denn mit einem solchen Traditionsverlust wäre ebenfalls ein echter Kulturverlust verbunden. Bürgerliches Engagement oder private Stiftungen bzw. private paläontologische oder natur-‐ kundliche Sammlungen bildeten sehr häufig die Grundlage für heute noch bestehende öffent-‐ liche Museumssammlungen, wie bspw. dem Berliner Naturkundemuseum, den Senckenber-‐ gischen Naturforschenden Sammlungen in Frankfurt/M. oder dem Hessischen Landesmuseum in Darmstadt. Auch viele jüngere, meist regionalspezifische paläontologische, geowissenschaftliche bzw. in-‐ dustriegeschichtliche Museen gehen auf die Initiative von Privatsammlern und Hobbypaläonto-‐ logen zurück. Als Beispiele können genannt werden: das Muschelkalkmuseum Ingelfingen (Baden-‐Württemberg; www.muschelkalkmuseum.de), das Paläontologische Museum Nierstein (Rheinland-‐Pfalz; www.museum-‐nierstein.de), das Museum Terra Triassica Euerdorf (Bayern; www.terra-‐triassica.de), wie auch das Kreidemuseum Gummanz/Rügen (Mecklenburg-‐Vor-‐ pommern; www.kreidemuseum.de). Die Paläontologische Gesellschaft ehrt Personen, die sich in solch ehrenamtlicher Weise enga-‐ giert haben, seit 1984 mit der Karl-‐Alfred-‐von-‐Zittel-‐Medaille. Nicht wenige von diesen wurden auch mit Verdienstauszeichnungen der Bundesrepublik Deutschland geehrt. Seit 1998 verleiht die Friedrich-‐von-‐Alberti-‐Stiftung der Hohenloher Muschelkalkwerke den Alberti-‐Preis gleicher-‐ maßen an Berufs-‐ und Privatpaläontologen – mit 10.000 € ist dies der höchstdatierte Paläonto-‐ logie-‐Preis in Europa. Dauerleihgaben von privater Hand in öffentlichen Sammlungen Längerfristige Leihgaben von privater Hand nehmen erfahrungsgemäß in paläontologischen Ausstellungen öffentlicher Museen nur einen sehr geringen Anteil ein, jedoch gibt es deutsch-‐ landweit einige Institutionen, die Privat-‐ und Hobbysammlern eine umfangreichere Plattform zum Ausstellen regional und überregional bedeutsamer Funde bieten. Unsicherheiten bei Sammlern und leihnehmenden Museen bzw. Sammlungsverantwortlichen im Zusammenhang mit der Gesetzesnovellierung sind dementsprechend zu erwarten oder wurden bereits angekündigt (bspw. Bürgermeister-‐Müller-‐Museum Solnhofen, Terra Mineralia Frei-‐ berg/Sa.) 5 Konsequenzen und Empfehlungen 1. Für den Text und die Erläuterungen der Kulturgutschutz-‐Novellierung sollten klare und ein-‐ deutige Begrifflichkeiten benutzt werden. Eine falsche Gleichsetzung von Sachunterschieden der Fächer Archäologie und Paläontologie ist zu vermeiden, da sich diese in zahlreichen spe-‐ zifischen Eigenheiten grundlegend unterscheiden. Fossilien werden in Form von Kohlen, Erd-‐ öl, Kalkstein oder Schotter in industriellem Maßstab als Rohstoff abgebaut und dabei zerstört. Nur ein äußerst geringer Teil wird von professioneller oder privater Hand aufgesammelt und damit größtenteils auch der Öffentlichkeit zugänglich. Der überwiegende Teil davon hat je-‐ doch nur einen geringen oder gar keinen wissenschaftlichen oder kommerziellen Wert. Einen generellen Schutz, wie er bspw. für archäologische Artefakte und Funde angestrebt wird, auch für Fossilien jeglicher Art gesetzlich zu verankern, wäre unserer Ansicht nach im höchsten Maße unsachgemäß. Solch ein Vorgehen wäre mit einem Verwaltungsaufwand ver-‐ bunden, der nur sehr unvollkommen geleistet werden könnte, es sei denn neue Verwaltungs-‐ strukturen würden dauerhaft geschaffen, für die mit Kosten in Höhe von mindestens sieben-‐ bis achtstelligen Euro-‐Beträgen zu rechnen wäre. Die deutschsprachigen Paläontologischen Gesellschaften empfehlen daher, sich hier auf nati-‐ onales Kulturgut und national wertvolles Kulturgut zu beschränken sowie klare und eindeu-‐ tige Definitionen dieser Begriffe innerhalb des Gesetzestextes und seiner Erläuterungen an-‐ zugeben. Eine wertende Differenzierung – wie sie für paläontologische Objekte gelten muss – ist schon im gleichen Gesetzesentwurf für Kunstobjekte vorgesehen. 2. Das klare Bekenntnis der Politik zum Wert und der Bedeutung von naturwissenschaftlichen Kulturgütern in deutschen Museen und Sammlungen wird seitens der Paläontologischen Gesellschaft, wie auch ihrer deutschsprachigen Schwestergesellschaften, grundsätzlich be-‐ grüßt. Dabei muss jedoch durch das Kulturgutschutz-‐Gesetz in klaren Sprachregelungen ge-‐ währleistet sein, dass übliche und oft unerlässliche Forschungsarbeiten an naturwissen-‐ schaftlichem/paläontologischem Sammlungsmaterial nicht behindert oder verboten werden dürfen. Hinsichtlich § 18 (Beschädigungsverbot, im Erläuterungstext) besteht daher dringen-‐ der Korrekturbedarf. Die alltägliche Sammlungspraxis in naturwissenschaftlichen/paläontologischen Sammlungen unterscheidet sich in vielen Teilen von jener in der Kunst-‐ und Kulturgeschichte, wie auch in der Archäologie. Dazu gehört beispielsweise die gängige Praxis von Abgabe und Tausch von Dublettenmaterial (bei oft tausendfach vorhandenem, gleichartigem Material). Dem sollte die neue Gesetzgebung ebenfalls Rechnung tragen. 3. Die durch das Grundgesetz Artikel 5 geschützte Freiheit von Wissenschaft und Forschung darf nicht eingeschränkt werden. Mit der im Regierungsentwurf zur Kulturgutschutz-‐Novel-‐ lierung bewusst weit gefassten Kulturgut-‐Definition wurden auch pauschal Fossilien imple-‐ mentiert. Da es sich bei Fossilien jedoch primär um Naturgüter handelt, die erst durch menschliche Einwirkung wie Präparation oder wissenschaftliche Bestimmung und Bearbei-‐ tung zu Kulturgut werden, sollte die Kulturgutschutz-‐Novellierung dem auch Rechnung tragen. Dies betrifft vor allem die Einfuhrregelungen (§ 30), nach denen wir zwar weiterhin Fossilien im Ausland sammeln dürfen, der Einfuhr nach Deutschland jedoch bürokratische Hindernisse geschaffen werden. Wir empfehlen hier nachdrücklich eine Beschränkung auf nationales bzw. national wertvolles paläontologisches Kulturgut. 6 4. Die Paläontologischen Gesellschaften in Deutschland, der Schweiz und Österreich bekennen sich nachdrücklich zum privaten Sammeln und den Sammlern/Sammlerinnen, von denen viele auch Mitglieder in unseren Gesellschaften sind. Privates Sammeln von Fossilien ergänzt gerade in dem „kleinen Fach“ Paläontologie öffentliche Bemühungen zur Bergung und Konservierung von erdgeschichtlichen Überresten vormaliger Lebewelten. In der Paläon-‐ tologie gibt es jedoch im Gegensatz zur Archäologie keine offiziell arbeitenden Heimatpfleger oder flächendeckenden Denkmalämter, so dass Forschungsinstitutionen, Museen und Uni-‐ versitäten auf eine gute Zusammenarbeit mit Privatpaläontologen und Sammlern angewiesen sind. Dies wird mit der vorliegenden Gesetzesnovellierung bedroht. Es muss dagegen betont werden, dass privates Engagement und entsprechende Stiftungen, auch in den Naturwissen-‐ schaften und der Paläontologie, den Grundstock für viele (heute öffentliche) große und kleine Museen und Sammlungen in der Bundesrepublik Deutschland bilden. 5. Die mit der Kulturgutschutz-‐Novellierung (in der jetzigen Fassung) zu erwartenden (sowie mögliche zukünftige) personelle und finanzielle Kosten werden unserer Ansicht nach viel zu gering eingeschätzt. Dies bezieht sich einerseits auf unterschätzte Größendimensionen beim tagtäglich abzu-‐ wickelnden internationalen Leihverkehr zwischen naturwissenschaftlichen (inkl. paläonto-‐ logischen) Forschungsinstitutionen, Museen und Universitäten. Sollten außerdem die im Ent-‐ wurf verankerten, rückwirkend geltenden Sorgfaltspflichten bestehen bleiben (wie auch die festgelegte Umkehr der Beweislast), werden zahlreiche Museen sowie Sammlungen an For-‐ schungsinstitutionen und Universitäten auf Jahre oder sogar Jahrzehnte hinaus weitgehend mit der geforderten Provenienzforschung beschäftigt sein, was den wissenschaftlichen Er-‐ kenntnisgewinn nahezu komplett lähmen würde. Dies kann weder zielführend, noch vom Gesetzgeber gewünscht sein, zumal die hierfür erforderlichen zusätzlichen Mittel im Gesetzesentwurf nicht berücksichtigt wurden. 6. Das neue Kulturgutschutz-‐Gesetz nimmt dezidiert auf die Paläontologie Bezug, außerdem auch auf andere naturwissenschaftliche Objekte ("von wissenschaftlichem Wert") aus der Zoologie, Botanik, Geologie und Mineralogie. Deshalb empfehlen wir nachdrücklich, Vertreter/Vertreterinnen der Fachverbände (bspw. DGGV, DMG, GfBS, DZG, DBG, DGfM, FG Naturwissenschaftliche Museen im DMB11), wie auch der großen naturkundlichen Museen und naturwissenschaftlichen Forschungsinstitutionen (DNSF) mit in den Prozess der Gesetzesnovellierung einzubinden. Dies ist nach unserer Kenntnis bisher nicht erfolgt, sondern fast ausschließlich wurden nur Vertreter der Kunst-‐ und Kulturgeschichte, Archäologie, Numismatik und anderer objektbezogener Kulturwissen-‐ schaften einbezogen (Wissenschaft, Museen, Sammler, Handel). 11 DGGV = Deutsche Gesellschaft für Geowissenschaften; DMG = Deutsche Mineralogische Gesellschaft; GfBS = Gesellschaft für Biologische Systematik; DZG = Deutsche Zoologische Gesellschaft; DBG = Deutsche Botanische Gesellschaft; DGfM = Deutsche Gesellschaft für Mykologie; DMB = Deutscher Museumsbund 7 Autoren/Autorin der vorliegenden Stellungnahme Priv.-‐Doz. Dr. Mike Reich (Koord.), SNSB-‐BSPG München & Ludwig-‐Maximilians-‐Universität München Dr. Björn Berning, Oberösterreichisches Landesmuseum Linz Dr. Alexander Gehler, Geowissenschaftliches Museum, Georg-‐August-‐Universität Göttingen Dr. h. c. Hans Hagdorn, Muschelkalkmuseum Ingelfingen Priv.-‐Doz. Dr. Christian Klug, Paläontologisches Institut und Museum, Universität Zürich Prof. em. Dr. Wighart v. Koenigswald, Steinmann-‐Inst., Rheinische Friedrich-‐Wilhelms-‐Universität Bonn Dr. Cornelia Kurz, Naturkundemuseum Kassel Prof. Dr. Alexander Nützel, SNSB-‐BSPG München & Ludwig-‐Maximilians-‐Universität München Prof. Dr. Werner Piller, Institut für Erdwissenschaften, Karl-‐Franzens-‐Universität Graz Prof. Dr. Joachim Reitner, Geowissenschaftliches Zentrum, Georg-‐August-‐Universität Göttingen Prof. i. R. Dr. Jörg W. Schneider, Geologisches Institut, TU Bergakademie Freiberg/Sa. Prof. Dr. Gert Wörheide, SNSB-‐BSPG München & Ludwig-‐Maximilians-‐Universität München Kontakt(e) Präsident der Paläontologischen Gesellschaft Professor Dr. Joachim Reitner c/o Georg-‐August-‐Universität Göttingen Geowissenschaftliches Zentrum Goldschmidtstr. 3 37077 Göttingen Tel.: +49-‐(0)551 39 7950 Präsident der Schweizerischen Paläontologischen Gesellschaft PD Dr. Christian Klug c/o Universität Zürich Paläontologisches Institut und Museum Karl-‐Schmid-‐Str. 4 8006 Zürich, Schweiz Tel.: +44-‐(0)634 23 37 Präsident der Österreichischen Paläontologischen Gesellschaft Dr. Björn Berning c/o Oberösterreichisches Landesmuseum Welser Str. 20 4060 Linz-‐Leonding, Österreich Tel.: +43-‐(0)732-‐7720 52398 [email protected] [email protected] [email protected] Geschäftsstelle der Paläontologischen Gesellschaft Weismüllerstr. 45 60314 Frankfurt/M. Tel.: +49-‐(0)69 403 585 77 Sekretariat der Schweizerischen Paläontologischen Gesellschaft Naturmuseum Solothurn Klosterplatz 2 4500 Solothurn, Schweiz Sekretariat der Österreichischen Paläontologischen Gesellschaft Geologische Bundesanstalt Neulinggasse 38 1030 Wien, Österreich [email protected] [email protected] [email protected] Prof. Dr. Joachim Reitner Paläontologische Gesellschaft PD Dr. Christian Klug Schweizerische Paläontologische Gesellschaft 8 Dr. Björn Berning Österreichische Paläontologische Gesellschaft
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