GR Session September2015

Positionen zu bildungspolitischen Grossratsgeschäften der Septembersession 2015
Motion 025-2015, Näf (Muri, SP), Gasser (Bévilard, PSA)
Bildungsfonds - Sparen für die Bildung
Mit ihrer Motion wollen die Grossräte Näf und Gasser die Regierung beauftragen, einen Gesetzesvorschlag
zur Schaffung eines Bildungsfonds zu erarbeiten. Unter Berücksichtigung der bernischen Schuldenbremse
sollen Teile der Rechnungsüberschüsse in einen Fonds fliessen, um künftige Abbaumassnahmen in der
Bildung aufzufangen. Zudem sollen so neue Infrastrukturprojekte realisiert werden können oder zusätzliche
Bildungsangebote trotz Spardruck geschaffen werden. Mit dieser Lösung wollen die Grossräte verhindern,
dass, trotz breiter Einigkeit über den Wert der Bildung, weiterhin ein Abbau an derselben geschieht.
Die Regierung bestätigt den hohen Stellenwert der Bildung für den Kanton Bern. Sie sieht in stabilen Rahmenbedingungen den entscheidenden Faktor für den Erfolg des Bildungswesens. Ihrer Ansicht nach wurde
mit den Sparpaketen der letzten Jahre die „rote Linie“ erreicht. Für die Regierung ist eine Stabilisierung der
Mittel für die Bildung ein möglicher Weg. Allerdings ergeben sich ihrer Ansicht nach Schwierigkeiten bei der
Schaffung neuer Fonds im Zusammenhang mit dem anstehenden harmonisierten Rechnungswesen
(HRM2/PSAS). Zudem würde mit einem solchen Fonds die angehäuften Mittel einer anderen Prioritätensetzung entzogen. Voraussichtlich vorrangig aus diesem Grund lehnt die Regierung die Motion ab, bestätigt
jedoch ihre Bemühungen, den hohen Stellenwert der Bildung in seinen finanzpolitischen Überlegungen entsprechend zu berücksichtigen.
LEBE unterstützt die Idee eines Bildungsfonds. Die bernischen Sparpakete haben seit Jahren Tradition.
Regelmässig wurden anschliessend statt Defizite hohe Rechnungsüberschüsse erzielt. Teilweise flossen
diese z.B. in einen Investitionsfonds. Hier stellt sich die berechtigte Frage, warum für die Bildung als „wichtigster volkswirtschaftlicher Rohstoff“ nicht die gleiche Finanzierungsmethode angewendet wird, wie bisher
für Infrastrukturprojekte (z.B. Strassenbau). Die Regierung und das Parlament werden mit dieser Motion
aufgefordert, ein eindeutiges Zeichen für eine stabile Finanzierung der Bildung zu setzen, damit Bildungserfolg ermöglicht wird. Es geht also darum, den Bildungsbereich künftig vor dem jährlichen Hickhack anlässlich
der Budgetdebatte zu schützen. Falls diese Motion im Parlament nicht mehrheitsfähig ist, wäre zu überlegen, die Absicherung der Bildungsfinanzierung als Frage dem Stimmvolk vorzulegen.
LEBE empfiehlt die Annahme als Motion
Motion 028-2015, Kohler (Spiegel b. Bern, FDP), Müller (Bern, FDP)
Für eine leistungsbezogene Schulbildung und Förderung an unseren Volksschulen
Der Regierungsrat soll nach dem Willen der beiden Motionäre Kohler und Müller Massnahmen ergreifen,
damit an den Volksschulen verstärkt leistungsorientierter Unterricht stattfindet, Schulnoten das zentrale BeMONBIJOUSTRASSE 36 · POSTFACH / CASE POSTALE 7163 · 3001 BERN / BERNE
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urteilungsinstrument der Schulleistungen sind, alters- und niveaugemischtes Lernen aus rein pädagogischen
Gründen nur in streng wissenschaftlich begleiteten Pilotschulen zulässig ist, grundsätzlich der nach Schuljahrgang orientierte Unterricht gilt, und die Selektion und Förderung leistungsstarker Schülerinnen und Schüler mehr Gewicht erhält (Selektion vor Integration). Mit diesen fünf Forderungen wollen die Motionäre ihrer
Ansicht nach bestehenden Tendenzen entgegenwirken, welche die Vermittlung von Wissen erschweren.
Die Regierung lehnt ausser der Forderung zum Stellenwert der Schulnoten, welche sie bereits als erfüllt
erachtet, alle weiteren ab. Der Unterricht an den Schulen ist bereits leistungsorientiert. Die Beurteilung umfasst jedoch neben dem Leistungsstand auch den Lernprozess. Daran soll festgehalten werden. Eine Einschränkung bei den Mehrjahrgangsklassen und damit der möglichen Schulmodelle wird ebenfalls abgelehnt.
Die Modellwahl liegt zudem in der Gemeindekompetenz. Diese schätzen die heutige Modellvielfalt. Die Regierung hält fest, dass Heterogenität eine Realität ist. Lehrpersonen sind Expertinnen und Experten im Umgang mit dieser Herausforderung. Die bestehenden Möglichkeiten und Angebote der Volksschule, wie auch
die Grundaufgabe der Lehrpersonen, Schülerinnen und Schüler entsprechend ihren Fähigkeiten und Lernvoraussetzungen bestmöglich zu fördern, bedingen aus regierungsrätlicher Sicht keine Änderungen im Sinne der Motionäre.
Grundsätzlich schliesst sich LEBE der regierungsrätlichen Sichtweise an. Nicht einverstanden ist LEBE mit
der Einschätzung, dass die bestehenden Möglichkeiten und Angebote ausreichen, um sowohl leistungsstarke, als auch leistungsschwache Schülerinnen und Schüler angemessen zu fördern.
Den Motionären scheint es ein wichtiges Anliegen zu sein, dass auch leistungsstarke Schülerinnen und
Schüler genügend gefördert werden. Die Annahme, dass der Aufwand der Lehrerinnen und Lehrer aktuell
vorrangig auf die Förderung leistungsschwacher und verhaltensauffälligen Schülerinnen und Schüler ausgerichtet ist, kann nicht einfach ignoriert werden. Angesichts der Integrationsbemühungen ist eine solche Vermutung nachvollziehbar. Die in der Motion vorgeschlagenen Massnahmen lehnt LEBE wie die Regierung ab.
Für LEBE geht es im Unterricht z.B. nicht einfach um das Vermitteln von Wissen, wie dies die Motionäre
wünschen, sondern um die Förderung von Schlüsselkompetenzen, wie dies auch von der Wirtschaft gefordert wird.
Der Frage, ob und wie leistungsstarke oder „angepasste“ Schülerinnen und Schüler heutzutage ausreichend
gefördert werden, geht LEBE nach. Diese Thematik wird der Berufsverband vertieft behandeln und gegebenenfalls Anregungen und Forderungen formulieren.
LEBE lehnt die Motion ab. Einzig die Forderung nach der Schulnote als zentrales Beurteilungsinstrument kann angenommen werden, wenn diese gleichzeitig abgeschrieben wird.
Motion 030-2015, Müller (Bern, FDP)
Beziehung Kind-Lehrkraft stärken, zum Vorteil der Kinder und der Lehrkräfte
Die Hälfte der Ressourcen aus dem IBEM-Pool (Integration und besondere Massnahmen) sollen auch als
Lektionen für ordentliche Lehrkräfte eingesetzt werden dürfen. Grossrat Müller fordert die Regierung auf,
entsprechende Massnahmen einzuleiten. Seine Forderung begründet er u.a. mit der heutigen Vielzahl von
Bezugspersonen, die sich negativ auf die Beziehung zwischen Lehrperson und Kind auswirkt, so wie mit der
komplexen Schulorganisation und mit dem hohen Koordinationsaufwand.
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Die Regierung weist darauf hin, dass die vorgesehenen Lektionen im IBEM-Pool in erster Linie der Förderung von Schülerinnen und Schülern mit Lernschwierigkeiten oder anderen Benachteiligungen oder Beeinträchtigungen dienen. Entsprechend erfordert das Erteilen dieser Lektionen von den Lehrpersonen spezialisierte Kenntnisse (Förderdiagnostik, Förderplanung, spezifische Methodik und Didaktik). Für das Anliegen
des Motionärs hat die Regierung Verständnis. In einem Schulversuch wird ab Sommer 2015 den Pilotschulen ermöglicht, Lektionen aus dem IBEM-Pool für den Regelunterricht zu verwenden und umgekehrt. Anstelle von Unterricht können Lehrpersonen für Spezialunterricht einen Teil ihres Pensums als Beratung einsetzen. Mit diesem Versuch sollen Erkenntnisse über die Auswirkungen des erweiterten Gestaltungsspielraums
für die Schulen gewonnen werden. Diesen Ergebnissen will die Regierung nicht vorgreifen und beantragt
dem Grossen Rat die Annahme in Form eines Prüfungsauftrags (Postulat).
LEBE unterstützt die Stossrichtung der Denkweise und ist entsprechend interessiert, welche Erkenntnisse
die gestarteten Schulversuche bringen. Wie die Regierung will auch LEBE diesen Ergebnissen nicht vorgreifen und die Auswertung abwarten und diese kritisch prüfen. Insbesondere interessiert LEBE die Frage, wie
das spezifische Wissen der Speziallehrpersonen, worauf die Schülerinnen und Schüler einen grundsätzlichen Anspruch haben, weiterhin eingesetzt wird.
LEBE empfiehlt die Annahme als Postulat.
Motion 032-2015, Müller (Bern, FDP)
Lehrerweiterbildung in unterrichtsfreie Zeit legen - unnötige Betreuungsprobleme berufstätiger Eltern vermeiden
Grossrat Müller fordert den Regierungsrat auf, die nötigen Massnahmen zu ergreifen, damit die Weiterbildung der Lehrpersonen an der Volksschule ausschliesslich in die unterrichtsfreie Zeit fällt. Als Gegenleistung
soll das Pflichtpensum dieser Lehrpersonen um maximal 1.5% gesenkt werden. Seiner Ansicht nach stellen
solche Unterrichtsausfälle die berufstätigen Eltern vor organisatorische Herausforderungen, die mit diesen
Massnahmen verhindert werden können.
Die Regierung verweist auf die heutigen Regelungen, welche genügen, damit es aus den genannten Gründen selten zu Unterrichtsausfällen kommt. Eine Ausnahme stellt die geplante Einführung des Lehrplans 21
dar. Wichtig für die Regierung ist eine frühzeitige Information an die Eltern, damit die Familien sich entsprechend organisieren können. Bezüglich der Pflichtpensenreduktion hegt die Regierung aus personalpolitischer Sicht Sympathien für das Anliegen des Motionärs. Die heutige Weiterbildungsregelung funktioniert
jedoch sehr gut und kostengünstiger. Insbesondere die zusätzlichen Kosten von ca. CHF 15 Mio. veranlassen die Regierung, die Motion in der aktuellen finanzpolitischen Lage abzulehnen.
Indem die Weiterbildung noch verstärkter in die unterrichtsfreie Zeit fallen soll, will Grossrat Müller dies gegenüber den Volksschullehrerinnen und –lehrer mit einer Pflichtpensenreduktion honorieren. Solches ist
auch LEBE grundsätzlich sympathisch. Wie eine Reduktion um eine halbe Lektion schulorganisatorisch umzusetzen ist, müsste eingehender geprüft werden. Nicht einverstanden ist LEBE mit der Einschätzung von
Grossrat Müller, dass es sich bei der Schule um ein familienergänzendes Angebot handeln soll. Nach LEBEAuffassung stellt die Schule in allererster Linie ein Bildungsangebot dar. Es sind die Tagesschulen, welche
familienergänzend wirken. Tatsächlich versucht die Volksschule generell, Unterrichtsausfälle möglichst zu
vermeiden. Längst vorbei sind die Zeiten, als bei Krankheit einer Lehrperson die Eltern via Telefonkette am
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Morgen aufgefordert wurden, ihre Kinder zuhause zu lassen. Und zunehmend ist auch der Mittwochnachmittag nicht mehr unterrichtsfreie Zeit. So stünden nebst den Schulferien künftig die Wochenende für die Weiterbildung zur Verfügung. Schulferien und Wochenenden werden von Kollegien oftmals bereits dafür genutzt. Ob sich bei einer solchen Zunahme genügend Weiterbildungsanbieter finden, ist fraglich. Und ob sich
damit eine höhere Attraktivität der bernischen Anstellungsbedingungen ergibt, beurteilt LEBE skeptisch.
Konsequenterweise müsste ein Ausbau der Tagesschulen in Richtung Ganztagesschulen gefordert werden.
Die heutige Tagesschule würde damit eine öffentliche Volksschule, die neben einem Bildungsauftrag ein
Betreuungsangebot bereitstellt. Diese Forderung lehnte der Grosse Rat anlässlich der Debatte über die Einführung der Tagesschulen ab (REVOS 2008).
LEBE empfiehlt, die Motion abzulehnen.
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