10 KULTUR B ü n d n e r Ta g b l a tt M o n t a g , 3 0. M ä r z 2 0 1 5 «Hexenjagd» von Arthur Miller am Theater St. Gallen Im bigotten Städtchen Salem ist der Teufel los: Das Theater St. Gallen zeigt Arthur Millers «Hexenjagd» als packendes Psychodrama um Frömmlerei, Teufelsangst und Verfolgungshysterie. Die Premiere vom Samstag bestach durch eindringliche schauspielerische Leistungen. Glaube, Fleiss und Gehorsam herrschen in Neuengland im Jahr 1692: Die Männer und Frauen von Salem singen Kirchenlieder. Wer nicht regelmässig zum Gottesdienst kommt, wird angeprangert. Vergnügungen sind verpönt. Doch die Fassade trügt: Mädchen tanzen nachts nackt im Wald, während die Haushälterin des Pfarrers am Feuer Beschwörungsformeln murmelt. Und der Bauer John Proctor, sonst ein senkrechter Mann, verfällt der sexuellen Begierde und begeht Ehebruch mit seiner jungen Magd Abigail. Ausgerechnet Pastor Parris (Tobias Fend) wird Zeuge des okkulten Rituals im Wald, bei dem auch seine Tochter Betty (Wendy Michelle Güntensberger) und Abigail mitmachen. Um der Strafe zu entgehen, täuschen die Mädchen Schock, Ohnmacht und Krankheit vor. Allen voran die kokett-durchtriebene Abigail, packend charakterisiert von Danielle Green. Bald macht in Salem das Gerücht von Hexerei und einem Teufelsbund die Runde. Dieses auf historischen Fakten basierende Szenario hat Arthur Miller in seinem Stück aus dem Jahr 1953 psychologisch meisterhaft entworfen. Als wäre dies nicht genug, setzt Regisseur Krzysztof Minkowski noch einen drauf. «Hexenjagd» ist Arthur Millers meistgespieltes Werk. Der amerikanische Autor veröffentlichte es 1953 vor dem Hintergrund der hysterischen Kommunistenverfolgung durch den Ausschuss des Senators McCarthy, von der auch Miller persönlich betroffen war. (SDA) K U LT U R NO T I Z E N Besucherrekord in Freiburg Das 29. Internationale Filmfestival Freiburg (FIFF) hat einen neuen Besucherrekord aufgestellt: Über 40 000 Filmfans besuchten das Festival in den vergangenen acht Tagen. Der mexikanische Film «González» von Christian Díaz Pardo gewann den Grossen Preis Regard d’or im Wert von 30 000 Franken. Die Jury hält den Film für gesellschaftlich relevant, humorvoll, überraschend und provozierend. Den Publikumspreis heimste der Film «Corn Island» des georgischen Regisseurs George Ovashvili ein. Die nächste Ausgabe des FIFF findet vom 12. bis 19. März 2016 statt. M4Music sehr erfolgreich Die 18. Ausgabe des Popmusikfestivals M4Music des Migros-Kulturprozents ist erfolgreich über die Bühnen gegangen. Vom 26. bis 28. März haben in Zürich und Lausanne über 6600 Konzertbesucher und 850 Vertreter der Musikbranche die Konzerte, die Demotape Clinic und die Panels der Conference besucht. Das Festival war an allen drei Tagen ausverkauft. Brillante und ausdrucksstarke Sängerin und im Opern-Olymp angekommen: Maria Riccarda Wesseling. (FOTO YANIK BÜRKLI) KONZERTREZENSION Liebling der Götter Ein grosser Konzertabend im Theater Chur: Maria Riccarda Wesseling und die Kammerphilharmonie Graubünden setzten Glanzpunkte mit Arien und Ouvertüren aus italienischen Opern. J ▸ CHRISTIAN ALBRECHT 20 Jahre nach ihrer ersten Titelrolle, und neun Jahre nach der unverhofft eingetretenen Möglichkeit zum Durchbruch in die internationale Opernliga in einer tragenden Rolle in einem renommierten Haus, feierte die Bündner Mezzosopranistin am vergangenen Freitagabend ihr Bühnenjubiläum. Es entpuppte sich als ein fast persönlich-familiäres Heimspiel vor vollen Rängen: «Ich möchte mit diesem Konzert jedem, der heute da ist, und allen, die mein Leben mit der Musik geprägt haben und prägen, von ganzem Herzen Danke sagen», schreibt Maria Riccarda Wesseling im Programmheft. Ihre Familie, Angehörigen, ihre Fangemeinde mitsamt einem «Rosenkavalier», der ihr oftmals einen Rosenstrauss an den Bühnenrand bringt, sind damit ebenso gemeint wie ihre Gesangslehrerinnen und ihr Mann, «der starke Fels unter, neben und über mir», wie sich die Sängerin in spontanen Dankesworten ausdrückte. Es wäre naheliegend gewesen, die Programmkonzeption dieses besonderen Konzertabends an die Highlights der bisherigen Karriere anzulehnen. Belcanto-Epoche Doch die Künstlerin entschied sich für die italienische Oper und im Besonderen für Preziosen aus der Belcanto-Epoche mit ihren drei zentralen Vertretern Rossini, Donizetti und Bellini. Eingerahmt von je einer Ouvertüre und Arie von Gioacchino Rossini («Tancredi» und «La Cenerentola») am Programmanfang und -schluss, waren an diesem Abend ausserdem je zwei Ouvertüren und Arien aus Opern von Gaetano Donizetti («Don Pasquale» und «Anna Bolena») sowie Vincenzo Bellini («Norma» und «Beatrice di Tenda») zu hören. Ein ums andere Mal zeigte sich Maria Riccarda Wesseling dabei als eine sowohl brillante wie insbesondere auch ausdrucksstarke Sängerin, deren ausgefeilte BelcantoTechnik hervorragend, um nicht zu sagen exemplarisch ist. Zwar gelang der Start eher zögernd, doch bereits die zweite Arie und die folgenden waren ganz einfach nur mehr eines: eine Apotheose des Gesangs voll Emotion, Passion und Sinnlichkeit. Die Kammerphilharmonie Graubünden unter der Leitung ihres Chefdirigenten Sebastian Tewinkel spielte durchwegs auf der vordersten Stuhlkante. Vermutlich haben nicht wenige Orchestermitglieder das gedacht, was eine Mitspielerin nach Konzertschluss mit diesen Worten ausdrückte: «Für uns ein Riesenerlebnis, mit dieser begnadeten Künstlerin Musik machen zu dürfen.» Recht hat sie. Persönliche Grussworte formulierte vor der Konzertpause Giovanni Netzer, Regisseur und Intendant des Festival Cultural Origen. Maria Riccarda Wesseling sei eine zum Musizieren Berufene, eine Botschafterin des menschlichen Gesangs, dieser archaischen Kraft und Urgewalt des Singens. Dabei, so Netzer, sei die Sängerin eine Suchende geblieben, eine Suchende nach Wahrheit und Vollendung, eine Suchende, die weg ging und stets wieder an den Ort zurück kehrt, der ihr Heimat bedeutet. «Als Maria Riccarda im antiken Freilufttheater in Epidauros die mythologische Figur des Orpheus sang, ist sie nicht nur im Opern-Olymp angekommen», sagte Netzer und schloss mit den Worten: «Diese Geschichte des Orpheus sagt uns, dass Gesang die Grenzen des Todes überwindet und auf das Paradies hinweist. Wenn die Fesseln des Todes gelöst werden, erklingt Gesang. Engel singen. Menschen, die singen wie du, sind Lieblinge der Götter.» Es ist eine der äusserst seltenen Ausnahmeerscheinungen im Theater Chur, wenn nach einem zweistündigen Konzert Standing Ovations, Applaus und zwei Zugaben nochmals gegen ein halbe Stunde dauern. «Ich liebe meinen Beruf von ganzem Herzen – aber ich kann ihn nur ausführen, wenn es Menschen gibt, die zuhören möchten. Dieses Bühnenjubiläum betrifft darum im gleichen Mass wie mich auch all jene, die mir in diesen 20 Jahren treue Zuhörer waren», schreibt Wesseling im Programmheft. Ihr Gesang und ihre Botschaft klingen über den Bühnenrand hinaus ins Publikum. Es sind weitaus mehr als bloss Schallwellen. Vielschichtige Andeutungen Bis zum Abriss der legendären Galaria Fravi in Domat/Ems belebt Kunsthistorikerin und Kuratorin Ginia Holdener den Kunstraum mit spannenden Ausstellungen, aktuell mit Werken von Robert Bosisio. S ▸ J U S C H A C A S AU LTA Sie glaubte, drei Monate zur Verfügung zu haben, bis die Galerie des verstorbenen David Willi einem Neubau weichen muss. Nun ist Ginia Holdener in der Gewissheit, dass sie auch noch nächstes Jahr ausstellen kann. Die Kunsthistorikerin und Kuratorin, die in Domat/Ems wohnt, äussert sich glücklich darüber. Das Ambiente der Galaria Fravi hat es ihr angetan. Zu Recht. Auch Robert Bosisio sei fasziniert von diesem Kunstraum, so Holdener. Ihr ist es gelungen, den international bekannten Südtiroler Künstler für eine Ausstellung zu gewinnen. Damit ist eine Auswahl seiner Werke, die unter anderem schon in Wien, München, Berlin, Antwerpen, New York oder Husum ausgestellt waren, erstmals in Graubünden zu sehen. Derzeit arbeitet der mehrfach ausgezeichnete Künstler in drei Ateliers, so in seinem Heimatort Truden, wo er 1963 geboren ist, in Berlin und im rumänischen Cluj-Napoca, wo er junge Kunstschaffende unterrichtet. In seiner Kunst gehen Metaphorik und Konkretheit in stetigem Wechsel einher. Bosisio arbeitet an der durchsichtigen Verschwommenheit der Malmaterie und an Farbfeldern mit geschichteter Tiefe. Seine Bilder lassen nur aus einer gewissen Distanz konkrete Bildmotive erkennen. Ganz nahe betrachtet, lösen sich die Motive in unzählige Farben auf, Schicht um Schicht, aufgetragen in feinen Lasuren. Ein Gesicht wird so zu einem Zusammenspiel organischer Formen. Tritt man wenige Schritte zurück, verschwimmt das Bild wieder in einer Unschärfe. Tritt man noch weiter zurück, fügt sich das Gesicht wieder schemenhaft zusammen. Das Verschwinden und klarste Präsenz verzahnen sich zu scharfer Unschärfe. «Vermeer» heisst ein Bild. Ja, beeindruckend, man erkennt es, das Mädchen mit der Perle, auch ohne den unerhört sinnlichen Blickkontakt zwischen dem Betrachter und der aus dem Bild schauenden Figur. Bosisio ist es wichtig, dass seine Bilder einfach, ruhig und sachlich bleiben. Die äusseren Einflüsse sollten sich einzig in der Malerei Nur aus einer gewissen Distanz zu erkennen: Bilder von Robert Bosisio in der Galaria Fravi in Domat/Ems. (FOTO JUSCHA CASAULTA) widerspiegeln. Es gehe nur um Malerei und um das Gefühl, welches sie vermittelt. «Widerschein» heisst die Ausstellung in Domat/Ems, die vorwiegend Porträts zeigt. Die Gesichter werden zu immateriellen Lichtwesen. Bosisios Bilder verkörpern eine stille Poetik mit vielschichtigen Andeutungen. Zu seinen grössten Bewunderern zählt der deutsche Regisseur Wim Wenders. Er schreibt: «Das ist es, was Robert Bosisio malt: unsere Einstellung zur Kunst, unsere conditio humana als Träumer. Er bannt unser innerstes Sehen auf seine Leinwand, auf eine Art, die uns erlaubt, ganz neu zu definieren, was wir von der Malerei erwarten und warum wir sie so lieben (und brauchen).» Bis 12. April 2015. Öffnungszeiten: Donnerstag bis Samstag, von 18 bis 20 Uhr; Sonntag von 16 bis 17 Uhr, und nach Vereinbarung (079 913 12 35).
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