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Faszination Viamala
Von Blog-Redaktion, 12. November 2015
Ein Beitrag von Daniel Foppa*
19 Kilometer Naturerlebnis: Läufer auf dem Transviamala-Lauf. Foto: PD
http://blog.tagesanzeiger.ch/outdoor/index.php/42878/der-schoenste-lauf-der-schweiz/[12.11.2015 13:35:24]
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Faszination Viamala | Outdoor
«Rechts laufen, Steinschlaggefahr; rechts laufen, Steinschlaggefahr»: Mit stoischer Ruhe wiederholt der
Streckenposten diese Warnung. Er steht am Strassenrand unter einer leicht überhängenden Felswand,
die die Läufer vor fallenden Steinen schützen würde. Dass seine Worte nicht aus der Luft gegriffen
sind, zeigt ein Blick auf die gegenüberliegende Strassenseite: Immer wieder haben Steine die
Leitplanken zerschlagen und mit sich in die Schlucht gerissen. Willkommen in der sagenumwobenen
Viamala-Schlucht! Trotz der Warnung des Streckenpostens können wir nicht widerstehen und queren
zur linken Strassenseite hin: Der Tiefblick in die Schlucht, von der der Automobilist auf der SanBernardino-Route heute keine Notiz mehr nimmt, ist eindrücklich.
Ob der Transviamala-Lauf auf der 19 Kilometer langen Originalstrecke durchgeführt werden kann,
entscheiden die Verantwortlichen jeweils wenige Stunden vor dem Start. Gefährlich wäre zum Beispiel
Frost, der bei Sonneneinstrahlung schmilzt und Steine löst. Wir haben Glück, der milde Herbstmorgen
lässt das Originalrennen zu. Wer die TV-Serie «Via Mala» nach dem gleichnamigen Roman von John
Knittel gesehen hat, erinnert sich, wie Hauptdarsteller Mario Adorf jeweils zu Beginn der Staffel mit
einer Pferdekutsche über die spektakulär in die Schlucht gehauene Strasse jagt. Denselben Weg nimmt
das Läuferfeld nach dem Start in Thusis GR. Die aus dem 19. Jahrhundert stammende Strasse ist für
den Autoverkehr ganzjährig gesperrt und steigt leicht an. Sie eignet sich gut, um den Laufrhythmus
zu finden – gilt es doch, bis ins Ziel 750 Höhenmeter zu überwinden. Die Mühsal der Säumer und
frühen Passreisenden, die auf diesem Weg nach Süden zogen, lässt sich erahnen. Spätestens bei dem in
den Fels gehauenen Tunnel am Verlorenen Loch fühlt man sich der Zeit entrückt und irgendwo in der
Postkutschenzeit angekommen.
Das Läuferfeld auf der Hängebrücke über den Hinterrhein. Foto: PD
Mitten in der Schlucht führt die Strecke von der Strasse weg hinunter zu einer Hängebrücke, die über
den Hinterrhein führt und im Rhythmus der Läufer schwankt. Man verdrängt Berichte von Brücken, die
ob solch gleichmässiger Schwingungen offenbar schon kollabiert sind, und betrachtet stattdessen die bis
zu 300 Meter hohen Felswände. Als «Naturmonument der Extraklasse» preist die lokale
Tourismusbehörde die Viamala, und so falsch liegt sie damit nicht. Auf der anderen Seite des Flusses
gilt es, über insgesamt 589 Steinstufen Höhe zu machen. Das Läuferfeld stockt, doch ungeduldig wird
deswegen niemand. Alle scheinen froh, an diesem Lauf teilnehmen zu können – sind doch die 1000
Startplätze jeweils schnell ausgebucht. Über wurzelbewachsene und mit Steinen versetzte Waldwege
führt die Strecke aus der Schlucht hinaus. Trailrunning heisst diese Art des Joggens, bei der der Blick
mit Vorteil auf den Boden gerichtet bleibt – um sich nicht schon bald flach ausgestreckt auf selbigem
wiederzufinden.
Bei Reischen geht der Waldweg in eine Feldstrasse
über, und den Läufern öffnet sich der Blick in das
Schamsertal. An Zillis mit seiner berühmten
romanischen Kirche vorbei trotten die Läufer
Richtung Andeer. Die absolvierten Höhenmeter
machen sich bemerkbar, der häufige
http://blog.tagesanzeiger.ch/outdoor/index.php/42878/der-schoenste-lauf-der-schweiz/[12.11.2015 13:35:24]
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Rhythmuswechsel auf den engen Pfaden ist dem
ökonomischen Laufen abträglich. Im Dorf Pignia
sitzen zwei schweigende Jäger und schauen sich die
vorbeiziehenden Läufer an, als staunten sie über eine
neu entdeckte Spezies. Ganz anders die Stimmung in
Andeer, wo das Publikum mitfiebert und kurz nach
unserem Durchgang die Teilnehmer des Junior-Laufs
Zwischendurch kann es auch mal
starten. Ob das eine gute Idee ist, um die Lauffreude
dunkel werden. Foto: PD
zu wecken, bleibe dahingestellt. Jedenfalls führt die
Strecke von Andeer an nur noch in eine Richtung:
hinauf. Zwar sind bloss noch 150 Höhenmeter bis zum Ziel in Donat zu überwinden, aber die haben es
in sich.
Wir überholen einen Teilnehmer im Schottenrock, der tags zuvor bereits an der Transruinaulta, dem
mit 1800 Höhenmetern garnierten Marathon durch die Rheinschlucht, gestartet ist. Für ambitionierte
Läufer ist es ein besonderes Vergnügen, an beiden Läufen zu starten – und irgendein Ultrarunner wird
bald wohl auf die Idee kommen, die gesamte Strecke am Stück zu absolvieren. Nach einem kurzen
Abstieg überqueren wir schliesslich die Ziellinie im 200-Seelen-Dorf Donat und werden vom Speaker
auf Rätoromanisch begrüsst. Der Ort platzt aus allen Nähten. Und schafft es gleichzeitig, die 1000
Läufer und ebenso vielen Zuschauer und Begleitpersonen mit Charme und ohne Hektik zu empfangen,
wie man es kaum je an einem Volkslauf erlebt. Oder kennen Sie einen Lauf, bei dem Privatpersonen
wildfremde Läufer zum Übernachten einladen und ihnen vor dem Start ein Frühstück offerieren? Der
Transviamala-Run liegt zwar etwas ab vom Schuss. Doch hat er das gewisse Etwas, trägt seinen Titel
als schönster Lauf der Schweiz zu Recht und eignet sich gleichermassen für Ausdauersportler,
Trailnovizen und kulinarisch interessierte Läufer – Pizokels, Säumerplättli und Kuchenbuffet im Ziel
sei Dank.
2015 Transviamala
Impressionen vom Transviamala 2015. Video: Richard Tonolla/Youtube
*Daniel Foppa ist Ressortleiter Schweiz beim «Tages-Anzeiger».
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