Rechtswissenschaftliches Institut Informations- und Kommunikationsrecht Lehrstuhl für Informations- und Kommunikationsrecht Prof. Dr. Florent Thouvenin HS 2015 30.09.2015 Seite 1 Rechtswissenschaftliches Institut Verfassungsrecht – Ablauf 1. Kommunikationsverfassung 2. Meinungs- und Informationsfreiheit 3. Medienfreiheit 4. Meinungs-, Informations- und Medienfreiheit – Verhältnis zu anderen Freiheitsrechten 5. Wirtschaftsfreiheit 6. Persönliche Freiheit 7. Schutz der Privatsphäre 8. Schutz der persönlichen Daten 30.09.2015 Informations- und Kommunikationsrecht - Prof. Dr. Florent Thouvenin Seite 2 Rechtswissenschaftliches Institut Kommunikationsverfassung Definition: Summe der informations- und kommunikationsbezogenen Grundrechte Im Vordergrund stehen hier: Meinungsund Informationsfreiheit (Art. 16 BV) Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV) Medienfreiheit (Art. 17 BV) 30.09.2015 Schutz der Privatsphäre (Art. 10 & 13 BV) Informations- und Kommunikationsrecht - Prof. Dr. Florent Thouvenin Seite 3 Rechtswissenschaftliches Institut Kommunikationsverfassung Weitere Kommunikationsgrundrechte: − Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art. 15 BV) − Sprachenfreiheit (Art. 18 BV) − Wissenschaftsfreiheit (Art. 20 BV) − Kunstfreiheit (Art. 21 BV) − Versammlungsfreiheit (Art. 22 BV) − Vereinigungsfreiheit (Art. 23 BV) − Petitionsrecht (Art. 33 BV) − Wahl- und Abstimmungsfreiheit (Art. 34 BV) 30.09.2015 Informations- und Kommunikationsrecht - Prof. Dr. Florent Thouvenin Seite 4 Rechtswissenschaftliches Institut Kommunikationsverfassung Kompetenzen: − Filmförderung (Art. 71 BV) − Post- und Fernmeldewesen (Art. 92 BV) − Radio und Fernsehen (Art. 93 BV) 30.09.2015 Informations- und Kommunikationsrecht - Prof. Dr. Florent Thouvenin Seite 5 Rechtswissenschaftliches Institut Kommunikationsverfassung Gemeinsamkeiten: − Unentbehrliches Element menschlicher Entfaltung − Grundlage jedes demokratischen Gemeinwesens − Kerngehalt: Zensurverbot (Art. 17 Abs. 2 BV) − − Systematische Vorzensur / nachträgliche systematische Zensur − Sämtliche Äusserungen Persönlicher Schutzbereich: jede natürliche und juristische Person 30.09.2015 Informations- und Kommunikationsrecht - Prof. Dr. Florent Thouvenin Seite 6 Rechtswissenschaftliches Institut Meinungs- und Informationsfreiheit (Art. 16 BV) − Meinung: «[…] die Gesamtheit der Mitteilungen menschlichen Denkens und alle möglichen Kommunikationsformen» (BGE 127 I 145 E. 4b) − Gewährleistung der Meinungs- und Informationsfreiheit − Recht auf freie Meinungsbildung, -äusserung und -verbreitung − Recht auf freien Empfang von Informationen − Recht auf freie Beschaffung von Informationen aus allgemein zugänglichen Quellen − Recht auf freie Verbreitung von Informationen 30.09.2015 Informations- und Kommunikationsrecht - Prof. Dr. Florent Thouvenin Seite 7 Rechtswissenschaftliches Institut Meinungs- und Informationsfreiheit (Art. 16 BV) Meinungsfreiheit Inhalt: − Auffanggrundrecht − Schutz unabhängig von Inhalt, Zweck, Form & Medium − Sachlicher Schutzbereich: − Meinungsbildung: enger Zusammenhang zu Informationsfreiheit, zu Wahl- und Abstimmungsrechten und zur Medienfreiheit − Meinungsäusserung/-verbreitung: gegenüber jeder Person; auch frei bzgl. Äusserungsmittel; auch Freiheit keine Meinung kundzutun − Freiheit eine Meinung zu haben: schwer greifbar; Äusserung nicht erzwingbar 30.09.2015 Informations- und Kommunikationsrecht - Prof. Dr. Florent Thouvenin Seite 8 Rechtswissenschaftliches Institut Meinungs- und Informationsfreiheit (Art. 16 BV) Meinungsfreiheit − Schranken: − Art. 36 BV − Spezialgesetzliche Einschränkungen − Schranken bei Sonderverhältnissen − Schranken im Internet 30.09.2015 Informations- und Kommunikationsrecht - Prof. Dr. Florent Thouvenin Seite 9 Rechtswissenschaftliches Institut Meinungs- und Informationsfreiheit (Art. 16 BV) Informationsfreiheit Inhalt: − Spiegelbild des Rechts auf freie Meinungsäusserung − Sachlicher Schutzbereich: − Informationen frei empfangen − Informationen aus allgemein zugänglichen Quellen beschaffen − Informationen frei verbreiten − Empfang von Rundfunkprogrammen − Allgemein zugängliche Quellen − Öffentlichkeitsprinzip 30.09.2015 Informations- und Kommunikationsrecht - Prof. Dr. Florent Thouvenin Seite 10 Rechtswissenschaftliches Institut Meinungs- und Informationsfreiheit (Art. 16 BV) Informationsfreiheit − Schranken: − Art. 36 BV − spezialgesetzliche Einschränkungen − Wahrheitspflicht akkreditierter Journalisten 30.09.2015 Informations- und Kommunikationsrecht - Prof. Dr. Florent Thouvenin Seite 11 Rechtswissenschaftliches Institut Meinungs- und Informationsfreiheit (Art. 16 BV) Digital Divide − Begriff: «the gap between those who have and do not have access to new forms of information technology» Zugangsfrage 30.09.2015 Fähigkeiten Fertigkeiten Informations- und Kommunikationsrecht - Prof. Dr. Florent Thouvenin Bildung Stellung, Macht, Teilnahme Sozial Kapital (ökonomisch, sozial, kulturell), Ressource n Materiell Lebenschancen, Freiheit Immateriell Technische Möglichkeiten Technologisch − Kluft beschreibt Ungleichheit auf 5 Ebenen: Seite 12 Rechtswissenschaftliches Institut Medienfreiheit (Art. 17 BV) − Freiheit von Massenmedien (Presse, Radio, Fernsehen und andere) aber kein numerus clausus erfasster Medien − Ungehinderter Nachrichtenfluss und freier Meinungsaustausch − Schutz der Herstellung und der Verbreitung von Medienerzeugnissen in der Öffentlichkeit − Verbot der Zensur (Art. 17 Abs. 2 BV) − Gewährleistung des Redaktionsgeheimnisses 30.09.2015 Informations- und Kommunikationsrecht - Prof. Dr. Florent Thouvenin Seite 13 Rechtswissenschaftliches Institut Medienfreiheit (Art. 17 BV) Inhalt: − Tatsachenbehauptungen und Meinungsäusserungen − Grosser Adressatenkreis − Unabhängig von Wirkung − Unabhängig von arbeitsteiligen Prozessen − Periodisch/einmal erscheinende Massenmedien − Übertragung durch technische Mittel − Gesamter Prozess des Medienerzeugnisses geschützt − Schützt Marktzutritt, Recherche, Publikation und Verbreitung − Pressefreiheit, Rundfunkfreiheit (Art. 93 BV) 30.09.2015 Informations- und Kommunikationsrecht - Prof. Dr. Florent Thouvenin Seite 14 Rechtswissenschaftliches Institut Medienfreiheit (Art. 17 BV) − Schranken: − Art. 36 BV − Gesetzliche Einschränkungen − Schranken aufgrund besonderer Rechtsverhältnisse − Gesteigerter Gemeingebrauch von öffentlichem Grund − Polizeiliche Generalklausel − Abgrenzung Wirtschaftsfreiheit: nur Äusserungen mit ideellem Inhalt 30.09.2015 Informations- und Kommunikationsrecht - Prof. Dr. Florent Thouvenin Seite 15 Rechtswissenschaftliches Institut Meinungs-, Informations- und Medienfreiheit Verhältnis zu anderen Freiheitsrechten Meinungsäusserungen im Rahmen von Wissenschaft oder Kunst Wissenschaftsfreiheit, Kunstfreiheit Religiöse Meinungsäusserungen Glaubens- und Gewissensfreiheit Äusserungen mit kommerziellem Zweck 30.09.2015 Wirtschaftsfreiheit/ Meinungsfreiheit? Informations- und Kommunikationsrecht - Prof. Dr. Florent Thouvenin Seite 16 Rechtswissenschaftliches Institut Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV) Sachlicher Schutzbereich: − Freie Wahl des Berufes − Freier Zugang zu einer privatwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit − Freie Ausübung einer privatwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit Funktionen: − Institutionelle (Art. 94 BV) − Individualrechtliche (Art. 27 BV) − Bundesstaatliche (Art. 95 ff. BV) 30.09.2015 Informations- und Kommunikationsrecht - Prof. Dr. Florent Thouvenin Seite 17 Rechtswissenschaftliches Institut Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV) − Menschenrechtlicher Aspekt = Schutz der Autonomie des Einzelnen in seiner beruflichen und wirtschaftlichen Entfaltung − Wirtschaftspolitische Bedeutung = Funktionselement der schweizerischen Wirtschaftsordnung − Schranken: − Art. 36 BV − grundsatzkonforme und grundsatzwidrige Einschränkungen − Massnahmen gegen Wettbewerb − Massnahmen mit wettbewerbsverzerrender Auswirkung 30.09.2015 Informations- und Kommunikationsrecht - Prof. Dr. Florent Thouvenin Seite 18 Rechtswissenschaftliches Institut Persönliche Freiheit (Art. 10 Abs. 2 BV) − erfasst «alle Freiheiten, welche elementare Erscheinungen der Persönlichkeitsentfaltung des Menschen darstellen.» − Kerngehalt: Folterverbot (Art. 10 Abs. 3 BV) − Physische Freiheit (körperliche Integrität und Bewegungsfreiheit) − Schutz gegen jegliche Eingriffe in körperliche Integrität − Schutz davor grundlos angehalten oder am Fortgehen gehindert zu werden (bei Festnahme und Inhaftierung) − Freie Bewegung innerhalb der Schweiz − Geistige Unversehrtheit − Schutz vor seelischem Leid 30.09.2015 Intensitätsabhängig Informations- und Kommunikationsrecht - Prof. Dr. Florent Thouvenin Seite 19 Rechtswissenschaftliches Institut Schutz der Privatsphäre (Art. 13 Abs. 1 BV) − Individuelle Selbstbestimmung − Auch hier nur «alle Freiheiten, welche elementare Erscheinungen der Persönlichkeitsentfaltung des Menschen darstellen» erfasst − Sachlicher Schutzbereich: − Gestaltung der Lebensführung, Pflege persönlicher Beziehungen − Schutz des sozialen Ansehens − Sexuelle Entfaltung − Selbstbestimmung beim Schwangerschaftsabbruch − Kenntnis der eigenen Herkunft − Selbstbestimmte Beendigung des eigenen Lebens − Postmortaler Schutz der Persönlichkeit 30.09.2015 Informations- und Kommunikationsrecht - Prof. Dr. Florent Thouvenin Seite 20 Rechtswissenschaftliches Institut Schutz der persönlichen Daten (Art. 13 Abs. 2 BV) − Informationelle Selbstbestimmung − Teilgehalt des verfassungsrechtlichen Persönlichkeitsschutzes − Sachlicher Schutzbereich: − Selbstbestimmung darüber mit wem und wann Informationen geteilt werden − Schutz vor Missbrauch der persönlichen Daten − Staatliches Erheben, Sammeln, Verarbeiten, Aufbewahren oder Weitergeben von personenbezogenen Informationen 30.09.2015 Informations- und Kommunikationsrecht - Prof. Dr. Florent Thouvenin Seite 21 Rechtswissenschaftliches Institut Schutz der persönlichen Daten (Art. 13 Abs. 2 BV) − Anspruch auf − Einsicht in amtliche Daten − Berichtigung unrichtiger Daten − Löschung widerrechtlicher oder zu lange angelegter Daten − Abgrenzung: − Prozessuale Einsichtsrechte Geltendmachung nur in hängigen Verfahren vs. Akteneinsicht und Beweis Einsichtsinteresse − Informationsfreiheit 30.09.2015 Persönlichkeitsnähe irrelevant Informations- und Kommunikationsrecht - Prof. Dr. Florent Thouvenin Seite 22
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