Den eigenen Avatar töten

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Freitag,
15. Mai 2015
IN KÜRZE
Einsatz gegen Spinner
ist fast beendet
Neuruppin – Der Kampf gegen die
Raupen des Eichenprozessionsspinners geht im Bereich Neuruppin, Lindow und Fehrbellin auch
heute und morgen noch weiter.
Die Sprühaktionen aus der Luft
sind bereits beendet. Wegen der
heftigen Windböen und der Regenschauer musste der gezielte
Einsatz vom Boden aus in den
vergangenen Tagen abgebrochen
werden. Die Aktion dauert deshalb etwas länger als gehofft.
Morgen soll der Einsatz aber im
gesamten Landkreis abgeschlossen sein. Mit Hubschraubern und
Sprühgeräten hatte eine Firma im
Auftrag des Landkreises Eichen
mit einem Insektengift behandelt.
Ziel ist es, die Ausbreitung des
Eichenprozessionsspinners einzugrenzen. Die Raupen der Spinner
verlieren Brennhaare, die über
die Luft verbreitet werden und
schwere Hautreizungen verursachen können.
Benefizkonzert
für Erdbebenopfer
Kyritz – Schulchor und Solisten
vom Kyritzer Friedrich-LudwigJahn-Gymnasium geben am
Dienstag, 19. Mai, ein Benefizkonzert in der Aula der Schule. Sie
sammeln dabei Geld für die Opfer
des Erdbebens in Nepal. Das
Konzert beginnt um 19 Uhr. Der
Eintritt ist frei. Für das leibliche
Wohl sorgen Schüler der 7., 10.
und 11. Klassen mit Kuchen und
Sandwiches.
Diamantene und
goldene Konfirmation
Neuruppin – Die diamantene und
goldene Konfirmation soll am
Sonntag, 31. Mai, bei einem Gottesdienst mit Abendmahl in der
Neuruppiner Klosterkirche gefeiert werden. Dazu eingeladen sind
die Konfirmationsjahrgänge 1945,
1955 und 1965. Wer am Festgottesdienst teilnehmen will, sollte sich
dazu anmelden. Der Gottesdienst
wird von Pfarrerin Susanne Graap
und Generalsuperintendent i. R.
Leopold Esselbach gestaltet.
V Kontakt: Anmeldungen nimmt das
Gemeindebüro Neuruppin, Virchowstraße 13, entgegen – auch unter
S 03391/40 07 39, per Fax an
03391/6590283 oder per E-Mail an
[email protected].
Achtung,
Flitzer-Blitzer!
Rheinsberg/Telschow – Für Autofahrer, die es allzu eilig haben,
kann es auch heute wieder teuer
werden. Tempokontrollen sind im
Landkreis Ostprignitz-Ruppin im
Rheinsberger Stadtgebiet sowie
in der Prignitz an der L 13 zwischen Telschow und Frehne geplant. Blitzen kann es wie immer
aber auch an anderen Orten.
MAZ
DOSSE-KURIER
Den eigenen Avatar töten
Flucht in ein virtuelles Leben: Therapeuten berieten in Neuruppin darüber, wie man Internetsüchtigen helfen kann
Von Christian Schmettow
Neuruppin – Man erkennt die
Süchtigen am Gang: Sie watscheln eher als das sie gehen, ihre
Körperhaltung ist anders. Wer
zehn, zwölf oder 20 Stunden am
Stück vor dem Computer sitzt, wer
darüber vergisst, sich zu waschen
und sich ordentlich zu ernähren,
der verlernt irgendwann die Beherrschung des eigenen Körpers.
Bernd Sobotka kennt diese Internetsüchtigen aus eigener Erfahrung. In seiner psychosomatischen Abteilung der Klinik am
Schweriner See werden solche Patienten behandelt. Fast immer
sind es junge Männer ohne Partner, fast ohne sexuelle Erfahrungen, sie leben in einer WG oder
bei den Eltern, sie haben keine abgeschlossene Ausbildung und keinen Job – obwohl sie intelligent
und leistungsfähig sind – das stellen sie am Rechner durchaus unter
Beweis. Am Mittwoch stellte der
Psychologe in Neuruppin eine Studie zum pathologischen Computer- und Internetgebrauch vor. Der
Tannenhof-Verein hatte zur Fachtagung „Neue Medien und Sucht“
in die Ruppiner Kliniken geladen.
Hanns Reide watschelt nicht. Er
ist schlank und sportlich, trägt einen gepflegten Bart, sein Hemd ist
frisch gebügelt. „Ich bin vor Bei vielen Internetspielen herrscht ein hoher Gruppendruck. Wer zu einer Schlacht im Netzt nicht erscheint, kriegt das zu spüren . FOTO: REYK GRUNOW
29 Jahren hier in den Kliniken geboren worden“, sagt der Neuruppi- geschäfte. Bis heute hat der junge
ner. „Die letzten 14 Jahre habe ich Mann außer dem Abitur keinen
Der Lüfter löst Lust aus
in einer virtuellen Welt gelebt. Ich Bildungsabschluss. Hanns Reide
war Kampfpilot, Truppenkomman- wünscht sich mehr Aufklärung vor
Bei keiner anderen Sucht sind so
dant, Zauberer, Held, Weltraumbe- den Gefahren des Internets in den
viele Männer betroffen wie bei der
und
Elternhäusern.
schützer.“ Der junge Mann aus be- Schulen
Internetsucht. Maximal zehn Prozent
hüteten Verhältnissen schildert Spiele würden nur nach ihrem Inder Erkrankten sind weiblich.
den rund 80 Teilnehmern der Ta- halt bewertet – ob sie brutal sind –,
gung, wie seine erste große Liebe nicht aber nach ihrem SuchtpotenProzent der betroffenen
ihn zum ersten Mal im Leben in zial, bedauert der 29-Jährige.
jungen Männer im Alter um
Klaus Wölfing von der Ambuwirkliche Konflikte brachte und
die 20 Jahre leiden unter Stoffwechselwie er sich davor in virtuelle Wel- lanz für Spielsucht an der Uni
erkrankungen wie Diabetes mellitus,
ten flüchtete, Spiele und Pornos Mainz zeigt ein Bild von einem didie auf falsche Ernährung zurückzufühcken Jungen mit Brille
konsumierte, Freunde
ren sind. 35 Prozent haben Muskelneben einem durchtraifand, die sich zu Comund Skeletterkrankungen vom langen
Die letzten
puterspielparty trafen, 14 Jahre habe ich nierten Avatar. FehlenSitzen am Computer.
des Selbstbewusstsein
wie er kein Studium zu
in einer virtuellen bringt manche MenEnde brachte, nachts
Sucht im Internet tritt in verschiedeschen dazu, mehr Zeit
spielte statt zu schlafen Welt gelebt. Ich
nen Formen auf: Flucht in Rollenspiele
in einem zweiten Leund beim Tod seiner war Kampfpilot,
und virtuelle Realitäten, Glücksspiel,
Oma feststellte, dass er Truppenkomman- ben (Second Life) im InSex im Internet, Flucht in soziale
ternet zu verbringen
keine Gefühle mehr dant, Zauberer,
Netzwerke, Kaufrausch. Oft geht
als im wirklichen Lehatte. Seine Familie Held, WeltraumInternetsucht mit anderen Abhängigben. Dieses künstliche
versuchte, ihm zu helkeiten wie Cannabis-Konsum einher.
zweite Ich auszulöfen – vergeblich. Erst beschützer.“
schen, den Avatar zu töeine
neue
Liebe Hanns Reide,
Normaler Internetkonsum bei Juten, ist Teil einer Theraweckte wieder
so Betroffener
gendlichen liegt bei bis zu drei Stunpie – und gar nicht so
starke positive Gefühle
den am Tag. Süchtige sind zehn bis
einfach. Denn sich wiein Hanns Reide, dass er
20 Stunden im Netz und verlieren das
die Willenskraft hatte, sich vom In- der abzumelden, ist bei vielen OnInteresse an früheren Hobbys und
ternet zu lösen. Beim Tannenhof in line-Rollenspielen gar nicht vorgeFreunden. Schon das Surren eines
Neuruppin gelang es ihm, wieder sehen. Ein sehr schmerzlicher
Lüfters kann den Drang auslösen.
einen festen Tagesablauf zu ler- Schritt. Im Internet gibt es sogar
Doch es gibt therapeutische Hilfe. cow
nen, intensiv Sport zu treiben und Friedhöfe für Avatare.
Hanns Reide hat es geschafft, seine Sucht zu besiegen. FOTO: SCHMETTOW
Der Medienwissenschaftler Anso viel Selbstbewusstsein zu gewinnen, dass er seine Geschichte dreas Klisch appelliert an die The- in den sozialen Netzwerken und min bei World of Warcraft nicht er- Arbeit hat sie aber zu 70 Prozent
mit Alkohol und zu 20 Prozent mit
Spielplattformen unterwegs, de- scheint“, sagt Andreas Klisch.
am Mittwoch vor einem Saal voller rapeuten im Publikum, sich selbst
mit sozialen Netzwerken auseinan- nen ihre Patienten all ihre Zeit opEin interessanter Vortrag, findet anderen Drogen zu tun. InternetMenschen erzählen konnte.
Den Computer benutzt er nur derzusetzen. Eine kurze Umfrage fern. „Die wissen nicht, was es be- Annette Podorf vom Neuruppiner süchtige kommen in ihrem Alltag
noch für E-Mails und Online-Bank- ergibt: Viele sind selbst gar nicht deutet, wenn man bei einem Ter- Adaptionshaus. In ihrer täglichen bisher nur selten vor.
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„
Unbequeme Wahrheiten
Landtagsabgeordnete diskutierten mit Bürgern und Windradplanern über den Bau weiterer Anlagen in der Region. Überraschender Vorstoß ohne Echo.
Von Andreas Vogel
Neuruppin – In der Region Prignitz-Oberhavel werden weiterhin
180 Meter hohe Windkraftanlagen in einem Abstand von lediglich 500 Metern zu Häusern genehmigt, obwohl das inzwischen
selbst Planer für nicht mehr sachgerecht halten. Der Grund: Die Investoren können sich auf den immer noch gültigen Windeignungsplan aus dem Jahre 2003 berufen.
Da ist ein Mindestabstand von
500 Metern festgeschrieben.
Zwar soll laut dem neuen Plan
ein Mindestabstand von 1000 Metern gelten. Aber der Entwurf gilt
noch nicht. Das Papier wird erst
zwischen Juni und Ende August in
den Kreisverwaltungen in Perleberg, Neuruppin und Oranienburg öffentlich ausgelegt. Dann
kann jedermann seine Bedenken
äußern – und das Land kann mit
Verweis auf den ausliegenden Entwurf auch Anträge von Anlagen
unterhalb von 1000 Metern ablehnen. Darauf hat am Mittwochabend Ansgar Kuschel, der Leiter
baut werden. Sie müssen höhere
siert“, so Kuschel. Die zwei so einNetzentgelte bezahlen.
fach klingenden Regeln sorgen
„Das ist unfair, das darf nicht so
seit Monaten für heftigen Streit in
bleiben“, stimmte Schider Region. Bürger
nowsky zu. Doch biswehren sich in vielen
her sperren sich die alInitiativen
dagegen,
ten Bundesländer, die
dass bei ihnen laut dem
Kosten gerecht aufzuEntwurf noch mehr Anteilen und damit ihre
lagen entstehen sollen.
Bürger mehr zu belas„Ich will nicht weiten. Oblaski präsentere 53 Windräder hatierte deshalb einen
ben“, betonte JohanVorschlag, der sich aus
nes Oblaski, Bürgerseiner Sicht schneller
meister der Gemeinde
umsetzen
lassen
Temnitzquell.
Dort
Im Baurecht
seien bereits jetzt acht spielt eine demo- könnte. Da es eine gePlanungsreProzent der Fläche als
kratische Zustim- meinsame
gion Berlin-BrandenEignungsgebiet ausgeburg gibt, könnte sich
wiesen. Zudem for- mung für Windin einem ersten Schritt
derte Oblaski, dass kraftanlagen
sich endlich alle Bür- kaum eine Rolle.“ die Hauptstadt mit ihren vier Millionen Einger an den Kosten für
wohnern an den höheden Ausbau der erneu- Ansgar Kuschel,
ren Netzentgelten beerbaren Energien betei- Leiter der
ligen müssen. Finan- Planungsstelle Prignitz- teiligen. Schon das
könnte eine Einspaziert wird der Ausbau Oberhavel
rung bringen. Auf diederzeit zum großen Teil
sen Vorstoß gingen jedoch weder
allein von den Einwohnern in den
die zwei Landespolitiker noch
Regionen, in denen WindkraftanlaChefplaner Kuschel ein.
gen und neue Stromtrassen ge-
„
Viele Anwohner sind inzwischen genervt von den vielen Windrädern vor ihrer Haustür.
der Planungsstelle der Regionalen
Planungsgemeinschaft PrignitzOberhavel, in einer Gesprächsrunde im Neuruppiner Schülercafé Tasca hingewiesen. Bei der
Runde, zu der die Landtagsabgeordneten
Heide
Schinowsky
(Bündnisgrüne)
und
Ulrike
Liedtke (SPD) eingeladen hatten,
betonte Kuschel erneut, warum er
nichts von einem sofortigen Stopp
für den Bau von Windkraftanlagen hält. Denn laut Baugesetzbuch dürfen Windräder seit 1997
generell im Außenbereich von Ämtern, Städten und Gemeinden gebaut werden. Verhindert werden
könne das nicht, so Kuschel. „Im
Baurecht spielt eine demokratische Zustimmung für Windkraftan-
FOTO: PETER GEISLER
lagen kaum eine Rolle.“ Lediglich
eine Steuerung sei über Planungen möglich. Dabei müssten jedoch mindestens zwei Dinge eingehalten werden: Die aufgestellten Planungsregeln müssen für
alle Gemeinden gleich sein, und
es müssen auch Flächen für Windräder angeboten werden. „Sonst
wird der Plan vom Gericht kas-