Herbert Holzheimer Endzeit

Herbert Holzheimer
Endzeit
20.03.2016 - 29.05.2016
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Vorwort
Die Kunststation Kleinsassen bietet seit ihrer Gründung 1979 gleichermaßen Raum für Kunstschaffende
aus der Region und experimentelle Kunst aus aller Welt.
Ziel dieser Ausrichtung ist bis heute, regionale und internationale Kulturlandschaften zu vernetzen und jungen
unbekannten wie etablierten Künstler/innen ein Forum
zur Präsentation ihrer künstlerischen Positionen zu bieten.
Mit der Ausstellung „Herbert Holzheimer: Endzeit“
stellt die Kunststation Arbeiten eines Künstlers aus der
Rhön vor, dessen Auseinandersetzung mit der Natur,
insbesondere mit dem Material Holz, sein ganzes Leben
prägte. Geboren in Langenleiten, blieb er seiner Heimatregion auch nach Ausbildung und Bildhauerstudium bis
heute treu. Seit Jahrzehnten fasziniert ihn die künstlerische Durchdringung des Naturstoffs Holz. Beim Betrachten seiner Objekte wird sein großes Einfühlungsvermögen in die Natur mit ihren faszinierenden Formen und
den Spuren ihrer Vergänglichkeit deutlich. Holz entfaltet
durch die Bearbeitung Holzheimers eine Tiefenwirkung,
die bewegt und nachdenklich macht.
In Kleinsassen ist er kein Unbekannter: Jahr um Jahr
nahm er an der Kunstwoche teil und stellte im Ort seine
mehr traditionellen Schnitzereien vor. 2007/2008 war
Herbert Holzheimer erstmals in der Kunststation in der
Ausstellung „Zeitliches und Ewiges – Sakrale Momente
in Zeiten des Umbruchs“ mit ergreifenden Werken seiner
Freien Kunst vertreten, und wir freuen uns sehr, dass er
nun unser Haus mit einer weiteren, außergewöhnlichen
Ausstellung ehrt.
Die Kuratie der Ausstellung liegt bei Dr. Elisabeth
Heil, der künstlerischen Leiterin unseres Hauses. Wir
danken allen Mitwirkenden für die Realisation des Ausstellungsprojekts. Wir danken der Sparkassenkulturstiftung Hessen-Thüringen und der Stiftung der Sparkasse Fulda für ihre Unterstützung.
Kleinsassen, den 2.3.2016
Monika Ebertowski
(Leiterin der Kunststation Kleinsassen)
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„Endzeit“ – Versenken in die Spuren von Leben und Zerfall
Für Herbert Holzheimer ist Holz weit mehr als ein
interessantes Rohmaterial, aus welchem durch Beilen,
Sägen und Schnitzen die vollkommen andere Gestalt
eines figürlichen oder abstrakten Kunstwerkes hervorgebracht werden kann. Freilich kann Holzheimer das auch.
Meisterlich hat er das Handwerk des Bildschnitzers und
Bildhauers in Bischofsheim und München erlernt und ein
Studium der Freien Bildhauerei in Nürnberg angefügt.
Was aber sein ganzes Augenmerk seit Jahrzehnten fesselt, sind alte, ge- und verbrauchte Materialien im Zerfall, darunter vor allem Holz.
Christi, der sich am Kreuz windet, sieht einen gefallenen
König mit schreiendem Antlitz, sieht das Entsetzen der
Umstehenden. Wie verkohlte Überbleibsel eines Naturdenkmals erscheinen die Figuren der Installation „Klage
um den gefallenen König“ – ohne Bearbeitungsspuren
eines Bildhauers. Doch dies täuscht. Herbert Holzheimer wirkt ein, bricht Holz aus, brennt, fixiert, greift auch
zu seinem bildhauerischen Handwerkszeug – doch er
nimmt sich selbst soweit zurück, dass sich der Arbeitsprozess nicht in den Vordergrund drängt. Um so mächtiger wirken die Figuren in ihrer „Urgewalt“.
Sein Blick auf die Natur erinnert an das erkennende Erschaudern der frühen Romantiker. Insbesondere
ziehen Holzheimer brüchige Naturdenkmäler an, morsches, wurmstichiges Holz, verstockte Wurzeln, abgefallene oder sich abschälende Rinden. Für ihn ist das
nichts Wertloses. Es sind die Spuren gelebten Lebens,
denen Holzheimer mit tiefer Ehrfurcht begegnet und die
er mit seinem ganzen Denken und Fühlen durchdringt.
Die Strukturen, die durch den Zerfall entstehen, haben
für ihn eine eigentümliche Schönheit. Über eine bloße
Ästhetik des Morbiden geht Holzheimer hinaus. Alles
in der Natur scheint beseelt zu sein. Und so sieht er in
Baumresten Gestalten, sieht klagende Gesten, Bewegungen voll Schmerz und Trauer, sieht einen Corpus
Welch handwerkliches Können dazugehört, zeigen
auch die „Häutungen“ – scheinbar abgefallene Rinden.
Tatsächlich gibt es echte „Abfall“-Stücke, doch zumeist
ist es Holzheimer selbst, der morsche Kirschbäume
„häutet“, das Holz herausschält, dem alten Stamm die
Haut abzieht. Eine mühevolle, schwierige Arbeit. Dass
die Rinde noch länger in sich stabil bleibt als das Holz
und diesem noch lange Halt gibt, fasziniert Holzheimer
und auch, welche Farbnuancen, welche Strukturen sich
außen und innen an den Häutungen abzeichnen. Auch
hier hilft er behutsam nach, um das für den Betrachter
zu verstärken oder sichtbar zu machen, was er selbst geschaut hat.
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Verwelkt,
getrocknete und gehängte Rhabarberblätter, 2016
Als ob die Arbeit mit Rinden nicht schon fragil genug
wäre, sammelt Holzheimer nun auch welkende Blätter,
trocknet sie und kostet geradezu alle Reize der schrumpfenden Formen aus. Mit lebenssatter Heiterkeit hängen
Rhabarberblätter mit ihren Stielen an einem Seil und
scheinen leicht zu schaukeln.
Herbert Holzheimer prangert nicht mit erhobenem
Zeigefinger Missstände an und erzählt doch in bisweilen
monumentaler Weise von Gefährdung, Zerbrechlichkeit
und Morbidität des Lebens. Vor allem lehren uns seine
Werke, Alterungen neu zu sehen und deren Spuren demütig und ehrfürchtig zu begegnen. Die Arbeiten des
Künstlers lassen kein nüchternes, distanziertes Betrachten zu. Sie bewegen tief und tragen religiöse Dimensionen in sich. „Endzeit“ bedeutet für Holzheimer nicht apokalyptischer Todesschrecken, auch nicht das Ende allen
Seins. Er sieht sie gelassen als letzten Abschnitt im Jetzt
und Hier, den es mit allen Brüchen und Verwerfungen,
Rissen und Narben auszuleben gilt und der auf etwas
noch Unbekanntes hinführt. Das wertzuschätzen, was
vorbeigeht, und zu einem Kunstwerk zu machen, verleiht der Endzeit einen tröstlichen Anflug von Ewigkeit.
Dr. Elisabeth Heil, Kuratorin
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Gekreuzigt, Apfelstamm, teilweise gebrannt, 3,50 m hoch, 1996
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Klage um den gefallenen König, Lindenholz gebrannt, 2015
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Gehäutet II-III, Kirschbaumrinde 2016
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Gehäutet I, Kirschbaumrinde 2016
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Serie Häutung, Kirschbaumrinde, 2014/2015
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Serie Häutung, Kirschbaumrinde, 2014/2015
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Serie Häutung, Kirschbaumrinde, 2016
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Serie Häutung, Kirschbaumrinde, 2016
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Verwelkt, getrocknete und gehängte Rhabarberblätter, 2016
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Metamorphose, verstocktes und verwurmtes Lindenholz, 2015
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Herbert Holzheimer
1952
1966 – 1969 1969 – 1976 1976 – 1978 1978 – 1983 seit 1983 seit 2009 in Langenleiten in der Rhön geboren
Ausbildung als Holzbildhauer an der Holzschnitzschule in Bischofsheim/Rhön
als Holzbildhauer im Kleinwalsertal, Oberammergau und Langenleiten tätig
Meisterprüfung an der Meisterschule für Holzbildhauer in München
Bildhauerstudium an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg
selbstständiger Bildhauer in Langenleiten
zusätzlich Fachlehrer an der staatl. Berufsfachschule für Holzbildhauer in Bischofsheim/Rhön
Kontakt
Herbert Holzheimer
Lindenstraße 112
97657 Sandberg-Langenleiten
Telefon 09701 1092
[email protected]
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Ausstellungsbeteiligungen und Einzelausstellungen
1983/84
1984
1984/85/86
1986
1986
1989
1989
1990
1990
1991
1997
2000
2002
2002
2004
2005
2005
2006
2006
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2008/09
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2010
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2011
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2012
2012
2012
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2014
2014
2014
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2015
2015
2015
Große Kunstausstellung, Haus der Kunst München (Gruppenausstellung)
Fränkische Kunst 84, Kunsthaus Nürnberg (Gruppenausstellung)
BBK Ausstellungen, in Würzburg, Bamberg, Koblenz (Gruppenausstellung)
Bildzeugnisse, Deutsche Gesellschaft für christliche Kunst, München (Gruppenausstellung)
Büchner-Polacek-Holzheimer-Wald, Deutsche Gesellschaft für christliche Kunst, München (Gruppenausstellung)
Propheten-Prophetie-Erfahrung (Wanderausstellung), Kardinal-Döpfner-Haus, Freising / Bildungswerk Rosenheim (Gruppenausstellung)
Bildsprachen, Katholische Akademie Rabanus Maurus, Wiesbaden (Gruppenausstellung)
Auferstehung, Diözese Würzburg, Marmelsteiner Kabinett (Gruppenausstellung)
ProFetisch, Maternushaus, Köln (Gruppenausstellung)
Zeichen, Galerie Mia Hochrein, Münnerstadt (Einzelausstellung)
Zeit, Otto-Richter-Kunsthalle, Würzburg (Gruppenausstellung)
Christusbilder, Domkreuzgang, Würzburg (Gruppenausstellung)
Zwei Bildhauer im Dialog, Bismark-Museum, Bad Kissingen (Einzelausstellung)
Spuren und Zeichen, Galerie im Saal, Eschenau (Einzelausstellung)
Bildhauerklasse Höpfner, Akademie der Bildenden Künste, Nürnberg (Gruppenausstellung)
Droll-Holzheimer, Kunstraum Aschach (Einzelausstellung)
„Ortung“ im Zeichen des Goldes, Spitalkirche, Schwabach (Gruppenausstellung)
Werden-Vergehen-Neuwerden, Hospizverein Rhön-Grabfeld e. V. (Gruppenausstellung)
Holzheimer & Holzheimer, Haus der Schwarzen Berge, Oberbach (Einzelausstellung)
Pflanzenwelten, Schloss Oberschwappach (Gruppenausstellung)
Zeitliches und Ewiges, Kunststation Kleinsassen (Einzelausstellung)
Wedell-Holzheimer, Bilder und Skulpturen, Kunstraum Aschach (Einzelausstellung)
Kunst und Kultur, Kloster Wechterswinkel (Gruppenausstellung)
Skulptur und Plastik – Graf, Holzheimer, Summa, Schloss Oberschwappach (Gruppenausstellung)
Pflanzenwelten, Altes Rathaus, Bad Kissingen (Gruppenausstellung)
Umbrüche, Domkreuzgang, Würzburg (Gruppenausstellung)
Wengart, Katholische Pfarrkirche, Ramsthal (Gruppenausstellung)
Neue Arbeiten, Haus der Schwarzen Berge, Oberbach (Einzelausstellung)
Kunst zur Passionszeit, Bruder-Franz-Haus, Kloster Kreuzberg (Gruppenausstellung)
Dreiklang, Schloss Oberschwappach (Gruppenausstellung)
Goldene Impressionen, Gallery Reinert, Karlsruhe (Einzelausstellung)
Spuren und Zeichen, Kloster Wechterswinkel (Einzelausstellung)
Kirche trifft Kunst, Pfarrzentrum Sandberg (Gruppenausstellung)
Neue Arbeiten, Bruder-Franz-Haus, Kloster Kreuzberg (Einzelausstellung)
Donner voir, Chateau d'Alba, Frankreich (Gruppenausstellung)
Rundschau, Galerie im Saal, Eschenau (Gruppenausstellung)
Kunst zur Passionszeit, Bruder-Franz-Haus, Kloster Kreuzberg (Gruppenausstellung)
Rundschau, Kloster Wechterswinkel (Gruppenausstellung)
Verborgen, Deutschordensschloss Münnerstadt (Einzelausstellung)
Rhüe, Spitäle Würzburg (Gruppenausstellung)
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Impressum
Herausgeber: Kunststation Kleinsassen e.V.
Copyright: Herbert Holzheimer, Kunststation Kleinsassen
Kuratie Kunststation Kleinsassen: Dr. Elisabeth Heil
Fotos: Die Fotos wurden vom Künstler zur Verfügung gestellt.
Layout: Joachim Schüler, Grafik Design 25
Wir danken unseren Unterstützern:
An der Milseburg 2 • 36145 Hofbieber-Kleinsassen
Fon: 06657 8002 • www.kleinsassen.de
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Sonntag und an Feiertagen,13 - 18 Uhr
(während der Winterzeit 13 - 17 Uhr)
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Spurensuche II, Brandbild-Objektkasten, 2000
Rückseite: Spurensuche I, Brandbild-Objektkasten, 2000
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