MYKOTOXINE 2008 | Spezial Mais 5 Zünslerbekämpfung und Sortenwahl entscheidend Mais ist oft stärker mit Pilzgiften, den so genannten Mykotoxinen belastet als Weizen. Als Hauptmassnahmen können der Maiszünsler als wichtige Ursache bekämpft und frühe Sorten gewählt werden. In der Forschung sind aber noch viele entscheidende Fragen offen. «P Bild: Hans-Rudolf Forrer, ART roben von Körnermais sind deutlich öfter mit Mykotoxinen kontaminiert als Weizen.» Andreas Gutzwiller von der Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux (ALP) spricht Klartext. Wer sich heute über Fusarienpilze und ihre Schadstoffe, die Mykotoxine, unterhält, darf nicht mehr nur ans Getreide denken. Mais ist von dem Problem nicht minder betroffen – die Situation ist nur weniger gut erforscht. Auf Maispflanzen finden sich bis zu 16 verschiedene Fusariumarten, die unterschiedliche Mykotoxine produzieren. Vom äusserlichen Befall lässt sich kaum auf den Mykotoxingehalt schliessen. Pilzbefall und Toxingehalt sind oft widersprüchlich «Wir erhielten Proben eingeschickt, deren Gehalte weit über den für Schweine kritischen Wert an Mykotoxinen lagen», blickt Andreas Gutzwiller auf das Erntejahr 2006 zurück und zeigt die beunruhigende Situation auf. Die jährlichen Mykotoxinuntersuchungen von ALP aus verschiedenen Getreidesammelstellen zeigten 2007 zwar nur bei einem Mykotoxin, dem Deoxynivalenol (DON), erhöhte Werte. Rund die Hälfte aller Proben allerdings übertraf den Richtwert von 1 mg/ kg TS für Schweine. Die anderen im Mais untersuchten Mykotoxine, das Zearalenon (ZEA) und die Fumonisine (FUM), boten 2007 keinen Grund zur Beunruhigung. Anders hingegen war es im Jahr 2006. Nach dem nassen August wurden von allen My- 6 MYKOTOXINE kotoxinen hohe Gehalte nachgewiesen. Tückisch daran ist, dass man dem Maiskorn äusserlich nicht ansieht, ob sich darin giftige Pilzstoffe verbergen. Geschrumpfte, von einem weissrötlichen Pilzbelag überzogene Körner sind aber oft nicht zwingend stark verseucht, umgekehrt können aber Körner, die äusserlich kaum beeinträchtigt scheinen, viele Toxine beinhalten und damit stark geschädigt sein. Da stellt sich die Frage, ob der Pilz nicht immer gleich viel Toxine produziert? Die Forschung steht aber noch vor ei- Grenzwert für DON bei Rohgetreide Das Bundesamt für Gesundheit plant, analog zur EU einen rechtlich verbindlichen Grenzwert für Rohgetreide von 1,25 mg DON/kg einzuführen. Eine Getreidecharge mit mehr als 1,25 mg/kg DON wäre damit nicht übernahmefähig. Die Einführung ist bereits für das Frühjahr 08 geplant. Spezial Mais | 2008 nem weiteren Problem: «Während beim Weizen in der Regel drei bis vier Fusarienarten beteiligt sind, konnten wir bei Proben von Maissortenversuchen und der Praxis bis zu 16 verschiedene Fusarienarten nachweisen», erklärt Susanne Vogelgsang von Agroscope Reckenholz-Tänikon (ART) in Zürich-Reckenholz. Viele davon produzieren sogar verschiedene Toxine nebeneinander, und die Diagnose der einzelnen Arten ist oft extrem aufwändig. Maiszünsler erhöht den Befall Probleme gibt es also viele, aber auch erste Lösungsansätze kann die Forschung bieten. Wie zu erwarten, spielt die Witterung eine der wichtigsten Rollen. Regen zum Zeitpunkt der weiblichen Blüte, also häufig Anfang August, fördert ganz klar einen Befall. Untersuchungen des französischen Forschungsinstituts Arvalis, Institut du végétal, konnten zeigen, dass in allen Jahren die Witterung der wichtigste Risikofaktor für Fusariumbefall darstellt. Auch Susanne Vogelgsang bestätigt die deutlichen Unterschiede von Jahr zu Jahr. Als ein weiterer, für ART und Arvalis der zweitwichtigste Befallsgrund können Schädlinge angesehen werden. Zeigten in einer französischen Untersuchung mehr als ein Drittel der Kolben Schädigungen durch den Maiszünsler, war der Gehalt an Fumonisinen auch gut doppelt so hoch, als wenn nur 10 Prozent der Kolben durch Maiszünslerlarven geschädigt waren. «Wenn Schädlingsbefall auftritt, ist das Risiko für Fusariumbefall und Kontaminationsprobleme stark erhöht», meint Susanne Vogelsang. Die Erklärung des Phänomens ist einfach: Der Pilz macht sich die Bohrlöcher als Eintrittspforten zunutze, gelangt in die Stängel oder die Kolben und produziert dort die Schadstoffe. Für den Produzenten führt die Maiszünslerbekämpfung nicht nur direkt zur Reduktion der Zünslerschäden, sondern indirekt auch zur Reduktion des Fusariumbefalls. Damit ist sie eine sehr wichtige Massnahme im Kampf gegen Mykotoxine im Maiserntegut. Es gilt, Maisstoppeln und Erntereste gut zu mulchen und einzuarbeiten. In Praxisversuchen der Agroscope ART mit Wei- IN KÜRZE ■ Mais ist oft stärker kontaminiert als Weizen. ■ Vom äusserlichen Befall lässt sich kaum auf die Gehalte an Mykotoxinen schliessen. ■ Die Pilze besiedeln die Pflanzen oft durch Zünslerschäden. Maiszünsler bekämpfen mit Trichogramma und durch mulchen und einarbeiten der Erntereste. ■ Frühreife Sorten wählen. ■ Möglichst zeitig ernten. ■ Mykotoxine werden im Silo nicht abgebaut. ■ Schweine reagieren am anfälligsten. zen nach Körnermais wurde mit Mulchen der Mykotoxingehalt beim Weizen im Durchschnitt immerhin um 40 Prozent reduziert. Insbesondere wer im Vorjahr im Körnermais mehr als 15 bis 20 Prozent und im Silomais mehr als 30 bis 40 Prozent befallene Pflanzen hatte, sollte zudem einen Trichogramma-Einsatz einplanen (bis Ende März bestellen). Natürlich sind nicht nur Bohrlöcher des Maiszünslers Eintrittspforten für die Pilze, sondern auch sonstige Verletzungen, sei es durch Maschinen oder auch durch Hagel. Neben solchen Verletzungen kann auch Trockenstress als wichtiger befallsfördernder Faktor an- MYKOTOXINE Frühe Sorten wählen! Je früher eine Maispflanze geerntet wird, umso eher können hohe Mykotoxingehalte im Erntegut vermieden werden. So hat der Pilz beispielsweise auch im Silomais weniger Zeit, sich weiter zu etablieren und giftige Stoffe auszuscheiden, als das in Körnermais der Fall ist. Die Mykotoxinproblematik ist denn auch bei Silomais generell geringer als im Körnermais. Zudem kommt Silomais in erster Linie bei den weit weniger empfindlichen Wiederkäuern zum Einsatz. «Im Gegensatz zu Schweinen wird beispiels- weise DON im Pansen entgiftet», erklärt Andreas Gutzwiller. «In der Schweineleber hingegen entsteht aus dem Mykotoxin ZEA ein noch weit giftigerer Stoff, was die Schweine derart anfällig auf ZEA-Schädigungen macht.» Eng gekoppelt mit dem Erntezeitpunkt ist die Sortenwahl. Es ist zu erwarten, dass frühreife Sorten bedingt durch ihr früheres Abreifen und die dadurch kürzere Entwicklungszeit des Pilzes weniger anfällig sind. Jedoch sind in der Schweiz bis heute keine verlässlichen Sorteneigenschaften vorhanden. Sowohl 2006 wie auch 2007 konnten jeweils statistisch gesicherte Unterschiede zwischen den Sorten festgestellt werden, dies muss aber relativiert werden. Seit 2006 arbeitet Stéphanie Schürch von Agroscope Changins-Wädenswil an der SortenResistenzprüfung. Entwicklung und Konsolidierung eines geeigneten Tests sind im Gange, aber es ist noch zu früh um genaue Aussgen über die Sorten zu machen. In den Bild: Kaspar Grünig Ohne Maiszünslerbefall In den Untersuchungen von Agroscope Reckenholz-Tänikon wurde im Labor der Kolbenbefall erhoben. schweizerischen Sortenlisten können die Angaben zu Stängelbruch nur als mögliche Hinweise auf die Anfälligkeit auf Stängelfäule genommen werden. Stängelbruch kann jedoch auch durch andere Schädigungen hervorgerufen werden und ist somit kein zuverlässiger Hinweis. Zudem kann daraus nicht abgeleitet wer- den, ob dieselben Sorten auch anfällig auf Körnerbefall sind. Sorten, die ihre Blattmasse lange grün halten, so genannte Stay-green-Sorten, könnten auch vermehrt befallen sein. Sortenangaben aus mehrjährigen Versuchen gibt es in Frankreich. Weit über 200 Sorten wurden auf ihre Anfälligkeit auf Fusarien klassiert. Da Mit Maiszünslerbefall Erntedatum Sortenanfälligkeit Erntereste Risikoklasse Erntedatum Sortenanfälligkeit Erntereste Risikoklasse < 15. Okt. andere Sorten wenig A < 15. Okt. andere Sorten wenig B < 15. Okt. andere Sorten viel A < 15. Okt. andere Sorten viel C < 15. Okt. anfälligste wenig B < 15. Okt. anfälligste wenig C < 15. Okt. anfälligste viel B < 15. Okt. anfälligste viel D 15.–31. Okt. andere Sorten wenig B 15.–31. Okt. andere Sorten wenig B 15.–31. Okt. andere Sorten viel B 15.–31. Okt. andere Sorten viel C 15.–31. Okt. anfälligste wenig C 15.–31. Okt. anfälligste wenig C 15.–31. Okt. anfälligste viel C 15.–31. Okt. anfälligste viel D 1.–15. Nov. andere Sorten wenig B 1.–15. Nov. andere Sorten wenig C 1.–15. Nov. andere Sorten viel B 1.–15. Nov. andere Sorten viel C 1.–15. Nov. anfälligste wenig C 1.–15. Nov. anfälligste wenig D 1.–15. Nov. anfälligste viel C 1.–15. Nov. anfälligste viel E > 15. Nov. andere Sorten wenig B > 15. Nov. andere Sorten wenig D > 15. Nov. andere Sorten viel C > 15. Nov. andere Sorten viel E > 15. Nov. anfälligste wenig C > 15. Nov. anfälligste wenig E > 15. Nov. anfälligste viel D > 15. Nov. anfälligste viel E Evaluation der Mykotoxinrisiken in Mais (links ohne, rechts mit Maiszünslerbefall): Ungefähre Anteile der Parzellen, welche die Limiten übertreffen: Klasse A: 0%, Klasse B: zirka 10%, Klasse C: zirka 20%, Klasse D: zirka 30%, Klasse E: zirka 40%. Limiten: DON: 1,75 mg/kg, ZEA: 0,2 mg/kg, FUM: 2 mg/kg. Quelle: Maïs et qualité sanitaire, Arvalis, Institut du végétal, 2007 gesehen werden. Die Problematik zeigte sich hierzulande vor allem im Jahr 2006, in dem die Monate Juni und Juli heiss und trocken waren, der August dann sehr nass und kühl. Die Kombination von Regen zur Blütezeit und vorangegangener Trockenstress dürften zu starkem Fusarienbefall und damit zu den hohen Mykotoxingehalten in Mais geführt haben. 7 Bild: ART 2008 | Spezial Mais 8 MYKOTOXINE Spezial Mais | 2008 vermeiden, heisst auch hier die Devise. Stress bedeutet in erster Linie eine Unterversorgung. Speziell in der zweiten Stickstoffgabe gilt es aber auch, nicht zu übertreiben. Denn eine späte, erhöhte zweite Stickstoffgabe führt zu verspäteter Abreife, womit sich die weitere Kontaminationsgefahr durch die spätere Ernte erhöht. Um die Landwirte zu animieren, früher zu ernten, griffen einige Abnehmer in Süddeutschland zu innovativen Massnahmen: Die Trocknungskosten wurden nur bis zu einem Feuchtegehalt von 30 Prozent verrechnet. Wer also früher als üblich noch recht feuchten Mais ablieferte, wurde nicht durch hohe Trocknungskosten gestraft. Via Beratung wurden die Landwirte angehalten, ihren Mais vor November zu ernten. Nebenbei wurde auch die Maiszünslerbekämpfung mit Fr. 18.–/ha unterstützt. Zudem wurden die Prozesse möglichst straff gehalten, so dass das Erntegut zügig getrocknet werden konnte. Die Zeit zwischen Ernte und Trocknung sollte nie länger als 40 Stunden betragen. Bei aber nur der Pilzbefall, nicht aber die Mykotoxingehalte der Sorten überprüft wurden, sind auch diese Resultate mit Vorsicht zu geniessen. Die Sortenranglisten finden sich im Internet (www.arvalisinstitut duvegetal.fr < infos techniques < dossiers < maïs et qualité sanitaire [Datum 25. Januar 2007]). Darauf finden sich auch einige Sorten, die sich auf der schweizerischen Sortenliste befinden. Trotzdem: im Moment erübrigt es sich noch, nach resistenten Sorten zu fragen. Bis jetzt sollten einfach für den jeweiligen Standort eher frühreife Sorten gewählt werden. Gifte werden im Silo nicht abgebaut Der Stickstoffdüngung des Maises kommt in der Mykotoxinbekämpfung ebenfalls eine, wenn auch untergeordnete Rolle zu. Möglichst Stress DON ZEA FUM Ferkel, Jungsauen 1 mg/kg 0,1 mg/kg 5 mg/kg Mastschweine, Zuchtsauen 1 mg/kg 0,3 mg/kg 5 mg/kg Kälber 2,3 mg/kg 0,55 mg/kg 23 mg/kg Milchkühe, Jungvieh 5,5 mg/kg 0,55 mg/kg 5,5 mg/kg Rindvieh, Mast 5,5 mg/kg – 5,5 mg/kg Legehühner, Mastpoulets 5,5 mg/kg – 23 mg/kg Maximalgehalte (Richtwerte) an Deoxynivalenol (DON), Zearaleon (ZEA) und Fumonisin (FUM) in der Ration. der Ernte sollte zudem der Drescher sorgfältig eingestellt werden, damit kein Bruchkorn entsteht. Verletzte Körner werden auch im Erntegut durch Lagerpilze befallen. Wird Mais sorgfältig siliert, überleben die Fusariumpilze nicht lange. «Ein bis zwei Tage können wohl auch im Silo noch Toxine gebildet werden, wegen des ‚Umweltstresses‘ der Pilze sogar noch mehr als sonst», meint Andreas Gutzwiller. Danach sterben die Pilze ab, die Giftstoffe aber werden im Silo nicht abgebaut und gelangen somit auch zu den Tieren. Der Tierhalter kann jetzt höchstens das belastete Futter nicht oder nur in geringen Anteilen verfüttern. Es gibt aber auch Substanzen, welche die Toxine binden. ALP konnte in Versuchen zeigen, dass etwa Apfeltrester Mykotoxine wirksam bindet und einen Beitrag zu guten Tierleistungen bringt. Der durch die Mykotoxine verminderte Verzehr kann aber nicht aufgefangen werden. Ansätze, um hohe Mykotoxingehalte im Futter zu vermeiden, gibt es also einige. Trotzdem steht die Forschung noch am Anfang, und viele Fragen bleiben offen. Auch wenn erst wenig gesicherte Forschungsresultate zur Regulierung von Fusarien und Mykotoxinen bei Mais vorhanden sind, gilt es, das vorhandene Wissen zu nutzen und die Bestände genau zu beobachten. Die Tiere im Stall werden es mit guten Leistungen zu danken wissen. | Kaspar Grünig Bild: Andreas Hecker, ART Mais und Weizen als Vorfrüchte meiden Da Fusarium graminearum, einer der häufigsten Fusariumpilze bei Mais, auf Ernterückständen von Mais überwintern, ist die Kombination Mais nach Mais ein Risikofaktor. Allerdings dürfte dies nicht gleich bedeutend sein wie im Getreidebau, wo die Vorkultur Mais eine der wichtigsten Faktoren darstellt. Je mehr Ernterückstände an der Bodenoberfläche liegen, umso grösser ist der Infektionsdruck. Wer in den letzten Jahren in Getreide oder Mais Mykotoxinprobleme hatte, sollte die Erntereste fein mulchen, einarbeiten oder nicht zu tief unterpflügen und die Fruchtfolgekombination Mais nach Mais vermeiden. Auch Weizen als Vorfrucht von Mais ist nicht ganz unproblematisch und wird von ART nicht empfohlen. Unter Umständen können auch wieder hervorgepflügte Maiserntereste der Vorvorkultur eine Infektionsquelle darstellen. Tierkategorien Die Untersuchungen von ART ergaben, dass durch fein gemulchte Maiserntereste der Mykotoxingehalt beim Weizen um 40 Prozent reduziert werden konnte.
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