Yamaha MT-09 Tracer - Fahrbericht aus MOTORRAD 01/2015 - Die MT-Familie bekommt Zuwachs. Und zur Geburt bekam die MT-09 Tracer ausgezeichnete Gene mit auf den Weg. Da kann eigentlich nichts schiefgehen. Was darf’s denn sein? Sporteln oder touren? Komfort oder Dynamik? Sind Ihnen Tourer zu fett und fad, Naked Bikes nicht vielseitig genug und Sportler zu anstrengend? Für alle, die sich nicht auf irgendeine Schublade festlegen wollen, könnte die MT-09 Tracer das passende Werkzeug sein. Der Stolz auf ihr jüngstes Kind ist den Yamaha-Verantwortlichen bei der Präsentation förmlich anzusehen. Kein Wunder, Yamaha schwimmt derzeit auf der Erfolgswelle, losgetreten von der MT-09 mit aufregendem Dreizylinder. Diese Erfolgsgeschichte soll die Tracer fortsetzen, und die Voraussetzungen sind gut, denn sie teilt mit der MT-09 sowohl das Chassis mit seinen üppigen Federwegen als auch den tollen Dreizylinder. Doch ist sie – man ahnt es beim Aufsitzen – viel mehr als nur eine MT-09 mit angeschraubter Verkleidung. Die Platzverhältnisse sind deutlich üppiger. Der straff gepolsterte Sitz des Piloten bietet 20 mm mehr Breite und Länge, der Sozius genießt gar ein 5 cm längeres Sitzpolster. Die Sitzhöhe ist mit 845 mm (MT-09: 815 mm) deutlich gewachsen. Und per Umstecken eines Kunststoffteils lässt sie sich mit wenigen Handgriffen gar auf 860 mm erhöhen. Da haben selbst Langbeinige keine Probleme mit zusammengefalteten Knien. Wer es niedriger mag, dem bietet Yamaha die Möglichkeit, mit anderer Sitzbank und Umlenkhebeln die Sitzhöhe auf 815 mm zu senken. Der konifizierte Alu-Lenker liegt gut zur Hand. Man logiert aufrecht und relaxt. Wie gemacht, um es den ganzen Tag im Sattel auszuhalten. Auf Knopfdruck springt der Drilling mit dem gewohnten, gut gedämpften Triple-Knurren an. Und wie man es von ihm kennt, ist er ab Standgas zur Stelle. Schnurrt brav mit wenig mehr als Leerlaufdrehzahl durch kleine Örtchen, legt am Ortsausgang die Ohren an, um geschmeidig voranzuschieben. Dezentes Triple-Fauchen und geschmeidiger Lauf in der ersten Hälfte des Drehzahlbandes inklusive. Willig zwirbelt sich der Dreizylinder in die Höhe, dreht energisch dem Drehzahlbegrenzer entgegen. Und wer die Traktionskontrolle ausschaltet, stellt die Tracer beim harten Beschleunigen im ersten Gang locker aufs Hinterrad. An Bord sind ebenfalls die drei Fahrmodi A (knackig-direktes Ansprechen), Standard (normales Ansprechen) und B (sanftes Ansprechen auf Gasbefehle), die für den Einsatz in der Tracer neu abgestimmt wurden. Wobei Lastwechsel selbst im direkten A-Modus zwar spürbar, aber noch akzeptabel ausfallen. In tieferen Drehzahlregionen wirkt der Dreizylinder nicht ganz so spritzig wie in der MT-09, aber in seiner Entfaltung gleichmäßiger und linearer. Kommt nicht so extrovertiert wie in der MT-09 rüber, sondern seinem breiteren Einsatzzweck entsprechend gleichmäßiger. Dieser Eindruck könnte aber auch damit zu tun haben, dass die Tracer vollgetankt rund 210 Kilogramm wiegen soll. Für eine ausgewachsene 900er mit Verkleidung immer noch ein ausgezeichneter Wert. Vor allem angesichts der kerngesunden 115 PS, was ein für diese Spezies prächtiges Leistungsgewicht von 0,55 PS/kg ergibt. In dieser Hinsicht, so verkündet Yamaha stolz, rangiere die Tracer gar vor Konkurrenten wie der Kawasaki Versys 1000, KTM Adventure 1050, Ducati Hyperstrada oder Triumph Tiger 800 und 1050. Mag stimmen, aber es sind eben auch rund 20 Kilo mehr als bei der MT-09. Nützliche und angenehme Dinge wie Hauptständer, Handprotektoren, Verkleidung mit zwei LED-Scheinwerfern, der stabilere, längere Heckrahmen sowie die üppige Sitzbank und mit 18 Litern vier Liter mehr Tankvolumen zeigen sich nun mal auf der Waage. Und im Kurvendickicht. Das Gewicht und der höhere Schwerpunkt machen sich da bemerkbar. Die bisweilen übermotiviert wirkende Wendigkeit der MT-09 besitzt die Tracer daher nicht. Doch ist sie alles andere als unhandlich, lässt sich willig und locker am höheren und 45 mm breiteren Alu-Lenker durch die Kurven zirkeln. Die Tracer wirkt souveräner und erwachsener, besser ausbalanciert, liegt satter und neutraler. Die Dunlop D 222 in Sonderkennung harmonieren, einmal warm gefahren, ganz gut. Die Federelemente wurden für den Einsatz in der Tracer mit härteren Federn und strafferer Dämpfung versehen. Wodurch das Heck etwas höher steht, was wiederum die Fahrwerksgeometrie mit 66 Grad Lenkkopfwinkel und 100 mm Nachlauf (MT-09: 65 Grad, 103 mm) geringfügig handlingfreundlicher gestaltet. Lange Bodenwellen schluckt das Fahrwerk tadellos, über kurze, harte Kanten und runzeligen zerfurchten Asphalt poltert es allerdings überraschend achtlos hinweg, was den Federungskomfort auf Holperstrecken ein wenig beeinträchtigt. Souverän agieren wie gewohnt die radial montierten Vierkolben-Bremssättel im Vorderrad. Nicht übertrieben bissig, gut dosierbar und unterstützt von einem neu abgestimmten, etwas grob regelnden ABS. Es ermöglicht ordentliche Verzögerung, kann bergab jedoch hin und wieder Stoppies nicht ganz verhindern. Was den ersten Auftritt der Tracer als dynamische und unterhaltsame Begleiterin nicht wirklich schmälert. Vielseitigkeit ist ihr Stichwort. Und dazu zählt nicht nur die beschriebene Sitzhöhenverstellung. Packtaschenhalter und Hauptständer sind serienmäßig an Bord. Der Lenker kann durch Drehen der Lenkerböcke um 10 mm nach vorne versetzt werden. Selbige tragen außerdem bereits Gewinde zur Montage von Zubehör. Die Verkleidungsscheibe schützt den Oberkörper gut, wenngleich nicht frei von Verwirbelungen, und lässt sich ohne Werkzeug in drei Stufen um 30 mm verstellen. Auch die Scheinwerferjustage ist ohne Werkzeug möglich. Zur Serienausstattung gehören außerdem Handprotektoren und eine 12V-Steckdose. Dazu ist das vom Lenker aus bedienbare Display auch auf die Montage von Heizgriffen vorbereitet. Am Ende des Testtages zwickt nichts, der Hintern kneift nicht. Und einen ähnlich niedrigen Verbrauch wie bei der MT-09 vorausgesetzt, sollten dank des 18-Liter-Tanks Etappen von gut 380 vergnüglichen Kilometern drin sein. Tourenfans können sich bereits freuen. Alles in allem also hervorragende Startbedingungen für die Tracer. Zumal der Spaß für einen appetitlichen Preis von 9595 Euro zu bekommen sein wird. Auch das hat Tradition in der MTFamilie. Technische Daten Motor Wassergekühlter Dreizylinder-Viertakt-Reihenmotor, eine Ausgleichswelle, zwei obenliegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Tassenstößel, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, 3x Ø 41 mm, geregelter Katalysator, Lichtmaschine 415 W, Batterie 12 V/9 Ah, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, O-Ring-Kette, Sekundärübersetzung 45:16. Bohrung x Hub: 78,0 x 59,1 mm Hubraum: 847 cm³ Verdichtungsverhältnis: 11,5:1 Nennleistung: 84,6 kW (115 PS) bei 10.000/min Max. Drehmoment: 88 Nm bei 8500/min Fahrwerk Brückenrahmen aus Aluminiumguss, Upside-down-Gabel, Ø 41 mm, verstellbare Federbasis und Zugstufendämpfung, Zweiarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein mit Hebelsystem, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 298 mm, Vierkolben-Festsättel, Scheibenbremse hinten, Ø 245 mm, Einkolben-Schwimmsattel, Traktionskontrolle, ABS. Alu-Gussräder: 3.50 x 17; 5.50 x 17 Reifen: 120/70 ZR 17; 180/55 ZR 17 Maße + Gewichte Radstand 1440 mm, Lenkkopfwinkel 66,0 Grad, Nachlauf 100 mm, Federweg v/h 137/130 mm, Sitzhöhe 845–860 mm, Gewicht vollgetankt 210 kg, zulässiges Gesamtgewicht 390 kg, Tankinhalt/Reserve 18,0/2,8 Liter. Farben: Grau, Rot, Silber/Blau Preis Garantie: zwei Jahre Preis: 9595 Euro Nebenkosten: 170 Euro Copyright: MOTORRAD, Motor Presse Stuttgart GmbH & Co. KG
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