Landkreis beschlagnahmt weitere Turnhallen

Landkreis beschlagnahmt weitere Turnhallen
Seite 1 von 3
Bett an Bett: So wie in der Turnhalle in Trudering bei München könnte es bald auch in
Feldkirchen aussehen. Foto: dpa
Landkreis beschlagnahmt weitere
Turnhallen
Wieder kommt es zu einem Engpass bei Asyl-Unterkünften. Das
Landratsamt plant daher, Turnhallen für Flüchtlinge zu belegen. Diese
Gemeinden könnten davon betroffen sein: Feldkirchen, Grasbrunn,
Straßlach-Dingharting und Baierbrunn.
Flüchtlingsunterkünfte Wieder kommt es zu einem Engpass bei Asyl-Unterkünften. Das Landratsamt plant daher,
Turnhallen für Flüchtlinge zu belegen. Diese Gemeinden könnten davon betroffen sein:
Feldkirchen, Grasbrunn, Straßlach-Dingharting und Baierbrunn.
Von Florian Prommer und Thomas Radlmaier
Landkreis – Mittwoch, 13. Januar. Landrat Christoph Göbel (CSU) hat eine E-Mail verschickt,
die fortan einige Bürgermeister im Landkreis zittern lässt. Göbel wirbt darin für die
Unterbringung von Flüchtlingen in Turnhallen. Er weist hin auf die einsetzende Frostperiode,
weshalb Containerstandorte für Flüchtlinge nicht realisiert werden können. Er spricht von
Verzögerungen bei bereits im Bau befindlicher Unterkünfte. Es komme schon bald zu einem
Engpass an Unterkünften.
Um weiterhin 145 Flüchtlinge pro Woche im Landkreis unterbringen zu können, will das
Landratsamt auf Turnhallen als Notunterkünfte zurückgreifen. Mitarbeiter des Landratsamtes
prüfen derzeit Turnhallen in neun Landkreis-Gemeinden. In einer Pressemitteilung schreibt die
Behörde, sie habe in erster Linie die Turnhallen derjenigen Kommunen im Blick, die ihre
„berechnete Unterbringungsquote noch nicht erfüllt haben“. In erster Linie in Betracht
kommen die Kommunen Straßlach-Dingharting, Baierbrunn, Grasbrunn, Pullach, Feldkirchen
und Neuried. Sollten diese Hallen nicht geeignet seien, will die Behörde die Standorte
Sauerlach, Hohenbrunn und Unterhaching erwägen. Doch was heißt das für Vereine und
Schulen, die im Winter die Turnhallen nutzen, und wie reagieren die Bürgermeister auf den
Plan des Landratsamtes? Wir haben nachgefragt:
Feldkirchen
http://webviewer.merkur.de/muenchnermerkur/5912/article/373365/29/8/render/?read... 20.01.2016
Landkreis beschlagnahmt weitere Turnhallen
Seite 2 von 3
Bürgermeister Werner van der Weck (SPD) weiß, dass seine Gemeinde schlechte Karten hat,
wenn das Landratsamt nach Turnhallen sucht. Schließlich hat Feldkirchen bisher nur zwölf
Flüchtlinge und 22 unbegleitete Minderjährige untergebracht. „Es würde mich nicht
überraschen“, wenn die Mehrzweckturnhalle bald als Flüchtlingsunterkunft genutzt werden
würde, sagt van der Weck.
Treffen würde das besonders den TSV Feldkirchen. 2017 Mitglieder sich im Winter
nachmittags rund um die Uhr in der Halle aufhalten. Diese Trainingszeiten würden wohl
gänzlich entfallen, befürchtet TSV-Vorsitzende Brigitte Pfaffinger. „Wo soll ich denn hin?
Wir haben ja nur eine Halle.“ Verstehen kann sie es nicht: „Warum wird das auf unserem
Rücken ausgetragen, wenn die gemeindliche Suche nach Unterkünften keine Früchte trägt?“
Doch für das Landratsamt ist nicht nur entscheidend, wie viele Flüchtlinge bereits in den
Gemeinden leben. Die Behörde will auch berücksichtigen, ob bereits andere Notunterkünfte
im Ortsbereich bestehen oder ob die Kommune schon früher von einer Turnhallensperrung
betroffen gewesen ist. Übrigens plant die Gemeinde den Bau einer Dreifachturnhalle. Van der
Weck rechnet aber damit, dass erst im Herbst mit dem Bau begonnen werden kann.
Grasbrunn
Auch in Grasbrunn gibt es nur eine Turnhalle, und zwar die der Grundschule. Hier findet
freilich Sportunterricht statt. Aber auch der TSV Grasbrunn nutzt die Halle regelmäßig für
Kinder- und Erwachsenensport, darunter etwa die TSV-Karatekämpfer. Bürgermeister Klaus
Korneder (SPD) hält die Halle als Flüchtlingsunterkunft für ungeeignet, und zwar aus einem
einfachen Grund: „Die Halle ist zu klein.“ Außerdem verweist er auf die Glasfront. „Da die
Halle im Boden versenkt ist, könnte man direkt auf die Leute drauf schauen“, sagt er.
Straßlach- Dingharting
Ziemlich weit oben auf Göbels Liste steht die Turnhalle im Bürgerhaus in StraßlachDingharting. Dort befindet sich etwa ein Kindergarten oder das Jugendzentrum. Außerdem
nutzt die Grundschule die Halle für den Sportunterricht täglich bis 14 Uhr. Nachmittags treffen
dort sich unter anderem Volleyball- oder Yoga-Gruppen.
Bürgermeister Hans Sienerth (parteifrei) habe vor diesem Hintergrund „erhebliche Bedenken“,
sollte das Landratsamt die Turnhalle beschlagnahmen, wie er sagt. Er fürchte um „das
sportliche, kulturelle, gesellschaftliche, aber auch schulische Leben“ in seiner Gemeinde. Es
müsse andere Möglichkeiten geben, „als eine Gemeinde auf dieses Weise mitten ins Herz zu
treffen“. Straßlach-Dingharting hat nach Angaben des Landratsamtes bisher 17 Flüchtlinge
untergebracht. Nach der Quote muss die Kommune aber Platz für für 84 Flüchtlinge schaffen.
Der Kreis selbst muss 7,2 Prozent aller Asylbewerber in Oberbayern aufnehmen. Das ist
bayernweit die höchste Quote nach der Landeshauptstadt (30 Prozent). Das Landratsamt
rechnet damit, dass bis Jahresende 9000 Flüchtlinge in den Landkreis kommen.
Baierbrunn
Baierbrunns Bürgermeisterin Barbara Angermaier (BIG) glaubt, dass die Turnhalle der
Grundschule an der Herrmann-Roth-Straße belegt wird. Nur 18 Asylbewerber sind derzeit in
der Gemeinde untergebracht. Weitere Unterkünfte fehlen. Die Kommune trifft daher bereits
Vorkehrungen: Anfang der Woche suchte Angermaier das Gespräch mit Schulleitung und
Helferkreis. „Wir wollen uns dieser Aufgabe gar nicht entziehen und müssen schauen, wie wir
das dann bewerkstelligen“, sagt sie.
Eingeschränkt wären neben dem Sportunterricht auch die Sportler des SC Baierbrunn und die
Mittagsbetreuung. 80 Kinder toben täglich nach Schulschluss in der Halle. Zu großen Teilen
http://webviewer.merkur.de/muenchnermerkur/5912/article/373365/29/8/render/?read... 20.01.2016
Landkreis beschlagnahmt weitere Turnhallen
Seite 3 von 3
könne man hier, wie beim Schulsport auch, ins Freie ausweichen, gibt sich Rektorin
Konstanze von Unold pragmatisch. Einschränkungen müsse man dennoch in Kauf nehmen.
Ausweichmöglichkeiten gebe es für den SCB dagegen nicht, sagt Vereinsvorsitzende Werner
Tüting. Bis zu 500 Sportler nutzen die Halle unter der Woche. Tüting hält eine Belegung für
„völlig absurd“. Gymnastik und Yoga könne man eventuell in den Pfarrsaal auslagern, dort
findet schon der Zumba-Kurs statt. Die Stunden für die Leichtathleten, Basketballer, Turner
und Volleyballer müssten hingegen gestrichen werden. „Ich wüsste nicht, wo wir in eine Halle
könnten. Die sind im Isartal bis unters Dach voll.“ Welche Hallen in eine
Flüchtlingsunterkunft umgewandelt werden sollen, will das Landratsamt zeitnah bekannt
geben.
http://webviewer.merkur.de/muenchnermerkur/5912/article/373365/29/8/render/?read... 20.01.2016