WANDERUNG 82 WANDERUNG VIA SPLUGA Spektakuläre Abgründe und traumhafte Aussichten: Auf dem Kulturwanderweg Via Spluga erleben wir die über zweitausendjährige Alpentransitgeschichte hautnah. FOTOGRAFIE: PETER SALZMANN TEXT: URSULA EGLI 83 WANDERUNG Via Mala – der böse Weg Als Peter Salzmann, unser Wanderleiter auf der Via Spluga, das Layout zu dieser Geschichte sah, meinte er: «Das ist mir jetzt aber etwas zu ‹steinlastig›. Kann ich dir nicht noch ein Bild mit Blumen senden?» Blumen?, antwortete ich. Okay wir haben auf unserer Wanderung Blumen gesehen und eine üppig grüne Vegetation auch, je näher wir unserem Ziel Chiavenna kamen, desto üppiger wurde sie. Aber die Via Spluga, das sind doch Schluchten, bizarre Felsformationen, Säumerwege und die Viamala, die zu den schrecklichsten Abschnitten der 325 Kilometer langen Strecke zwischen Süddeutschland und der Lombardei zählte, als vor Jahrhunderten Fuhrunternehmen Reisende, Waren und Post von Norden nach Süden brachten. Eine Reise durch die Viamala und über den Splügenpass war damals nichts für schwache Nerven: Schwankende Stege führten den Felswänden entlang, enge Brücken überspannten abgrundtiefe Schluchten. Heute ist der Weg sicher und breit, aber an gewissen Stellen beschleicht uns noch immer ein Schaudern beim Blick in die Tiefe. Auf der Via Spluga erleben wir Vergangenheit und Gegenwart einer Passroute, die bis weit ins 19. Jahrhundert zu den wichtigsten Transitverbindungen im ganzen Alpenraum gehörte. Eines der Highlights unseres ersten Wandertages war die berühmte Bilderdecke in der romanischen Kirche St. Martin im bündnerischen Zillis. 84 WANDERUNG In Stein gemeisselt Die erste Etappe von Thusis nach Andeer war landschaftlich grandios und endete sehr entspannt mit einem Bad im 34 °C warmen Wasser des Mineralbades Aquandeer. Am nächsten Morgen bleibt wenig Zeit, um das hübsche Dorf zu besichtigen. Es geht weiter Richtung Splügen. Auch am zweiten Tag bestimmen Felsen, Schluchten und Höhlen das Landschaftsbild. Ausserhalb von Andeer sehen wir, wie der berühmte grüne Andeerer Granit in Tafeln gesägt wird. Der typische grüne Farbton ist unter den Natursteinen nahezu konkurrenzlos. Er stammt von den Mineralien Phengit (hellgrün) und Chlorit (dunkelgrün). Nach einer guten Stunde erreichen wir das Gasthaus Rofflaschlucht. Die Geschichte der Erschliessung dieser Schlucht würde Stoff für einen spannenden Spielfilm bieten, denn das Schicksal einer ganzen Familie steht dahinter. Mit dem Bau der Gotthardeisenbahn Ende des 19. Jh. hatte die Familie Pitschen, die schon damals im Besitz des Gasthauses am Fusse des Splügenpasses war, kein genügendes Einkommen mehr. Sie wanderte nach Amerika aus und suchte dort ihr Glück. Der Besuch der Niagarafälle brachte dann die zündende Idee, den Wasserfall, der sich unweit des Gasthofes in der Rofflaschlucht befand, ebenfalls touristisch zu erschliessen. Zurück in der Schweiz meisselten und sprengten sie in mühseliger Handarbeit die bis heute praktisch unverändert erhaltene Galerie in den harten Fels. Diese führt zum Wasserfall und anschliessend gar unter dem Rhein hindurch. Nach dem Besuch der Rofflaschlucht verlassen wir die Via Spluga für einen kurzen Moment und steigen hoch hinauf zu den stillgelegten Eisenminen von Innerferrera, wo es scheint, als würden türkisblaue Tropfen von der Decke fallen. Kaum zu glauben, dass in diesen endlos langen, engen und feuchten Gängen gearbeitet wurde. 85 WANDERUNG Auf den Pfaden der Römer über den Splügen In Splügen haben wir die Nacht im 1519 erbauten Hotel Alte Herberge Weiss Kreuz verbracht. Das Haus war ursprünglich eine Säumerherberge am Saumweg über den Splügenpass und befindet sich an einzigartiger Lage im alten Dorfkern. Die ehemalige offene Saumtier-Einfahrt dient heute als Entrée. Über knarrende Holztreppen und -dielen gelangen wir in unsere Zimmer, deren wertvolle historische Substanz erhalten blieb. Nur das Notwendigste, wie beispielsweise die Nasszellen, wurde mit Elementen moderner Architektur eingefügt. Das Restaurant befindet sich im früheren Heustall. Dort begeistert uns der fantastische Ausblick über die Steindächer von Splügen auf die herrliche Bergwelt des Rheinwaldes. Zum Splügenpass steigt die Via Spluga über den historischen Saumpfad bis auf 2115 m ü. M. Der österreichische Feldmarschall Bellegarde berichtete 1799: «Um von Splügen nach Cleven zu kommen, geht man über den Splügenberg. Der dahin führende Weg ist an einigen Orten mit unordentlich gelegten Steinen gepflastert, seiner Steigung nach nicht sehr beschwerlich, unweit der Grenze, wo der eigentliche Zickzackweg anfängt, mit spitzigen Steinen und schlechtem Pflaster belegt.» Nach dem Grenzübertritt windet sich der «sentiero storico» auf italienischem Territorium über Montespluga durch die Cardinello-Schlucht nach Isola. Im Dörfchen Montespluga verspüren wir trotz 1900 m Meereshöhe erstmals Italien und den Süden, dies nicht zuletzt wegen des ausgezeichneten Espressos, der uns hier serviert wird. Entlang des Lago di Spluga erreichen wir erneut eine Schlucht: die imposante Cardinello-Schlucht. Von nun an geht’s über in den Fels gehauene Treppen bergab. Die Schlucht, die einst manchen Säumer, Söldner oder Pilger das Leben gekostet hatte, galt stets als gefährlichster Abschnitt der gesamten Splügenroute. Heute ist der Weg durch die Schlucht weitgehend entschärft und einer der landschaftlichen Höhepunkte unserer Tour. Langsam schlottern unsere Knie und wir sind erleichtert, als wir unverhofft von einem Felsvorsprung aus unser nächstes Etappenziel Isola entdecken. 86 Spannende Reisen in die gegenwärtige Vergangenheit Pia Kugler als Jemima Morell und Peter Salzmann als Thomas Cook Geführte historische wanderkultur-reisen mit Gepäcktransport 7.-10. Juni 2016 Viamala – Andeer – Splügenpass – Chiavenna Zweitausend Jahre Alptransit erleben Wildromantisches Italien So einfach unsere Unterkunft in Isola war, so herzlich waren unsere Gastgeber und so himmlisch gut war das Essen – italienisch halt eben! Schon befinden wir uns auf dem letzten Abschnitt unseres Kulturwanderweges. Dem Lauf des Liro folgend, durch die schattigen Kastanienwälder des Val San Giacomo kommen wir terrassenartig durch verschiedene Vegetationsstufen – die Flora wird immer üppiger. Wir passieren einzelne alte Holzbauten, die uns an die Walser im benachbarten Rheinwald erinnern. Nun ist es nicht mehr weit nach Chiavenna, der italienischen Stadt mit ihrem vitalen centro storico. Nur 65 Kilometer trennen das bündnerische Thusis vom mediterranen Chiavenna, dazwischen aber liegen Welten. Die Jahrtausende alte Transitstrecke vereint die Einflüsse von Nord und Süd in einer grossartigen Landschaft, die von einzigartigen historischen Bauwerken geprägt ist. Auf dem Weg vermischen sich die Kulturen der Rätoromanen, der deutschsprachigen Walser und der Lombarden. Verkehrstechnisch hat der Splügen heute keine Bedeutung mehr, zum Glück, für Wanderer ist die Route paradiesisch schön. 15.-20. Mai 2016 Bern – Ste. Croix – Salinsles-Bains - Arc-et-Senans Auf den Spuren des «weissen Goldes» 12.-15. Juni 2016 Goldmine Gondo – Simplonpass – Brig Wirtschaftsmacht des Walliser Schlitzohrs 6.-9. Juli 2016 Rhonetal – Leukerbad – Gemmipass – Kandersteg Wo Tourismusgeschichte lebendig wird 11.-15. Juli 2016 Davos – Engadin – Bernina – Puschlav – Veltlin Als der Weintransport das Leben prägte 29. Aug.-3. Sept. 2016 Luzern – Engelberg – Grimsel - Goms – Gries – Domodossola Begehrte Schweizer Delikatesse in Italien www.alpevents.ch wander-kultur-reisen ViaStoria Wander-Kultur-Reisen Peter Salzmann Fülagasse 2, 3930 Visp Tel. 079 680 14 67 [email protected]
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