Zwischen Macht und Ohnmacht - Physio

Universität Hildesheim – Organization Studies – Changemanagement – Grossmann - Pluns
Changemanagement
zwischen
Macht und Ohnmacht
Antje Pluns
Physiotherapeutin Bsc.
Geibelstr. 60
30173 Hannover
Matrikelnummer 194954
WS 2006/7
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Universität Hildesheim – Organization Studies – Changemanagement – Grossmann - Pluns
Inhaltsverzeichnis
1
Einleitung .................................................................................3
2
Organisationsrolle ....................................................................3
3
Macht .......................................................................................4
4
Individuelle Einflussmöglichkeiten ...........................................6
5
Kommunikation ........................................................................9
6
Gemeinsam Veränderungsprozesse beschreiten.....................10
6.1
Führungsseite (Formale Organisationsmacht) .......................... 12
6.1.1
Struktur ........................................................................ 12
6.1.2
Kommunikation.............................................................. 13
6.1.3
Macht ........................................................................... 13
6.2
Mitarbeiterseite (Informale Gegenmacht)................................ 15
7
Fazit .......................................................................................16
8
Literatur .................................................................................18
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1 Einleitung
Organisationen stellen geplante Interaktionssysteme dar, in denen Akteure durch
die Einnahme von Positionen in einer Hierarchie konkrete, personenunabhängige
Funktionen im Hinblick auf das Organisationsziel zu erfüllen haben (Abraham und
Büschges 2004, 158). In Organisationen werden individuelle Beiträge in Ausrichtung auf den Organisationszweck koordiniert, wobei die Koordination der entsprechenden Akteure zum Problem werden kann, wenn z. B. die Organisationsziele unklar formuliert sind oder sich im Widerspruch zu den individuellen Wünschen und Bedürfnissen befinden (vgl. Abraham und Büschges 2004, 40f.). Dies
kann besonders in Changemanagementprozessen verstärkt der Fall sein, wenn
bisherige Strukturen, Ziele und Strategien verändert, aber unzureichend kommuniziert oder von den Akteuren nicht akzeptiert werden. Selbst wenn keine divergierenden individuellen Interessen im Spiel sind, kann die Koordination des
Handelns einzelner Akteure durch unvollständige Information zum Problem werden (Abraham und Büschges 2004, 157).
Diese Hausarbeit will die Probleme aufzeigen, die im Rahmen eines Changemanagementprozesses im Spannungsfeld zwischen Macht (Machtmissbrauch seitens
der Führung) und Ohnmacht (Resignation seitens der Mitarbeiter) entstehen
können. Dazu werden zunächst einige relevante Begrifflichkeiten definiert und
beschrieben: 1. die Differenzierung zwischen Individuum und Organisationsrolle,
2. Macht und Einflussmöglichkeiten und
3. die Voraussetzungen erfolgreicher
Kommunikation. Anschließend werden sinnvolle Handlungsoptionen für die Führer eines Veränderungsprozesses einerseits und die abhängigen Akteure anderseits entwickelt.
2 Organisationsrolle
Definierte Organisationsrollen bieten den Akteuren Handlungssicherheit in den
interdependenten Interaktionen, die Reaktionen von Interaktionspartnern werden
berechenbarer und die Notwendigkeit der Koordination von Handlungen wird auf
ein Minimum reduziert (Abraham und Büschges 2004, 161).
Individuen suchen sich in Organisationen im Rahmen ihrer mehr oder weniger
definierten Rolle einen Platz, mit dem sie sich entsprechend ihrer persönlichen
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Wünsche und Ziele arrangieren können. Dazu gehören neben der grundsätzlichen
finanziellen Absicherung auch Selbstverwirklichungs- und Entwicklungsaspekte,
sowie das Streben nach sozialer Beziehung und Anerkennung (Abraham und
Büschges 2004, 44). Inwieweit ein Akteur seine Einflussmacht im Rahmen seiner
Rolle nutzt oder ausbaut ist individuell verschieden. Nicht immer werden vorhandene Interpretationsspielräume erkannt und genutzt. Individuelles Verhalten
lässt sich auch durch noch so ausgeklügelte Rollensysteme nicht vollständig determinieren (Abraham und Büschges 2004, 159).
3 Macht
Macht kann sich im Gegensatz zur Gegenmacht1 in der Regel einer formalisierten
Struktur bedienen, die aus überindividuellen Vorstellungen besteht, die das
Kommunizieren und Handeln der Organisationsmitglieder in einer bestimmten Art
und Weise ausrichtet. Organisationsmacht entsteht letztendlich durch die Sinn
gebende Vorstellung der Organisation, die in den Köpfen ihrer Mitglieder konstruiert wird. Die meisten Menschen der westlichen Welt scheinen dabei das Bild
eines rational, diszipliniert arbeitenden, konsistenten Systems zu bevorzugen. In
diesem Bild ist der Vorgesetzte eine kompetente und gerechte Person, die ihre
Position rechtmäßig erworben hat. Diese Vorstellung erleichtert Gehorsam und
stabilisiert die Machtverhältnisse (vgl. Girschner 1990, 61 - 135). Durch Formalisierung werden Kommunikations- und Interpretationsprozesse geleitet und verkürzt und auch Handlungen erleichtert.
Die Gegenmacht kann sich wiederum „nur“ der informellen Struktur bedienen,
welche alle nicht vorgeplanten inoffiziellen Kontakte zwischen Organisationsmitgliedern umfasst. Sie kann unterschiedliche Inhalte, Formen und wechselnde
Personen aufweisen, wird jeweils durch aktuelle Anlässe geprägt, kann aber auch
mit der Zeit in festen Bahnen verlaufen (Dechmann und Ryffel 1997, 89). Das
informelle System ist der Ort, an dem Veränderungen, Widersprüche, Unsicherheiten und ungeeignete Regeln aufgedeckt und besprochen werden. Hier finden
auch Gespräche zu Anteilen der individuellen Persönlichkeiten statt, die im Rahmen der offiziellen Organisationsrolle außen vor bleiben, aber zum Beispiel bei
Luhmann beschreibt im Organisationskontext zwei Machtsysteme, nämlich die „formale Organisationsmacht“
und die „informale Gegenmacht“
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Krankheit, Schwangerschaft, drohender Arbeitslosigkeit u. a. m. von großer Bedeutung sein können.
Macht übt aus, wer andere mit seinem Wissen beeinflussen und zum Handeln in
seinem Sinne bewegen kann oder eine Wirkung auf das zukünftige Verhalten
oder die Einstellungen anderer Personen erzielen kann (Klemenz 2004, 2).. Für
Weber (1984, 89) bedeutet Macht die Chance innerhalb einer sozialen Beziehung
den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchsetzen zu können. Macht
kann aus zwei Perspektiven betrachtet werden, nämlich der persönlichen und der
strukturell verankerten Macht. Hierarchien sind als typisches Beispiel für klassische Machtstrukturen zu betrachten. Hierarchien bilden Menschen heraus, die
aufgrund ihrer Position in der Lage sind, andere zu behindern oder zu fördern.
Führung ist die sozial generalisierte Form der Macht. Sie dient der Übermittlung
von Informationen zum Aufgabeninhalt, zum Sinn und zur Funktion der jeweiligen Aufgabe und zu Rückmeldungen bezüglich der Zielerreichung bereits ausgeführter Aufgaben (Abraham und Büschges 2004, 193).
Einzelpersonen können sich in der Regel kaum schadfrei dieser Machtform widersetzen, wohl aber Gruppen. Dies ist auch der Grund, warum Führung das Gruppenklima im Auge behalten muss und subversiv veranlagte Individuen möglichst
schnell von der restlichen Gruppe isolieren sollte, damit ihre Machtposition nicht
gefährdet wird. Macht kann auch auf Autorität beruhen, welche wiederum auf
Tradition beruht und sich nicht zu rechtfertigen braucht (Luhmann 1975, 74f.).
Machtinhaber bedienen sich gerne solcher Begrifflichkeiten wie gemeinsame Verantwortung, Solidarität, Partizipation, Mitbestimmung, „wir sitzen doch alle in
einem Boot“, um die strukturellen Machtverhältnisse zu verschleiern (Merten
2000, 228).
Weitere mögliche Machtquellen nach Sülzer und Zimmermann (1996) sind: Bezahlung und Belohnung, Angst (vor Sanktionen), Legitimation, Identifikation, Expertenwissen, Informationsvorsprung, Kommunikations- und Verhandlungsgeschick, Kreativität, Beziehungsfähigkeit und Netzwerkbildung. Zusätzliche Machtquellen einer Organisation ergeben sich aus der Tatsache, dass Individuen einen
Teil ihrer Bedürfnisse durch Arbeit befriedigen. Dazu gehören u. a. das Bedürfnis
nach Sinn und Orientierung, nach persönlicher Entwicklung, nach gestaltender,
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zweckmäßiger Aktivität, nach Teilhabe, nach Beziehung, nach Anerkennung und
nach Kontrolle (vgl. Staub-Bernasconi 1995, 129f.).
Der Machtbegriff ist im deutschen Sprachgebrauch negativ besetzt, obwohl es
laut Klemenz (2004, 21) eigentlich dem individuellen menschlichen Wesen entspricht sich durch Einflussnahme individuelle Spielräume und Autonomie zu sichern, ohne deswegen gleich „schlecht“ oder „machtbesessen“ sein zu müssen.
Trotzdem wird Macht immer auch mit Gewalt, Herrschaft, Zwang und der Gefahr
des Machtmissbrauchs verbunden.
Machtausübung liegt auch dann vor, wo die Drohung und Verheißung unausgesprochen im Raum steht und der Machtausübende sich stillschweigend auf die
Phantasie, d. h. die Ängste und Hoffnungen derjenigen verlässt, deren Handeln
er beeinflussen möchte (Berner, Macht)2.
4 Individuelle Einflussmöglichkeiten und
informelle Macht
Das Ausfüllen einer Organisationsrolle ist an bestimmte Erwartungen seitens der
Interaktionspartner geknüpft. Möchte ein Individuum sein Verhalten abweichend
von den Erwartungen verändern, so ist zu prüfen, inwieweit die angestrebte Veränderung faktisch um- und durchsetzbar ist. Dies erfordert eine Analyse möglichst aller relevanter Einflussfaktoren: „Wie kommuniziere ich meinen Änderungsvorschlag gegenüber Vorgesetzten? Ist mit Sanktionen bezüglich meines
abweichenden Verhaltens zu rechnen? Welche fachlichen Voraussetzungen bringe ich mit? Wer oder was ist durch meinen Veränderungsvorschlag noch betroffen? Habe ich das nötige Durchsetzungsvermögen und Standing auch dem zu
erwartenden anfänglichen Widerstand Stand zu halten?“
Ist es beispielsweise einer Person gelungen, bestimmte spezielle Fähigkeiten ersichtlich zu machen und einzubringen, könnte dies eine offizielle Kompetenzerweiterung bewirken (Klemenz 2004, 36).
Neben der Handlungsfähigkeit (Kenntnisse, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Erfahrungen) unterscheiden Katz und Kahn (1966, 388f.) vier Motivationsmuster zur
Berner wird nur im Rahmen seines Changemanagement Lexikons (siehe Literaturhinweise) zitiert. Der Einfachheit halber weise ich immer nur auf das Stichwort hin, auf dass sich der zitierte Text bezieht
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Handlungsbereitschaft, nämlich die arbeitsvertragliche Bereitschaft, die belohnungsbedingte Bereitschaft, die Selbstverwirklichung und die Identifikation (mit
der Organisation und ihren Zielen). Die Organisationsleitung ist grundsätzlich
bestrebt den Handlungsspielraum der einzelnen Akteure aufgrund besserer Kontrollierbarkeit möglichst gering zu halten, während das Individuum zumeist versucht seinen Handlungsspielraum kontinuierlich zu erweitern (Abraham und
Büschges 2004, 163).
Grundsätzlich ist der Handlungs- und Gestaltungsspielraum von Individuen innerhalb einer Organisation abhängig vom Typus der Organisation, der Position
des Akteurs innerhalb des hierarchischen Systems und seiner Qualifikation (Abraham und Büschges 2004, 165). Hinzu kommt aber, dass Handlungsspielräume
völlig individuell wahrgenommen werden, nämlich abhängig von charakterlichen
Grundzügen (optimistisch - pessimistisch, eher Opfer - eher Täter usw.), der
wahrgenommenen Arbeitssituation, subjektiven Zukunftsaussichten, der grundsätzlichen Fähigkeit mit Unsicherheit und Widersprüchen umgehen zu können
und der subjektiv wahrgenommen Möglichkeit der Persönlichkeitsentfaltung.
Das Gefühl, gegen Organisationsentscheide nichts ausrichten zu können, sich
immer wieder fügen zu müssen, lähmt viele Menschen. Wenn Mitarbeiter aufhören zu denken und Verantwortung ablehnen, unterstützen sie dadurch die Gefahr
des Machtmissbrauchs und lassen Chancen der Einflussnahme ungenutzt verstreichen (Klemenz 2004, 2). Wenn Mitarbeiter keine Chance bekommen sich
aktiv einzubringen, wird laut Klemenz Potential verschwendet und die Organisationsentwicklung erschwert. Anderseits haben abhängige Akteure nicht immer die
wirklich „freie Wahl“. Im Zusammenhang mit drohender Entlassung wählt ein
Mitarbeiter wahrscheinlich eher den Weg der unauffälligen Anpassung und lässt
sich gegebenenfalls „freiwillig“ unterdrücken und ausnutzen (vgl. Klemenz 2004,
18). Grundsätzlich erzielt jedes Organisationsmitglied einen bestimmten Nutzen
aus der Partizipation am System und ist daher am Fortbestand der Organisation
interessiert. Dies wiederum führt aber zu einer erhöhten Abhängigkeit, was wiederum die Machtbasis der Organisation erhöht. Individuen, die auf ihren Arbeitsplatz angewiesen sind, lassen ihr Handeln leichter beeinflussen und akzeptieren
Organisationsentscheide häufig ohne Widerspruch (vgl. Girschner 1990, 87).
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Für jedes Individuum ist es wichtig, seine Grenzen und Möglichkeiten der Einflussnahme zu erkennen und zu nutzen. „Akzeptiere Dinge, die du nicht ändern
kannst, ändere Dinge die du ändern kannst und lerne beides voneinander zu unterscheiden“. Mit dieser Herangehensweise kann jedes Individuum seiner eigenen
Ohnmacht und daraus resultierender Resignation aktiv entgegen wirken und
vermeidet es, Energien unnütz zu verschwenden. Allerdings handelt sich dabei
um eine lebenslange Herausforderung.
Luhmann (1975, 78f.) trennt die Begriffe Macht und Einfluss und meint, dass
Macht grundsätzlich weniger motivationale Voraussetzungen benötigt als Einfluss. Im Gegenzug dazu würde das aber auch bedeuten, dass Personen aus einer relativ ungünstigen Machtposition heraus durchaus Einfluss ausüben können,
wenn sie in der Lage sind, ihre Umwelt entsprechend motivierend von ihrem Anliegen zu überzeugen.
Vorgesetzte sind auf Informationen und auf Kooperation seitens ihrer Mitarbeiter
angewiesen. Daher liegt das größte Machtpotential des Individuums in der Verweigerung eben dieser Leistungen. Ohne die Kooperation der Mitarbeiter sind
Vorgesetzte aufgrund der Komplexität eines Organisationssystems komplett
überfordert. Insofern dient eben diese Tatsache den Untergebenen als Machtquelle. Vorenthaltende oder gezielt einfließende Informationen seitens der Mitarbeiter können die Entscheidungen der Vorgesetzten erheblich beeinflussen. An
dieser Stelle erfolgt die Einflussnahme des formal machtlosen Individuums also
primär aufgrund von Boshaftigkeit oder Sympathiebekundung (Prott 2001,
219f.). Laut Prott ist jede Person grundsätzlich in der Lage, durch Verbindungen
und Beziehungen (also Nutzung der informellen Macht) eigene Interessen durchzusetzen.
Informelle Macht hat innerhalb einer Organisation die Aufgabe die Organisationsmacht zu „domestizieren“ (vgl. Luhmann 2000, 201), Struktur verändernde
Impulse zu geben, Veränderungsprozesse im Sinne der Kontrolle mitzugestalten
und „Fehlentwicklungen“ durch Hinweise oder Kooperationsverweigerung zu
stoppen. Die Gegenmacht basiert hauptsächlich auf der Möglichkeit der Kooperationsverweigerung und ist auf die Initiative Einzelner angewiesen, die in der Lage
und Willens sind, ihr Machtpotential zu erkennen und zu nutzen. Während forma8
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le Macht sich einfach auf ihre vorhandenen Strukturen stützen kann und somit
unabhängig von personellem Engagement ist, muss die informale Macht immer
wieder durch gezielt eingesetzten, persönlichen Kraftaufwand neu initiiert werden. Ohne Mut, Selbstbewusstsein und ein erhöhtes Engagement passiert praktisch gar nichts, und häufig mangelt es den Mitarbeitern eben genau daran. Der
Reproduktionsprozess der Organisationsmacht ist schon im Konstrukt der Organisation integriert, der der Gegenmacht jedoch nicht (vgl. Klemenz 2004, 30).
Informelle Zusammenschlüsse basieren auf Vertrauen. Dieses Vertrauen dient
der gemeinsamen Interessensdurchsetzung als Basis. Regelmäßige Treffen dienen dabei dem Meinungsaustausch, dem Schmieden gemeinsamer Pläne, einer
gemeinsamen Problemdefinition und der Gründung von Solidarität (vgl. Prott
2001, 212f.).
5 Kommunikation
Aus systemtheoretischer Sicht handelt es sich bei Kommunikation um die Grundoperation sozialer Systeme in Form einer dreifachen Selektion von Informationen, Mitteilung und Verstehen (Holm 2006, 94). Psychische Systeme (Menschen)
operieren im Unterschied zu sozialen Systemen auf der Basis von Gedanken,
welche wiederum Grundvoraussetzung für die Kommunikation sind. Dabei bleibt
der Mensch aber immer Umwelt sozialer Systeme und anderer Menschen, da sein
Bewusstsein über Gedanken und Vorstellung selbstreferentiell operiert.
Basis von funktionierender Kommunikation ist, dass Informationen mitgeteilt und
diese dann auch verstanden werden. Verstehen ist die Voraussetzung für weitere
Kommunikation. Zur Überprüfung von Verstehen dienen reflektive Operationen
wie Rückfragen oder Erläuterungen. Jede Form von Kommunikation ist insofern
riskant, als sie durch die mitgeteilte und verstandene Information eine Entscheidungssituation erzeugt, die auf Annahme oder Ablehnung hinausläuft, wobei die
Fortsetzung der Kommunikation sowohl auf der Basis von Konsens, als auch Dissens erfolgen kann. Es ist auch nicht notwendig, dass die beteiligten Akteure sich
überhaupt äußern. Häufig werden eigene Gefühle, Wahrnehmungen und Schlussfolgerungen auch verschwiegen (vgl. Holm 2006, 66). Das reine Verstehen reicht
aber nicht aus, um seitens der Akteure Akzeptanz und die Umsetzung in Form
von Handlungen erwarten zu können, besonders wenn die Mitteilungen in Form
von Rundmails oder Aushängen erfolgten.
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Die Wahrscheinlichkeit des Verstehens ist dann erhöht, wenn die Kommunikation
möglichen Dissens zulässt, das Gesprächsergebnis also nicht an die Herstellung
gemeinsamer Interessen gekoppelt ist. Verstehen ist interaktionsfrei und erfolgt
in Bezug auf den Zeitpunkt, den Ort und den Adressaten unbestimmbar (Holm
2006, 72f.). Schriftliche Mitteilungen ermöglichen Vergessen und Erinnern gleichermaßen in gesteigerter Form. Nach Luhmann erhöhen Wahrheit, Liebe, Geld
und Macht die Wahrscheinlichkeit erfolgreicher Kommunikation.
6 Gemeinsam Veränderungsprozesse
beschreiten
Der Begriff "Change Management" suggeriert ein einheitliches Fachgebiet. Doch
in Wirklichkeit verbergen sich dahinter völlig unterschiedliche Problemstellungen,
die eigentlich nur einen gemeinsamer Nenner haben: nämlich, dass es um Veränderungen geht, von denen eine größere Zahl von Mitarbeitern betroffen sind
oder sein werden (Berner 2002-2006, s. u. „Typologie“).
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein von Führungsebene initiierter
Changemanagementprozess, gleich welcher Natur, ohne die Akzeptanz und die
Kooperationsbereitschaft der Belegschaft zum Scheitern verurteilt ist. Formale
Veränderungsprozesse brauchen die Unterstützung der informalen Gegenmacht.
Diese könnte nämlich, wenn sie nicht „mitspielt“, die angestrebten Veränderungen scheitern lassen (Luhmann 2000, 22).
Jede Veränderung wird zunächst einmal auf seine Bedrohlichkeit hin untersucht
und nicht hinsichtlich des darin möglicherweise enthaltenden Potentials. Dabei
handelt es sich um eine evolutionsbedingte und bewährte Überlebensstrategie
(Berner 2002-2006, s. u. „Ängste“). Auch Girschner verweist auf eine vielen
Menschen innewohnende Scheu vor unübersichtlichen, ungewohnten und offenen
Situationen (vgl. Girschner 1990, 90). Insofern ist nicht damit zu rechnen, dass
Mitarbeiter einer Organisation in Begeisterung ausbrechen, wenn sie über voraussichtliche Umstrukturierungsmaßnahmen oder andere eingreifende Veränderungen informiert werden. Veränderungsprozesse bringen Ablehnung, Widerstände und Konflikte mit sich.
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Außerdem entstehen Konflikte, da innerhalb einer Organisation immer unterschiedliche Haltungen, Interessen und Ziele aufeinander stoßen, die es zu vereinbaren gilt. Ein allgemeines Harmoniestreben oder die Erfahrung, dass die Austragung eines Konflikts zu nichts führt, kann dazu beitragen, dass der Konflikt
latent und kalt bleibt. Er schwelt dann vor sich hin und beeinträchtigt das Betriebsklima (Sülzer und Zimmermann 1996, 104). Insofern empfiehlt es sich
Konflikte im Sinne von Entwicklungspotentialen zu nutzen und diese konstruktiv
und lösungsorientiert auszutragen. Solange sich Mitarbeiter aktiv widersetzen,
kann von einer konstruktiven Konfliktkultur und „Lebendigkeit“ die Rede sein,
denn über Aushandlungsprozesse können Veränderungen herbeigeführt werden.
Passiver Widerstand seitens der Mitarbeiter, wie hohe Fluktuation, hohe krankheitsbedingte Abwesenheit oder Kooperationsverweigerung weisen auf schwelende Konflikte hin, die den Vorgesetzten zwingen sollen sich mit Unklarheit, widersprüchlichen Zielen oder konkreten Problemen auseinanderzusetzen.
Einen Changeprozess zu führen erfordert Mut, eine gewisse Risikobereitschaft
und die Fähigkeit sozialen Druck auszuhalten und auch auf starke emotionale
Ausbrüche nicht mit Rückzugs- und Fluchttendenzen zu reagieren. Ein glaubwürdiges konsequentes Auftreten ist dabei unabdingbar. Dazu gehört es keine unerfüllbaren Versprechungen zu geben, selbst auferlegte Regeln nicht zu brechen
und veröffentliche Grundaussagen nicht bei nächster Gelegenheit über den Haufen zu werfen (Berner, Glaubwürdigkeit).
Der Organisationsalltag ist von Machtkämpfen geprägt: Vorgesetzte kämpfen
gegen Mitarbeiter und anders herum, Kollegen versuchen sich gegenseitig auszustechen, Abteilungen und Bereiche konkurrieren gegeneinander, der Betriebsrat
versucht der Geschäftsleitung eins auszuwischen usw., usw..
Dabei kann sich jede alltägliche Meinungsverschiedenheit zu einem Machtkampf
entwickeln. Häufig entfacht die Auseinandersetzung an einer Sachfrage und entwickelt sich unter zunehmenden Frust und Ärger zu einem persönlichen Konflikt.
Grundsätzlich geht es um die gegenseitige Demonstration von Dominanz, Überlegenheit und in der passiveren Variante um Selbstverteidigung. Jeder erhofft
sich durch eine verbesserte Position innerhalb der „Hackordnung“ auch bessere
Chancen. Die gegenseitige Unterstellung von Dummheit und Bösartigkeit, Neid
und Verachtung, Gefühle der Unterlegenheit, aber auch spontane Antipathien,
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führen zu überscheißenden Reaktionen und Eskalation. Machtspielchen sind laut
Berner mit erheblichen Kosten verbunden: Einbußen in Produktivität und Profitabilität, Verschleiß von Beziehungen, Verschwendung von Arbeitszeit und Verminderung der Arbeitsqualität können in Extremfällen die Existenz eines Unternehmens, auf jeden Fall aber die erfolgreiche Umsetzung eines Changeprojekts, gefährden. Persönliche Konflikte haben für die betreffenden Personen immer einen
höheren Stellenwert als Sachfragen, so dass über einen Machtkampf schon mal
die Unternehmensziele aus den Augen verloren gehen. Es wird nach Kräften blockiert und sabotiert und zwar unter dem Deckmäntelchen der Sachlichkeit.
6.1 Führungsseite (Formale Organisationsmacht)
6.1.1
Struktur
Hierarchien haben einerseits zwar den Vorteil, dass sie sehr stabil sind – sie
überdauern ja schließlich den einzelnen Menschen als Rolleninhaber – anderseits
aber aufgrund ihrer Starre Veränderung eher behindern (vgl. Petschniker 1999,
101). Hierarchien bringen Ungleichheit (Macht und Entlohnung) und bergen damit ein nicht unerhebliches Konfliktpotential. Solange ein allgemeiner Konsens
darüber herrscht, dass die entsprechenden Machtpositionen rechtmäßig besetzt
sind und Führungskompetenz höher honoriert wird als beispielsweise Sach- und
Fachkompetenz, kann Hierarchie durchaus eine leistungsmotivierende Wirkung
haben (soziologische Konsenstheorie). Wird die Ungleichheit aber als ungerecht
und willkürlich empfunden, oder ein Vorgesetzter als inkompetent, so kann die
Führungsebene nicht mit Solidarität und Kooperation seitens der Belegschaft
rechnen. Im Rahmen des Changemanagements wäre also bei einer Neubesetzung im Bereich der Führungsebene dafür Sorge zu tragen, dass die Entscheidung argumentativ sauber und nachvollziehbar kommuniziert wird, um auf Akzeptanz zu stoßen.
Veränderte Zielvorgaben, die einseitig formuliert sind und nur die Wünsche und
Ziele einiger weniger Organisationsmitglieder widerspiegeln, werden kaum auf
Verständnis und Zustimmung seitens der breiten Masse stoßen. Die Kraft und
das Potential eines freiwilligen „Ja, so machen wir es!“, wird auf diese Weise verspielt.
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6.1.2
Kommunikation
Es kommt nicht nur darauf an, was gesagt wird, sondern auch wer es sagt und
wie. Am glaubhaftesten ist es die Wahrheit zu sagen und zwar ohne Härte,
Übertreibung,
Abschwächung
oder
Verharmlosung
(Berner,
Change-
Kommunikation). Zur aktiven Beteiligung der Mitarbeiter empfiehlt Berner die
Einrichtung von Diskussionsforen im Intranet. Ergebnisprotokolle hält er im
Rahmen von Changeprozessen für ungeeignet, da nicht nachvollzogen werden
kann, wie es zu bestimmten Entscheidungen gekommen ist.
Im Rahmen von 4-Augen-Gesprächen lassen sich Verbündete gewinnen, Widerstände ausräumen, Konflikte klären und Erwartungen verdeutlichen.
Fehlende Informationen führen zu Interpretationen, Spekulationen und Gerüchten und damit indirekt zu einer Verstärkung der informellen Macht.
Unter Druck schauen die meisten Menschen nur noch auf sich selbst und kooperieren allenfalls aus Angst – keine optimale Voraussetzung zur Leistungsentwicklung. Außerdem sind die Mitarbeiter aus dieser Position i. d. R. nicht mehr in der
Lage, die Dinge auch aus anderen Perspektiven zu betrachten, was für den Changeprozess aber wichtig wäre. So gesehen sollte Druck nicht zu den bevorzugten
Umsetzungsstrategien des Changemanagements zählen.
Soll ein Change auf der Ebene der Unternehmenskultur erfolgen, so sind dabei
auch die Werte und Normen der Belegschaft betroffen. Diese lassen sich laut
Kirsch (1997, 118) am wirkungsvollsten in Form von informellen Gesprächen beeinflussen und verändern.
6.1.3
Macht
Die Tabuisierung von Eigeninteressen führt zu verdeckten Machenschaften und
Machtkämpfen, die Energie absorbierend wirken und nötige Handlungen verzögern oder verhindern (vgl. Klemenz 2004, 40). Im Zusammenhang mit Changemanagementprozessen, bei denen bestehende Machtstrukturen neu geordnet
werden, können sich auf Führungsebene Zukunfts- und Karriereplanungen komplett verändern. Da die wenigsten Menschen bestehende Machtstellungen gerne
einbüßen, ist damit zu rechnen, dass sie im Eigeninteresse versuchen werden um
ihre Position zu kämpfen und dass nicht unbedingt im Organisationsinteresse.
Auch Berner (2002-2006) hält Macht für das Tabuthema der Wirtschaft schlecht
hin, noch vor Gehältern, Sex und Politik. Da Macht im deutschen Sprachgebrauch
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fasst immer mit Machtmissbrauch suggeriert wird, geben Manager zwar zu, dass
es wichtig ist Einfluss zu haben – sonst kann man schließlich nichts bewirken –
aber an Macht seien sie nicht interessiert. „Über Macht spricht man nicht – Macht
macht man“ (Zitat eines anonymen Vorstandsvorsitzenden). Leider werden die
Gefahr des Machtmissbrauchs und verdeckter Machenschaften auf diese Weise
noch verschärft.
Auch erfolgt keine ausreichende Reflexion über den professionellen Umgang mit
Macht, woraus sich ein oft ungeschickter Umgang mit Macht ergibt (vgl. Berner,
Macht). Professioneller Umgang mit Macht bedeutet nach Berner, dass über das
fachliche Können hinaus, berufliche Werte und Normen das Handeln bestimmen,
nämlich Anstand, Pflicht- und Ehrgefühl. Professioneller Machtgebrauch bewegt
sich jenseits von reinem Erwerbssinn und der Erwartung von Gegenleistungen.
Unprofessioneller Machtgebrauch wäre demnach, eigene Interessen und Bedürfnisse über die „Sache“ zu stellen oder härter ausgedrückt: sich ungerechtfertigte
Vorteile zu verschaffen, hemmungslos Ego-Trips auszuleben, Kritik und unerwünschte Meinungen zu unterdrücken oder „Gegner zu vernichten“ (Berner,
Machtmissbrauch).
Leider ziehen Machtpositionen Menschen mit bestimmten Persönlichkeitsstrukturen besonders stark an. Macht eignet sich laut Adler (Individualpsychologe, gestorben 1937) besonders gut um Minderwertigkeitsgefühle zu kompensieren,
wobei man sich selbst erhöht, indem man Dritte erniedrigt. Sachbezogener
Machteinsatz ist laut Berner fördernd, aufbauend, entwickelnd, voranbringend
und dient der Gemeinschaft. Konstruktive Machtausübung kommt ohne Demütigungen und spektakuläre Siege aus und wird in der Regel kaum wahrgenommen.
Machtkämpfe, die ausschließlich der Demonstration persönlicher Überlegenheit
und Geltung dienen, sind zu vermeiden und vom Gebrauch „konstruktiver Gestaltungsmacht“ (Berner, Machtkämpfe) zu unterscheiden.
Im erfolgreichen Changemanagement wird professioneller Machtgebrauch als
unumgänglich betrachtet, da bestimmte Prozesse in einer gewissen, den Umweltanforderungen angepassten, Geschwindigkeit durchlaufen werden müssen,
um die Überlebensfähigkeit eines Unternehmens zu sichern. Demokratische „Un14
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endlichdiskussionen“ sind an dieser Stelle nicht indiziert, was nicht heißt, dass
die Belegschaft außen vor gelassen werden, sondern v. a. im Rahmen eines dauerhaft installierten Changemanagements integriert werden sollte.
6.2 Mitarbeiterseite (Informale Gegenmacht)
Wenn ein Mitarbeiter Verbesserungsvorschläge zur Arbeitsprozessoptimierung
hat, wird er diese unter Bedingungen, bei denen potentielle Einsparungsmöglichkeiten immer mit Personalabbau gleichgesetzt werden, verschweigen. Könnte er
sicher sein, dass die Einsparung durch sein Optimierungsangebot z. B. im Rahmen der Produktentwicklung eingesetzt würde, sähe seine Entscheidung sicherlich anders aus.
Macht auszuüben bedeutet Initiative zu ergreifen und verlangt Handlungen (Klemenz 2004, 39). Als Einzelperson hat man gegenüber formalen Machtstrukturen
wenig Spielraum. Daher empfiehlt es sich für das unzufriedene Individuum sich
in informellen Interaktionssystemen zu solidarisieren und gemeinsam zu versuchen Probleme zu bewältigen. Einseitige Schuldzuweisungen sind grundsätzlich
von keiner Seite aus zu empfehlen, da sie retrospektiv und nicht lösungsorientiert ausgelegt sind. Auch ist es wenig sinnvoll im Rahmen der Möglichkeiten
„nur“ eine Gegenmacht aufzubauen, die im Sinne einer Front alle anvisierten
Veränderungen ausbremst oder blockiert und zwar ohne Betrachtung und Beurteilung der Inhalte bzw. möglicher Vorteile. Vielmehr erscheint eine Ausformulierung der eigenen Bedenken oder eine detaillierte Problembeschreibung bei
gleichzeitiger Entwicklung möglicher Lösungsvorschläge zielführend. Allerdings
sollte die Frustrationsgrenze an dieser Stelle nicht zu niedrig liegen, denn Mitarbeitervorschläge werden aus den unterschiedlichsten Gründen nicht immer gerne
gesehen, da Individuen, wie ja bereits weiter oben erläutert, die eigenen Vorschläge präferieren, vermutlich auch dann, wenn sie rein faktisch anderen Vorschlägen unterlegen sind. Gerne wird an solcher Stelle aber auch mit dem „Totschlagargument“ gearbeitet, dass die Mitarbeiter die Tragweite eine Entscheidung nicht beurteilen könnten. Ich weiß nicht, was hier wirklich zu raten ist, außer stoischer Kontenance.
Viele Mitarbeiter behaupten, dass sie keine andere Wahl als die Anpassung hätten, da sie sonst mit schwersten Nachteilen, z. B. bzgl. ihrer Karrierechancen, zu
rechnen hätten. Diese Argumentation hielte sich laut Berner auch dann stand15
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haft, wenn aufgezeigt werde, dass im gleichen Unternehmen auch Konflikt bereitere Kollegen durchaus erfolgreich sein können. Wer den Weg der (Über)Anpassung geht, sollte für sich selbst überprüfen, ob nicht eigentlich Konfliktscheu und „Feigheit“ dahinter stehen. Wer nichts wagt, kann nichts gewinnen,
wobei natürlich immer die Gefahr der Niederlage besteht.
„Macht lebt von denen, die sich ihr unterwerfen, mindestens ebenso wie von denen, die sie ausüben. Nur weil die einen mitspielen, haben die anderen Macht“
(Berner, Macht/Überanpassung).
7 Fazit
Machtmissbrauch und Ohnmachtsgefühle entstehen in Changeprozessen v. a.
dann, wenn statt der Sache – z. B. das Überleben eines Unternehmens - persönliche Ziele in den Vordergrund gestellt werden. Idealistische Sachziele haben dabei das Problem, dass sie im Zweifelsfall persönlichen Zielen und Eitelkeiten hinten angestellt werden. Selbst die Tatsache, dass dem „Wirt“ (hier dem Unternehmen) über die eigenen, egoistischen Machenschaften der Todesstoß beigebracht werden könnte, bremst den rach- und machtsüchtigen Agisten selten an
seinem Tun – ähnlich wie Krebszellen letztendlich immer ihren Wirt umbringen
und damit auch sich selbst.
Der professionell agierende Leiter eines Changemanagementprozesses wird bei
jeder Handlung überprüfen, inwieweit er tatsächlich noch im Sinne der Sache und
nicht im Sinne der eigenen Vorteile vorgeht. Jeder verantwortungsbewusste Mitarbeiter ist gehalten sich der „herrschenden Meinung“ anzupassen, nicht blind,
passiv und kritiklos, aber auch nicht dickköpfig und sperrig blockierend und auf
der eigenen Meinung beharrend. Die wirklich große Herausforderung ist nicht
primär die eigene Meinung durchzusetzen – komme was wolle – sondern festgelegte Ziele auch dann tatkräftig zu unterstützen, wenn sie offensichtlich der Sache, aber leider nicht der eigenen Meinung oder Vorstellung entsprechen. Hier
zeigt sich wirkliche Größe und es ist nicht die Rede von Duckmäusern und Mitläufern!
Der professionelle Gebrauch von Macht ist in Changeprozessen unumgänglich,
damit Veränderungen koordiniert und zielstrebig in einem vernünftigen - möglicherweise für das Unternehmen überlebenswichtigen – Zeitrahmen umgesetzt
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werden können. Die Beteiligung der Belegschaft ist v. a. für den laufenden Changeprozess relevant, denn Phasen der Stabilisierung und Konsolidierung gibt es
praktisch nicht (mehr), sondern der ständige Fluss der Veränderungen sollte von
allen Beteiligten mit Sachverstand, Goodwill und dauerhaftem positiven Input
unterstützt werden.
Der Umgang mit Informationen kann von allen Beteiligten im Sinne des Machtmissbrauchs verwendet werden. Der professionelle Einsatz von Kommunikation
beinhaltet aber, dass alle Beteiligten bestmöglich über den Stand der Dinge informiert werden und zwar in einer Art und Weise, dass daraus Verstehen entstehen kann, was zwar keine Gewähr, dennoch aber die Voraussetzung für Akzeptanz darstellt. Akzeptanz kann auch außerhalb von Konsens entstehen, birgt aber
immer das Problem, dass Kräfte gegen einen inneren Widerstand mobilisiert werden müssen. Insofern ist die Wahrscheinlichkeit einer gelingenden Changeprozedur erhöht, wenn es dem Management gelingt, einen möglichst hohen Anteil der
Belegschaft für die „Sache“ zu gewinnen. Dies wiederum ist sehr viel wahrscheinlicher, wenn es wirklich um die Sache und nicht um persönliches Machtgerangel
geht, worauf die meisten Menschen empfindlich reagieren und beginnen, ihre
Kooperation zu verweigern.
In einem Changeprozess ist es besonders wichtig, den Beteiligten Handlungssicherheit zu geben und die neuen Organisationsrollen möglichst klar zu kommunizieren. Da seitens der Belegschaft in solchen Prozessen erhöhte Gefahr von Ohnmachtsgefühlen und Resignation besteht, sollte klar formuliert werden, an welchen Stellen Handlungszwang besteht, wo es Gestaltungsspielräume gibt und an
welchen Stellen v. a. für zukünftige Prozesse kreative Beteiligung der Mitarbeiter
erwartet und erhofft wird.
Mitarbeitern einer Organisation sollte klar sein, dass es grundsätzlich immer
Möglichkeiten der Mitgestaltung gibt, dass diese aber immer an einen erhöhten
Energieaufwand und hohen individuellen Einsatz gekoppelt sind und natürlich
nicht frei von Gefahren, besonders wenn die Kommunikationspartner der hierarchischen Macht eher persönliche Ziele verfolgen.
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Machtungleichgewicht entsteht u. a. durch Abhängigkeiten, wobei es keineswegs
immer so ist, dass die Organisation sich in der stärkeren Position befindet, denn
es hat ja bekanntlich auch schon Phasen des Arbeitskraftmangels gegeben und
auch hoch qualifizierte Mitarbeiter befinden sich durchaus in einer „mächtigen“
Ausgangslage. In der freien Marktwirtschaft hat dabei eine Sichtweise herausgeprägt, aus der heraus jeder Beteiligte immer versucht ein Optimum aus seiner
jeweiligen Position herauszuholen. Entspannend wirkt in solchen Situationen,
wenn die Beteiligten, aus einer gewissen moralischen Verantwortung heraus, ihre
Machtposition nicht ungehemmt ausspielen.
In dieser Arbeit wurde der Aspekt der Verantwortung, besonders der moralischen, mehr oder weniger ausgespart, weil er den Rahmen gesprengt hätte.
Dennoch möchte ich an dieser Stelle anmerken, dass ich mir dieses Mankos bewusst bin, denn der Gebrauch von Macht ohne ein entsprechendes Verantwortungsgefühl erscheint mir viele Gefahren zu bergen.
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