WANDERUNG

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WANDERUNG
VIA
SPLUGA
Spektakuläre Abgründe und traumhafte Aussichten: Auf
dem Kulturwanderweg Via Spluga erleben wir die über
zweitausendjährige Alpentransitgeschichte hautnah.
FOTOGRAFIE: PETER SALZMANN
TEXT: URSULA EGLI
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WANDERUNG
Via Mala – der böse Weg
Als Peter Salzmann, unser Wanderleiter auf der Via Spluga, das
Layout zu dieser Geschichte sah, meinte er: «Das ist mir jetzt aber
etwas zu ‹steinlastig›. Kann ich dir nicht noch ein Bild mit Blumen
senden?» Blumen?, antwortete ich. Okay wir haben auf unserer
Wanderung Blumen gesehen und eine üppig grüne Vegetation auch,
je näher wir unserem Ziel Chiavenna kamen, desto üppiger wurde sie.
Aber die Via Spluga, das sind doch Schluchten, bizarre Felsformationen, Säumerwege und die Viamala, die zu den schrecklichsten
Abschnitten der 325 Kilometer langen Strecke zwischen Süddeutschland und der Lombardei zählte, als vor Jahrhunderten Fuhrunternehmen Reisende, Waren und Post von Norden nach Süden brachten.
Eine Reise durch die Viamala und über den Splügenpass war damals
nichts für schwache Nerven: Schwankende Stege führten den
Felswänden entlang, enge Brücken überspannten abgrundtiefe
Schluchten. Heute ist der Weg sicher und breit, aber an gewissen Stellen beschleicht uns noch immer ein Schaudern beim Blick in die Tiefe.
Auf der Via Spluga erleben wir Vergangenheit und Gegenwart einer
Passroute, die bis weit ins 19. Jahrhundert zu den wichtigsten
Transitverbindungen im ganzen Alpenraum gehörte. Eines der
Highlights unseres ersten Wandertages war die berühmte Bilderdecke
in der romanischen Kirche St. Martin im bündnerischen Zillis.
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In Stein gemeisselt
Die erste Etappe von Thusis nach Andeer war landschaftlich grandios und
endete sehr entspannt mit einem Bad im 34 °C warmen Wasser des
Mineralbades Aquandeer. Am nächsten Morgen bleibt wenig Zeit, um das
hübsche Dorf zu besichtigen. Es geht weiter Richtung Splügen. Auch am
zweiten Tag bestimmen Felsen, Schluchten und Höhlen das Landschaftsbild.
Ausserhalb von Andeer sehen wir, wie der berühmte grüne Andeerer Granit
in Tafeln gesägt wird. Der typische grüne Farbton ist unter den Natursteinen
nahezu konkurrenzlos. Er stammt von den Mineralien Phengit (hellgrün) und
Chlorit (dunkelgrün). Nach einer guten Stunde erreichen wir das Gasthaus
Rofflaschlucht. Die Geschichte der Erschliessung dieser Schlucht würde Stoff
für einen spannenden Spielfilm bieten, denn das Schicksal einer ganzen
Familie steht dahinter. Mit dem Bau der Gotthardeisenbahn Ende des 19. Jh.
hatte die Familie Pitschen, die schon damals im Besitz des Gasthauses am
Fusse des Splügenpasses war, kein genügendes Einkommen mehr. Sie
wanderte nach Amerika aus und suchte dort ihr Glück. Der Besuch der
Niagarafälle brachte dann die zündende Idee, den Wasserfall, der sich unweit
des Gasthofes in der Rofflaschlucht befand, ebenfalls touristisch zu
erschliessen. Zurück in der Schweiz meisselten und sprengten sie in
mühseliger Handarbeit die bis heute praktisch unverändert erhaltene Galerie
in den harten Fels. Diese führt zum Wasserfall und anschliessend gar unter
dem Rhein hindurch. Nach dem Besuch der Rofflaschlucht verlassen wir die
Via Spluga für einen kurzen Moment und steigen hoch hinauf zu den
stillgelegten Eisenminen von Innerferrera, wo es scheint, als würden
türkisblaue Tropfen von der Decke fallen. Kaum zu glauben, dass in diesen
endlos langen, engen und feuchten Gängen gearbeitet wurde.
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Auf den Pfaden der Römer über den Splügen
In Splügen haben wir die Nacht im 1519 erbauten Hotel Alte
Herberge Weiss Kreuz verbracht. Das Haus war ursprünglich eine
Säumerherberge am Saumweg über den Splügenpass und
befindet sich an einzigartiger Lage im alten Dorfkern. Die
ehemalige offene Saumtier-Einfahrt dient heute als Entrée. Über
knarrende Holztreppen und -dielen gelangen wir in unsere
Zimmer, deren wertvolle historische Substanz erhalten blieb. Nur
das Notwendigste, wie beispielsweise die Nasszellen, wurde mit
Elementen moderner Architektur eingefügt. Das Restaurant
befindet sich im früheren Heustall. Dort begeistert uns der
fantastische Ausblick über die Steindächer von Splügen auf die
herrliche Bergwelt des Rheinwaldes.
Zum Splügenpass steigt die Via Spluga über den historischen
Saumpfad bis auf 2115 m ü. M. Der österreichische Feldmarschall
Bellegarde berichtete 1799: «Um von Splügen nach Cleven zu kommen, geht man über den Splügenberg. Der dahin führende Weg
ist an einigen Orten mit unordentlich gelegten Steinen gepflastert,
seiner Steigung nach nicht sehr beschwerlich, unweit der Grenze,
wo der eigentliche Zickzackweg anfängt, mit spitzigen Steinen
und schlechtem Pflaster belegt.» Nach dem Grenzübertritt windet
sich der «sentiero storico» auf italienischem Territorium über
Monte­spluga durch die Cardinello-Schlucht nach Isola. Im Dörfchen
Montespluga verspüren wir trotz 1900 m Meereshöhe erstmals
Italien und den Süden, dies nicht zuletzt wegen des ausgezeichneten Espressos, der uns hier serviert wird. Entlang des Lago di
Spluga erreichen wir erneut eine Schlucht: die imposante
Cardinello-Schlucht. Von nun an geht’s über in den Fels gehauene
Treppen bergab. Die Schlucht, die einst manchen Säumer, Söldner
oder Pilger das Leben gekostet hatte, galt stets als gefährlichster
Abschnitt der gesamten Splügenroute. Heute ist der Weg durch
die Schlucht weitgehend entschärft und einer der landschaftlichen
Höhepunkte unserer Tour. Langsam schlottern unsere Knie und wir
sind erleichtert, als wir unverhofft von einem Felsvorsprung aus
unser nächstes Etappenziel Isola entdecken.
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Spannende Reisen in die gegenwärtige Vergangenheit
Pia Kugler als Jemima Morell und Peter Salzmann als Thomas Cook
Geführte historische
wanderkultur-reisen
mit Gepäcktransport
7.-10. Juni 2016
Viamala – Andeer –
Splügenpass – Chiavenna
Zweitausend Jahre Alptransit erleben
Wildromantisches Italien
So einfach unsere Unterkunft in Isola war, so herzlich waren
unsere Gastgeber und so himmlisch gut war das Essen – italienisch halt eben! Schon befinden wir uns auf dem letzten
Abschnitt unseres Kulturwanderweges. Dem Lauf des Liro
folgend, durch die schattigen Kastanienwälder des Val San
Giacomo kommen wir terrassenartig durch verschiedene
Vegetationsstufen – die Flora wird immer üppiger. Wir passieren
einzelne alte Holzbauten, die uns an die Walser im benachbarten
Rheinwald erinnern. Nun ist es nicht mehr weit nach Chiavenna,
der italienischen Stadt mit ihrem vitalen centro storico.
Nur 65 Kilometer trennen das bündnerische Thusis vom
mediterranen Chiavenna, dazwischen aber liegen Welten. Die
Jahrtausende alte Transitstrecke vereint die Einflüsse von Nord
und Süd in einer grossartigen Landschaft, die von einzigartigen
historischen Bauwerken geprägt ist. Auf dem Weg vermischen
sich die Kulturen der Rätoromanen, der deutschsprachigen
Walser und der Lombarden.
Verkehrstechnisch hat der Splügen heute keine Bedeutung mehr,
zum Glück, für Wanderer ist die Route paradiesisch schön.
15.-20. Mai 2016
Bern – Ste. Croix – Salinsles-Bains - Arc-et-Senans
Auf den Spuren des «weissen Goldes»
12.-15. Juni 2016
Goldmine Gondo –
Simplonpass – Brig
Wirtschaftsmacht des Walliser Schlitzohrs
6.-9. Juli 2016
Rhonetal – Leukerbad –
Gemmipass – Kandersteg
Wo Tourismusgeschichte lebendig wird
11.-15. Juli 2016
Davos – Engadin – Bernina – Puschlav – Veltlin
Als der Weintransport das Leben prägte
29. Aug.-3. Sept. 2016
Luzern – Engelberg – Grimsel
- Goms – Gries – Domodossola
Begehrte Schweizer Delikatesse in Italien
www.alpevents.ch
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Peter Salzmann
Fülagasse 2, 3930 Visp
Tel. 079 680 14 67
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