Das Magazin der Buchhandlungen von Orell Füssli Lesen Vo Bo r ma ok l s s Nr. 1/2016 Ihr persönliches Exemplar – mit Wettbewerb! Lagercrantz! Der schwedische Autor kann nicht nur Larsson – wie sein neuer Roman zeigt. Dossier «Frauen schreiben» Autorinnen und andere starke Frauen «Krimis sind mein Ausgleichssport» Alfred Bodenheimer und sein Ermittler Rabbi Klein Es klirren die Waffen und spriessen die Intrigen Neue Historische Romane 2 3 Filialen Aarau ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Meissner Thalia Bahnhofstrasse 41, 5001 Aarau Mo – Mi, Fr: 9.00 – 18.30 Uhr Do: 9.00 – 20.00 Uhr | Sa: 9.00 – 17.00 Uhr Wirz Thalia Hintere Vorstadt 18, 5001 Aarau Mo – Mi, Fr: 9.00 – 18.30 Uhr Do: 9.00 – 20.00 Uhr | Sa: 8.00 – 17.00 Uhr Baden Thalia –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Langhaus beim Bahnhof, 5401 Baden Mo – Fr: 9.00 – 19.00 Uhr | Sa: 9.00 – 17.00 Uhr Basel –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Orell Füssli Bahnhof SBB Passerelle, Güterstrasse 115, 4053 Basel Mo – Fr: 7.00 – 21.00 Uhr | Sa: 8.00 – 21.00 Uhr So: 9.00 – 20.00 Uhr Thalia Freie Strasse 32, 4001 Basel Mo – Mi, Fr: 9.00 – 18.30 Uhr Do: 9.00 – 20.00 Uhr | Sa: 9.00 – 18.00 Uhr B ern ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Stauffacher Neuengasse 25 – 37, 3001 Bern Mo – Mi, Fr: 9.00 – 19.00 Uhr Do: 9.00 – 21.00 Uhr | Sa: 9.00 –17.00 Uhr Thalia Spitalgasse Spitalgasse 47/51, 3001 Bern Mo – Mi: 9.00 – 19.00 Uhr | Do: 9.00 – 21.00 Uhr Fr: 9.00 – 20.00 Uhr | Sa: 8.00 – 17.00 Uhr Thalia Bahnhof SBB Bahnhofplatz 10, 3001 Bern Mo – Sa: 7.00 – 22.00 Uhr | So: 9.00 – 22.00 Uhr B rig ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– ZAP Furkastrasse 3, 3900 Brig Mo – Fr: 9.00 – 18.30 Uhr | Sa: 9.00 – 17.00 Uhr ZAP Bürostore Englischgrussstrasse 6, 3900 Brig Mo – Fr: 8.30 – 12.00 und 13.30 – 17.00 Uhr B rugg Thalia –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Neumarktplatz 12, 5200 Brugg Mo – Do: 9.00 – 18.30 Uhr | Fr: 9.00 – 20.00 Uhr Sa: 8.00 – 17.00 Uhr C hur –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Thalia Einkaufscenter City West Raschärenstrasse 35, 7000 Chur Mo – Do: 9.00 – 19.00 Uhr | Fr: 9.00 – 20.00 Uhr Sa: 8.00 – 18.00 Uhr Emmenbrücke ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Thalia Emmen Center Stauffacherstrasse 1, 6020 Emmenbrücke Mo, Di, Do: 9.00 – 18.30 Uhr Mi, Fr: 9.00 – 21.00 Uhr | Sa: 8.00 – 16.00 Uhr F rau enfeld –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Orell Füssli Einkaufszentrum Passage Bahnhofstrasse 70/72, 8500 Frauenfeld Mo – Fr: 8.00 – 20.00 Uhr Sa: 8.00 – 18.00 Uhr F ribo u rg Thalia ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Bahnhof / Gare, 1700 Fribourg Mo – Fr: 7.00 – 21.00 Uhr Sa, So: 9.00 – 21.00 Uhr S chaffhau sen Thalia ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Vordergasse 77, 8200 Schaffhausen Mo – Mi, Fr: 9.00 – 18.30 Uhr Do: 9.00 – 20.00 Uhr | Sa: 9.00 – 17.00 Uhr S chö nbü hl –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Thalia Shoppyland Industriestrasse 10, 3322 Schönbühl Mo – Do: 9.00 – 20.00 Uhr | Fr: 9.00 – 21.30 Uhr Sa: 8.00 – 17.00 Uhr S ie rre ZAP ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Place de la Gare 2, 3960 Sierre Mo – Fr: 9.00 – 12.00 und 13.30 – 18.30 Uhr Sa: 9.00 – 17.00 Uhr S p reitenbach –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Thalia Shoppi & Tivoli 8957 Spreitenbach Mo – Sa: 9.00 – 20.00 Uhr S t. Gallen ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Orell Füssli Bahnhof Poststrasse 28, 9000 St. Gallen Mo – Fr: 8.00 – 21.00 Uhr Sa: 9.00 – 20.00 Uhr | So: 10.00 – 20.00 Uhr Rösslitor Bücher Multergasse 1 – 3, 9001 St. Gallen Mo – Mi, Fr: 9.00 – 18.30 Uhr Do: 9.00 – 21.00 Uhr | Sa: 9.00 – 17.00 Uhr Thalia Shopping Arena Zürcher Strasse 464, 9015 St. Gallen Mo – Mi, Fr: 9.00 – 19.00 Uhr, Do: 9.00 – 21.00 Uhr | Sa: 9.00 – 17.00 Uhr Editor ial & Inhalt W inte rth u r ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Orell Füssli Einkaufszentrum Rosenberg Schaffhauserstrasse 152, 8400 Winterthur Mo – Fr: 8.30 – 20.00 Uhr | Sa: 8.00 – 18.00 Uhr Orell Füssli Marktgasse 41, 8400 Winterthur Mo – Mi, Fr: 9.00 – 18.30 Uhr Do: 9.00 – 21.00 Uhr | Sa: 9.00 – 17.00 Uhr Z e r matt ZAP –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Hofmattstrasse 3, 3920 Zermatt Mo – Fr: 9.00 – 12.00 Uhr und 14.00 – 18.30 Uhr Während der Saison: Mo – Fr: 9.00 – 12.30 Uhr und 14.00 – 19.00 Uhr So: 16.00 – 19.00 Uhr Z ü r ich ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Orell Füssli Kramhof Füsslistrasse 4, 8001 Zürich Mo – Fr: 9.00 – 20.00 Uhr | Sa: 9.00 – 18.00 Uhr Orell Füssli am Bellevue Vieles, das sich bewährt hat, ist gleich geblieben. Einiges haben wir angepasst. Und manches ist ganz neu, etwa das Layout. Und eben der Name. Wir finden, Lesen passt perfekt zu uns – denn wir sind die traditionsreichste Schweizer Buchhandlung mit Wurzeln bis ins Jahr 1519. Ich wünsche Ihnen inspirierende Lesestunden. Viel Spass und bis zum nächsten Mal! 20 Es klirren die Waffen und spriessen die Intrigen Neue Historische Romane Bahnhofstrasse 70, 8001 Zürich Mo – Fr: 9.00 – 20.00 Uhr | Sa: 9.00 – 18.00 Uhr Orell Füssli Flughafen Airport Center, 8060 Zürich-Flughafen Mo – Fr: 7.00 – 21.00 Uhr | Sa, So: 8.00 – 21.00 Uhr Orell Füssli Zürich Hauptbahnhof Shopville, Halle Landesmuseum, 8001 Zürich Mo – Fr: 7.00 – 21.00 Uhr | Sa: 8.00 – 21.00 Uhr So: 9.00 – 20.00 Uhr 14 Warum ist das Äussere auch bei der Literatur wichtig? Orell Füssli im Bahnhof Stadelhofen Ein schöner Rücken kann auch entzücken Stadelhoferstrasse 8, 8001 Zürich Mo – Fr: 8.00 – 20.00 Uhr | Sa: 9.00 – 19.00 Uhr So: 10.00 – 18.00 Uhr Orell Füssli im Franz Carl Weber Bahnhofstrasse 62, 8001 Zürich Mo – Mi: 9.00 – 18.30 Uhr Do, Fr: 9.00 – 20.00 Uhr | Sa: 9.00 – 18.00 Uhr Exklusiv-interview mit alfred bodenheimer, Schöpfer von Rabbi Klein «Krimis sind mein Ausgleichssport» 0848 849 848 0848 28 24 24 0848 842 542 32 Im Schaufenster «Der Sündenfall von Wilmslow» von David Lagercrantz 34 Drei Bücher zum Kaffee Die Debatte 42 Alles über Eines Aktuelle Kochbücher 45 Kreuzworträtsel 47 Gekauft! Kundinnen und Kunden zeigen ihre Neuerwerbung 48 Veranstaltungen 50 Der Lesen-Fragebogen Ausgefüllt von Christine Brand 38 Herzerwärmend kühl Fantasy-Neuerscheinungen 40 Einfach traumhaft Neues aus der Kinderwelt 10 www.books.ch www.buch.ch www.thalia.ch Herzlichst Coralie Klaus Boecker Leiterin Marketing & Kommunikation Orell Füssli Thalia AG 4Notizen 23 Acht Seiten voller Bücher von, für und über Frauen Dossier: Frauen schreiben V isp ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– ZAP Bahnhofstrasse 21, 3930 Visp Mo – Fr: 9.00 – 12.00 und 13.30 – 18.30 Uhr Sa: 9.00 – 17.00 Uhr Neu ist auch, dass Sie in jedem Heft ein aktuelles Dossier finden. Diesmal geht es um Bücher von, für und über Frauen; Anlass ist der internationale Frauentag am 8. März, den wir den ganzen Monat lang in unseren Filialen feiern. Wir freuen uns auf Ihren Besuch! Orell Füssli The Bookshop 9430 St. Margrethen Mo – Do: 9.00 – 19.00 Uhr | Fr: 9.00 – 21.00 Uhr Sa: 8.00 – 17.00 Uhr Bälliz 60, 3600 Thun Mo – Mi, Fr: 9.00 – 18.30 Uhr Do: 9.00 – 21.00 Uhr | Sa: 9.00 – 17.00 Uhr Lesen – ist das ein neues Magazin? Nicht ganz, aber in gewisser Weise eben doch. Bislang hiess die Zeitschrift von Orell Füssli Thalia Books. Nun haben wir sie – in ihrem bereits siebten Jahr – rundum aufgefrischt. Wir hoffen, Sie sind davon genauso begeistert wie wir! Theaterstrasse 8, 8001 Zürich Mo – Fr: 9.00 – 20.00 Uhr | Sa: 9.00 – 18.00 Uhr S t. M a rg r ethen ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Thalia Einkaufszentrum Rheinpark Th u n –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Thalia Liebe Leserin Lieber Leser Die nächste Ausgabe von Lesen, dem Magazin der Orell Füssli Thalia AG, erscheint am 19. Mai 2016. Sie erhalten Lesen kostenlos in jeder Filiale. Bestellungen nehmen wir gern entgegen unter www.books.ch, [email protected] und Telefon 0848 849 848. Jetzt Fan werden: www.facebook.com/OrellFuessli www.facebook.com/Thalia.ch Preisänderungen vorbehalten. Unsere aktuellen Verkaufspreise und eine umfassende Auswahl an Büchern, Filmen und Spielen finden Sie auf www.books.ch, www.thalia.ch und www.buch.ch. Impressum Herausgeber: Orell Füssli Thalia AG, Dietzingerstrasse 3, Postfach, 8036 Zürich Gesamtherstellung und Redaktion: Textbüro Marius Leutenegger Gestaltung : Strichpunkt GmbH, Winterthur CoverFoto: Caroline Anderssen Bücher mit diesen Zeichen sind auch als eBook bzw. Hörbuch erhältlich. 4 5 Notizen N ot i zen Goodbye, Terry! Im März 2015 starb Terry Pratchett, einer der erfolgreichsten zeitgenössischen Autoren überhaupt: Seine Bücher wurden bislang in 37 Sprachen übersetzt und 85 Millionen Mal verkauft. Der Schöpfer der «Scheibenwelt» wurde nur 66 Jahre alt. Bereits 2007 wurde bei ihm eine seltene, früh beginnende Form der Alzheimer-Krankheit diagnostiziert. Weil er wusste, dass ihm nicht mehr viel Zeit blieb, schrieb der schon immer fleissige Autor von da an noch konzentrierter – und konnte bis zu seinem Ende noch sechs Bücher abschliessen. Nun ist im Manhattan-Verlag das letzte erschienen, «Die Krone des Schäfers», ein Scheibenwelt-Roman um die junge Hexe Tiffany Weh. Auch wenn einige Stellen nicht ganz ausgefeilt wirken, werden Fans an diesem Buch mehr als Freude haben – denn der Schwanengesang ist ein toller Abschluss eines Lebenswerks. Selten ging Pratchett so liebevoll mit seinen Figuren um wie hier. Der Tod spielt, wie sollte es anders sein, eine wichtige Rolle, aber auch ihm begegnet Pratchett mit dem üblichen Humor und wie einem guten Freund. Wer noch nie einen Pratchett las, kann mit diesem Buch beginnen und die Reihe dann quasi von hinten aufrollen. Das hätte dem Meister der Originalität sicher gefallen. Charles Chaplin war ein Multitalent – er schuf Grossartiges als Schauspieler, Slapstick-Clown, Drehbuchautor, Regisseur, Komponist von Filmmusik und Autor einer lesenswerten Autobiografie. Nun lässt sich diese Liste noch erweitern: Im Archiv der Cineteca di Bologna ist ein von ihm verfasstes Romanmanuskript entdeckt worden, das dort 66 Jahre lang unbeachtet geblieben war. Chaplin arbeitete offenbar viele Jahre lang an diesem Roman namens «Footlight», seinem einzigen, er gestaltete ihn ständig um und veränderte auch die zentralen Hauptfiguren, den alternden VaudevilleClown Calvero und die junge Ballerina Terry. Filmfans wissen: Das sind die beiden Protagonisten eines seiner besten Filme, «Limelight» aus dem Jahr 1952. Tatsächlich ist «Footlight» in der nicht vollständig vorliegenden Schlussfassung die Vorlage für den Film. Der Filmhistoriker David Robinson hat die Fragmente und verschiedenen Versionen des Romans so zusammengestellt, dass man die Geschichte bestens lesen und ihre Entwicklung nachvollziehen kann. Als Schriftsteller gelang Chaplin ebenso gut wie als Filmemacher, eine zauberhaft-melancholische Stimmung zu schaffen, ohne je in Kitsch oder Rührseligkeit abzudriften; sein Stil wurde bereits mit jenem von Charles Dickens verglichen. Herausgeber Robinson hat das bei C. Bertelsmann als «Rampenlicht» veröffentlichte Buch mit vielen tollen Bildern und gewinnbringenden Texten zu Chaplin und dem Vaudeville-Theater ergänzt – eine Sinnenfreude für alle Filmfans! Lesen 1/2016 – buch.ch, books.ch, thalia.ch Seit bald zwei Jahren steht «Darm mit Charme» von Giulia Enders auf den vordersten Rängen der SachbuchBestsellerlisten. Eine Nachfolge dieser VerdauungstraktBiografie ist nicht in Sicht. Oder doch? Der Fitnesspapst Dr. Ulrich Strunz, der schon unzählige höchst erfolgreiche Bücher über Ernährung, Gesundheit und Sport veröffentlichte, legt jetzt einen potenziellen Kandidaten vor: «Blut – Die Geheimnisse unseres flüssigen Organs», erschienen bei Heyne. Was leistet der laut Goethe «ganz besondere Saft» eigentlich in unserem Körper? Und wie können wir ihn optimieren? Warum hat Blut fast mystische Bedeutung? Und wie wirkt sich Fehlernährung via Blut auf Herz, Sexleben und Hautoberfläche aus? Strunz gelingt es wie immer, auch komplexe Zusammenhänge leichtverdaulich zu präsen tieren und locker über den Körper zu philosophieren. Neues Blut gegen alten Darm – der Kampf am Büchertisch ist eröffnet! Was ist das «infantilste Hobby Nummer eins»? Laut NZZ am Sonntag, wenn Erwachsene Farbstifte zur Hand nehmen und sich über Ausmalbücher hermachen. Solche pampige Einschätzungen sollten einem aber nicht den Spass rauben – erst recht nicht angesichts der Tatsache, dass der Malbuch-Trend einige besonders originelle Publikationen hervorgebracht hat. Eine solche ist «Tapetenwechsel», erschienen bei DVA: Zu kolorieren gibt es 20 Tapeten vom 18. Jahrhundert bis heute. Und farbstiftschwingenden Fans von «Game of Thrones» dürfte das offizielle Malbuch «Das Lied von Eis und Feuer» aus dem PenhaligonVerlag gleich doppelte Wonnen bereiten. Infantil – pah! Lesen 1/2016 – buch.ch, books.ch, thalia.ch Im 19. Jahrhundert war der Fall Kaspar Hauser ungefähr das, was die Ermordung John F. Kennedys im 20. Jahrhundert war: ein Rätsel, über das man endlos diskutieren konnte und dem unzählige Bücher gewidmet wurden. Hauser tauchte mit etwa 16 Jahren in Nürnberg wie aus dem Nichts auf, schien verwildert und zurückgeblieben. Bald machten Gerüchte die Runde, der junge Mann sei der Erbprinz des Grossherzogtums Baden und bei der Geburt von Feinden beiseitegeschafft worden. Hauser wurde einem Gymnasiallehrer übergeben, der ihn in die Gesellschaft zu integrieren versuchte; doch nur wenige Jahre nach seinem Auftauchen starb der Findling an einer Schussverletzung. Wurde er das Opfer von Intrigen? Oder war er einfach ein Betrüger, der sich die Wunde selber zufügte? Keine Frage: Der Stoff ist eine Romanvorlage par excellence. Seiner angenommen hatte sich einst auch Jakob Wassermann. Zwischen den beiden Weltkriegen war der deutsch-jüdische Bayer einer der beliebtesten Autoren im deutschsprachigen Raum, heute ist er fast ganz vergessen. Der Verlag ars vivendi holt ihn nun aus der Versenkung, indem er dessen Klassiker «Caspar Hauser oder Die Trägheit des Herzens» neu aufgelegt hat. Darin rollt Wassermann nicht einfach den Fall auf, sondern macht ihn zu einem tiefgründigen Gesellschaftskrimi. Thomas Mann bezeichnete Wassermann als «Weltstar des Romans» – schön, dass man dies jetzt mit diesem furiosen Werk selber verifizieren kann! 6 7 N ot i zen N ot i zen Klaus-Peter Wolf der Meister des Ostfriesenkrimis Leute, die das mögen, mögen auch ... Darauf freuen wir uns: Auf Englisch ist er bereits erhältlich, auf Deutsch erscheint er Ende März bei Heyne: der neue Roman des Justizthriller-Spezialisten John Grisham. Protagonist von «Der Gerechte» – im Original «Rogue Lawyer» – ist Rechtsanwalt Sebastian Rudd, kein Anzugträger im warmen Büro, sondern ein harter Kerl, der in einem kugelsicheren Van lebt. Grisham-Fans dürfen sich auf rasante Stories freuen – und auf eine harte Abrechnung mit dem amerikanischen Justizsystem. Lesen 1/2016 – buch.ch, books.ch, thalia.ch Mag man ein Buch besonders gut, ist es oft auch besonders schnell ausgelesen. Zum Glück können einem dann Fachleute andere Bücher mit vergleichbaren Qualitäten empfehlen. Zum Beispiel Sabine Obi. Die 42-Jährige arbeitet in der Filiale von Orell Füssli am Flughafen Zürich. «Im Mittelpunkt des Bestsellers ‹Das Rosie-Projekt› von Graeme Simsion steht der 39-jährige Genetiker Don, der unwissentlich am Asperger-Syndrom leidet – einer milden Form des Autismus. Er beschliesst, sich eine Frau zu suchen, und hält in einem 16-seitigen Fragebogen minutiös fest, wie seine Zukünftige sein soll. Durch Zufall begegnet er Rosie, die natürlich genau das Gegenteil von dem ist, was er sich gewünscht hat. Don verliebt sich auf den ersten Blick in sie. Aber Rosie braucht eigentlich nur seine Hilfe – sie will ihren Vater finden und benötigt dafür einen Genetiker ... ‹Das Rosie-Projekt› ging bei uns stapelweise weg. Dass diese Liebesgeschichte von Männern ebenso verschlungen wird wie von Frauen, mag damit zu tun haben, dass die so witzige wie romantische Geschichte von einem Mann aus männlicher Perspektive erzählt wird. Ich werde oft gefragt, ob ich ein vergleichbares Buch empfehlen könne. Ja, kann ich: ‹Mieses Karma 2› von David Safier. Auch diese Liebesgeschichte ist voller Witz und grotesker Szenen – und auch sie stammt von einem Mann. Hauptfiguren sind die 25-jährige Nachwuchsschauspielerin Daisy und der arrogante Hollywood-Star Marc. Die beiden können einander nicht leiden, doch der Zufall will, dass sie zusammen tödlich verunfallen. Beide werden als Ameisen wiedergeboren, denn sie haben sich ziemlich viel schlechtes Karma aufgeladen. Buddha sagt ihnen, wie sie auf der Reinkarnationsleiter hochkraxeln können. Irgendwann merken die beiden natürlich, dass sie gar nicht so schlecht zusammenpassen. Auch hier haben wir also eine wunderbar witzige Liebesgeschichte, die gar nicht gut beginnt – und die allen Fans von ‹Das Rosie-Projekt› gefallen wird!» Lesen 1/2016 – buch.ch, books.ch, thalia.ch ISBN 978-3-596-19727-9 2011 gewann Catalin Dorian Florescu den Schweizer Buchpreis für seinen Roman «Jacob beschliesst zu lieben». Nun liegt sein erster neuer Roman seit diesem Erfolg vor: «Der Mann, der das Glück bringt», erschienen bei C. H. Beck. Was die NZZ einst über das preisgekrönte Buch schrieb, lässt sich auch über das neue sagen: «Ein wahres Epos. Der Roman verschränkt individuelle Schicksale zwanglos mit historischen Ereignissen. Für die Lesenden liegt einer der Reize gerade im Wechsel des Blickfelds. Er ist der geborene Erzähler, dieser Catalin Dorian Florescu.» Diesmal verschränkt der in Zürich lebende Autor zwei Erzählstränge miteinander. Der erste – und stärkere – beginnt mit einem mausarmen Zeitungsjungen im brodelnden New York der vorletzten Jahrhundertwende, der zweite mit der Geburt eines Bauernmädchens im Donaudelta, wo die Zeit stehengeblieben zu sein scheint und man noch an Magie glaubt. Die Nachfahren dieser Protagonisten treffen in der Gegenwart aufeinander. Florescu schöpft das pittoreske Potenzial seiner Geschichte voll und ganz aus – mit einer kräftigen Sprache, starken Bildern und vielschichtigen Charakteren. Das lange Warten auf ein neues Werk dieses tollen Erzählers hat sich gelohnt. Das sind die Gewinner In jeder Ausgabe von Lesen finden Sie einen KreuzworträtselWettbewerb; in dieser Ausgabe auf Seite 45. Zu gewinnen gibt es jeweils zehn Büchergutscheine im Wert von 20 bis 200 Franken. Beim letzten Wettbewerb – das Lösungswort lautete «Kochbuchautorin» – wurden folgende drei Teilnehmende als Gewinner ausgelost: 1. Preis (200 Franken): Ursula Margadant, Elsau 2. Preis (100 franken): Sandra Zimmermann, Fislisbach 3. Preis (50 franken): Philipp Landis, Adliswil Herzliche Gratulation! Die Gewinnerinnen und Gewinner der Preise 4 bis 10 werden schriftlich benachrichtigt. © Gaby Gerster Schreibt ein 89-jähriger Schriftsteller, der auch als eitel und recht unversöhnlich gilt, einen Roman mit dem Titel «Ein sterbender Mann», erwartet man wenig Erbauliches – nämlich Abrechnungen, Sentimentalitäten, Grauen. Doch das neue Buch von Martin Walser erfüllt diese Befürchtungen zum Glück nicht, im Gegenteil: Der deutsche Literaturtitan liefert damit eine unterhaltsame und kluge Auseinandersetzung mit den letzten oder den ganz grossen Dingen, mit Liebe, Verrat, Tod und dem Platz des Einzelnen in der Welt. Unterhaltsam ist das Buch auch deshalb, weil Walser mit den Formen spielt und dabei den Schlüsselloch-Effekt nutzt: Weite Passagen des Buchs bestehen aus intimen Briefen und E-Mails. Die Hauptfigur Theo Schadt wird nämlich mit dem Verrat eines Geschäftspartners nicht fertig und beschliesst darauf, sich aus dem so abscheulich unfairen Umfeld durch Suizid zu verabschieden. In einem Internet-Forum tauscht er sich darauf mit anderen Sterbewilligen aus – und fühlt sich wie ein Lehrling unter vermeintlich erfahrenen Hasen. Und dann explodiert in Schadt auch noch die Leidenschaft. Einmal mehr ist eine Walser-Figur den Herausforderungen, die das Leben stellt, also nicht gewachsen – dabei schaut man ihr aber sehr gern zu. Und freut sich an einer vorbildlich elegantsimplen Sprache voller Schalk. Der alte Meister zeigt wieder einmal manchem Jungautor, wo der Hammer hängt. Beim Konflikt zwischen Islamisten und dem Westen wird immer wieder die Forderung laut, wir müssten uns zwecks besserer Verständigung näher mit dem Islam und dem Koran beschäftigen. Doch Hand aufs Herz: Kennen wir überhaupt die eigenen christlichen Wurzeln? Nicht wirklich, wie eine packende Neuerscheinung von DVA beweist: «Die Bibel» bietet ein breites Spektrum von Informationen über die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte des «mächtigsten Buchs der Welt» – und dürfte die meisten von uns auf mindestens jeder zweiten Seite mit bislang unbekannten Fakten überraschen. Denn wer weiss schon, unter welchen gesellschaftlichen Voraussetzungen das «Buch der Bücher» verfasst wurde, welche Absichten die verschiedenen Autoren verfolgten und welche Quellen sie elegant miteinander verwoben. Das Buch enthält fast 30 Beiträge, die vornehmlich von Spiegel-Autorinnen und -Autoren stammen – und entsprechend süffig geschrieben sind. Erstklassiges Infotainment! JETZT NEU! www.fischerverlage.de 8 9 N ot i zen N ot i zen Jahrestage Am 18. Februar feiert Toni Morrison ihren 85. Geburtstag. Die US-Amerikanerin erhielt 1993 den Nobelpreis für Literatur. Ihre neueste Erzählung «God Help the Child» erschien im vergangenen April auf Englisch. Wer nicht warten möchte, bis die Übersetzung vorliegt, kann sich an der letzten Neuerscheinung auf Deutsch und bei Rowohlt erfreuen: «Heimkehr». © Porträt: Mark Seliger © Porträt: Timothy Greenfield-Sanders Am 3. März jährt sich der Todestag von Marguerite Duras zum 20. Mal. Ihren Durchbruch erlebte die Französin 1959 mit dem Drehbuch für «Hiroshima, mon amour», wirklich zeitlos sind aber ihre autobiografisch angehauchten Romane wie «Der Liebhaber» – man muss sich nach der Lektüre dieses Buchs, das bei Suhrkamp erschienen ist, dem deutschen Literaturpapst Marcel Reich-Ranicki anschliessen: «Mir scheint, dass Marguerite Duras sagen wollte: Die Liebe, sie ist doch kein leerer Wahn.» Das nächste Geburtstagskind ist kein Autor, sondern ein Werk: «Der Doppelmord in der Rue Morgue» von Edgar Allen Poe erschien erstmals im April 1841, also vor 175 Jahren. Die Erzählung gilt als allererster Krimi der Literaturgeschichte. Hauptfigur C. Auguste Dupin ist der Prototyp des Detektivs im Stil von Sherlock Holmes. Und die Geschichte, die zum Beispiel im Sammelband «Kriminalgeschichten» aus dem Insel-Verlag zu finden ist, hat bis heute keinen Staub angesetzt. Noch ein 85.? Genau: Rolf Hochhuth feiert am 1. April! Vom deutschen Dramatiker stammt das eindrückliche Trauerspiel «Der Stellvertreter» über die Haltung des Papsts zum Holocaust. Im März erscheint bei Rowohlt sein neuestes Werk «Das Grundbuch» mit 365 Sieben- bis Zwölfzeilern, laut Hochhuth «eher auf den Punkt gebrachte Lebenserkenntnisse denn Gedichte». © Porträt: Ursula Euler Lesen 1/2016 – buch.ch, books.ch, thalia.ch … und ausserdem Und wir dürfen gleich nochmal zu einem 85. gratulieren: Am 11. März feiert Janosch diesen runden Geburtstag. Wer keine Kinder hat oder nie eines war, wird wenig Ahnung davon haben, wer dieser Herr ist – alle anderen aber wissen: Er hat die Tigerente erfunden. Und noch viele, viele weitere unvergessliche Figuren. Soeben ist bei Ullstein eine Biografie von Angela Bajorek über Janosch erschienen: «Wer fast nichts braucht, hat alles». Stimmt! Und dann ist noch ein ganz Runder einer ganz Grossen zu vermelden: Charlotte Brontë kam am 21. April 1816 zur Welt – vor 200 Jahren. Die Autorin von «Jane Eyre» zählt zu den ersten Schriftstellerinnen, die als solche breit anerkannt wurden. Soeben wurde ihr erster Roman «Der Professor» vom Verlag ars vivendi neu aufgelegt. Tanja Frieden, Snowboardcross-Olympiasiegerin 2006, Coach und Mentaltrainerin: «Auf der Rückseite von ‹Safari des Lebens› heisst es: ‹In unserer Seele gibt es einen Ort, an dem wir unsere grössten Wünsche aufbewahren. Diese Wünsche sind unsere Big Five for Life.› Das Buch erzählt die Geschichte von Jack, der sich einen Jugendtraum erfüllt. Er möchte die ‹Big Five› der afrikanischen Wildnis hautnah erleben: Elefant, Leopard, Löwe, Büffel und Nashorn. Kurz nach seiner Ankunft begegnet er Ma Ma Gombe, einer weisen alten Frau, die ihn fortan begleitet. Auf ihrer Reise durch Afrika lernt der junge Jack von Ma Ma Gombe viel über das Leben und die Bedeutung von Lebenszielen – der ‹Big Five for Life›. Das Buch erteilt keine Ratschläge, sondern aktiviert die Suche nach den urpersönlichen Lebenswünschen. Das gefällt mir. Es ist im Grund leichte Lektüre, die dazu einlädt, sich Gedanken über das eigene Leben zu machen und eine eigene Definition von Erfolg zu finden: sich die fünf grossen Lebensziele zu setzen. Wo geht es lang, wenn man nicht weiss, wohin man will? In meiner Arbeit als Coach brauche ich oft die Kraft der Bilder, der Emotionen, der Brücken zum Sport, um Antworten zu finden. ‹Safari des Lebens› versucht dies ebenfalls und eignet sich für alle Menschen, die sich mit der Frage nach der eigenen Zukunft beschäftigen.» Jeden Morgen um zehn vor acht wird am Radio «ABC SRF 3» gespielt. Der Moderator gibt einen Anfangsbuchstaben vor – und der zugeschaltete Spieler muss dann innerhalb von 45 Sekunden bestimmte Begriffe dazu finden. Belesene Zuhörerinnen und Zuhörer könnten manchmal verzweifeln, wenn das gesuchte Wort einfach nicht kommt. Jetzt aber dürfen sie selber einmal erleben, wie schwierig es ist, unter Druck subito die richtige Antwort herauszuschiessen – mit dem Spiel «ON AIR». Bis zu zwölf Leute können mittun. Nur einer oder eine ist jeweils auf Sendung, also «ON AIR». Die Konkurrenz erhöht den Stress noch mehr, und plötzlich fällt einem kein Baum auf H mehr ein! Ein rasantlustiges Spiel für lange Winterabende! Foto: © Monika Nonnenmacher Ebenfalls 85 wird ein Landsmann von Toni Morrison: Tom Wolfe. Er feiert am 2. März. Sein bekanntestes Buch ist der Yuppie-Roman «Fegefeuer der Eitelkeiten», über die Schönen und Reichen im New York der 1990er-Jahre – ein Meisterwerk der Fabulierfreude und des geistreichen Witzes. Erhältlich als RowohltTaschenbuch. Was lesen Sie gerade? Elke Heidenreich ON AIR Für 2 –12 Spieler ab 12 Jahren CHF 16.90 Game Factory Das Leben, mehr als eine kurze Geschichte: Elke Heidenreich erzählt in ihrem neuen Buch von sich, von Liebe und Streit, von Tieren, Büchern, Müttern und Kindern – und damit von uns allen. Safari des Lebens John Strelecky 160 Seiten, CHF 14.90 dtv 240 Seiten. Gebunden Farbiges Vorsatzpapier. Auch als -Book www.hanser-literaturverlage.de Lesen 1/2016 – buch.ch, books.ch, thalia.ch 10 11 I nte rv i e w Intervie w Gabriel Klein ist der vielleicht ungewöhnlichste Ermittler in der Schweizer Krimilandschaft: Er steht der jüdischen Gemeinde der Stadt Zürich als Rabbiner vor und rutscht meist eher zufällig in Mordfälle. Auch Kleins Schöpfer führt sozusagen ein Doppelleben: Autor Alfred Bodenheimer leitet auch das Zentrum für Jüdische Studien an der Universität Basel. Nun ist der dritte Band seiner erfolgreichen Reihe erschienen. interview: marius leutenegger «Krimis sind mein Ausgleichssport» Ihr Protagonist Gabriel Klein ist der Rabbiner der Israelitischen Cultusgemeinde von Zürich. Sie beschreiben diese sehr plastisch. Fühlten sich Gemeindemitglieder auch schon betroffen? Ich habe viele Rückmeldungen bekommen – und manche glauben schon, sich oder andere wiederzuerkennen. Aber auch wenn es in meinen Büchern durchaus autobiografische Elemente gibt, sind die Figuren alle fiktiv. Sie selber sind unüberhörbar Basler. Spielen Ihre RabbiKlein-Krimis in Zürich, damit Sie nicht Gefahr laufen, dass Ihre Bücher als Insiderbericht gelesen werden? Ich lebte 15 Jahre lang in Zürich, und als ich die erste Rabbi-Klein-Geschichte schrieb, lag mir die Gemeinde von Zürich näher als jene von Basel. Ich hatte auch das Gefühl, die Zürcher Gemeinde funktioniere als Krimi-Biotop besser, weil sie grösser ist und zum Beispiel auch über eine grosse eigene Schule verfügt. Als das Buch entstand, war ich aber weder mit der Zürcher noch der Basler Gemeinde stark verbunden – ich schrieb «Kains Opfer» in Jerusalem, wo ich ein Freisemester verbrachte. Auch heute verbringe ich dort den grössten Teil meiner freien Zeit. Sie sind doch Professor in Basel! Ja, aber meine Familie wohnt in Jerusalem. Ich verbringe bei ihr immer die Semesterferien – und ich reise auch während des Semesters jeden Donnerstagabend nach Jerusalem und kehre am Montagmorgen nach Basel zurück. Daher bin ich nicht mehr sehr aktiv in den hiesigen Gemeinden. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, einen Rabbiner zum Protagonisten einer Krimiserie zu machen? Alfred Bodenheimer kam 1965 in Basel zur Welt. Er wuchs in einer traditionellen jüdischen Familie auf. Nach dem Gymnasium betrieb er Talmudstudien in den USA und in Israel, dann studierte er in Basel Germanistik und Geschichte; 1993 promovierte er miteiner Arbeit über die Emigration von Else Lasker-Schüler nach Palästina. Nach Forschungs- und Lehrtätigkeiten in Israel und an der Universität Luzern sowie einer Habilitation ander Universität Genf kehrte Alfred Bodenheimer 2003 als Professor für Jüdische Literaturund Religionsgeschichte an die Universität Basel zurück. Seit 2010 leitet er dort das Zentrum für Jüdische Studien. 2014 erschien sein erster Rabbi-Klein-Krimi «Kains Opfer», der mit dem Zürcher Krimipreis ausgezeichnet wurde. Ein Rabbiner bietet als Figur tolle Möglichkeiten. Er ist ein Gelehrter, steht aber gleichzeitig mitten in der Gemeinde und wird mit menschlichen Konflikten aller Art konfrontiert. Ausserdem weiss ich recht genau, wie der Alltag eines Rabbiners aussieht. Als ich den ersten Rabbi-Klein-Roman schrieb, dachte ich aber nicht an eine Reihe; mir war einfach eine Geschichte eingefallen, bei der sich ein Rabbiner als Hauptfigur aufdrängte. Sie sind hauptberuflich Spezialist für jüdische Literatur. Kennen Sie andere Beispiele für ermittelnde Rabbiner? In den 1960er- und 1970er-Jahren schrieb der US-amerikanische Autor Harry Kemelman eine recht populäre Serie mit einem Rabbi. Die Titel der Krimis drehten sich jeweils um einen Wochentag: «Am Freitag schlief der Rabbi lang» und so weiter. Als ich etwa 15 Jahre alt war, las ich eines dieser Bücher, doch ich hatte fast alles davon vergessen. Kurz bevor mein erster eigener Krimi erschien, schaute ich nochmals nach, wie eigentlich Kemelmans Rabbi hiess – und siehe da, er hiess Rabbi Small! Ich werde immer wieder auf diese Parallele angesprochen. Vielleicht hatte sich der Name in Ihrem Unterbewusstsein festgemacht ... Das ist möglich. Aber ich hätte meinen Rabbi auch Gabriel Klein genannt, wenn mir die Parallele bewusst gewesen wäre. Ich finde den Namen gut. Weil Rabbi Klein kein professioneller Ermittler ist, wird er nicht wie etwa ein Inspektor automatisch mit Verbrechen konfrontiert. Sie müssen Ihrer Hauptfigur die Leichen quasi zufällig in den Lebensweg legen. Ist das schwierig? Lesen 1/2016 – buch.ch, books.ch, thalia.ch 12 13 I n t erv i e w I n t erv i e w Aber warum rücken Sie das Judentum und die geistigen Fragen bei Ihren Krimis so stark ins Zentrum – wo Sie als Leiter des Instituts für Jüdische Studien doch sowieso schon den ganzen Berufsalltag lang mit dem Judentum zu tun haben? Würde ich über etwas schreiben, das ich nicht kenne, müsste ich wieder wissenschaftlich arbeiten und recherchieren. Lasse ich die Krimis aber in dem Milieu spielen, das mir vertraut ist, kann ich ohne zusätzliche Vorbereitung aus dem Vollen schöpfen. Mit allem, was Rabbi Klein umtreibt, habe ich mich schon intensiv beschäftigt. Für mich ist das Krimischreiben ein bisschen wie ein Ausgleichssport, wie ein Spiel mit Inhalten, die ich sonst nicht so spielerisch angehen kann. Ja, der Spieltrieb ist für mein literarisches Schreiben sicher sehr wichtig. Und ich sehe auch aus einem anderen Grund keinen Anlass, das Milieu zu wechseln: Es gibt nichts Tolleres auf der Welt als das, was ich als Wissenschaftler tagein, tagaus tue – und mit den Krimis kann ich es auf eine andere Weise tun. Natürlich ist die Häufung von Mordfällen im Umfeld von Klein nicht sehr realistisch, aber ich habe bis jetzt immer problemlos einen Weg gefunden, einen Mord zum Rabbi zu bringen. Allerdings hat man mir auch schon gesagt, ich solle mit der Serie aufhören, bevor die ganze Zürcher Gemeinde ermordet ist. Warum braucht ein Krimi eigentlich immer einen Mord? Es gibt doch viele Verbrechen, die verübt werden könnten. Das habe ich mir noch gar nie überlegt ... Nun, vielleicht kann man das so begründen: Ein Mord ist immer die Folge einer Entwicklung, die total schiefgelaufen ist. Er ist sozusagen die Kulmination einer schlechten Situation. Es geht bei einem Krimi ja immer um die Konstellation, die zum Verbrechen führte. Ein Mord ist etwas derart Extremes und Aufrührendes, dass man gar nicht mehr darum herum kommt, das faule Umfeld zu durchleuchten – er ist sensationell genug, um die Dinge in Gang zu bringen. Wie kamen Sie dazu, Krimis zu schreiben? Wurde Ihnen das wissenschaftliche Schreiben zu langweilig? Ich wollte schon immer literarisch schreiben, bereits als Jugendlicher. Anfang 20 verfasste ich ein erstes Buch, einen experimentellen Roman. Ich gab ihn verschiedenen Leuten zu lesen, die ziemlich begeistert waren; Adolf Muschg schrieb mir sogar einen langen Brief. Doch kein Verlag wollte das Buch drucken. Da sagte ich mir: Schreibe ich je wieder etwas Literarisches, dann nichts, das zwar als interessant gilt, sich aber nicht verkaufen lässt. Lieber einen Krimi als etwas für die Luftschublade! Von Mitte 20 bis Ende 40 schob ich meinen Wunsch, literarisch zu arbeiten, dann zur Seite und schrieb vor allem über Literatur, statt selber Literatur zu produzieren. Ich fand eine Tätigkeit, die mich total ausfüllte und immer noch aus- füllt – jetzt ist mit dem literarischen Schreiben einfach noch etwas dazugekommen. Am Ende des erwähnten Freisemesters schrieb ich die Krimigeschichte, die ich schon einige Zeit mit mir herumtrug. Die erste Fassung stand nach einer Woche, ich gab sie meiner Frau zu lesen, und sie fand sie toll. Hätte meine Frau gesagt, das taugt nichts, hätte ich es wohl bleiben lassen. «Man hat mir auch schon gesagt, ich solle mit der Serie aufhören, bevor die ganze Zürcher Gemeinde ermordet ist.» Aus einem Buch sind mittlerweile drei geworden. Wann finden Sie eigentlich Zeit zum Schreiben? Immer in einem sehr begrenzten Zeitraum. Während des Semesters ist es mir nicht möglich, an einem Roman zu arbeiten, etwa am Feierabend – ich muss ein literarisches Buch an einem Stück verfassen. Die Krimis entstehen daher in der Sommerpause. Sie sind eine Ferienbeschäftigung. Ihre Krimis dienen auch jedes Mal dazu, anspruchsvolle Themen zu erörtern. In «Der Messias kommt nicht» bieten Sie Einblicke in das Werk des Basler Humanisten Sebastian Münster, eine Auseinandersetzung mit der Samson-Gestalt, mit Luthers Antisemitismus und der titelgebenden philosophischen Frage, ob der Messias nur einer sein kann, der kommen wird – und keiner, der tatsächlich einmal kommt. Zwischendurch vergisst man völlig, dass es sich bei diesem Buch um einen Krimi handelt. Was steht bei Ihren Büchern am Anfang: Die theologisch-philosophischen Themen oder der Fall? Ich habe zuerst die Krimi-Idee. Aber Rabbi Klein lebt in einer Welt, in der theologische Fragen sehr präsent sind, und er zieht sofort Analogien. Beim ersten Fall betraf die Analogie die Kain-Geschichte, beim zweiten das Hohelied und jetzt beim dritten Samson. Ich will aber keine belehrende oder didaktische Botschaft über das Judentum oder die Bibel übermitteln, sondern ein Problem aufgreifen und in eine Geschichte einbauen, die spannend ist. Dabei lesen sich dann für mich auch die biblischen Texte ganz neu. Lesen 1/2016 – buch.ch, books.ch, thalia.ch Welchen Leser, welche Leserin haben Sie denn vor Augen, wenn Sie Ihre Krimis schreiben? Sicher ein eher anspruchsvolles Publikum ... Für mich ist wichtig zu wissen, dass nicht ausschliesslich Juden oder ausschliesslich Nichtjuden die Bücher lesen. Es sollen alle etwas herausholen können. Ich glaube, meine Bücher werden von Leuten geschätzt, die sich gern unterhalten lassen, dabei aber auch eine geistige Herausforderung suchen. Ich gehe in den Krimis Fragen nach, die mich seit Jahren beschäftigen, und ich glaube, diese Fragen könnten auch für andere interessant sein. Der Ansatz lautet ungefähr: Wir wollen jetzt mal miteinander ein paar interessante Fragestellungen durchdenken. Ich will nicht dozieren, sondern diese Fragen so mit der Handlung verknüpfen, dass man das Geistige einfach mitnimmt. Das ist eine Herausforderung, und einige Fachkollegen fanden: Du betreibst da eine neue Form der akademischen Lehre – so kann man die Leute begeistern! Aber wie gesagt, darum geht es mir eigentlich nicht. Mir macht es einfach Spass, so zu arbeiten. In Ihrem ersten Krimi erscheint der Get, der jüdische Scheidebrief, durchaus in kritischem Licht. Möchten Sie auf diesem Weg als Autor auch gegenüber Ihrer Religion Stellung beziehen? Ich möchte zeigen, dass sich sehr komplexe und schwer lösbare Fragen stellen, wenn man nach den Regeln des Judentums lebt. Übt man die Religion aus, kann daraus sehr viel Positives entstehen – man wird aber auch mit Fragen konfrontiert, die existenziell sind und gelöst werden müssen. Es geht mir nicht um Kritik – so wenig wie um Verklärung –, aber ich will die Dinge beim Namen nennen. Weltweit gibt es zwischen 13 und 15 Millionen Juden, sie machen 0,2 % der Weltbevölkerung aus. In künstlerischen Berufen ist der Anteil aber viel höher. In Hollywood sind Juden traditionell sehr stark vertreten, und auch die Literaturwelt ist jüdisch geprägt: Zeruya Shalev, Der Messias kommt nicht (2016) 208 Seiten, CHF 27.90 eBook CHF 18.90 Nagel & Kimche Das Ende vom Lied (2015) 208 Seiten, CHF 26.90 eBook CHF 21.90 Nagel & Kimche Kains Opfer (2014) 224 Seiten, CHF 26.90 eBook CHF 21.90 Nagel & Kimche Arthur Miller, Amos Oz, Franz Kafka, Joseph Roth, in der Schweiz Charles Lewinsky, Thomas Meyer und Sie. Dass eine so kleine Ethnie so viele Geschichtenerzähler hervorbringt, kann doch kein Zufall sein. Wie erklären Sie sich das Phänomen? Diese kleine Gemeinschaft, die über die ganze Welt verstreut war und ist, brauchte sehr starke Anstrengungen, um sich eine eigene Identität zu schaffen. Das jüdische Gesetz war sicher wichtig – jeder wusste, was der Sabbat bedeutet. Aber wichtig war auch, einen gemeinsamen Narrativ zu entwickeln. Die biblische Geschichte und ihre rabbinischen Überarbeitungen waren sehr bedeutend dafür, dass sich die Juden trotz der für sie schwierigen Verhältnisse vergewissern konnten, als kleine Gruppe zusammenzugehören. Ja, ich glaube, die Selbstvergewisserung durch das Erzählen ist sehr wichtig für das Judentum. Und die Beschäftigung mit Texten hat im Judentum eine zentrale Bedeutung. Was an geschlossenem Territorium oder an Machtbasis fehlte, musste durch Texte ersetzt werden. In den Biografien, die man von Ihnen im Internet findet, heisst es, Sie lebten traditionell jüdisch. Was unterscheidet einen traditionell lebenden von einem orthodoxen Juden? Da geht es wohl vor allem um Begriffe – bei orthodox denkt man an Schläfenlocken und so weiter. Wir hielten zu Hause die jüdischen Gesetze immer ein, die Speise- oder Sabbatgesetze zum Beispiel, und meine Frau und ich haben auch unsere Kinder entsprechend erzogen. Für mich ist es aber extrem wichtig zu wissen, dass ein Leben nach dem jüdischen Religionsgesetz kompatibel ist mit der Existenz mitten in der Welt. Verhält man sich mit einer gewissen Selbstverständlichkeit, findet das auch ein entsprechendes Echo. Ich leistete zum Beispiel Militärdienst in der Schweiz, und dass ich mich an das Religionsgesetz hielt, war nie ein Problem. Meine Mitrekruten sahen: Das Judentum ist etwas, das sich problemlos integrieren lässt in die westliche Welt. So soll es funktionieren: Man muss nicht dogmatisch sein und kann trotzdem nach dem eigenen Gesetz leben. Das möchte ich weitertragen. Jetzt ist Band 3 Ihrer Rabbi-Klein-Reihe erschienen. Wie geht es weiter? Falls ich im Sommer eine produktive Phase habe, werde ich einen vierten Krimi schreiben. Ich habe da so eine Idee ... Werden Sie der Universität bald den Rücken kehren – und nur noch literarisch schreiben? Nun, auch wenn man in der Schweiz ein erfolg reicher Autor ist, kann man kaum vom literarischen Schreiben leben. Aber ich würde auch nicht gehen wollen, wenn ich könnte – ich liebe meine Aufgabe an der Universität. Und ich finde sie wichtig. Die Gesellschaft muss wissen: Die Geschichte, die wir die Geschichte Europas nennen, hat auch eine Rückseite – und es gibt Minderheiten, die diese Geschichte ganz anders erlebt haben als die Mehrheit. Lesen 1/2016 – buch.ch, books.ch, thalia.ch 14 15 R eportag e R ep o rtag e Ein schöner Rücken kann auch entzücken Lesen macht sich auf die Suche nach dem schönen Buch – und findet wahre Schönheit längst nicht nur bei grossen Fotobänden. Kommt sie auch bei Büchern von innen? Text: Benjamin Gyga x Seit einigen Jahren sind eBooks auf dem Vormarsch, denn sie sind preiswert und praktisch. Interessante Textstellen lassen sich markieren und mit Volltextsuche schnell wiederfinden. Und mit dem Tolino Vision von Orell Füssli Thalia haben Leseratten immer und überall bis zu 2000 Bücher dabei. Diese elektronische Bibliothek braucht bis zu sieben Wochen lang keine Steckdose, wiegt gerade einmal 174 Gramm und verbraucht keinen Platz. Neonglanz und Tristesse: Michael Glawoggers schön gestaltete Kurzgeschichten «69 Hotelzimmer». Bücher trotz allem? Doch trotz dieser enormen Vorteile kann sich das Buch behaupten. Es scheint eigene, einzigartige Qualitäten zu besitzen – und die müssen offensichtlich in seiner physischen Erscheinungsform liegen. Für die einen sind Bücher zwar nur ein Mittel zum Zweck: Ob Roman oder Sachbuch, ein Paperback tut es. Andere haben dagegen eine geradezu erotische Beziehung zu Büchern. Sie freuen sich am Geruch des Papiers und am Gefühl des Leineneinbands, obwohl Bücher heute keine kunstvoll hergestellten Kostbarkeiten mehr sind wie im Mittelalter, sondern industriell gefertigte Massenprodukte. Was macht das Buch zu einem geliebten Objekt, das man jahrzehntelang behält und im Wohnzimmer aufbewahrt? Warum finden wir ein Buch schön? Umberto Eco schreibt: «Das Buch ist wie der Löffel, der Hammer, das Rad oder die Schere: Sind diese Dinge erst einmal erfunden, lässt sich Besseres nicht mehr machen.» Ist es dieses Klare, Funktionale, das Bücher schön macht? «Das Buch ist wie der Löffel, der Hammer, das Rad oder die Schere: Sind diese Dinge erst einmal erfunden, lässt sich Besseres nicht mehr machen.» Special Effects vom Filmregisseur Hin und wieder – wenn auch selten – begegnet man einem Buch, das einen verzaubert, schon bevor man mit Lesen begonnen hat. Ein «Objet du désir» mit einem Hauch von Geheimnis, das man unbedingt ergründen will. Ein solches Buch ist «S. – Das Schiff des Theseus». Das liebevoll gestaltete Werk mit seinem altmodischen Leineneinband und Schuber scheint ein Roman des Autors V. M. Straka aus dem Jahr 1949 zu sein. Ein Stempel und Ausleih-Einträge vermitteln, dass es seither in einer Bibliothek stand, und die zahlreichen Notizen am Rand scheinen zu belegen, dass es eifrig studiert wurde. Tatsächlich handelt es sich aber um eine Neuerscheinung, eine fantasievolle Mimikry von J. J. Abrams und Doug Dorst. Genau: Das ist jener Regisseur und Drehbuchautor J. J. Abrams, der soeben mit der Weiterführung der Star-Wars-Saga Furore gemacht hat. Nun beschert er uns mit seinem Co-Autor also auch noch ein vielschichtiges Lesevergnügen. Belletristische Wundertüte «S. – Das Schiff des Theseus» – Ein Buch als Entdeckungsreise in die Vergangenheit. © Rudolf Linn, Köln Lesen 1/2016 – buch.ch, books.ch, thalia.ch Der Lebenskampf über und unter Wasser, gezeichnet von Christian Schneider für Rudyard Kiplings «Über Bord». oben: © Christian Schneider/ Edition Büchergilde. rechts: © Martin Mascheski / Edition Büchergilde Wo soll man beginnen? Da gibt es zunächst einmal die Romanhandlung, in der V. M. Straka von der Schnitzeljagd seines Protagonisten S. erzählt. Dieser wird erinnerungslos in einer schäbigen Hafenstadt angespült und reist auf der Suche nach seiner Identität und nach dem düsteren Waffenproduzenten Védova rund um den Erdball. Die zweite Ebene dieser belletristischen Wundertüte bilden die Anmerkungen des – naLesen 1/2016 – buch.ch, books.ch, thalia.ch 16 17 R ep o rtag e R ep o rtag e «Schönheit beschreibt die Objektqualität.» Lars Müller hat 1983 aus bibliophiler Leidenschaft einen Verlag gegründet und publiziert zu den Themen Architektur, Design, Fotografie, Kunst und Gesellschaft. Der ausgebildete Gestalter hat klare Vorstellungen von einem schönen Buch. Ein Buch mit herrlichen Aufnahmen: In «Meine Reise nach Rom» spürt Émile Zola der Modernisierung Roms vor der Jahrhundertwende nach. türlich ebenfalls fiktiven – Übersetzers F. X. Caldeira. Sie betreffen die Identität des Autors, einer so geheimnisvollen Figur wie zum Beispiel B. Traven. Und die dritte und unterhaltsamste Ebene findet sich neben dem eigentlichen Text: Dort führen die Studentin Jen und der Doktorand Eric mit ihren handschriftlichen Notizen einen angeregten Dialog über die Identität des Autors und ihr eigenes Leben. Zwischen den Seiten platzierte Postkarten, Briefe und Servietten enthüllen weitere Informationen. Als Leser entscheide ich selber, ob ich eine Ebene nach der anderen oder parallel lese und was ich mit den vorgefundenen Objekten mache. Das Aussergewöhnliche dieses Werks ist, dass es uns vorführt, wie vielfältig ein Buch sein kann: linearer Text, kompliziertes Puzzle und sinnliches Objekt. gelassen wird, so gibt es auch keine Episode 13. Das Buch im Kartonschuber fängt die Neonlicht-Atmosphäre von Hotels stilvoll ein. Die schönsten Bücher Noch mehr Entdeckungen Nicht immer erhalten schöne Bücher so viel Aufmerksamkeit, wie sie dem oben beschriebenen zuteil wird. Um ihnen dennoch Ehre zu erweisen, zeichnet das Bundesamt für Kultur immer Ende Januar «Die schönsten Schweizer Bücher» aus. Die Gewinner 2015 findet man unter www.swissdesignawards.ch. In Deutschland zeichnet die Stiftung Buchkunst, die unter anderem vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels getragen wird, jeweils im September besondere Bücher aus. In der Kategorie «Allgemeine Literatur» wurde der begehrte Preis Michael Glawoggers «69 Hotelzimmer» zugesprochen. Es ist der posthum erschienene Debütroman des österreichischen Filmemachers. Das Buch erzählt Geschichten aus dem Leben eines «Ers», der um die Welt reist und in Hotels Menschen begegnet. 68 Episoden sind es, denn so wie in Hotels manchmal das Zimmer 13 aus- Weil es bei besonderen Büchern ja ums Entdecken geht und weil Frühling die Zeit des Aufbruchs ist, bleiben wir weiter beim Reisen und präsentieren ein Werk der Edition Büchergilde, die Bibliophile immer wieder zu entzücken vermag. Rudyard Kipling, der Autor des Dschungelbuchs, schrieb 1897 «Über Bord». Umstandslos direkt beschreibt er die Geschichte des jungen Millionenerben Harvey Cheyne, der auf einem Passagierdampfer über Bord geht und sich auf einem Kabeljau-Boot vor Neufundland wiederfindet. Kipling erzählt in diesem Entwicklungsroman vom Leben auf See und vom Fischfang und spielt mit der Poetik nautischer Begriffe und den Dialekten der Matrosen. Den Text illustrierte Christian Schneider mit detailgetreuen Bildern der Fauna und Naturgewalten. S. – Das Schiff des Theseus J. J. Abrams, Doug Dorst 522 Seiten, CHF 54.00 Kiepenheuer & Witsch Mit Zola nach Rom Und gleich ein weiteres Buch übers Reisen schaffte es in die Liste der Stiftung Buchkunst: «Meine Reise nach Rom», das Journal des grossen französischen Romanciers Émile Zola aus dem Jahr 1894. Er beobachtet und beschreibt geistreich, wie sich Rom von der uralten Stadt der Päpste zur modernen Metropole wandelt. Während eines sechswöchigen Aufenthalts sammelte der Autor Eindrücke, Stimmungsbilder, Gesprächsnotizen, Eindrücke und Ortsbeschreibungen für ein Buch. Im Innern des handlichen Büchleins findet man auch einen Stadtplan aus der Zeit Zolas. Lesen 1/2016 – buch.ch, books.ch, thalia.ch 69 Hotelzimmer Michael Glawogger 250 Seiten, CHF 35.90 Die Andere Bibliothek Meine Reise nach Rom Émile Zola 272 Seiten, CHF 35.90 Dieterich’sche Über Bord Rudyard Kipling, Christian Schneider (Illustrationen) 300 Seiten, CHF 38.90 Edition Büchergilde Was ist ein schönes Buch? Können nur grosse Bildbände schön sein? Als Verleger vorwiegend bildlastiger Bücher verbinde ich natürlich mit dem Bild einen ästhetischen Anspruch. Ich versuche, dem Bild ein formales, gestalterisches Umfeld zu geben, das dem Inhalt entspricht. Aber es gibt auch schöne Lesebücher. In der Belletristik begründet sich Schönheit nicht nur visuell, sondern beschreibt die Objektqualität generell: ein Buch, das man beim Lesen gern in der Hand hält. Was entscheidet darüber, ob man einen Roman gern hält und schön findet? Zu einem Lesebuch hat man ja eine längere physische Beziehung. Als Objekt bietet es mehrfach sinnliche Wahrnehmungen. Dazu gehört der runde Buchrücken: Er muss der Hand schmeicheln, denn ich sitze ja stundenlang da, und das Buch verwächst mit mir. Deshalb spielt auch das Verhältnis von Gewicht und Volumen eine Rolle. Beim Brockhaus wäre man skeptisch, wenn er zu leicht wäre, der melancholische russische Gedichtband dagegen darf nicht zu schwer sein. Und wie steht es um die Gestaltung des Inhalts? Seit der Erfindung der beweglichen Lettern hat man sich mit der Frage auseinandergesetzt: Wie viel Zeilenabstand braucht es? Wie lang darf eine Zeile und wie klein oder gross dürfen Buchstaben sein, damit man sie noch lesen kann? Die Antwort hängt auch von der Sprache ab: Weil die Wörter im Deutschen eher lang sind, will man keine allzu grossen Buchstaben. Diese Aspekte der Typografie haben letztlich weniger mit Gestaltung zu tun als mit Vernunft. Die Schönheit von Büchern ist also vor allem funktional definiert? Der Mensch mutiert zumindest physisch recht langsam. Deshalb gibt es Konstanten, solange es Bücher gibt. Und Typografen wie Max Caflisch, Jan Tschichold oder Adrian Frutiger haben schon Standards gesetzt. Frutiger entwickelte seine Univers im Geist der Moderne als universell lesbare Schrift: neutral, funktional, sachlich. Dieser Geist zeichnete die Schweizer Gestaltung und Typografie seit den 1950er-Jahren aus. Der 1955 in Norwegen geborene Lars Müller ist Gestalter und Verleger von Lars Müller Publishers, Zürich, und seit 1985 Dozent an verschiedenen Universitäten in Europa und den USA. Zurzeit präsidiert er die Alliance Graphique Internationale AGI. Bücher haben dramatisch an Wert verloren. Lohnt es sich denn, schöne Bücher zu machen und zu kaufen? Da ein Buch durch seine Materialität und den industriellen Prozess so oder so etwas kostet, ist es wie in der Architektur: Gute Gestaltung kostet vielleicht 10 Prozent mehr als schlechte. Mit diesem Mehraufwand kann ich aber sicherstellen, dass ein Buch gut altert, dass man es gern liest und behält. Die Frage ist jetzt einfach: Wer verteidigt diesen Mehrwert? Hilft mir als Verleger dabei ein kompetenter und beseelter Buchhändler? Das Buch mag an Boden verlieren, doch ich hoffe, dass es dort, wo es bestehen bleibt, wieder an Wert gewinnt. Ich mache auf jeden Fall bei der Kalkulation meiner Bücher heute weniger Kompromisse als noch vor fünf Jahren. Wer ein Buch kauft, respektiert den Preis und zahlt ihn auch. Trotzdem wollen Sie in Zukunft auch eBooks anbieten. Weshalb haben Sie sich dazu entschlossen? eBooks haben ihre Berechtigung. Deshalb arbeiten wir daran, unsere Bücher, vor allem im akademischen Bereich, als eBook zu präsentieren. Kaufen Sie unser Buch zu einem fairen Preis, bekommen Sie das eBook gratis dazu. Wollen Sie nur das eBook, zahlen Sie gleich viel wie für das physische Buch. Sie können den Bezugscode natürlich in der Buchhandlung fotografieren – Betrüger werden vor dem belletristischen Herrgott abgestraft. Die Entscheidung über das Medium soll beim Nutzer liegen. Ich habe übrigens schon in den Ferien auf dem Tablet gelesen und zu Hause gleich als erstes das Buch gekauft, weil es ein Teil von mir wurde. «Gute Gestaltung kostet vielleicht 10 Prozent mehr als schlechte.» Erkennen auch Laien ein schönes Buch? Wer sich für einen Inhalt interessiert, wird – wenn vielleicht auch nur unbewusst – den Zusammenhang zwischen Inhalt und Form erkennen und schätzen können. Etwas idealisierend würde ich meinen: Kauft man einen Roman als Hardcover, sind die 15 Franken Aufpreis für den Leineneinband, den schönen runden Rücken und das Lesebändchen eine gute Investition, denn sie können das Vergnügen des Lesens extrem steigern. Oder schauen Sie mal einen tollen Film in einem unbequemen Kinosessel! Lesen 1/2016 – buch.ch, books.ch, thalia.ch 18 19 Hin u nd Her H i n u n d h er Es klirren die Waffen und spriessen die Intrigen Für die Rezensions-Rubrik «Hin und Her» haben sich die Mitglieder der Lesen-Redaktion diesmal bei den Historischen Romanen umgesehen – und empfehlen jetzt bemerkenswerte Neuerscheinungen nicht nur einander, sondern natürlich vor allem Ihnen! Text: Jonas Bühler , Erik Brühlmann, Markus Ganz , Benjamin Gyga x , Christina Hwang und Marius Leutenegger Betreff: hin und her Von: Benjamin AN: Erik, Jonas, Markus, MARIUS, christina Sehr geehrte Männerrunde mit Dame Das Genre des Historischen Romans ist ja sehr breit, und da stellt sich die Frage: Wie wollen wir vorgehen, wenn wir hier Neuerscheinungen vorstellen? Ich schlage vor, wir bewegen uns streng chronologisch durch die Jahrhunderte zurück. Folglich mache ich den Anfang, denn «Eine Hoffnung am Ende der Welt» handelt während des Zweiten Weltkriegs – und was danach spielt, kann man wohl schlecht als Historischen Roman bezeichnen. Autorin Sarah Lark erzählt in ihrem Buch von den Nöten und Hoffnungen einer 19-jährigen Frau: Helena ist Ost-Polin und wurde nach Stalins Einmarsch gemeinsam mit vielen Landsleuten nach Sibirien deportiert. 1944 führt das Schicksal sie und ihre Schwester Luzyna in ein alliiertes Lager für polnische Kriegsflüchtlinge in Persien. Hier können sich die Mädchen physisch und psychisch erholen, doch im fremden Land und ohne Lebensperspektive bleiben sie verloren. Als Neuseeland sich bereit erklärt, 700 Kinder und Jugendliche aus Polen aufzunehmen, keimt bei Helena neue Hoffnung auf. Tatsächlich kann sie die erträumte Reise ans Ende der Welt antreten, doch diese wird zunächst zum Alptraum. Und auch der Neustart in Neuseeland stellt die intelligente Helena vor grosse Probleme. Erst, als sie die Betreuerin Miranda Biller und ihren Vetter James McKenzie kennenlernt, beginnt sich das Schicksal zu wenden. Die Autorin, die mit bürgerlichem Namen Christiane Gohl heisst, hat die Hintergründe ihrer Geschichte genau recherchiert. Helena ist natürlich eine fiktive Person, doch die Odyssee der Polen von Sibirien über Persien nach Neuseeland ist historisch korrekt. Gern liest man einmal etwas über diesen kaum bekannten Schauplatz der Geschichte. Und er gibt der Autorin zugleich Gelegenheit, uns einige Dinge über die interessante Kultur der Maori zu vermitteln. Ihre Geschichte ist flüssig erzählt, von der abenteuerlichen Handlung getrieben und kurzweilig. Also lasst euch doch auch mal ans Ende der Welt mitnehmen. Herzlich Benjamin Eine Hoffnung am Ende der Welt Sarah Lark 416 Seiten, CHF 23.90 eBook CHF 12.40 Lübbe RE: Betreff: hin und her Von: christina AN: Marius, erik, Jonas, Markus, Benjamin Meine Herren! Wenn wir schon beim Zweiten Weltkrieg sind: Dazu habe ich eine bereits bewährte Empfehlung. Doch ganz sicher bin ich mir Lesen 1/2016 – buch.ch, books.ch, thalia.ch nicht, ob sich dieses Buch für euch eignet. Es hat nämlich jeder – und wirklich jeder – Frau gefallen, von der ich weiss, dass sie es gelesen hat. Ob es auch männliche Leser anspricht? Nun, immerhin handelt es von allem, was das Leben ausmacht, und daher kann ich es wohl durchaus wagen, es euch vorzustellen. Abgesehen davon ist der Autor Jeffrey Archer eine spannende politische Figur, und ich weiss, dass euch so etwas interessiert. Archer wollte einst Oberbürgermeister von London werden, wurde dann aber wegen Meineids angeklagt und verurteilt – und schrieb im Gefängnis das Aufsehen erregende Buch «The Prison Diaries». Mit Intrigen kennt sich der Mann wohl aus, und diese spielen auch in seiner höchst erfolgreichen Clifton-Saga eine wichtige Rolle. Im November ist der zweite Teil erschienen, «Das Vermächtnis des Vaters», und auf April ist der dritte Teil angekündigt: «Erbe und Schicksal». Wie erwähnt spielt die Saga in der Zeit um den Zweiten Weltkrieg; im Mittelpunkt stehen zwei englische Familien, die Cliftons aus dem Arbeitermilieu und die reiche Schifffahrt-Dynastie Barrington. Der Fokus liegt auf den jungen Leuten Harry Clifton und Emma Barrington, die eine komplexe Liebesgeschichte verbindet. In «Das Vermächtnis des Vaters» ist diese noch um einige Nuancen verzwickter als im ersten Band, weil der Verdacht im Raum steht, die beiden seien Halbgeschwister ... Nun, Archer richtet sein Menü mit der ganz grossen Kelle an, und damit konnte er Millionen von Leserinnen in seinen Bann schlagen. Die Geschichte ist spannend, vielschichtig und oft unbe- rechenbar. Man könnte monieren, der Zweite Weltkrieg sei hier lediglich eine Kulisse; zum Historischen Roman wird das Buch aber auch durch die Art, wie sich die Figuren verhalten, getrieben von den Normen, die einst galten. Archer gelingt damit auf hervorragende Weise, uns nicht historische Fakten, aber das alltägliche Leben von damals zu vermitteln. Ich rate: Versucht es doch einmal! Bis bald Christina Das Vermächtnis des Vaters Jeffrey Archer 480 Seiten, CHF 14.90 eBook CHF 8.70 Heyne RE: RE: Betreff: hin und her Von: Erik AN: Marius, Jonas, Markus, christina, Benjamin Seid gegrüsst, edle Mitstreiter und Mitstreiterin Mich deucht, ich könnte mich dir, liebe Christina, anschliessen – denn auch der Foliant namens «Das Pestdorf» von Deana Zinssmeister dürfte vor allem der holden Weiblichkeit gefallen. Aber keine Angst, so pseudo-mittelalterlich, wie «holde Weiblichkeit» klingt, liest sich der Wälzer von immerhin fast 500 Seiten nicht. Zum Glück, schliesslich befinden wir uns auch schon in der frühen Neuzeit, genauer gesagt im Gebiet in und um Trier im Jahr 1672. Dort folgen wir der Familie Blatter – Ähnlichkeiten zu lebenden Personen sind rein zufällig, auch wenn Urs Blatter tatsächlich aus der Schweiz stammt. Zuerst entwickelt sich die Geschichte wie eine idyllische kleine Familienchronik: Urs Blatter leitet das Trierer Hospital, seine Frau Susanne ist eine erfolgreiche Geschäftsfrau, und Tochter Gritli ist zwischen zwei Berufen und ebenso vielen Kerlen hinund hergerissen. Doch der Ärger schleicht sich langsam ins vermeintliche Paradies. Erst stellt sich heraus, dass Gritlis Bruder Michael homosexuell ist – mehr als nur ein Unding zu dieser Zeit. Dann bricht in einem Weinberg eine Rattenplage aus, und ein Knecht nach dem anderen liegt mit einer vermeintlichen Erkältung darnieder. Ihr ahnt es: Die Erkältung ist die schon besiegt geglaubte Pest, und als diese in einem kleinen Dorf in der Nähe ausbricht, wird kurzerhand der ganze Ort abgeriegelt. Zu dumm, dass Gritli sich ausgerechnet dort mit einem ihrer Verehrer getroffen hat und jetzt festsitzt. Und was hat eigentlich der Einohrige, der alle Galgen in der Gegend auf der Suche nach einem «Geldmännchen» abklappert, mit der Sache zu schaffen? Ich muss zugeben: Die Geschichte ist nicht so rasant, wie es sich hier liest. Vielmehr breitet sie sich langsam und gemächlich aus, infiziert die Leserinnen und Leser geradezu und lässt sie Seite um Seite umblättern. Und ja, ich glaube wirklich, dass «Das Pestdorf» eher ein Frauenbuch ist – liebe Kollegen, lasst mal eurer weiblichen Seite freien Lauf! Ach ja: Das Buch bildet übrigens den Abschluss von Zinssmeisters höchst erfolgreicher Pesttrilogie. Wer also Vergnügen am Schwarzen Tod gefunden hat ... En Gruess Erik Das Pestdorf Deana Zinssmeister 480 Seiten, CHF 14.90 eBook CHF 10.90 Heyne RE: RE: RE: Betreff: hin und her Von: Markus AN: Erik, Jonas, Marius, Benjamin, christina Werte Dame, werte Herren Entspannt euch bitte kurz, vergesst den Zweiten Weltkrieg, die Pest und andere Gräuel! Seid willkommen im Topkapi-Palast in Istanbul, tretet ein und bestaunt die prachtvollen Räume, die kunstvoll verzierten Möbel und der herumwuselnde Hofstaat. Wir schreiben das Jahr 1532. Und wir erfahren, dass ein Mädchen einem Jungen Geschichten erzählt, beide – vorerst noch – in vorpubertär unschuldigem Alter. Und ja: Es sind Geschichten aus «Tausendundeiner Nacht». So weit, so abgedroschen, könnte man meinen. Gähnt ruhig. Auch ich war versucht, das dicke Buch wegzulegen, obwohl ein bisschen Märchen- und Liebeszauber beim Einschlafen helfen kann. Doch das Buch erweist sich als spannend. Lesen 1/2016 – buch.ch, books.ch, thalia.ch Denn das Mädchen ist die Tochter von Süleyman dem Prächtigen und der Junge der Sohn eines jüdischen Arztes. Auf diesen hat der Sultan auf seinem Feldzug nicht verzichten können – die Gicht macht ihm das Reiten zur Qual. Damit der Junge eine gute Ausbildung erhält, darf er in die Prinzenschule, die dem Harem angegliedert ist. Zwischen der Prinzessin und dem Jungen entwickelt sich eine berührende Liebesgeschichte, die zusätzlichen Zündstoff erhält durch die Information, dass der leibliche Vater des Jungen ein christlicher Ritter war. Die Autorin Jacqueline Park verbindet auf süffige Weise Fiktion mit Fakten. Sie schildert nicht nur detailliert und lebensnah den Alltag im Palast, sondern erklärt beiläufig auch die Entstehung des Osmanenreichs sowie den Wandel des Herrschaftssystems und des religiösen Einflusses. Sie lässt auch verstehen, wieso lange ein heute kaum mehr denkbares Klima der Toleranz herrschte, sodass die muslimischen Sultane die aus Spanien vertriebenen jüdischen Flüchtlinge aufnahmen. Die ehemalige Professorin mokiert sich zuweilen fein, etwa darüber, dass die «gnadenlosen Mühlen des Protokolls den Beischlaf im Harem längst von jeglicher Lust befreit» hatten. Oder dass die Einnahme der österreichischen Festung Güns mit einem absurden Triumphzug durch Istanbul gefeiert wurde, obwohl eigentlich Wien erobert werden sollte. Denn, zugegeben, liebe Freunde: Ohne Krieg hätte sich Süleyman nicht als «Gottes Schatten auf Erden und dem Herrn zweier Meere und dreier Kontinente» bezeichnen können. Lange Lesenächte wünscht euch Markus, der Romantiker Das Reich der Himmel Jacqueline Park 592 Seiten, CHF 31.90 eBook CHF 22.00 Droemer Knaur RE: RE: RE: RE: Betreff: hin und her Von: erik AN: Marius, Jonas, Markus, christina, Benjamin Liebe Leute Romantik? Nun, ich biete euch das Kontrastprogramm. Ihr werdet es schon beim Titel ahnen: «Der Teufel vom Hunsrück» von Ursula Neeb ist nicht gerade eine Liebesschnulze par Excellence. Aber ich bin ja auch eher der Blutige unter uns, von daher passt das schon. Ich muss allerdings zugeben: Das Buch, das im späten 16. Jahrhundert spielt, hat mich überrascht. Statt staksig-gekünstelter Mittelalter-Teufelei präsentiert die gelernte Historikerin Neeb eine Geschichte, die zur Hälfte fast so etwas wie eine literarische Version der TV-Serie «Criminal Minds» ist. Die Wandlung des knurrigen Aussenseiters Christman zum kaltblütigen, fiesen, fast schon perversen Teufelsanbeter Groperunge lässt einen das eine oder andere Mal schaudern. Und seine Taten mitzuverfolgen ist – das ist als Kompliment gemeint – zuweilen gar etwas widerlich! Da kommt einem der zweite Handlungsstrang der Geschichte, Sibylle Molitors Suche nach dem vermissten Bruder, als Ausgleich sehr gelegen. Hier geht es ja «nur» um kleinere menschliche Abgründe wie des Bruders ganz unstandesgemässe Liebe zu einer Hure. Die Liebe kommt der zwar energischen, aber doch etwas naiven Sibylle selbst auch noch in die Quere. Und wie die beiden Handlungsstränge letztlich zusammenpassen ... Nein, keine Spoiler! Da müsst ihr euch schon selbst an die 416 Seiten machen, die sich – ein weiterer Unterschied zum durchschnittlichen Historienroman – in fast halsbrecherischem Tempo wie im Flug lesen. Na, neugierig geworden? Mit teuflischen Grüssen Erik Der Teufel vom Hunsrück Ursula Neeb 416 Seiten, CHF 14.90 eBook CHF 10.00 Ullstein RE: RE: RE: RE: RE: Betreff: hin und her Von: Marius AN: Erik, christina, Jonas, Markus, Benjamin Liebe Kollegen Ja, sehr neugierig geworden! Reichst du mir dein Rezensionsbuch rüber, Erik? Im Austausch gegen meines, das ebenso gut ist? 20 21 H i n u n d h er H i n u n d h er Wie ihr wisst, gibt es mindestens zwei Arten von Historischen Romanen: Solche, die eine fiktive Geschichte in ein historisches Umfeld stellen – und solche, die wahre Begebenheiten aus historischer Zeit nacherzählen. Königin im Reich der zweiten Art, also bei der Nacherzählung tatsächlicher Ereignisse, ist wohl die Britin Hillary Mantel. Für die zwei bis jetzt erschienenen Teile ihrer Trilogie über Thomas Cromwell wurde sie mit je einem Booker Prize ausgezeichnet. Zumindest eine Fürstin in diesem literarischen Genre dürfte auch Mantels Landsfrau Robyn Young sein. Auch sie ist Schöpferin einer Trilogie, die in Grossbritannien spielt und bei der es um Intrigen rund um die Krone geht. Im Zentrum steht bei Robyn Young der junge schottische König Robert Bruce, der in den blutigen schottischen Unabhängigkeitskriegen ab 1296 sein Land von der englischen Krone löste. Dabei bediente er sich einer eigentlichen Guerilla-Taktik, die er mit einem zusammengewürfelten Heer aus Sympathisanten verfolgte. Mit wachsendem Erfolg gewann er die Anerkennung des schottischen Adels, und schliesslich gelang es ihm in der Entscheidungsschlacht von Bannockburn, mit rund 6000 Männern das dreimal grössere englische Heer zu vernichten. Im dritten Band ihrer Trilogie behandelt Robyn Young nun den Weg Roberts I. zu dieser epischen Schlacht. Auch wenn der Titel «König des Schicksals» leider etwas gar an eine Schmontzette gemahnt: Dieses Buch müsste alle Fans von «Game of Thrones» begeistern! Waffen klirren, Köpfe rollen, Karren bleiben im Schlamm stecken, Dorfbewohner sind in Panik, es gibt sympathische Haudegen und fiese Typen, die man so richtig hassen kann. Es riecht, schmeckt und klingt nach blutigen Abenteuern, Erik! Die Figuren kommen aber nie holzschnittartig daher, sondern sind Menschen aus Fleisch und Blut. Und alles ist so wahr, wie es in einem Historischen Roman nur sein kann, denn Robyn Young hat sehr sorgfältig recherchiert und beschreibt die Ereignisse auf eindrücklichem literarischem Niveau. So macht Geschichte wirklich Spass – auch wenn man sich natürlich die ganze Zeit fragt, was die Menschen eigentlich antreibt, für ein bisschen Ruhm und Macht all dieses Leid zu verbreiten bzw. auf sich zu nehmen. Herzlichst Marius Lesen 1/2016 – buch.ch, books.ch, thalia.ch König des Schicksals Robyn Young 640 Seiten, CHF 18.90 eBook CHF 11.90 Blanvalet RE: RE: RE: RE: RE: RE: Betreff: hin und her Von: Benjamin AN: christina, Erik, Jonas, Markus, Marius Liebe Zeitreisende Klirrende Schwerter und dunkle Machenschaften – ja, so ist Geschichte natürlich immer kurzweilig. Und wie du, Marius, ja oben geschrieben hast, machen historische Romane besonders Spass, wenn sie mit realen Begebenheiten spielen. In diesem Sinn möchte ich euch auch einen dicken Schmöker ans Herz legen. Soviel ich weiss, habt ihr ja Umberto Ecos Bücher gern gelesen und geniesst Geheimnisse und Verschwörungen. Damit spielt auch «Die sieben Templer» von Guido Dieckmann. Die 1118 während des Ersten Kreuzzugs gegründete «Arme Ritterschaft Christi vom salomonischen Tempel» war ja eine Art Supertruppe, die nicht nur auf dem Schlachtfeld erfolgreich war, sondern auch unvorstellbare Reichtümer angehäuft haben soll. Weil das dem französischen König Philipp IV missfiel, wurden die Templer 1307 der Ketzerei und der Sodomie angeklagt und viele von ihnen hingerichtet. Der Ritterorden wurde zerschlagen, doch sein sagenhafter Schatz blieb verborgen. Bis heute halten sich Gerüchte, dass die Templer ihn fortschaffen und verstecken konnten. Vermutet wird er in Frankreich oder Schottland, ja sogar in Kanada. Und den wildesten Gerüchten zufolge soll auch der heilige Gral zum Schatz gehören. Dieses Thema nimmt der Autor als Ausgangslage für seinen unterhaltsamen Roman: Als dem untergetauchten Templer Thomas Lermond die Inquisition auf den Fersen ist, lässt er nach den sieben Tempelrittern schicken, die das Geheimnis seines Ordens bewahren. Aus Erfurt, Speyer, Luxemburg, Paris, Marienburg und dem schottischen Argyll brechen sie auf zum Tempelhof, obwohl sie alle selber arg in Bedrängnis geraten sind. Dieckmann bietet 580 Seiten Spannung und Action, aber zugleich auch einige recht überzeugende Ein- blicke ins mittelalterliche Denken und Leben. Ob es überhaupt einen Schatz gibt und worum es sich dabei handelt, verrate ich euch natürlich nicht. Macht euch selber auf die Suche nach dem Geheimnis. Mit ritterlichen Grüssen Benjamin Die sieben Templer Guido Dieckmann 400 Seiten, CHF 17.90 eBook CHF 10.00 Aufbau RE: RE: RE: RE: RE: RE: RE: Betreff: hin und her Von: Jonas AN: Erik, Benjamin, Markus, christina, Marius Liebe Freunde alter Zeiten Das waren ja wirklich tolle Lese-Inspirationen bis jetzt – vielen Dank dafür! Zum Abschluss gehe ich noch einmal weiter zurück, bis an den Anfang unserer Zeitrechnung. Denn schon damals gab es natürlich blutige Schlachten und fiese Intrigen. Einen diesbezüglichen Höhepunkt erlebte das antike Rom zum Beispiel kurz vor dem Jahr Null, als Julius Cäsar, Pompeius und Crassus um die Vorherrschaft im Reich buhlten. Genau in dieser Zeit setzt das erste Buch der Legionärs-Trilogie von Ben Kane ein. «Die vergessene Legion» erzählt von jenem sagenhaften Heer, das nach der verheerenden Schlacht bei Carrhae in den Nebeln der Geschichte verschwand. Das tönt geheimnisvoll und ist es auch. Verschiedenen Quellen zufolge sollen die Legionäre als Söldner bis nach China gekommen sein. Der Autor kon- zentriert sich bei seiner Erzählung auf den jungen Sklaven Romulus, der zusammen mit dem hünenhaften Gallier Brennus aus einer Gladiatorenschule geflohen ist und in der Armee auf den etruskischen Seher Tarquinius trifft. Die drei überstehen die blutige Schlacht bei Carrhae und die Gefangennahme durch die Parther. Als Söldner der Parther werden sie weiter nach Osten geschleppt, wo das erste Buch der Trilogie endet. Parallel dazu erzählt Ben Kane von Romulus’ Schwester Fabiola. Ihr Besitzer verkauft sie an ein römisches Edel-Hurenhaus. Um Freiheit für sich und ihren Bruder zu erlangen, schläft sich Fabiola langsam in die Oberschicht hinauf und macht sich damit nicht nur Freunde. Heute weiss man sehr viel über die Kultur und die Geschichte des römischen Volks. Ben Kane pickt sich für seinen Roman raus, was er spannend findet. Er nutzt historische Fakten, um seiner abenteuerlichen Geschichte damit genau die richtige Würze zu verleihen, ohne sie zu überladen. So sind die 700 Seiten schnell durch – und ich warte bereits auf den zweiten Teil, den es jedoch erst auf Englisch gibt. Manche historischen Ungereimtheiten begründet Kane im Nachwort damit, dass sie dramaturgisch passen – die Erzählung geht bei ihm vor. Ich finde, das ist bei einem Historischen Roman verzeihlich! Gruss Jonas Die vergessene Legion Ben Kane 752 Seiten, CHF 14.90 eBook CHF 8.90 Lübbe Auf der Suche nach der verlorenen Zeit: Benjamin Gygax, Markus Ganz, Marius Leutenegger, Christina Hwang, Jonas Bühler, Erik Brühlmann. Lesen 1/2016 – buch.ch, books.ch, thalia.ch 22 Buchtipp s 24 Verpönt, geduldet, selbstverständlich Die Geschichte der Frauenliteratur 30 Neue Bücher aussergewöhnlicher Frauen Némirovsky, Jong, Vekemans Kiera Brennan Neel Mukherjee Die Herren der Grünen Insel In anderen Herzen Irland, 1166: Die Grüne Insel ist in viele kleine Reiche aufgeteilt, die einander unerbittlich bekriegen. Könige fechten langjährige Fehden aus, und selbst die friedliebendsten Untertanen werden in die blutigen Machtkämpfe hineingezogen. Zugleich droht ein gemeinsamer Feind in Irland einzufallen: Henry Plantagenet will die Insel an sich reissen. Werden sich die Herren der Grünen Insel vereinen und gegen den König von England stellen? Und welche Rolle spielen der grausame Krieger Ascall und die von ihm entführte Caitlín in diesem Kampf um Macht und Blut? Die Bestsellerautorin Julia Kröhn begibt sich mit neuem Pseudonym auf eine epische Reise nach Irland! 960 Seiten, CHF 28.90 eBook CHF 18.90 Blanvalet ISBN 978-3-7645-0559-2 Emanuel Bergmann Der Trick Prag, 1934: Der 15-jährige Rabbinersohn Mosche Goldenhirsch bestaunt im Zirkus die Zauberkunststücke des legendären «Halbmondmanns» und seiner liebreizenden Assistentin. Fasziniert von der glitzernden Welt im Zelt, rennt Mosche von zu Hause weg und schliesst sich dem Zirkus an, der nach Deutschland weiterzieht. Los Angeles 2007: Der 10-jährige Max Cohn klettert aus dem Fenster seines Zimmers, um den Grossen Zabbatini zu finden. Der Junge ist überzeugt: Nur Magie kann seine Eltern wieder zusammenbringen. Eine bewegende und aberwitzige Geschichte, die Zeiten und Kontinente umspannt, ein Roman über die Zerbrechlichkeit des Lebens und den Willen, sich verzaubern zu lassen. Kalkutta, 1967: Die Stadt befindet sich in Aufruhr, Studierende liefern sich Strassenschlachten mit der Polizei, Betriebe werden bestreikt. Supratik will sein Leben und die Welt verändern. Dabei verstrickt er sich in Widersprüche zwischen politischem Idealismus und terroristischer Aktion. Und er merkt nicht, dass sich auch seine Familie verändert. Noch herrschen der alternde Patriarch und seine Frau über Familie und Firma. Aber die beiden sind blind für die dunklen Geheimnisse ihrer Kinder, die Intrigen der Schwiegertöchter und den schleichenden Kollaps des Unternehmens. Meisterhaft erzählt der Autor die Geschichte vom Verfall einer Familie und seziert dabei die Seele eines Landes. 600 Seiten, CHF 35.90 Antje Kunstmann ISBN 978-3-95614-089-1 400 Seiten, CHF 31.90 eBook CHF 24.00 Diogenes ISBN 978-3-257-06955-6 Erscheint am 24. Februar. Dossier 26 «Sprache ist eine Schöpfung beider Geschlechter» Irmgard Keun Kind aller Länder 1936: Die 10-jährige Kully erzählt von ihrem aufregenden Leben in der Emigration. Ihr Vater ist unschwer als der leichtfertige sowie spiel- und trunksüchtige Schriftsteller Joseph Roth zu erkennen. Mutter und Tochter lässt er meist in Hotels zurück, wo Rechnungen zu begleichen und Ausreden gefordert sind. Die Mutter ist zwar liebevoll, aber mit der Tochter oft allein – und sie amüsiert sich gern anderweitig. Berührend naiv und manchmal urkomisch erzählt Kully ihre fiktive Geschichte an der Seite ihrer Eltern Joseph Roth und Irmgard Keun – als seien die Figuren dem Buch «Ostende» von Volker Weidermann entsprungen und als führten sie ein eigenes Leben. 224 Seiten, CHF 24.90 Kiepenheuer & Witsch ISBN 978-3-462-04897-1 Gioconda Belli gehört zu den bekanntesten latein amerikanischen Schrift stellerinnen. Im exklusiven Interview mit Lesen erzählt sie, was sie einst ermutigte, aus weiblicher Sicht zu schreiben. 28Stark, stärker, Frau Frauen erschaffen Literatur – und sind natürlich auch oft selber Thema guter Bücher. Wir stellen einige der besten Neuerscheinungen über bemerkenswerte Malerinnen, Politikerinnen, Autorinnen und Pionierinnen vor. Weibliches Grosstalent, als Schreiben noch vor allem Männersache war: Patricia Highsmith. Frauen schreiben Eine spezifisch weibliche Sprache gibt es wohl nicht – zumindest gibt es keine Untersuchungen, die belegen könnten, dass Frauen anders formulieren als Männer. Dennoch ist es keine Frage: Frauen schreiben anders. Nämlich aus weiblicher Perspektive. Wir widmen unser Dossier den Autorinnen aus aller Welt und aus allen Zeiten. Dies auch aus aktuellem Anlass: Im März stehen die Filialen von Orell Füssli Thalia im Zeichen der Frau. Lesen 1/2016 – buch.ch, books.ch, thalia.ch Lesen 1/2016 – buch.ch, books.ch, thalia.ch 24 25 Doss i er Doss i er Verpönt, geduldet, selbstverständlich Was ist Frauenliteratur? Wir haben nach den Ursprüngen geforscht und herausragende Autorinnen identifiziert. Text: Markus ganz hann Wolfgang von Goethe schwärmte für diesen gefühlvollen Briefroman und liess sich davon für «Die Leiden des jungen Werthers» inspirieren. Beeindruckt zeigte sich Goethe auch von Karoline von Günderodes Buch «Gedichte und Phantasien». Wie dies für Schriftstellerinnen lange ratsam war – man denke nur an die Schwestern Charlotte, Anne und Emily Brontë –, hatte Karoline von Günderode ihr Werk unter einem Pseudonym veröffentlicht. Sie nahm sich mit 26 das Leben, blieb als «Sappho der Romantik» aber unvergessen. ner Essay «Ein Zimmer für sich allein», in dem sie Fragen zu «Frauen und Literatur» grundlegend und bis heute gültig nachging: Was etwa wäre gewesen, wenn Shakespeare eine ebenso begabte Schwester gehabt hätte? Und ich schlafe allein Ein Zimmer für sich allein Sturmhöhe Das andere Geschlecht Sappho 162 Seiten, CHF 23.90 eBook CHF 11.00 C. H. Beck Virginia Woolf 187 Seiten, CHF 8.40 Philipp Reclam Jun. Schwierige Selbstbehauptung Im 19. Jahrhundert erlebte die Literatur von Frauen eine erste Blütezeit. Herausragend war zunächst die Lyrik von Annette von Droste-Hülshoff. In der zweiten Jahrhunderthälfte waren es dann zahlreiche Frauen, die Texte für die populären «Familienblätter» lieferten. Als um die Jahrhundertwende die Autorinnen zunehmend einen künstlerisch eigenständigen Ausdruck suchten und fanden, etablierte sich der Begriff Frauenliteratur. Der «Frauenroman», bei dem die «neue Frau» im Mittelpunkt stand, wurde ab den 1920er-Jahren zum Kassenschlager. Unter Frauenroman verstand man nicht nur Trivialliteratur, sondern auch packende Werke, wie etwa von Vicki Baum. «Männer waren dagegen!» Ganz links: Simone de Beauvoir (1908–1986) zählt zu den wichtigsten europäischen Autorinnen und Feministinnen des 20. Jahrhunderts. Rechts oben: Inspirierte sogar Goethe: Die erste finanziell unabhängige deutsche Berufsschriftstellerin Sophie von La Roche (1730–1807). Unten Mitte: Vorbild für viele schreibende Frauen: Die Biedermeier-Dichterin Annette von Droste-Hülshoff (1797–1848). Unten rechts: Sie gilt als wichtigste Lyrikerin der Antike: die Griechin Sappho, die um 600 v. Chr. lebte. Wer hätte das gedacht? Bereits der älteste namentlich gezeichnete Text soll von einer Frau stammen. Encheduanna war eine sumerische Königstochter, die vor rund 4300 Jahren in der Stadt Ur auf dem Gebiet des heutigen Irak lebte. Sie wurde Hohepriesterin und verfasste in sumerischer Keilschrift eine Sammlung sogenannter Tempelhymnen. Neu daran war die persönliche Prägung: Encheduanna schrieb nicht nur über religiöse Themen, sondern berichtete auch von ihren Gefühlen und brachte sich eben namentlich ein. Eine herausragende Autorin war auch Sappho, die im 7. vorchristlichen Jahrhundert auf der Insel Lesbos lebte. Sie war Vorbild des römischen Dichters Horaz und wurde von Platon sogar als zehnte Muse bezeichnet. Sappho gilt als bedeutendste Lyrikerin der Antike und ist bis heute vor allem für ihre erotischen Texte bekannt. Religiöse Ursprünge Encheduanna und Sappho waren Ausnahmeerscheinungen – und solche blieben Autorinnen bis weit ins 20. Jahrhundert hinein, auch in Europa. Für Frauen schickte es sich lange Zeit nicht, Bücher zu schreiben. Im Mittelalter gab es dann eine erste Phase, in der Frauen zunehmend Schriften verfassten. Diese waren allerdings meist geistlicher oder höfischer Natur, da es sich bei den AutorinLesen 1/2016 – buch.ch, books.ch, thalia.ch nen meist um Nonnen oder Äbtissinnen handelte. Bis heute viel gelesen werden etwa die Texte der Äbtissin, Mystikerin und Universalgelehrten Hildegard von Bingen. Bezeichnend ist, dass Hildegard für ihr erstes Buch noch den päpstlichen Segen benötigte. Auch in den folgenden Jahrhunderten konnten Frauen meist nur schriftstellerisch tätig werden, wenn dies von Männern geduldet oder gefördert wurde; die Themenwahl beschränkte sich meist auf religiöse Fragen. Oft unter falschem Namen Eine neue Ära leitete Sophie von La Roche mit «Die Geschichte des Fräuleins von Sternheim» (1771) ein. Selbst Jo- Literarisch ernst genommen wurden Schriftstellerinnen aber erst ab Mitte des 20. Jahrhunderts. Die Schriftstellerin Luise Rinser erklärte in einem Interview mit dem WDR zur Tatsache, dass sie nach dem Zweiten Weltkrieg als einzige Frau am ersten deutsch-französischen Schriftstellertreffen teilnahm: «Die Männer waren gegen uns schreibende Frauen.» Die Männer hätten nicht gewollt, dass sich Frauen durchsetzen, und hätten einander gegenseitig unterstützt. Shakespeares Schwester Der gesellschaftliche und kulturelle Aufbruch Ende der 1960er-Jahre sowie die nachfolgende Frauenbewegung beflügelten viele Frauen im Wunsch, selber Bücher zu verfassen. Viele bezogen sich explizit auf frühere und oftmals verkannte Schriftstellerinnen wie Jane Austen, Simone de Beauvoir und Ingeborg Bachmann. Besonders wichtig wurde Virginia Woolfs 1929 geschriebe- Emily Brontë 464 Seiten, CHF 14.90 eBook CHF 9.90 dtv Stolz und Vorurteil Jane Austen 464 Seiten, CHF 14.90 eBook CHF 4.50 Fischer Taschenbuch Menschen im Hotel Vicki Baum 318 Seiten, CHF 12.90 eBook CHF 8.90 Kiepenheuer & Witsch Simone de Beauvoir 944 Seiten, CHF 23.90 Rowohlt Malina Ingeborg Bachmann 480 Seiten, CHF 14.90 eBook CHF 12.00 Suhrkamp LUST Elfriede Jelinek 256 Seiten, CHF12.90 eBook CHF 10.00 Rowohlt Lesen 1/2016 – buch.ch, books.ch, thalia.ch Von und für Frauen? Ab den 1980er-Jahren begann sich der Begriff der Frauenliteratur zu verwischen, nicht zuletzt, weil immer mehr Frauen über immer mehr Themen zu schreiben begannen – von Ratgeberliteratur über Frauenkrimis bis zu Erotikromanen. Der Begriff wurde in der Branche zunehmend für alle Bücher verwendet, die von, über oder für Frauen waren. In engagierten Frauenkreisen wurde er hingegen auf Literatur beschränkt, die aus einer emanzipatorischen und feministischen Perspektive entstand und die weibliche Wahrnehmung in den Mittelpunkt stellte. Viele Frauen lehnen den Begriff ab Die unklare Definition der «Frauenliteratur» löst bis heute unterschiedliche Reaktionen aus. Für viele Frauen mag der Begriff ein willkommener Anhaltspunkt dafür sein, dass ein Buch sie interessieren könnte. Umgekehrt schreckt er viele Männer ab, da sie reine Frauenthemen oder einen feministischen Hintergrund befürchten. Viele Frauen lehnen den Begriff ab, weil er eine Art Ghetto schafft und einschliesst, dass es nicht in erster Linie um Literatur geht. Die Perspektive macht es aus Ingeborg Mues, Herausgeberin der Fischer-Taschenbuchreihe «Die Frau in der Gesellschaft», wagte trotzdem eine Definition: «Frauenliteratur ist für mich Literatur, die von Frauen geschrieben wird, die also die Welt aus dem weiblichen Blickwinkel beschreibt.» Und sie parierte vorbeugend auch den oft gehörten Einwand, es gebe schliesslich auch nicht den Begriff der Männerliteratur: «Dann muss ich leider zynisch reagieren und antworten: Aber die ganze Weltliteratur ist Männerliteratur!» Bleibt die oft gehörte Frage, ob es eine spezifisch weibliche Sprache gebe – aber das wurde sogar in den feministischen Debatten der 1980er-Jahre bezweifelt. 26 27 Doss i er Doss i er «Sprache ist eine Schöpfung beider Geschlechter» Gioconda Belli gehört zu den bekanntesten lateinamerikanischen Schriftstellerinnen. Im Mittelpunkt ihres süffigen neuen Romans «Mondhitze» steht eine Frau, die in die Wechseljahre kommt und sich neu entdeckt. Sie bringt damit auch das Leben einiger anderer Menschen durcheinander. interview: Markus Ganz Gioconda Belli Frauenproblem handelt. Aber dies ist ein ernsthafter Roman, der beim Lesen Vergnügen bereitet und doch nicht oberflächlich ist. Ihre ersten erotischen Gedichte verursachten Anfang der 1970er-Jahre einen Skandal. Hatte dies mit der speziellen Situation in ihrer Heimat Nicaragua zu tun? Ich habe seither noch mehr mehr Geschmack für Skandale entwickelt, und tatsächlich hat auch mein neuer Roman in gewissen Ländern einen verursacht. Wann immer eine Frau Intimität offenlegt, wird sie zum Objekt eines Skandals. Sogar in Ländern, die ich als fortgeschrittener einschätzte, reagierte man auf meine Gedichte, als ob man noch nie so etwas gelesen hätte. Es scheint ungeschriebene Sittsamkeitsregeln zu geben, dass Frauen nicht über ihren Körper reden sollten. Sie betonen in ihrem Roman, dass die Menopause keine Tragödie ist. Vielmehr sei sie eine Chance, um sich von der sozialen Frauenrolle zu befreien und eine selbstbestimmte Person zu werden. Es ist allerdings ein Unfall, der das Leben der Protagonistin Emma verändert, kein bewusster Entscheid ... Nun, die Wahrheit ist, dass das Leben höchst unvorhersehbar ist – das wollte ich im Roman zum Ausdruck bringen. Wir mögen denken, unser Leben total unter Kontrolle zu haben. Aber ein unerwartetes Ereignis kann unser Schicksal entgleisen lassen. Wir können nie und nimmer sicher sein, was der nächste Tag bringen wird – das ist mit dem Unfall gemeint. Emma ist nervös, weil ihre Periode ausgeblieben ist. Dann wird sie abgelenkt und verursacht einen Unfall, der ihr Leben verändert. War es zu Beginn schwierig, als Schriftstellerin ernst genommen zu werden? Ich meinte es ernst damit, was ich schrieb, und ich wurde grösstenteils ernst genommen dafür. Eine Autorin wird eben am ehesten wahrgenommen, wenn sie mit der Norm bricht – und darauf wird sie dann auch fixiert. Ich wurde mit erotischer Literatur bekannt, und damit verknüpft man noch immer meinen Namen, obwohl ich in meinen Romanen und Gedichten auch über viele andere Themen geschrieben habe. Ein Problem ist auch, dass Schriftstellerinnen noch immer eher selten sind und Literatur noch immer mit männlichem Massstab gemessen wird. Frauen wie ich aber versuchen, spezifische Anliegen und «Natürlich hoffe ich, dass auch Männer meinen Roman lesen werden.» Erfahrungen, die für unser Geschlecht besonders sind, in eine Literatur einzubringen, die Allgemeingültigkeit anstrebt. Wir wollen über das hinausgehen, was man abschätzig «chick's lit» nennt – also Texte von Frauen über Frauen. Aber Ihr neuer Roman «Mondhitze» handelt doch von einer Frau, die in die Wechseljahre kommt … Dies ist ein oft verschwiegener Vorgang – den aber die Hälfte aller Menschen durchmacht. Trotzdem hat dieses Thema schlechte Chancen in den Medien und erhält auch von Künstlern selten kreative Aufmerksamkeit. Ich bin sicher, dass irgendein Kritiker diesen Roman als Seifenoper bezeichnen wird, einfach weil dieser von einem Lesen 1/2016 – buch.ch, books.ch, thalia.ch wurde 1948 in Managua in Nicaragua geboren. Sie studierte in Spanien und den USA Kommunikationswissenschaften. Ab 1970 beteiligte sie sich am Widerstand der Sandinistischen Befreiungsfront gegen die Somoza-Diktatur. 1975 ging sie ins Exil und wurde kurz darauf in Abwesenheit wegen subversiver Aktivitäten zu sieben Jahren Haft verurteilt. 1978 konnte sie nach Nicaragua zurückkehren. Heute gehört sie zu den wichtigsten Kritikern der sandinistisch geprägten Regierung. Gioconda Belli ist verheiratet und hat vier Kinder; sie lebt in Managua und Los Angeles. Zu ihren bekanntesten Werken gehören: «Bewohnte Frau» (1988), «Tochter des Vulkans» (1990), «Waslala» (1996), «Das Manuskript der Verführung» (2005) und «Die Republik der Frauen» (2012). Sie deuten Emmas Mitschuld am Scheitern der Ehe an, weil sie zu lange ein bequemes Leben bevorzugt hat, ermöglicht durch ihren Ehemann. Partner müssen eine Balance halten, um als Paar funktionieren und trotzdem ihre eigene Identität bewahren zu können. Dies führt unvermeidlich zu Machtkämpfen, die oft ein Schuldgefühl mit sich bringen. Sie schreiben, Emma habe mehr von Simone de Beauvoir als aus medizinischen Büchern gelernt, dass der weibliche Körper kompliziert ist. Ist dessen medizinische Wahrnehmung noch immer nicht angemessen? Ich denke schon. Dank Bemühungen von Frauen wird es zwar besser; die Kampagne bezüglich Brustkrebs etwa ist sehr effektiv gewesen. Mondhitze Gioconda Belli 288 Seiten, CHF 26.90 eBook CHF 18.00 Droemer Knaur Aber bis vor kurzem wurden medizinische Studien nicht geschlechtsspezifisch durchgeführt, und die Versuchspersonen waren meist Männer. Hat Simone de Beauvoir Sie einst ermutigt, aus weiblicher Sicht zu schreiben? Ihr Buch «Das andere Geschlecht» war sehr wichtig für mich, wie es auch Bücher von anderen Feministinnen wie Germaine Greer, Betty Friedan, Gloria Steinem und Susan Sontag waren. Ich wurde stark beeinflusst von deren Analyse der Situation, in der sich die Frauen befinden. Durch Werke von Virginia Woolf, Sor Juana Inés de la Cruz, Marguerite Yourcenar, Rosario Castellanos und so vielen anderen habe ich auch das Vertrauen in meine Fähigkeit entwickelt, dass ich Geschichten ebenso gut erzählen kann wie jeder männliche Schriftsteller. Gibt es so etwas wie eine «weibliche Sprache»? Eine «weibliche» Sprache würde eine «männliche» Sprache voraussetzen; Sprache aber ist eine Schöpfung beider Geschlechter. Ich würde deshalb die Sprache, in der über Frauen, Menstruation, Abtreibung, Geburt eines Kinds, Menopause und so weiter gesprochen oder geschrieben wird, nicht als «weibliche Sprache» bezeichnen: Sie dient einfach dazu, etwas zu umschreiben. Ich denke aber, dass beide Geschlechter gut informiert sein müssen über ihre Unterschiede und über ihre Körper, um in jeder Hinsicht besser miteinander umgehen zu können. Nun, da Frauen zunehmend ihren rechtmässigen Platz in der Gesellschaft einnehmen und nicht mehr nur «Das andere Geschlecht» sind, wird die Sprache mehr und mehr angereichert mit den spezifischen Sichtweisen und dem Verständnis der Frauen. Hoffen Sie, dass auch Männer Ihr neues Buch lesen werden? Ich habe einen Roman, keinen medizinischen Text über die Wechseljahre geschrieben! Natürlich hoffe ich, dass auch Männer ihn lesen werden. Denn sie können auf interessante Weise erfahren, was jede Frau in der Welt in einer bestimmten Lebensphase durchläuft, nicht nur körperlich. Viele Männer haben diesen Roman bereits in spanischer Sprache gelesen und mir geschrieben, wie sehr sie ihn genossen haben. Aber, natürlich: Frauen können sich mit Emma besser identifizieren, weil sie eine ziemlich gute Vorstellung davon haben, was sie beschreibt. Lesen 1/2016 – buch.ch, books.ch, thalia.ch 28 29 Doss i er Doss i er Stark, stärker, Frau «Wann ist Mann ein Mann?», fragte einst Pop-Troubadour Herbert Grönemeyer. Wir stellen nun anhand einiger Bücher die Gegenfrage: Was macht denn eigentliche eine starke Frau zur starken Frau? TExt: erik brühlmann Autorinnen hatten es lange Zeit nicht leicht – wie auf Seite 25 nachzulesen ist. Malerinnen erging es nicht unbedingt besser. Eine Ausnahme bildete die Churerin Angelika Kauffmann (1741–1807), die Freundin gekrönter Häupter und Goethes. Ihre Geschichte wird im Bildband «Wie ich mich sehe. Frauen im Selbstporträt» skizziert. Biografie» zusammengetragen. Ein lesenswertes Stück Frauengeschichte! Selfies von einst Einen völlig anderen, wenn auch in gewisser Weise ebenfalls biografischen Ansatz verfolgt die englische Kunsthistorikerin Frances Borzello. In «Wie ich mich sehe. Frauen im Selbstporträt» untersucht sie die bildlichen Selbstbetrachtungen von rund 200 Künstlerinnen, unter ihnen die Churerin Angelika Kauffmann, die Surrealistin Frida Kahlo, die Expressionistin Paula Modersohn-Becker und die Künstlerin und Fotografin Cindy Sherman. Die Bandbreite an Porträtthemen ist dabei überraschend gross – so gross, dass klar ist: Bei den gemalten Autobiografien handelt es sich um eine eigene Kunstgattung, und Selbstporträts von Frauen unterscheiden sich markant von denen ihrer männlichen Künstlerkollegen. Frauen unterwegs Es ist schon ein Kreuz mit den Geschlechterfragen. Einerseits soll alles möglichst gleich und unterschiedslos sein, andererseits werden gerade Frauen nicht müde, ihre Stärke herauszustreichen, damit sie sich vom Gleichheitsbrei abheben. «Starke Frau» ist ein Modebegriff, fast schon ein Mythos geworden, und zwar einer, der sich kaum greifen oder gar definieren lässt. Gemeint ist ja in der Regel nicht die physische Stärke einer Natalia Trukhina – eine Frau wie ein Berg, die mit 23 Jahren und 92 Kilo Kampfgewicht als stärkste Frau der Welt sagenhafte 240 Kilo stemmen kann. Gemeint ist vielmehr ... Ja, was eigentlich? Vielleicht hilft ja ein Blick in die Bücherregale! Der Rundumschlag Um einen Überblick zu gewinnen, kann ein Blick in das Buch «50 Klassiker Frauen. Die berühmtesten Frauen der Geschichte» für den Anfang bestimmt nicht schaden. Und siehe da: Tatsächlich findet man(n) und frau hier so ziemlich jede Frauengestalt der Geschichte, die einem spontan zum Begriff «starke Frau» in den Sinn kommt: die Benediktinerin Hildegard von Bingen, die Arbeitsrechtlerin Rosa Luxemburg, die französische Nationalheldin Jeanne D’Arc und Maria, Mutter von Jesus. Die Autorinnen Ulrike Braun und Barbara Sichtermann porträtieren aber auch einige weniger bekannte Frauen, die ebenfalls Geschichte machten. Die Frauenrechtlerin Mary Wollstonecraft zum Beispiel, Mutter der FrankensteinSchöpferin Mary Wollstonecraft Shelley; oder auch die ägyptische Königin Hatschepsut, die unter Ägyptologen als eine der wichtigsten Herrscherfiguren des Neuen Reichs gilt. Etwas seltsam mutet auf den ersten Blick an, dass auch Lucrezia Borgia und die Popsängerin Madonna vertreten sind. Aber erstere war, wie man heute weiss, eben nicht die Giftmischerin, als die sie bekannt wurde, und Madonna war auf ihre zuweilen skurrile Weise ja schon auch eine Vorreiterin für die Sache der Frauen. Die Frau dahinter Aber müssen starke Frauen denn immer im Rampenlicht stehen? Immerhin wird es das Sprichwort «Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau» ja nicht umsonst geben. Das dachte sich wohl auch die in Turkmenien geborene Tatjana Kuschtewskaja und verfasste «Am Anfang war die Frau. Die Frauen russischer Genies». In 19 Porträts schildert sie die Schicksale der Lesen 1/2016 – buch.ch, books.ch, thalia.ch Frauen, die den berühmten Männern ihren Erfolg manchmal erst ermöglichten – ob sie ihnen nun Muse waren oder Beraterin, Ehefrau oder Sekretärin. Das Buch ist – eine Seltenheit in der Welt der Sachbücher – übrigens der abschliessende Teil einer Trilogie, die starken russischen Frauen gewidmet ist. Die blutige Maria So manche Frau wollte sich mit einem Schattendasein jedoch nicht abfinden. Eine von ihnen, Maria Tudor, hatte halt auch keine sonderlich erfolgreichen Männer, hinter die sie sich hätte stellen können: Ihr Vater, Heinrich VIII., versuchte Zeit seines Lebens verzweifelt, einen Sohn zu zeugen, und wechselte die Ehefrauen wie andere Leute Socken. Und als es dann klappte, musste der arme Edward VI. schon als Neunjähriger den englischen Thron besteigen. Und Maria? Sie kam nach vielen Irrungen und Wirrungen doch noch an die Macht, versuchte prompt, das ganze Land religiös auf katholisch zu drehen und verdiente sich so den Beinamen «die Blutige». Genaueres über das ebenso spannende wie tragische Leben und Sterben von «Bloody Mary» hat nun die BiografieSpezialistin Marita Panzer in ihrem Buch «Mary Tudor. Bloody Mary – Eine Das 18. und 19. Jahrhundert war die grosse Zeit der Entdecker. Humboldt legte die Grundlagen moderner Geografie, Charles Darwin erforschte Finken auf den Galapagos-Inseln – und die Frau von Welt übernahm in den besseren Kreisen zu Hause repräsentative Aufgaben. Aber auch hier bestätigen einige Ausnahmen die Regel. Und von zehn dieser reisenden Frauen erzählt «Uns gehört die Welt. Schreibende Frauen erobern die Fremde» von Armin Strohmeyr. Mit Feder und Tinte im Gepäck bereisten die Frauen die Welt und berichteten davon, auch wenn viele Berichte und Tagebücher immer noch wenig bekannt sind. Wer weiss denn schon, dass die erste finanziell unabhängige Schriftstellerin Deutschlands, Sophie von La Roche, sich in einer Sänfte den Montblanc hinauftragen liess; oder dass Malwida von Meysenburg vor dem preussischen Geheimdienst – was für eine abenteuerliche Reise! – nach London floh? Dem Frieden hinterher Starke Frauen unternehmen natürlich auch noch heute abenteuerliche Reisen. So zum Beispiel die 1946 in Kilchberg am Zürichsee geborene Ursula Hauser. 1967 begann ihre immer noch andauernde Reise durch Rotkreuzlager, nach Amerika zu Anti-Vietnam-Protesten oder auch nach Nicaragua, wo sie den Revo- 50 Klassiker Frauen. Die berühmtesten Frauen der Geschichte Barbara Sichtermann, Ulrike Braun 1304 Seiten, CHF 13.40 Anaconda Am Anfang war die Frau. Die Frauen russischer Genies Tatjana Kuschtewskaja 240 Seiten, CHF 27.90 Grupello Mary Tudor. Bloody Mary – Eine Biografie Wie ich mich sehe. Frauen im Selbstporträt Uns gehört die Welt. Schreibende Frauen erobern die Fremde Die Rebellin. Ein Leben für Frieden und Gerechtigkeit Marita A. Panzer 180 Seiten, CHF 31.90 Berlin University Press Armin Strohmeyr 352 Seiten, CHF 14.90 eBook CHF 10.00 Piper Willkommen im Klub – Älterwerden für Anfängerinnen Silvia Aeschbach 176 Seiten, CHF 26.90 eBook 19.00 Wörterseh Frances Borzello 272 Seiten, CHF 42.90 Brandstätter Ursula Hauser 208 Seiten, CHF 37.90 eBook CHF 27.90 Wörterseh Wie geht Karriere? Strategien schlauer Frauen Barbara Lukesch 224 Seiten, CHF 41.90 eBook CHF 19.90 Wörterseh Lesen 1/2016 – buch.ch, books.ch, thalia.ch lutionär und Weggefährten Che Guevaras, Antonio Grieco, kennen und lieben lernte. Die Psychoanalytikerin folgt auch heute noch den Brennpunkten der Welt, sei es in El Salvador oder im Gazastreifen, und versucht, die Welt ein klein wenig besser zu machen. Was genau sie alles erlebte, erzählt sie in ihrer Biografie «Die Rebellin. Ein Leben für Frieden und Gerechtigkeit». Stark! Die Zeit des Umbruchs Vielleicht sind die stärksten Frauen aber einfach jene, die sind, wie sie nun mal sind; die ohne Ruhm oder grosses Gedöns daheim in Würde alt werden und dabei Freude am Leben haben? Diesen Eindruck gewinnt man zumindest beim Lesen von «Willkommen im Klub – Älterwerden für Anfängerinnen» von Silvia Aeschbach. Mit 55 Jahren ist die Journalistin und Schriftstellerin das, was die Werbebranche liebevoll eine «reife Frau» nennt. Was so wohlwollend klingt, ist für Aeschbach jedoch alles andere als eine Wohlfühloase. Vielmehr ist es eine Zeit des Umbruchs, in dem frau nicht mehr jung, heute aber auch nicht mehr alt ist. Wie sie diese durchaus turbulente Lebensphase erlebt, beschreibt Aeschbach in einfühlsamen Texten. Dazu präsentiert das Buch die Porträts von 13 Frauen zwischen Anfang 40 und Anfang 70: eine Aussensicht sozusagen, die zeigt, auf wie viele verschiedene Arten Frauen mit dem Älterwerden umgehen können – wenn sie denn mutig und stark genug sind, das Leben noch einmal anzupacken und, wenn nötig, da und dort in neue Bahnen zu lenken. Und natürlich Karriere! Um ehrlich zu sein: Trotz aller Literatur lässt sich der Begriff der «starken Frau» letztlich doch nicht eindeutig klären. Sicher ist jedenfalls: Ein starke Frau setzt sich auch in der Männerwelt durch. Wie das im Berufsleben funktioniert, beschreibt Barbara Lukesch in ihrem Buch «Wie geht Karriere? Strategien schlauer Frauen». Anhand von 17 Porträts erfolgreicher Frauen – von der Juristin Tilla Caveng über Chefärztin Brida von Castelberg bis zur Kommunikationsfachfrau Beatrice Tschanz – zeigt die Autorin, was es braucht, um die Karriereleiter zu erklimmen. Das ist neben einer gesunden Portion Härte auch der Mut, die weichen Seiten zuzulassen und auch einmal Hilfe zu suchen und anzunehmen. 31 30 Buchtipp s Doss i er Aussergewöhnlich! Die Zeiten, in denen Autorinnen eine Rarität waren, sind längst vorbei – doch natürlich gibt es weiterhin literarische Besonderheiten von Frauen. Wir haben einige aus dem grossen Berg der Neuerscheinungen herausgefischt. TExt: marius leutenegger Eine Neuerscheinung ist das nicht: «Zu zweit» wurde unter seinem Originaltitel «Deux» bereits 1939 publiziert. Doch auf Deutsch gab es diesen Roman nie, und auch in ihrer Heimat Frankreich war Irène Némirovsky jahrzehntelang vergessen. Das hat mit ihrer Lebensgeschichte zu tun. Die französische Autorin mit russisch-jüdischen Wurzeln starb in Auschwitz. Vor dem Krieg war sie ein Literaturstar gewesen, nachher wurde ihr Werk nicht wieder neu aufgelegt. Ihr letztes Manuskript «Suite française» wurde erst 2004 veröffentlicht – und ein Riesenerfolg. Némirovsky wurde dafür posthum mit dem Prix Re naudot ausgezeichnet, und das gesamte Werk der Autorin erschien neu. Den Abschluss der deutschen Edition bildet nun die erstmalige Übersetzung des Romans «Zu zweit». Der Roman von 1936 reiht sich nahtlos in Némirovskys Werk ein. Er erzählt die Geschichte von Antoine und Marianne, und auch wenn es fast ausschliesslich um Liebe geht, ist es keine Liebesgeschichte – eher der schonungslose Blick auf eine Ehe, die ohne Euphorie beginnt und bald nur noch Leidenschaft findet im alltäglichen Zerfleischen. Jungen Menschen, die gerade die Liebe kennenlernen, sollte man «Zu zweit» daher nur überreichen, wenn man ihnen den Spass an der Sache versalzen will. Doch der Roman bietet einen sehr feinen Anschauungsunterricht, wie es in der Liebe läuft – laufen kann – und steckt voller kluger kleiner Bilder und Wendungen. Zu zweit Irène Némirovsky 216 Seiten, CHF 28.90 eBook CHF 18.90 Knaus Vor über 40 Jahren landete Erica Jong einen internationalen Bestseller und einen veritablen Skandal: «Angst vorm Fliegen» erzählte schonungslos vom Ausbruch einer Ehefrau und gilt als Klassiker der weiblichen erotischen Literatur. Seither veröffentlicht Jong regelmässig erfolgreiche Bücher, die sich um die Selbstverwirklichung von Frauen, komplexe Mutter-Tochter-Beziehungen und das Älterwerden drehen. Sex spielt immer eine wichtige Rolle. Mit ihrem neuen Roman «Angst vorm Sterben» rüttelt die mittlerweile 73-jährige Autorin erneut an einem Tabu: Ging es ihr einst um die sexuelle Befreiung einer Ehefrau, steht hier die körperliche Liebe zwischen älteren Menschen im Zentrum. Die 60-jährige Vanessa versucht, ihr Grauen vor dem unabwendbaren Ende im Sex zu ertränken. Es sind keine angenehmen Themen, die Jong anschneidet: Es geht um die Angst, das gute Aussehen und die Vitalität zu verlieren, um Abhängigkeiten, um neue Beziehungen mit der nächsten und übernächsten Generation. Auch wenn der Text zuweilen etwas schwatzhaft ist, bleibt es ein grosses Verdienst der Autorin, sich literarisch mit Themen zu beschäftigen, die ein Mauerblümchendasein fristen. Für den weltberühmten Autor Ken Follett ist das neue Werk «Erica at her best» – und auch Woody Allen zeigte sich begeistert. Offenbar trifft diese Frauenautorin auch für Männer den Nagel auf den Kopf. Angst vorm Sterben Erica Jong 368 Seiten, CHF 28.90 eBook CHF 21.00 S. Fischer Eigentlich ist die Niederländerin Lot Vekemans Theaterautorin. Ihr berühmtestes Stück «Gift» handelt von einem Ehepaar, das mit dem gemeinsamen Kind auch die Liebe verlor. Mit Beziehungsdramen kennt sich Vekemans also aus, und solche bilden auch den roten Faden ihres Romandebüts «Ein Brautkleid aus Warschau». Die Dramatikerin lässt darin nichts aus, um ihrer Hauptfigur Marlena die grosse Tragödie zu bescheren. Marlena lebt auf dem elterlichen Hof in Polen und verliebt sich in einen gutaussehenden Amerikaner, der in Polen seine familiären Wurzeln sucht. Doch der Mann muss zurück in die USA – und lässt Marlena schwanger zurück. Zwar will man Kontakt halten, doch Marlena hat keine Zeit, dem Schicksal seinen Lauf zu lassen. Sie bietet sich bei einer Heiratsvermittlung an und wird die Frau eines Bauern in den Niederlanden. Doch auch Jahre bescheidenen Glücks verringern ihre Unruhe nicht. Marlena muss nach Polen zurück, wo sich ein Kreis schliessen soll. Auch wenn das Buch ein halbes Leben erzählt, liest es sich schnell und leicht. Die Bühnenautorin weiss genau, wie man eine Geschichte vorantreibt und pfeffrige Dialoge schreibt. Und eben – sie führt den Leserinnen und Lesern die grossen Dramen des Lebens vor: Liebe, Vergänglichkeit, Beziehung zu den Eltern und die unbändige Lust am Sein. Ein Brautkleid aus Warschau Lot Vekemans 253 Seiten, CHF 26.90 Wallstein Lydie Salvayre Claudia Winter Weine nicht Aprikosenküsse Eine alte Frau erzählt ihrer Tochter immer wieder von der einzigen Phase ihres Lebens, die in ihrem Geist lebendig geblieben ist: Montse wächst in einem kleinen katalanischen Dorf auf. Sie soll Dienstmädchen beim reichsten Grossgrundbesitzer der Gegend werden. Stattdessen folgt sie im Sommer 1936 ihrem anarchistischen Bruder José nach Barcelona. Dort entdeckt sie die Freiheit und eine leidenschaftliche Liebe. Das Leben der jungen Foodjournalistin Hanna könnte so wunderbar sein. Leider schrieb sie diese Restaurantkritik, wegen der eine italienische Gutsherrin an einem Herzinfarkt starb! Als sie dann auch noch versehentlich in den Besitz der Urne mit der Asche der Gutsherrin gelangt, reist Hanna nach Italien – und wird Opfer eines Testaments, das es in sich hat. Ihr Geliebter verschwindet im Untergrund, Montse kehrt schwanger in ihr Heimatdorf zurück – und lässt sich von ihrer Mutter ausgerechnet mit dem politischen Widersacher ihres Bruders verheiraten. Bald erschüttern erste Gewalttätigkeiten die Gemeinde ... 256 Seiten, CHF 28.90 eBook CHF 18.90 Karl Blessing ISBN 978-3-89667-564-4 Erscheint am 29. Februar. Lucinda Riley Helenas Geheimnis Vor vielen Jahren verbrachte Helena Beaumont als junge Frau einen wunderbaren Sommer auf Zypern – dort fand sie ihre erste grosse Liebe. Nun kehrt sie zum ersten Mal zurück, um auf der Insel mit ihrer Familie die Ferien zu verbringen. Unbeschwerte Tage sollen es werden, doch schon bei ihrer Ankunft fühlt sich Helena unbehaglich. Sie weiss, dass ihre Idylle bedroht ist. Denn einiges aus ihrer Vergangenheit hat sie ihrem Mann und den Kindern eisern verschwiegen. Wie lang kann sie die Fassade der glücklichen Familie noch aufrechterhalten? Als sie plötzlich ihrer Jugendliebe Alexis gegenübersteht, ahnt sie, dass ihrer aller Leben bald auf eine harte Bewährungsprobe gestellt wird. Denn selbst über ihren Tod hinaus verfolgt Giuseppa Camini nur ein Ziel: ihren unleidlichen Enkel Fabrizio endlich in den Hafen der Ehe zu steuern. Eine Aufgabe, die ein ganzes toskanisches Dorf in Atem hält, ein Familiendrama heraufbeschwört und Hannas Gefühlswelt komplett durcheinanderwirbelt! 416 Seiten, CHF 14.90 eBook CHF 10.90 Goldmann ISBN 978-3-442-48390-7 608 Seiten, CHF 14.90 eBook CHF 10.90 Goldmann ISBN 978-3-442-48405-8 Erscheint am 29. Februar. Lesen 1/2016 – buch.ch, books.ch, thalia.ch Lesen 1/2016 – buch.ch, books.ch, thalia.ch Sally Andrew Tannie Marias Rezepte für Liebe und Mord Tannie Maria lebt im beschaulichen Klein Karoo in Südafrika. Wenn die lebensfrohe Witwe nicht gerade in ihrer Küche neue Gerichte erfindet, schreibt sie an ihrer Kolumne für die Lokalzeitung. Als jedoch eine junge Frau ermordet aufgefunden wird, wird Tannie zur Hobby-Detektivin. Sie folgt ihrer feinen Nase und kommt schon bald Detective Kannemeyer in die Quere, der sich bei seinen Ermittlungen lieber auf klassische Polizeimethoden verlässt. Vergeblich versucht Kannemeyer, die ebenso bezaubernde wie hartnäckige Hobby-Detektivin auszubremsen. Denn Tannie lässt sich nicht beirren und folgt weiter ihrer Spur, die sich als immer heisser und gefährlicher entpuppt. 480 Seiten, CHF 26.90 eBook CHF 17.00 Atrium ISBN 978-3-85535-003-2 32 33 Schau fenster Sc h au f en s t er Der Turing-Test Der Schwede David Lagercrantz kann nicht nur Larsson: In seinen Roman «Der Sündenfall von Wilmslow» erzählt er davon, wie ein junger Polizist 1954 den Selbstmord des Mathematikers Alan Turing untersucht – und wie dabei dessen Leben aus den Fugen gerät. Text: Benjamin Gyga x Bild: Magnus Liam K arlsson Kaum jemand im deutschsprachigen Raum kannte bis vor kurzem David Lagercrantz. Doch jetzt ist der Schwede auch dem breiten Publikum ein Begriff. Zumindest eines wissen wir über ihn: Der Mann scheint Nerven wie Stahlseile zu besitzen. Anders kann man sich nicht erklären, wie der Journalist und Schriftsteller das Himmelfahrtskommando übernehmen konnte, Stieg Larssons weltberühmte Millennium-Trilogie weiterzuführen. «Verschwörung», der vierte Band mit Michael Blomquist und Lisbeth Salander, erschien im vergangenen August und wurde von Fans und Kritik mehrheitlich positiv aufgenommen. Für Fans von «The Imitation Game» Nun bietet sich die Gelegenheit, ein vollkommen eigenständiges Werk von David Lagercrantz zu lesen. «Der Sündenfall von Wilmslow» entstand bereits 2009, der PiperVerlag hat den Roman jetzt auf Deutsch herausgebracht. Empfohlen sei dieses Buch vor allem jenen, die im Kino «The Imitation Game» mit Benedict Cumberbatch und Keira Knightley über den britischen Mathematiker Alan Turing genossen haben. Denn David Lagercrantz nimmt Turings Geschichte als Ausgangspunkt für seinen vielseitigen und spannenden Roman. Held im Verborgenen ... England 1954: Der Zweite Weltkrieg ist gerade überstanden – und schon nährt der Kalte Krieg die Paranoia im Land. Sowjetische Spione werden enttarnt, die Angst vor Nuklearwaffen und einem weiteren Konflikt wächst. Im kleinen Städtchen Wilmslow wird der 28-jährige Kriminalassistent Leonard Corell in ein Haus geschickt, um den Tod eines Manns zu untersuchen. Es handelt sich um den Mathematiker Alan Turing, und die Umstände deuten auf Selbstmord hin. Von Corell wird ein äusserst sensibles Vorgehen erwartet, denn Turing war erstens während des Kriegs in einem geheimen Projekt mit der Entschlüsselung der deutschen Funkkommunikation beauftragt, zweitens ein verurteilter Homosexueller. Er hatte sich zwischen einer Gefängnisstrafe und der grausamen Zwangsbehandlung mit Östrogen entscheiden müssen. schen, die sich zu perversen Handlungen hingezogen fühlen, an Charakter fehlt.» Mit diesem Thema wird das Buch, das wie ein Krimi oder Spionageroman beginnt, zum Sitten- und Zeitgemälde. David Lagercrantz zeichnet eine Gesellschaft, in der kriminalisierte Schwule und Lesben ständig eine falsche Fassade aufrechterhalten müssen. Beim Lesen ertappt man sich deshalb immer wieder beim sinnlosen Gedanken, ob die Beschreibung dieser oder jener Figur wohl auch darauf hindeuten könnte, dass sie heimlich homosexuell sei. Geschichte mit vielen Facetten Was ist zum Beispiel mit Kriminalassistent Leonard Corell? Hat es etwas zu bedeuten, dass er einfach keinen ungezwungenen Umgang mit dem anderen Geschlecht findet? Der junge Mann wuchs in einer gebildeten und liberalen Künstlerfamilie auf und hatte einst selber eine Schwäche für Mathematik. Doch ein schweres Familienschicksal verwehrte ihm die höhere Bildung und trieb ihn zu einer bürgerlichen Existenz. Während der Untersuchung erwacht seine Freude an mathematisch-philosophischen Fragen wieder, und er will wissen, was der Verstorbene während des Kriegs im Verborgenen eigentlich leistete. Er beginnt auf eigene Faust, die Schriften Turings zu lesen, dessen Weggefährten zu befragen und seine Schlüsse zu ziehen. Der Sündenfall von Wilmslow David Lagercrantz 464 Seiten, CHF 31.90 eBook 20.00 Piper ... und Schwuler im Scheinwerferlicht «Homosexuelle sind ideale Erpressungsopfer», gibt ein Vorgesetzter Corell mit auf den Weg. «Unsere Freunde vom FBI haben festgestellt, dass die Russen es darauf abgesehen haben, Homos anzuwerben ... Der entscheidende Grund ist der, dass es MenLesen 1/2016 – buch.ch, books.ch, thalia.ch Verschwörung David Lagercrantz 608 Seiten, CHF 33.90 eBook CHF 21.90 Heyne Lesen 1/2016 – buch.ch, books.ch, thalia.ch Zweimal Band vier der Trilogie? ml. Bislang verkauften sich die drei politischen Thriller von Stieg Larssons «Millennium-Reihe» weltweit 80 Millionen Mal. Und sie wurden auch schon zweimal mit Erfolg verfilmt, einmal in Schweden und einmal in den USA. Es ist klar, dass die Unterhaltungsbranche einen solchen Hit verlängern will. Doch der schwedische Journalist und Autor Larsson verstarb 2004 an einem Herzinfarkt. Er wurde nur 50 Jahre alt und erlebte die Lancierung seiner Trilogie nicht mehr. Man weiss allerdings, dass Larsson eine zehnbändige Serie um seine Hauptfiguren Lisbeth Salander und Mikael Blomkvist geplant hatte. Daraus leiteten seine Erben – sein Vater und sein Bruder – das Recht ab, die Geschichte fortschreiben zu lassen. Sie suchten einen Autor, der fähig sein würde, die hohen Erwartungen zu erfüllen – und sie wurden fündig bei David Lagercrantz, der bereits mit seiner lesenswerten Biografie über den schwedischen Fussballgott Zlatan Ibrahimović für Aufsehen sorgte. Mit dem vierten Band der Serie, «Verschwörung», eroberte Lagercrantz sofort die Bestsellerlisten. Doch Moment: Gab es nicht schon lang Gerüchte, Stieg Larsson habe selber noch einen vierten Band geschrieben und jenes Manuskript lagere in einem Tresor? Ob etwas dran ist, weiss man bis heute nicht – denn den Schlüssel zum Tresor scheint Larssons langjährige Lebensgefährtin Eva Gabrielsson zu besitzen. Sie liegt aber in einem erbitterten Streit mit der Familie Larsson; Gabrielsson und Larsson lebten 32 Jahre lang unverheiratet zusammen, und deshalb ging die Lebensgefährtin beim Erben leer aus. Gäbe es einen vierten Band von Larsson, würde er den offiziellen Erben gehören. Gabrielsson hätte verständlicherweise wenig Interesse, ihn herauszurücken. Es ist also denkbar, dass irgendwann noch ein zweiter vierter Teil erscheinen wird – niemand weiss es. Dass ein anderer Autor die Geschichte fortschreibt, entrüstete auf jeden Fall viele, darunter etwa den dänischen Krimi-autor Jussi Adler-Olsen, der zum Boykott des neuen Buchs aufrief. Denn zu Larsson passt diese vom Geschäftssinn getriebene Entwicklung tatsächlich nicht; er bekannte sich zum Kommunismus und machte sich gegen Kommerzialisierung jeder Art stark. Und auch inhaltlich knüpft Lagercrantz nur bedingt bei Larsson an: Sein Buch ist das mit Abstand am wenigsten politische der Serie. Doch die meisten Fans sind froh, dass es weitergeht. Vermutlich ist auch mit Band vier noch nicht Schluss, denn Lagercrantz hat die neuen Fäden, die er spinnt, noch nicht aufgelöst. Und übrigens: Die Erben von Larsson spenden das ganze Geld, das sie jetzt einspielen – es geht an die antirassistische Zeitschrift «Expo», die einst von Larsson herausgegeben wurde. 34 35 Debat te D ebat t e Nirvana Die Unantastbaren Adam Johnson 262 Seiten, CHF 28.90 eBook CHF 21.00 Suhrkamp Drei Bücher zum Kaffee Was machen Buchhändlerinnen in einer Kaffeepause? Sie plaudern über Bücher. Zum Beispiel im schönen Café Littéraire der Buchhandlung Stauffacher in Bern. Lesen hat sich dort zu Céline Tapis und Bettina Zeidler gesetzt. Aufzeichnung und Fotos: Marius Leutenegger Books: Céline, bei den letzten Debatten hast du jeweils Bücher vorgestellt, auf die du wegen ihres schönen Covers aufmerksam wurdest. Dein heutiges Mitbringsel sieht auch gut aus – «Nirvana» von Adam Johnson. Céline Tapis (CT): Ja, aber diesmal interessierte mich vorab der Autor. Johnson gewann 2013 den Pulitzer-Preis für «Das geraubte Leben des Waisen Jun Do». Dieser Roman war sehr dick, und das mag ich nicht besonders. Deshalb war ich froh, dass mit «Nirvana» ein Band mit Erzählungen von Johnson erschien – so war es etwas einfacher für mich, diesen wichtigen Schriftsteller kennenzulernen. Bettina Zeidler (BZ): Bei mir ist es anders: Ich schätze dicke Bücher ganz besonders – ich habe es gern, wenn es ausufert. Erzählungen dagegen mag ich grundsätzlich nicht besonders. «Nirvana» enthält sechs je etwa 30 bis 40 Seiten lange Erzählungen. Gibt es eine Klammer? CT: Alle haben irgendwie mit Erlösung zu tun. Meine liebste Geschichte ist «Dark Meadow», und sie ist auch ein gutes Beispiel für den Ton und den Inhalt dieses Buchs. Es geht um ein sehr schwieriges Thema: Kinderpornografie. Hauptfigur ist ein Hacker, der private Aufträge ausführt – und dabei immer wieder sieht, wie viele Menschen Kinderpornografie auf ihre Computer geladen haben. Er ist persönlich «Johnson verfügt über eine sehr bildhafte Sprache. Die Geschichten berühren einen durchwegs. Und so schlimm die Situationen auch sind, der Autor lässt ohne jeden Kitsch immer Hoffnung auf keimen.» Bettina Zeidler fasziniert davon, versucht aber, die Abgründe zu meiden, die er im Zusammenhang damit erkennt. Die Geschichte hat einen grossartigen Schluss, den wir hier nicht verraten wollen. BZ: Sie ist tatsächlich stellvertretend für die anderen Erzählungen: Es geht um ganz grosse Themen, um schwierige Dinge, welche die Figuren bewegen. CT: Genau! Da ist zum Beispiel der ehemalige Aufseher in einem Stasi-Gefängnis in Berlin, der seine eigene Geschichte verklärt. Oder der Vater, dessen Baby plötzlich auf der Ladefläche seines Pickups liegt; die Mutter hat es dort deponiert und sich aus dem Staub gemacht. Oder die Frau, die weiss, dass sie bald an Krebs sterben wird. Die Geschichten sind happig, aber alles ist sehr schön geschrieben. Schön? Wie geht denn das bei solchen Themen? BZ: Johnson verfügt über eine sehr bildhafte Sprache. Die Geschichten berühren einen durchwegs. Und so schlimm die Situationen auch sind, der Autor lässt ohne jeden Kitsch immer Hoffnung aufkeimen. Wir alle waren ja auch schon einmal an einem Punkt, an dem wir meinten, es gehe nicht mehr weiter. Johnson zeigt, dass es immer einen Weg gibt – wenn man das Unabänderliche radikal akzeptiert. CT: Die Erzählungen sind immer Momentauf- Lesen 1/2016 – buch.ch, books.ch, thalia.ch Die Welt voller Wunder Richard Price 432 Seiten, CHF 35.90 eBook CHF 25.00 S. Fischer Bettina Zeidler, 51, lebt in St. Gallen. Die Buchhändlerin arbeitet in der Abteilung Belletristik im Kramhof an der Zürcher Bahnhofstrasse. Am liebsten liest sie skandinavische Krimis und Thriller. nahmen, die Geschichten ziehen sich nicht über Jahre hinweg. Es geht um das Jetzt, das fürchterlich sein kann – aber Johnson lässt immer ein besseres Nachher anklingen. BZ: Ich bin wirklich erstaunt, wie gut mir dieses Buch gefallen hat. Was diese Erzählungen so faszinierend macht, ist ihre Kompaktheit, das Komprimierte. Es gibt einen kurzen heftigen Knall – und dann ist alles schon wieder vorbei. Es ist sehr kunstvoll, wie es Johnson gelingt, auf jeweils wenigen Seiten alles zu sagen. Er wurde für diese Veröffentlichung ebenfalls ausgezeichnet – mit dem National Book Award. Ist dies ein Buch für literaturaffine Leserinnen und Leser? BZ: Auf jeden Fall ist es keines für zartbesaitete Gemüter. Hier wird keine Schönschreiberei betrieben, auch wenn die Sprache schön ist. CT: Ich finde es nicht so leicht, dieses Buch zu empfehlen. Ich persönlich mag Geschichten, die sich um Kaputtes drehen – um Alkoholismus, zerrüttete Familien und so weiter. Werden solche Themen literarisch gut verpackt, bin ich leicht zu begeistern. Aber man muss darauf achten, wem man dieses Buch in die Hand drückt. BZ: Nun, ich glaube, wer gern gut geschriebene Bücher hat, wird von «Nirvana» angetan sein. «Price schmeisst zu Beginn mit Namen nur so um sich, und ich wollte zuerst immer verstehen, wer wer ist. Darauf kann man aber verzichten – die Figuren tauchen alle wieder auf, bald kann man alle ganz unangestrengt zuordnen.» Céline Tapis Pearl S. Buck 368 Seiten, CHF 28.90 eBook CHF 17.90 dtv Céline Tapis, 24, lebt in Bern. Nach der Matura absolvierte sie eine Buchhändlerlehre in Basel; gegenwärtig arbeitet sie zu 50 Prozent bei Stauffacher Bern, daneben studiert sie Germanistik und Interreligiöse Studien. Bettina, du bist ein grosser Fan von Thrillern, und zwar von möglichst blutigen. So erstaunt es nicht, dass du jetzt einen Thriller in unsere Runde einbringst: «Die Unantastbaren» von Richard Price. Der New Yorker ist ein berühmter Drehbuchautor. Er wurde zweimal für einen Oscar nominiert, und von ihm stammten auch einige Folgen der Serie «The Wire», die schon als beste Serie der Fernsehgeschichte bezeichnet wurde. Alle paar Jahre veröffentlicht Price auch einen Roman. Worum geht’s diesmal? BZ: Die titelgebenden Unantastbaren sind Verbrecher, die man nie überführen konnte – man weiss zwar, dass sie eine schlimme Tat begingen, aber es fehlen die Beweise. Bei der New Yorker Polizei gab es einst eine Gruppe von Supercops, die überdurchschnittlich viele Fälle lösten, die Wildgänse. Mittlerweile sind nur noch fünf ehemalige Wildgänse im Polizeidienst tätig. Jeder von ihnen hat seinen eigenen Unantastbaren, den er nicht aus den Augen lässt. Einer der fünf ist Billy Graves, Chef der Nachtschicht und Hauptfigur des Romans. Graves ist zwar erst 42 Jahre alt, sieht aber wesentlich älter aus; das harte Polizistenleben hat bei ihm tiefe Spuren hinterlassen. Eines Tags wird ein Unantastbarer tot aufgefunden. Dadurch kommen alte Ermittlungen wieder ins Rollen. CT: Die Geschichte ist komplex, und es fiel mir Lesen 1/2016 – buch.ch, books.ch, thalia.ch 36 37 D ebat t e D ebat t e senen Lagerhalle in Texas entdeckt. Sie scheint es kurz vor ihrem Krebstod 1973 beendet zu haben. CT: Hauptfigur ist Rann Colfax, ein hochbegabter Bub. Das Buch, das keine Kapitel hat, beschreibt zu Beginn, wie Rann im Mutterleib wächst, wie es ihm dort zu eng wird, er auf die Welt kommt. Mit dreieinhalb kann er bereits lesen, und er ist während der ganzen Schulzeit unterfordert. Gleichaltrige findet er langweilig, und bereits mit 15 geht er ans College. Als sein Vater an Krebs stirbt, entscheidet sich Rann, die Welt zu entdecken und die mit der Familie geplante Weltreise allein durchzuziehen. Es handelt sich hier also um einen Entwicklungsroman? BZ: Ja, Buck erzählt eine klassische Comingof-Age-Story, wir begleiten Rann während etwa 25 Jahren. Die Geschichte wird noch recht dramatisch, Rann kommt nach England zu Tante Mary, einem ausgebufften Luder, das ihn in die Kunst der Liebe einführt. CT: Für Rann dreht sich eine Zeit lang alles nur noch um Sex, bis er merkt, dass er ausgenutzt wird. Er zieht nach Paris weiter und lernt dort eine junge Frau kennen, die halb Chinesin und halb Amerikanerin ist. Nun, das alles klingt tatsächlich etwas kompliziert. BZ: Aber Céline hat ganz Recht: Man muss sich freimachen vom Anspruch, sich alles zu merken – und die Geschichte einfach aufnehmen, aufsaugen. Es gibt viele unglaubliche Beschreibungen, die sie lebendig und bildhaft machen. CT: Da spürt man, dass Price ein Drehbuchautor ist: Man wähnt sich eigentlich ständig in einer Fernsehserie. Das hat auch damit zu tun, dass er seine Sprache am Mündlichen ausrichtet, es gibt viel direkte Rede. Ich musste erst in diesen Stil hineinkommen – dann geht aber alles sehr rasant. Schliesslich verschlang ich das dicke Buch in gerade einmal vier bis fünf Stunden. BZ: Price geht wirklich wie bei einem Film vor: Er lässt an einer Stelle das Licht ausgehen, macht einen Schnitt und richtet den Spot auf etwas anderes. Dabei beleuchtet er auch ganz furchtbare Dinge, tiefste menschliche Abgründe. Ich finde das Buch grossartig. CT: Mir hat es auch ausgezeichnet gefallen. Ich schaue hin und wieder amerikanische Krimiserien, dieses Buch passt genau in diese Welt. «Für die eigene Vorstellungskraft ist dieses Buch eine ganz wunderbare Sache, es löst ganz grosses Kopfkino aus.» Bettina Zeidler Warum schaut man denn nicht einfach eine Serie, sondern liest dieses Buch? CT: Weil das Buch ein längeres Vergnügen bietet. Und ich finde es auch einmal schön, einen Dialog zu lesen und mir die Bilder dazu selber zu machen. BZ: Für die eigene Vorstellungskraft ist dieses Buch eine ganz wunderbare Sache, es löst ganz grosses Kopfkino aus. Richard Price ist in den Strassen der Bronx aufgewachsen und kann diese Welt perfekt beschreiben. Dieses Buch empfehle ich allen Krimifans, die eine komplexe, aussergewöhnliche und sehr atmosphärisch geschriebene Geschichte suchen. CT: Ich lese nur sporadisch Krimis, und daher bin ich froh, dass du mir dieses Buch empfohlen hast – das habe ich jetzt für meine Kundinnen und Kunden im Köcher! Das dritte Buch, über das wir heute sprechen, ist eine Entdeckung und postume Veröffentlichung: «Die Welt voller Wunder» von Pearl S. Buck. Die US-Amerikanerin gewann 1938 den Literaturnobelpreis, blieb aber zeitlebens umstritten. Einige halten ihre Bücher für Trivialliteratur, andere lieben ihr Werk, das sich oft mit der Konfrontation der amerikanischen und der fernöstlichen Kultur beschäftigt. Buck lebte als Tochter eines Missionars – und später auch als Ehefrau eines solchen – selber lange in China. Das Manuskript von «Die Welt voller Wunder» wurde vor drei Jahren in einer verlas- Lesen 1/2016 – buch.ch, books.ch, thalia.ch Wenn ich euch so ansehe, habe ich das Gefühl, ihr seid von «Die Welt voller Wunder» etwas weniger begeistert als von den beiden anderen Büchern ... CT: Nun, den Anfang dieses Romans fand ich sehr interessant – wie sich Rann als Fötus entwickelt, «Bei diesem Buch war irgendwann einfach die Luft draussen, und ich hätte es wohl nicht fertig gelesen, wäre es nicht Teil dieser Debatte gewesen.» Céline Tapis Kann es sein, dass die Autorin dieses Buch noch nicht vollständig überarbeitet hatte, als sie starb? BZ: Das weiss man nicht, aber ich kann mir gut vorstellen, dass sie noch einmal über die Bücher gegangen wäre, wenn sie die Zeit dazu gehabt hätte. Mich hat diese Lektüre jedenfalls inspiriert, einmal etwas anderes von ihr zu lesen, vielleicht den Roman «Ostwind – Westwind», der sehr gut sein soll. Mich interessiert, wie ein wirklich vollendeter Roman von ihr ist. CT: Mir geht es gleich: Ich will auch noch etwas anderes von ihr lesen. Bei diesem Buch war irgendwann einfach die Luft draussen, und ich hätte es wohl nicht fertig gelesen, wäre es nicht Teil dieser Debatte gewesen. Mir gefällt aber die Sprache sehr. BZ: Ja, diese Leichtigkeit: Pearl S. Buck schrieb eigentlich sehr simpel, aber sehr fliessend. Das ist eine Kunst. Nimm dir Zeit für die schönsten Seiten des Lebens Besuche auch unsere Starbucks Coffee Houses in den Orell Füssli Buchhandlungen im Kramhof und am Bellevue in Zürich. Books 1/2016 – www.orellfuessli.ch © 2016 Starbucks Coffee Company. All rights reserved. nicht leicht, in den Lesefluss zu kommen. Price schmeisst zu Beginn mit Namen nur so um sich, und ich wollte zuerst immer verstehen, wer wer ist. Darauf kann man aber verzichten – die Figuren tauchen alle wieder auf, bald kann man alle ganz unangestrengt zuordnen. Ein wichtiger Strang der Geschichte handelt von Milton Ramos, einem Cop mit sehr eigenen Methoden. BZ: Und wichtig ist auch Carmen, mit der Billy Graves verheiratet ist. Die verschiedenen Stränge der Geschichte laufen irgendwann zusammen – und als Leserin oder Leser durchschaut man das noch vor Graves. Da klingt das grosse Buck-Thema an ... BZ: Und es wird noch asiatischer: Rann wird für den Koreakrieg eingezogen. Dort hat er einen Tagtraum, den er niederschreibt. Ranns Buch wird ein Bestseller. Im Schreiben findet Rann seine Erfüllung, doch er bleibt ein Suchender. wie die Eltern ihn später fördern und so weiter, das ist stark. Nachher fand ich das Buch eher langweilig. BZ: Ja, der Anfang ist spektakulär. Man liest gern, was der Fötus denkt und wie Rann in die Welt hinausgeht. Das macht Buck ganz hervorragend. Den Teil, in dem Rann die Liebe entdeckt, fand ich hingegen auch langatmig. Das Ende des Buchs gefiel mir aber wieder sehr, weil es wegen der Flüchtlingssituation hochaktuell ist – da geht es um die Zerrissenheit von Menschen, die nirgendwo hingehören. CT: Mir gefiel auch der Schluss nicht. Das Buch hat kaum Unterbrüche, keine Kapitel, es geht weiter und weiter – und plätschert irgendwann nur noch vor sich hin. Das dramatische Schlussbouquet passte dann für mich gar nicht mehr richtig dazu. Aber ich muss sagen, Pearl S. Buck hat eine super Sprache, die ersten hundert Seiten waren wirklich ein Genuss. 38 39 Fantastisch Fa n ta s t i sc h Herzerwärmend kühl Eine Mitarbeiterin von Orell Füssli Thalia präsentiert Neuerscheinungen und Geheimtipps aus dem Fantasy-Genre: Bücher für alle, die sich gern in fremde Welten entführen lassen. Text: Marius Leutenegger Stadt und Schneekugeln erst ziemlich doof, beginnt dann aber doch, sich damit anzufreunden. Schliesslich will sie unbedingt den Wettbewerb für die schönste Schneekugel gewinnen. Und sie verliebt sich in einen eigenartigen, blau schimmernden Mann. Eine wichtige Rolle in der Geschichte spielen die Rauhnächte; das sind bestimmte Nächte um den Jahreswechsel, die in zahlreichen Bräuchen eine Rolle spielen und zum Beispiel zur Geisteraustreibung genutzt werden. In diesen Nächten kann alles passieren, und in dieser Geschichte kommt in einer Rauhnacht das Böse auf die Welt, in Form einer bösen Frau Holle, die eine Schar von Unholden anführt. Auch der Typ, in den sich Cora verliebt hat, gehörte einst zur Schar, jetzt ist diese hinter ihm und der legendären Schneekugel her. Auch bei diesem Buch gefiel mir vor allem die Stimmung. Viele Themen werden geschickt eingeflochten – Märchenelemente, Sagen, Bräuche. Die Spannung ist gross, weil es immer anders kommt, als man meint, und auch der Humor kommt nicht zu kurz. Cora freundet sich nämlich auch noch mit einem pfiffigen Jungen an, und immer, wenn er auftritt, wird es sehr lustig. Ich bin sicher: Dieses Buch gefällt allen Fantasyfans! «Die drei Bücher, die ich heute vorstelle, passen bestens in die Saison: Sie spielen alle in der kalten Jahreszeit. Pflichtlektüre war für mich das neue Werk von Nina Blazon, weil sie eine meiner liebsten Autorinnen ist. ‹Der Winter der schwarzen Rosen› spielt in einem fantastischen Mittelalter, ist aber originellerweise mit zahlreichen Steampunk-Elementen durchsetzt – also mit einem Schuss viktorianischem Zeitalter. Es gibt Taschenlampen, Elektrizität, sogar Lifte, daneben klirren aber auch Säbel und rumpeln alte Kutschen. Im Mittelpunkt der Geschichte stehen Zwillingsschwestern, die unterschiedlicher kaum sein könnten: Tajann ist erfolgsorientiert und will nicht nur die Tochter eines Jägers sein, Liljann ist hingegen sehr naturbezogen und eher feinstofflich. Beide verlieben sich unglücklich, Tajann in den Prinzen und Liljann in einen Ritter aus dessen Gefolgschaft. Die Geschichte dreht sich um die Königin, eine kalte Person, die unbedingt gestürzt werden muss, und es gibt viele fantastische Elemente – Vampire zum Beispiel oder die titelgebende schwarze Rose, die alles Schlechte im Reich symbolisiert. Angelina Rubli, 30, wohnt in Dachsen ZH und arbeitet bei Orell Füssli am Bellevue. Sie verschlingt etwa drei bis vier Bücher pro Woche, vorzugsweise Fantasy; eigenartigerweise liest sie bei jedem Buch immer zuerst das Ende. Ich fand die Atmosphäre dieses Romans super. Es herrscht eine winterlich-kalte Stimmung, gleichzeitig knistern Liebesgeschichten. Man spürt: Ein Knall steht kurz bevor, und bald wird alles kippen. Ein bittersüsses und sehr spannendes Buch, das ich nicht mehr weglegen konnte! Als ich damit durch war, fiel ich in eine dieser typischen After-Buch-Depressionen, die man nur mit einem anderen guten Buch besiegen kann. Ein solches ist ‹So kalt wie Eis, so klar wie Glas› von Oliver Schlick. Es spielt in einer Stadt, die bekannt ist für die Herstellung von Schneekugeln. Laut einer Sage schloss der Teufel mit dem ersten Hersteller von Schneekugeln einst einen Pakt, aus dem eine besondere Schneekugel hervorging. Sie versprach Macht, Reichtum, Schönheit und ewiges Leben, scheint aber verschwunden zu sein – falls es sie überhaupt je gab. Die Waise Cora kommt nun in diese Stadt, weil sie bei ihrem Grossvater leben soll. Er ist offenbar ein direkter Nachfahre jenes mysteriösen Mannes, der den Teufelspakt einging. Cora findet Lesen 1/2016 – buch.ch, books.ch, thalia.ch Dasselbe gilt natürlich auch für das neue Werk von Tanja Heitmann. Sie ist ebenfalls eine meiner Lieblingsautorinnen. Hauptfigur von ‹Nebelsilber› ist die 17-jährige Edie, die mit ihrem Vater in ein total abgelegenes Kaff zieht. Vor zehn Jahren verschwand hier ein Bub, und nun taucht er plötzlich wieder auf, übersät mit Wunden und Narben. Er kann sich an nichts erinnern. Edie findet he raus, dass die Dorfbewohner vor langer Zeit einen Pakt mit dem Erlkönig schlossen – ja, schon wieder ein Pakt! Der Erlkönig ermöglichte den Bau des Dorfs mitten in einem Moorgebiet und forderte dafür ein Kind. Ist der Junge, der wieder auftauchte, sein Opfer geworden? Wenn ja: Ist der Pakt durch die Rückkehr des Jungen gebrochen? Und noch ein Tipp! Der Winter der schwarzen Rosen Nina Blazon 544 Seiten, CHF 24.90 eBook CHF 16.90 cbt So kalt wie Eis, so klar wie Glas Oliver Schlick 384 Seiten, CHF 26.90 eBook CHF 15.90 Ueberreuter Nebelsilber Katharina Kromer, 29, lebt in Wutach, etwa eine halbe Stunde von Schaffhausen entfernt. Seit vier Jahren arbeitet sie bei Thalia Schaffhausen. Ihre bevorzugte Lektüre sind Fantasy-Romane für Jugendliche und Erwachsene. Ihr Tipp: «Blut aus Silber» von Alex Marshall. «Zwanzig Jahre lang führte Generalin Zosia Krieg gegen die düsteren Horden des verfeindeten Imperiums. Nachdem sich in ihrem Dorf ein grausames Verbrechen ereignet hat, muss sie mit ihren einstigen Verbündeten noch einmal gegen einen unberechenbaren Feind losziehen ... Gleich vorweg: ‹Blut aus Silber› ist kein Heldenepos im Stil von ‹Herr der Ringe›. Es gibt keinen Guten, der alles richtig macht, und auch keine übermächtigen Bösewichte. Alle sind vielschichtig. Die Vielfalt der Charaktere bei Menschen, Zauberern, Wild geborenen oder Teufeln hat mich fasziniert; besonders gefallen haben mir die eiskalte Kriegerin Zosia und Maroto, der Anführer einiger Adeliger auf der Suche nach Abenteuern. Und ebenso faszinierend fand ich die zuweilen skurrile, aber immer spannende und anregende Welt dieses Fantasyromans, auf die man sich einfach einlassen muss. So tragen zum Beispiel auch Frauen Schnurrbärte – oder Stiche von Insekten versetzen in Drogenrausch, und man geht deshalb ins Stechhaus! Das Buch ist gespickt mit guten Ideen und einer schönen Portion Ironie, und deshalb bin ich davon absolut begeistert.» Tanja Heitmann 400 Seiten, CHF 24.90 eBook CHF 16.90 cbt Auch bei diesem Buch überzeugen mich das Ambiente und die Verwendung zahlreicher Elemente aus der Märchen- und Sagenwelt. Zudem ist es stellensweise ziemlich unheimlich und düster – ein sehr vielfältiges Vergnügen, dieser Roman! Ich kann ihn mit gutem Gewissen allen empfehlen, die auf Fantasy stehen, Männern und Frauen jeden Alters.» Lesen 1/2016 – buch.ch, books.ch, thalia.ch Blut aus Silber Alex Marshall 864 Seiten, CHF 28.90 eBook CHF 18.00 Piper 40 41 K inderwelt K i n d erw elt Nicole Stäuble, unsere Kinderbuch-Fachfrau, präsentiert diesmal Neuerscheinungen, bei denen es um Träume geht – im wörtlichen und übertragenen Sinn. © FISCHER Sauerländer / Annabelle von Sperber Text: Marius Leutenegger Anna kann sich freuen: Zum Geburtstag erhält sie die langersehnte Taschenlampe. «Zum heutigen Thema inspirierte mich das erste Buch, das ich vorstelle: ‹Traumreise mit Eisbär› von Lindsay Ward. Als ich es las, fiel mir ein, dass Kinder ja sehr viel und intensiv träumen. Mein Sohn auch. Er erzählt mir allerdings immer nur die schönen Träume, denn die schlechten will er sofort vergessen. Nun, in diesem ersten Buch steht ein schöner Traum im Zentrum. Der Schulweg eines kleinen Mädchens führt durch einen Park, in dem auch ein Karussell steht. Eine der Karussellfiguren, auf denen man reiten kann, ist ein Eisbär. Eines Tags liegt unter ihm ein Zettel mit der Botschaft: ‹Bring bitte einen Ballon mit.› Das Mädchen tut’s, und am nächsten Tag findet sie wieder einen Zettel: ‹Bring noch mehr Ballons!› So geht es weiter – bis sich der Eisbär mit dem Mädchen auf dem Rücken schliesslich in die Luft erhebt. Die beiden steigen höher und höher, sie schauen sich die Stadt von oben an und fliegen bis zur Arktis. Dort wandern sie über das Eis, überqueren einen Hügel – und befinden sich plötzlich inmitten eines riesigen Eisbärenfests! Danach fliegen sie wieder heim. War das alles nur ein Traum? Man weiss es nicht – doch am nächsten Tag findet das Mädchen unter dem Eisbär einen Zettel mit der Bitte: ‹Bring ein Velo!› Nicole Stäuble, 42, ist Buchhändlerin bei Orell Füssli in Frauenfeld; sie hat einen fünfjährigen Sohn. Schon in der Lehre zur Buchhändlerin seien Kinder- und Jugendbücher für sie das Grösste gewesen, denn «dieser Bereich ist so vielseitig – und fast so etwas wie eine Buchhandlung in der Buchhandlung!» Dieses Buch ist mir sofort ans Herz gewachsen. Die Bilder sind so schön – vor allem der Sternenhimmel! Ich weiss, es gibt solche funkelnden Himmel wie auf diesen tollen Illustrationen, und das Buch hat mich an meinen Wunsch erinnert, einmal in die Wüste zu reisen und dort den Sternenhimmel zu bewundern. Traumhaft herzig ist auch ‹Das karierte Hutgespenst› von Andreas Schomburg – ein wahres Jöh-Buch! Anna wird sieben Jahre alt, was natürlich gross gefeiert wird. Sie bekommt das Geschenk, das sie sich mehr als alles andere wünschte: eine Taschenlampe. Am Abend sagt ihr das Mami, Anna solle aufpassen, was sie träume, denn die Träume am siebten Geburtstag seien immer etwas ganz Besonderes. Mitten in der Nacht wacht Anna auf und hört ein Schluchzen. Sie schaut unters Bett – und was dort liegt und sie erst für die karierte Bluse ihrer Tante Lotti hält, ist ein kleines Gespenst. Es ist ganz verzweifelt, weil es sich vor der Dunkelheit fürchtet. Anna kann das Gespenst hervor- Lesen 1/2016 – buch.ch, books.ch, thalia.ch Auch wenn hier ein kleines Gespenst im Zentrum steht, hat diese Geschichte mit dem ‹Kleinen Gespenst› von Otfried Preussler nichts zu tun. Sie ist aber genauso empfehlenswert, denn sie ist sehr lieb und fein geschrieben. Und auch die Bilder gefallen mir ausgezeichnet. Dieses Buch eignet sich vor allem zum Selbstlesen – als idealer Einstieg in die Welt der Buchstaben, der Träume und der karierten Gespenster! In meiner letzten Empfehlung geht es um die übertragene Bedeutung von Traum: Ein Bub möchte sich seinen Traum erfüllen. ‹Keiner hält Don Carlo auf› von Oliver Scherz erzählt die Geschichte vom elfjährigen Carlo. Er macht sich in Krawatte und Anzug – und in einem Fussballershirt – auf zum Bahnhof seines Wohnorts Bochum, weil er seinen Vater in Palermo besuchen will. Die Eltern haben sich nämlich kürzlich getrennt, und Carlo vermisst seinen Vater, der jetzt auf Sizilien wohnt. Allerdings bekommt der Bub kein Zugsbillett. Erst sitzt er verzweifelt auf einer Bank, dann fällt ihm ein, was sein Vater immer sagt: Willst du etwas tun, dann tu es! Carlo steigt darum ohne Billett in den Zug. Und damit beginnt eine aufregende, witzige, rührende und mitreissende Abenteuergeschichte, die einen an ein Roadmovie erinnert. Immer wieder weiss Carlo nicht weiter, aber immer wieder öffnet sich diesem sympathischen Bub eine Tür – oder er findet selber eine Möglichkeit, seinen Weg fortzusetzen. Die Geschichte wird sehr bildhaft erzählt, und man fiebert Seite um Seite mit Carlo mit. Ich las sie in einem Zug durch, und viele Sätze hingen mir noch lange nach. Schön, wie sich Carlo seinen Traum erfüllen konnte. Aber natürlich hoffe ich, dass mein Sohn mit elf Jahren nie so etwas macht wie eine Reise quer durch Europa – ganz allein!» © Lindsay Ward/Knesebeck Verlag Einfach traumhaft locken und beruhigen. Dann kommt ihr die rettende Idee: Sie schenkt ihm ihre Taschenlampe, damit es sich nicht mehr so fürchten muss. Von dieser Nacht an sind die beiden die allerbesten Freunde. Dabei behaupten Gespenster immer, man könne mit Menschen nicht befreundet sein. Der fiese Cousin, der Anna besucht und in ihrem Zimmer schläft, zeigt auch schon bald, warum es Gespenster mit den Menschen manchmal schwer haben. Und die Menschen untereinander. Aber man weiss natürlich nicht, ob sich diese ganze Geschichte wirklich ereignet oder ob Anna alles nur träumt. Denn begegnen tut sie dem Gespenst immer nur, wenn sie mitten in der Nacht erwacht. Traumhaft schön: Ein Mädchen reist mit einem KarussellEisbären zum grossen Fest im Eis. Ab 14 Jahren Isabel Abedi Die längste Nacht 408 Seiten • 14,8 x 21 cm Gebunden, mit gestanztem Schutzumschlag und UV-Lack 978-3-401-06189-4 Auch als E-Book erhältlich Es sind nur ein paar Sätze in einem Traumreise mit Eisbär Lindsay Ward ab 4 Jahren 32 Seiten, CHF 17.90 Knesebeck noch unveröffentlichten Manuskript, das Vita im Arbeitszimmer ihres Vaters findet. Wenig später bricht sie mit ihren Freunden zu einer Fahrt quer durch Europa auf und stößt in Italien durch Zufall auf Das karierte Hutgespenst Andreas Schomburg ab 6 Jahren 96 Seiten, CHF 16.90 eBook CHF 11.90 Sauerländer den Schauplatz des Manuskripts: Viagello, ein malerisches kleines Dorf. Der Ort strahlt für Vita eine merkwürdige Anziehungskraft aus, die noch stärker wird, als ihr der Seiltänzer Luca buchstäblich vor die Füße Keiner hält Don Carlo auf Oliver Scherz ab 8 Jahren 112 Seiten, CHF 14.90 eBook CHF 10.00 Thienemann fällt. Noch ahnt sie nicht, dass er sie auf eine Reise tief in ihre Erinnerungen führen wird, an deren Ende etwas steht, was einst in Viagello geschah ‒ in jener längsten Nacht ... Lesen 1/2016 – buch.ch, books.ch, thalia.ch www.arena-verlag.de 42 43 Kochbücher Koc h b ü c h er Alles über Eines Viele Neuerscheinungen widmen sich nur einer Speise. Das könnte etwas öde erscheinen – ist es aber überhaupt nicht, denn auch mit einem einfachen Produkt lässt sich mit den richtigen Ideen richtig viel machen. Larousse – Das Buch vom Brot Eric Kayser 320 Seiten, CHF 42.90 Phaidon / Edel Text: Markus Ganz Lange wurde das Brot wenig geschätzt und als simpler Magenstopfer betrachtet. In den letzten zwei Jahrzehnten hat dieses Grundnahrungsmittel jedoch einen wahren Boom erlebt und grössere Wertschätzung erfahren. Das manifestiert sich auch in einer neuen Vielfalt und dem Wunsch des Selberbackens. Wer schon selbst versucht hat, sein eigenes Brot zu kreieren, kennt aber die Tücken, obwohl die Grundzutaten ja lediglich Mehl, Wasser, Hefe und Salz sind. «Larousse – Das Buch vom Brot» wird jedem Amateurbäcker eine grosse Hilfe sein, stammt es doch vom französischen Meisterbäcker Éric Kayser. Dieser hat vor gut 20 Jahren das traditionelle Backen mit Vorteig perfektioniert und betreibt unter dem Namen «Maison Kayser» mittlerweile weltweit über 80 Bäckereien. Pumpernickel – selbst gemacht! In seinem Buch erläutert Éric Kayser zunächst die Grundlagen von den Zutaten über das Backwerkzeug bis zum Kneten, aber auch die Bedeutung der Fermentation und des Vorteigs. Mit Step-by-Step-Fotoserien illustriert er, wie man Teige formt, einschneidet und bäckt. Diese detaillierte Bebilderung unterstützt teilweise auch die Zubereitung der über 80 Rezepte im Hauptteil des Buchs. Sie reichen von Ficelle und Pumpernickel über Croissants und Brioche bis zu speziellen Gebäcken wie der Fougasse und dem Wiener Schokoladenbrot. Éric Kayser zeigt zudem, wie man glutenfreie Brote herstellen und mit Zutaten wie Gorgonzola, Pistazien, grünem Tee, Orangen oder Honig Spezialitäten kreieren kann. Ganz schön anspruchsvoll! Hier bäckt der Champion Éric Kayser. Lesen 1/2016 – buch.ch, books.ch, thalia.ch In den letzten Jahren haben die Macarons in der Schweiz eine kleine Hysterie ausgelöst. In manchem Familienkreis kam es zu hitzigen Streitgesprächen, woher dieses Baiser-Gebäck stamme und welche Produkte die besten seien: die altbekannten Luxemburgerli aus Zürich, die neu geschaffenen Macarons anderer Schweizer Konditoreien oder eben doch die importierten aus Frankreich. Vielleicht überlässt man das Wort besser Pierre Hermé, laut Vogue der «Picasso der Patisserie»; er lockt die Gourmets aus aller Welt in seine Geschäfte. In dem mit Charles Znaty geschriebenen Vorwort seines Buchs «Macarons » erzählt Hermé «meine wahre Geschichte des Macarons», in dem auch Luxemburg und Sprüngli eine Rolle spielen. Das mit Macarons Pierre Hermé 264 Seiten, CHF 48.90 Knesebeck Zauberkuchen – 1 Teig = 3 Schichten Christelle Huet-Gomez 72 Seiten, CHF 15.90 eBook CHF 8.90 Jan Thorbecke atemberaubenden Fotos glänzende Buch ist eine einzige Herausforderung für ambitionierte Hobbykonditoren. Pierre Hermé präsentiert 60 seiner Rezepte von teilweise angepassten Traditionsprodukten aus seiner Lehrzeit über eigene Klassiker bis zu innovativen Neukreationen. Die Anleitungen sind äusserst detailliert, verlangen aber höchste Präzision; beispielsweise muss die Temperatur teilweise aufs Grad genau sein. Zauberhafte Süssigkeiten Wer sich solchen Herausforderung noch nicht gewachsen fühlt, versucht sich besser an einem Zauberkuchen. Dieser wirkt mit seinen drei Schichten mit jeweils eigener Textur und Geschmacksnote ebenfalls anspruchsvoll. Doch Christelle Huet-Gomez erklärt in ihrem Buch «Zauberkuchen», dass dahinter ein simpler Trick steht. Die Kombination von Trägerschicht (einem süssen, festen Pudding), Mittelschicht (einer aromatischen leichten Crème) und Decklage (luftigem Biskuit) kommt von allein zustande – denn der sehr flüssige, lediglich aus Eiern, Zucker, Mehl, Butter und Milch bestehende Teig teilt sich dank langsamer Backweise bei 150 Grad von selbst in die drei Lagen. Ausgehend von diesem Grundprinzip stellt Christelle HuetGomez in ihrem Buch verschiedene Variationen vor, bei denen meistens Früchte hinzukommen. Verkannte Knolle Tolle rote Knolle – Rande – Rote Beete Kristina Jansson und Natalie Russi 128 Seiten, CHF 23.90 FONA Ein oft unterschätztes Gemüse ist die Rande. Die Knolle ist farblich nicht zu übersehen und dient deshalb als Färbungsmittel etwa für Joghurt. Aber diese Verwendung ist eigentlich jammerschade, da sich das Gemüse durch fast schon exotisch wirkende erdig-süsse Aromen auszeichnet und sehr gesund ist. Kristina Jansson und Natalie Russi machen mit den 40 Rezepten ihres Buchs «Tolle rote Knolle» auch klar, dass sich die Rande nicht nur für Salate eignet. Das Spektrum reicht von Tarte Tatin aus Randen über Randenpesto und Randenburger bis zu – tatsächlich! – Macarons mit Randen-Zimtblüten-Geschmack. Da wächst endlich einmal zusammen, was auf den ersten Blick kaum zusammengehört. Lesen 1/2016 – buch.ch, books.ch, thalia.ch 44 45 Buchtipp s Das Liter atur- K r euz wortr ätsel Unser Rätsel lösen Sie leichter, wenn Sie die Beiträge in diesem Heft gelesen haben. Unter allen richtigen Eingaben verlosen wir zehn Gutscheinkarten von Orell Füssli Thalia im Wert von 20 bis 200 Franken. Tom Cooper Jenny Downham Das zerstörte Leben des Wes Trench Die Ungehörigkeit des Glücks Hurrikan Katrina nimmt Wes Trench alles. Er ist kaum erwachsen, und doch scheint es ihm, sein Leben sei schon vorbei. Wes hält es zu Hause nicht länger aus und heuert beim Shrimper Lindqvist an. Doch der alte Fischer ist noch übler dran: Was er fängt, reicht kaum zum Leben. Besessen von der Idee, in den Sümpfen der Küste einen Schatz zu finden, fährt Lindqvist immer wieder mit seinem Boot hinaus. Auch die durchgeknallten ToupBrüder, deren Grasplantagen er zu nahe kommt, können ihn nicht davon abhalten. Wes fasst allmählich neuen Mut, als ihn ein weiterer Schicksalsschlag zu einer Entscheidung zwingt. 384 Seiten, CHF 31.90 eBook CHF 20.00 Ullstein ISBN 978-3-550-08096-8 Bettina Spoerri Herzvirus Eine Heranwachsende erlebt, wie sich ihre seelisch kranke Mutter immer weiter von der realen Welt entfernt. Die Mutter lebt mit ihren Fantasien an den Rändern der Wirklichkeit, tut vieles auf ihre eigene Weise, missachtet Konventionen, lebt in Büchern, Musik und Filmen – sprengt aber auch aufgrund zwanghafter Gedanken Briefkästen oder meint, andere Menschen zu vergiften. Bis sie den Punkt erreicht, an dem es kein Zurück mehr gibt. «Herzvirus» ist die Geschichte der Autorin, die mit über dreissig Jahren Abstand nochmals einen Annäherungsversuch an diese prägende Kindheitserfahrung und ihre damals entschwundene Mutter wagt. Ein Anruf kündigt an, dass Ka ties Grossmutter Mary bei ihr zu Hause einziehen wird – und das Leben der 17-Jährigen nimmt eine dramatische Wendung. Ihre Mutter Caroline hat dem Ganzen widerwillig zugestimmt, obwohl sie seit vielen Jahren keinen Kontakt zu Mary hatte und nicht gut auf sie zu sprechen ist. Katie muss mit der ihr fremden Grossmutter das Zimmer teilen. Und sie fängt an, sich für Marys Geschichte zu interessieren. Katie will dem Familiengeheimnis auf die Spur kommen. Das ist zwar nicht einfach, weil Mary an Alzheimer leidet. Doch Katie erkennt verblüffende Ähnlichkeiten zwischen sich und der Grossmutter: Beide haben eine ungehörige Vorstellung vom Glück. 480 Seiten, CHF 28.90 eBook CHF 18.90 Bertelsmann ISBN 978-3-570-10292-3 288 Seiten, CHF 31.90 Braumüller ISBN 978-3-99200-154-5 Jan Weiler Im Reich der Pubertiere Die Pubertiere sind wieder los! Inzwischen hat es der PubertierForscher nicht mehr nur mit einem weiblichen, sondern auch mit einem männlichen Exemplar der Gattung zu tun. Zu einigen Erkenntnissen ist er bereits gekommen: Pubertiere bewohnen am liebsten schlecht belüftete Räume, in denen sich Müllberge türmen. Die Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Vertretern dieser Art erscheinen signifikant: Das weibliche Pubertier fällt durch masslosen Konsum, unverständliches Geplapper und multiples Dauermeckern auf; das Männchen verbringt seine Lebenszeit im Wesentlichen mit Schweigen, Müffeln und Zocken. 176 Seiten, CHF 17.90 eBook CHF 11.00 Kindler ISBN 978-3-463-40661-9 ✁ Lösungswort: 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 Vorname / Name Adresse Bitte geben Sie diesen Talon bis zum 1. April 2016 bei Orell Füssli, Thalia, Stauffacher, ZAP, Meissner oder bei Rösslitor Bücher ab. Sie können das Lösungswort auch per E-Mail senden an: [email protected]. Lesen 1/2016 – buch.ch, books.ch, thalia.ch Über den Wettbewerb wird keine Korrespondenz geführt. Mit der Angabe Ihrer E-Mail-Adresse akzeptieren Sie die Teilnahmebedingungen. Die Orell Füssli Thalia AG ist berechtigt, die angegebenen Daten zu speichern – und sie für den Versand des kostenlosen Newsletters von buch.ch, thalia.ch und books.ch sowie zu Markt- oder Meinungsforschungszwecken zu nutzen. PLZ / Ort E-Mail 46 47 dvd Gek auf t! Wir fragten Kundinnen und Kunden an der Kasse der Filiale von Orell Füssli am Flughafen Zürich: Was haben Sie gerade gekauft – und warum? Action Science Fiction Sicario Der Marsianer – Rettet Mark Watney FBI-Agentin Kate wird zu einer gefährlichen Mission abgestellt: Ein mexikanisches Drogenkartell soll nervös gemacht werden. Über die wahren Direktiven wird Kate allerdings im Unklaren gelassen. Als die Agenten die Schmuggelroute von Mexiko in die USA entdecken, beginnt die heisse Phase des Einsatzes. 121 Minuten, CHF 16.90 Drama Everest Der Mount Everest – für die Teilnehmer zweier Expeditionen ist er die Herausforderung ihres Lebens. Als die beiden Gruppen die Gipfelerstürmung in Angriff nehmen, wird diese nach einem überraschenden Wetterumbruch trotz bester Vorbereitung zum Kampf ums Überleben. Während ein gewaltiger Sandsturm die Notevakuierung der NASA-Basisstation auf dem Mars erfordert, wird der Botaniker Mark Watney fortgerissen. Watney hat überlebt und versucht nun – vollkommen auf sich allein gestellt – auf dem unwirtlichen Planeten zu überleben. 135 Minuten, CHF 22.90 116 Minuten, CHF 22.90 Schweizer Film Dawn – Morgengrauen Palästina, 1947. Die Zionisten kämpfen für die Errichtung eines jüdischen Staats. Ein Mitglied des bewaffneten jüdischen Untergrunds wurde von den britischen Behörden zu Tode verurteilt. Im Gegenzug kidnappen die Widerständler einen britischen Offizier. Jetzt warten sie eine Nacht lang auf den Ausgang der Verhandlungen. Mathias Zimmermann, 73, Winterthur: Monika Bleiker, 49, Hettlingen: «Ich habe das Buch selber bereits gelesen. Und jetzt habe ich ein Exemplar zum Verschenken gekauft. Die Vergleiche, welche die Autorin zwischen den USA und Nigeria zieht, sind wahnsinnig interessant!» «Ich mag Geschichten mit historischem Hintergrund und Krimis – aber meistens lasse ich mich einfach auf interessante Klappentexte ein. So wie heute, wo ich Lesestoff für die Ferien brauchte.» Das Buch der Fälscher Charlie Lovett 405 Seiten, CHF 14.90 eBook CHF 12.00 Insel Americanah Chimamanda Ngozi Adichie 608 Seiten, CHF 14.90 eBook CHF 11.00 Fischer Taschenbuch 91 Minuten, CHF 22.90 Drama Komödie Taxi Teheran Ein Taxi fährt durch die farbenfrohen Strassen der pulsierenden Stadt Teheran. Die unterschiedlichsten Menschen steigen zu. Der Fahrer spricht mit den Passagieren, die offen und unverblümt sagen, was sie denken. Am Steuer des Taxis sitzt niemand Geringeres als der Regisseur Jafar Panahi selbst! 72 Minuten, CHF 12.90 Fack Ju Göhte 2 TV-Serie Club der roten Bänder – Staffel 1 Zwischen Leben und Tod, Rollstuhl-Rennen und Operationen, warmherzigen Besuchen und kühler Medizin entsteht unter sechs jungen Patienten eine tiefe Verbundenheit. Die ungleichen Kranken legen sich als Erkennungszeichen rote OPArmbänder an und gründen den «Club der roten Bänder». Alle lieben Haudrauf-Lehrer Zeki Müller, aber den nervt sein neuer Job an der Goethe-Gesamtschule: frühes Aufstehen, aufmüpfige Schüler und dieses ständige Korrigieren! Zu allem Überfluss werden Müller und Schnabelstedt zur Klassenfahrt in ein thailändisches KüstenKaff verdonnert! 111 Minuten, CHF 19.90 Erscheint am 25. Februar 450 Minuten, CHF 26.90 Lesen 1/2016 – buch.ch, books.ch, thalia.ch Karl Zopfi, 48, Bauma: Alles steht Kopf Im Hauptquartier, dem Kontrollzentrum im Kopf der elfjährigen Riley, leisten fünf Emotionen Schwerstarbeit: FREUDE, ANGST, WUT, EKEL und KUMMER. Als Rileys Familie eines Tags vom Land in eine fremde grosse Stadt zieht, sind alle Emotionen gleichermassen gefragt! Andrea Meier, 19, Wiesendangen: «Ich werden den Comic verschenken – irgendjemandem in der Familie, aber wem, weiss ich noch nicht so genau. Ich habe alle Asterix-Bände gelesen, und die neuen zwei gefallen mir nach einem kleinen Tief wieder richtig gut.» «Ich habe kein Buch, sondern eine Karte gekauft. Ich mache in der Region nämlich bald eine einwöchige Skitour. Und da möchte ich mich vorab natürlich informieren.» KuF Outdoorkarte 02: Meran und Umgebung Kümmerly und Frey CHF 17.90 Asterix 36: Der Papyrus des Cäsar Jean-Yves Ferri und Didier Conrad 48 Seiten, CHF 17.90 Egmont Comic Collection 95 Minuten, CHF 19.90 Lesen 1/2016 – buch.ch, books.ch, thalia.ch Astrid Looser, 48, Winterthur: «Das Buch ist natürlich nicht für mich! Vielmehr ist es ein Wichtelgeschenk für meinen Sohn, denn in seiner Schule wird bald gewichtelt.» Beast Quest 40: Madara, die Höllenkatze Adam Blade 128 Seiten, CHF 14.90 Loewe 19.30 Uhr 18. Thalia Schaffhausen «Im goldenen Käfig – meine Befreiung von tödlichen Intrigen und Traditionen» Lesung und Gespräch mit Aicha Laoula und Gabriel Palacios 18. Orell Füssli am Bellevue, Zürich 20.30 Uhr «Frederick» Buchvernissage mit Perikles Monioudis, Moderation: Dana Grigorcea 20.Thalia Basel 14 –16 Uhr Graphologische Kurzberatungen mit Iris Meier, dipl. Graphologin 24.Stauffacher Bern 49 Ver anstaltungen v er a n s talt u n g en 7.Thalia Bern 17.30 –19 Uhr «Rest in Peace – über würdevolles Sterben» Berner Wissenschaftscafé; öffentlicher Vortrag und Diskussion 7. 9.Thalia Basel 19.30 Uhr 25.Kellerbühne St. Gallen 20 Uhr «U no einisch» Buchvernissage mit Lesung von Beat Sterchi und Musik von Adi Blum 14.Thalia Thun 17.15 –18.45 Uhr «Rest in Peace – über würdevolles Sterben» Thuner Wissenschaftscafé; öffentlicher Vortrag und Diskussion 15. THALIA BASEL 19.30 Uhr «Im falschen Paradies – Wie mein Leben zwischen den Kulturen zum Albtraum wurde» Buchvernissage mit Yosef Simsek 2. Thalia Basel Lesen 1/2016 – buch.ch, books.ch, thalia.ch 20 Uhr «Da hast du den Salat – Geschichten zur Sprache und Kultur der Küche» Lesung von Christian Schmid 14.Stauffacher Bern 20.30 Uhr Wirz Thalia Aarau 20 Uhr «Ich glaubte immer an die Kraft in mir» Buchvorstellung mit Bianca Sissing 20 Uhr «Unter Vormundschaft – Das gestohlene Leben der Lina Zingg» Lesung mit Lisbeth Herger 27.Thalia Basel 19.30 Uhr «Ich glaubte immer an die Kraft in mir» Buchvorstellung mit Bianca Sissing 17.15 –18.45 Uhr 9.Thalia Thun «Was hält die Thunerinnen und Thuner zusammen?» Thuner Wissenschaftscafé; öffentlicher Vortrag und Diskussion 9.Stauffacher Bern 20 Uhr «Ach du je» / «Simeliberg» Lesung mit Nora Gomringer und Michael Fehr, Musik von Schlagzeuger Philipp Scholz und Gitarrist Manuel Toller «Album #2» Konzert von Bubi Eifach 14.Thalia Basel 18.Stauffacher Bern 15 –16 Uhr L’heure qui conte Si tu aimes les histoires, viens en découvrir de nouvelles; pour enfants de 3 à 6 ans 21.Thalia Basel 14 –16 Uhr Graphologische Kurzberatungen mit Iris Meier, dipl. Graphologin 15 –16 Uhr Kinderkiste Erzähl- und Bastelstunde mit Liliana Trautmann für Kinder von 3 bis 6 Jahren 20 Uhr «Da hast du den Salat – Geschichten zur Sprache und Kultur der Küche» Lesung mit Christian Schmid Der Kredit 16.Thalia Basel 14 –16 Uhr Graphologische Kurzberatungen mit Iris Meier, dipl. Graphologin Eine ruinöse Komödie von Jordi Galceran Regie: Sophia Bodamer Patrick Frey Philippe Graber 9. JUNI – 2. JULI 2016 www.casinotheater.ch Books 1/2016 – www.orellfuessli.ch 14 –16 Uhr Handanalyse mit Barbara Vassalli 20 Uhr «Da hast du den Salat – Geschichten zur Sprache und Kultur der Küche» Buchvernissage mit Lesung von Christian Schmid und Musik von Christoph Greuter 11.Rösslitor St. Gallen Handanalyse mit Barbara Vassalli 11.Thalia Thun 6.Thalia Bern 19.Thalia Basel 19.30 Uhr «Kleiner Mord zwischendurch» Unterhaltsamer Krimi-Abend mit schwarzhumorigen Short Stories; Lesung mit Mitra Devi 26. Rösslitor St. Gallen 14 –16 Uhr 17.30 –19 Uhr «Was hält die Bernerinnen und Berner zusammen?» Berner Wissenschaftscafé; öffentlicher Vortrag und Diskussion 5. Stauffacher Bern 22.Orell Füssli Winterthur Lesung mit Charles Lewinsky, veranstaltet von der Kellerbühne in Zusammenarbeit mit der Buchhandlung Rösslitor 4.Thalia Bern 6.Stauffacher Bern 14 –16 Uhr Graphologische Kurzberatungen mit Iris Meier, dipl. Graphologin 20 Uhr «Der Gondoliere der Berge» Lesung mit Pedro Lenz, veranstaltet von der Kellerbühne in Zusammenarbeit mit der Buchhandlung Rösslitor 15 –16 Uhr Kinderkiste Erzähl- und Bastelstunde mit Liliana Trautmann für Kinder von 3 bis 6 Jahren «Andersen» Handanalyse mit Barbara Vassalli 16.Stauffacher Bern 15 –16 Uhr L’heure qui conte Si tu aimes les histoires, viens en découvrir de nouvelles; pour enfants de 3 à 6 ans Rösslitor St. Gallen 20 Uhr «Grössenwahn – Ursachen und Folgen der Selbstüberschätzung» Buchvernissage mit Theodor Itten 11.Kellerbühne St. Gallen 4.Stauffacher Bern April 2.Stauffacher Bern 14 –16 Uhr 3. 17 – 20 Uhr Astrologische Kurzberatungen mit Irène Krapf von Blücher 9.Stauffacher Bern 17.30 –19 Uhr «Berufswechsel: Neue Ausrichtung, neue Chancen?» Berner Wissenschaftscafé; öffentlicher Vortrag und Diskussion 3. «Weit über das Land» 31.Stauffacher Bern Lesung mit Arno Camenisch 5.Thalia Basel 2.Thalia Bern 20 Uhr 20 Uhr «Herz und Psyche» Psychiatrie im Gespräch; öffentlicher Vortrag und Diskussion mit Urs P. Mosimann in Kooperation mit der Psychiatrischen Klinik Wyss «Die Kur» 10 –11 Uhr Children’s Hour The first Saturday of every month with Sybil Gluck or Joe Quinn in the English Bookshop Mai 20.30 UHR ZÜRICH «SichtUnsichtbar» Buchvernissage mit Gabriela Kasperski 30. Stauffacher Bern 20.15 Uhr 15 –16 Uhr Kinderkiste Erzähl- und Bastelstunde mit Liliana Trautmann für Kinder von 3 bis 6 Jahren 20.ORELL FÜSSLI AM BELLEVUE, 17 – 20 Uhr Astrologische Kurzberatungen mit Irène Krapf von Blücher Lesung mit Peter Stamm 17 – 20 Uhr Astrologische Kurzberatungen mit Irène Krapf von Blücher März 28. Stauffacher Bern «Nacht der Frau» 25.Stauffacher Bern Thriller-Lesung mit Ursula Poznanski für Fans ab 14 Jahren 20.Stauffacher Bern 15 – 16 Uhr L’heure qui conte Si tu aimes les histoires, viens en découvrir de nouvelles; pour enfants de 3 à 6 ans 8. Verschiedene Filialen 20 Uhr «Layers» 20 Uhr Rösslitor St. Gallen 20 Uhr Sport-Talk mit Tom Lüthi und Domi Aegerter Anschliessend Autogrammstunde «Drachengift» Fantasy-Lesung mit Markus Heitz 26.Thalia Bern 23.Stauffacher Bern Foto: Patrick Frey © Christian Lanz 2015 Februar 48 50 Der lesen - Fr agebogen Unser Fragebogen über Bücher, Lesen und Schreiben geht an Autorinnen und Autoren aus der Schweiz, die kürzlich ein neues Buch veröffentlicht haben. Heute füllt ihn Christine Brand aus. Christine Brand, 42, wuchs im Emmental auf und lebt heute in Zürich, wo sie als Redaktorin bei der NZZ am Sonntag arbeitet. Zuvor war sie Reporterin beim Schweizer Fernsehen und bei der Zeitung Der Bund, für die sie auch Gerichtsreportagen verfasste. 2008 erschien ihr Buch «Schattentaten» mit 20 authentischen Kriminalfällen. Es folgten die Kriminalromane «Todesstrich», «Das Geheimnis der Söhne», «Kalte Seelen» und «Stiller Hass». Im März 2016 erscheint ihr neues Buch: eine Sammlung von 30 neu erzählten Geschichten über den Mond, die auf alten Sagen und Märchen aus aller Welt beruhen. Welches ist in Ihrer Erinnerung das erste Buch, das Sie lasen? «Geheimnis um eine Efeuvilla» von Enid Blyton – allerdings habe ich keine Ahnung mehr, welches Rätsel sich um die Efeuvilla rankt. Ich liebte als Kind Geheimnisse und Detektivgeschichten. Das erste Buch, in das ich so tief eintauchte, dass die Fantasiewelt realer wurde als die Realität, war «Die unendliche Geschichte» von Michael Ende. Welches Buch haben Sie am häufigsten gelesen? Ich gebe es ungerne zu – aber ich lese kaum je ein Buch zweimal. Es gibt einfach zu viele Bücher, die gelesen werden wollen. Lese ich ein Buch ein zweites Mal, dann aus beruflichem Interesse: weil mich der Aufbau interessiert, weil ich nachlesen will, wie der Autor gearbeitet hat, welche Perspektive er wählte, welche Tricks und Techniken er anwandte. Lesen ist die beste Schulung fürs Schreiben. Welches Buch hätten Sie gern selber geschrieben – und warum? «Die neuen Bekenntnisse» von William Boyd. Weil er die Geschichte eines ganzen, unglaublich abenteuerlichen Lebens erzählt, eingebettet in wahre historische Begebenheiten, geschickt verbunden mit den «Bekenntnissen» von Jean-Jacques Rousseau. Und weil Boyd Bücher so schreibt, dass man überzeugt ist, seine Protagonisten hätten wirklich existiert – und man dann überrascht und auch ein bisschen enttäuscht ist, wenn man feststellt, dass sie einzig seiner Fantasie entsprungen sind. Mit welchem Autor würden Sie gern einen Abend verbringen? Eine sehr, sehr schwierige Frage. Es gibt drei Topfavoriten; Haruki Murakami, T. C. Boyle und Stephen King. Ich denke, das wäre der spannendste, überraschendste und abwechslungsreichste Abend. Man kann über Kings Bücher denken, was man will, doch sein Buch über sein Schreiben hat mich sehr inspiriert. Mond – Geschichten aus aller Welt 224 Seiten, CHF 23.90 Unionsverlag Diese drei Bücher muss man gelesen haben: Müssen muss man gar nichts. Empfehlen würde ich «1Q84» von Haruki Murakami, «Stiller» von Max Frisch, «Mitternachtskinder» von Salman Rushdie. Und «Wassermusik», von T. C. Boyle. Ich weiss, das sind vier; ich bin manchmal entscheidungsunwillig. Sammeln Sie ausgelesene Bücher oder geben Sie diese weiter? Bücher, die mir am Herzen liegen, kann ich nicht weggeben. Lesen Sie noch Klassiker? Wenn ja: Welche? Jetzt gerade: Hemingway. Lesen Sie Lyrik? Ganz selten. Aber ich liebe Erich Fried. Wären Sie nicht Schriftstellerin geworden, wären Sie heute ... Ich bin ja nicht ausschliesslich Schriftstellerin, sondern immer noch hauptsächlich Journalistin. Läge mir das Schreiben gar nicht, wäre ich gern Staatsanwältin, Richterin oder Detektivin geworden. Oder forensische Psychiaterin. Im Leben hat es einfach zu wenig Platz für all das Denkbare. MEHR WISSEN FÜR WENIGER GELD Bestelle jetzt deine Student Card in deiner Filiale oder online Was ist schön am Beruf der Schriftstellerin? Dass man ihn überall auf der Welt ausüben kann – und dass man eine zusätzlich Welt erschaffen kann, die aus nichts anderem entsteht als aus den eigenen Gedanken. Wenn Sie schreiben: Können Sie abschalten – oder verfolgt Sie Ihr Projekt rund um die Uhr? Wenn ich wegfahre und mit einem neuen Buch beginne, tauche ich sehr tief ins Buch ein und schalte eigentlich kaum mehr ab – dies aber bewusst, weil ich in der neuen Welt leben will, die ich gerade erfinde. Dabei passiert es manchmal, dass ich die reale und die fiktive Welt etwas durcheinanderbringe. Wer liest Ihre Texte zuerst – und warum? Ein guter Freund. Weil er wahnsinnig kritisch und ehrlich ist. Wie belohnen Sie sich, wenn Sie ein Werk abgeschlossen haben? Eigentlich gar nicht. Ich belohne mich während des Schreibens, indem ich an einen schönen Ort fahre, um zu arbeiten. Schämen Sie sich für einen Ihrer veröffentlichten Texte? Meine erste publizierte Kurzgeschichte ist sicher kein Lichtblick. Aber ich schäme mich generell selten. Erleichtert oder erschwert ein geglücktes Werk Ihre nächste Arbeit? Weder noch. Ich habe das Ziel, von Buch zu Buch besser zu werden. Und ich finde, bis jetzt habe ich es immer erreicht. Es gibt Autoren, die ihr erstes Werk das Beste finden. Ich gehöre zum Glück nicht dazu. Das fände ich traurig. Lesen 1/2016 – buch.ch, books.ch, thalia.ch Ein Studentenleben lang 10% Rabatt auf das gesamte Buch- und Hörbuchsortiment 20% Sonderrabatt vor Semesterbeginn Gültig in allen Buchhandlungen von Orell Füssli, Thalia, ZAP, Rösslitor, Stauffacher sowie online auf www.books.ch, www.buch.ch und www.thalia.ch Kapazitiver HD-Touchscreen mit 16 Graustufen und gestochen scharfer Schrift Intelligentes Design federleicht und besonders handlich Bis zu 7 Wochen Akkulaufzeit
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