Umnutzung als Anlageoption

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MÄRKTE
Implenia Modernisierungsstudie 2015
Adrian Wyss
Umnutzung als Anlageoption
n Vor allem Innenstädte bieten das Potenzial
für Umnutzungen von leer stehenden Büros in
Wohnungen. Hier im Bild Zürich. (Foto: usz)
Das Marktpotenzial für Umnutzungen ist in der Schweiz vorhanden. Dies stellt I­ mplenia
in einer Modernisierungsstudie fest. Eigentümer sollten diese Option vor allem
für nachfrageschwache, sanierungsbedürftige Liegenschaften an guten bis sehr guten
Wohnlagen prüfen.
Nach mehr als einer Dekade an Wertzuwächsen und Bauvolumen sind die
Herausforderungen am Schweizer Immobilienmarkt grösser geworden. Anleger müssen sorgsam definieren, wo sie in
welchem Segment zu welchem Preis investieren möchten. Um Fehlinvestitionen
zu vermeiden, benötigen sie vor allem bei
Altliegenschaften eine klare Vorstellung,
welche Potenziale sich zukünftig noch
mobilisieren lassen und wo die Risiken
stecken. Das erfordert eine Planung in Varianten.
Vorsichtige Investoren
Durch die unterschiedlichen Punkte im
Immobilienzyklus der Segmente Wohnen
und Büro ist das Thema Umnutzung als eine
Variante wieder aktuell. Die Leerstände
im Mietwohnungsmarkt sind in der Regel
nach wie vor tief und die durchschnittliche
Mietpreisentwicklung ist positiv. Zwar verstärken sich die Vermietungsprobleme in
vielen peripheren Gemeinden. In urbanen
Gegenden ist die Absorption aber weiterhin gut. Diese Situation wirkt sich auch auf
den Anlagemarkt aus. In den Grosszentren
werden für stark nachgefragte Wohnliegenschaften hohe Preise bezahlt. Die
Rendite fällt entsprechend tief aus.
Dagegen sind die Investoren bei Büroimmobilien vorsichtiger geworden angesichts der schwächeren Mietmarktaussichten. Im Gegensatz zum Mietwohnungsmarkt werden im Bürobereich Objekte
verschiedener Qualitäten bereits deutlich
differenzierter gepreist. Die Nachfrage für
A-Klasse-Büroliegenschaften mit Langzeitverträgen bleibt auch an grossstädtischen
B-Lagen rege, während das Interesse an
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Objekten in C-Lagen sowie Liegenschaften
mit unattraktiver Mieter- oder Gebäudestruktur deutlich tiefer ausfällt.
Punktuell hohe Potenziale
Wo es Büroflächen im Vergleich zu Mietwohnungen besonders schwer haben,
zeigt ein lokaler Vergleich der Mietzinsniveaus. An sehr guten Bürostandorten in
attraktiven Geschäftsvierteln mit unmittelbarer Nähe zu Bahnhöfen ist kein Potenzial
vorhanden. Hier fällt das Ertragspotenzial
auch von älteren Büroliegenschaften immer noch höher aus als für Wohnnutzungen. Auch die unmittelbaren Innenstädte
sind besser als ihr Ruf, mit zum Teil sinkenden Leerständen im Bürosegment. Bewegt
man sich dagegen in die Nähe von attraktiven Wohnquartieren oder Zentrumszonen
abseits der Hauptgeschäftsviertel, wächst
das Potenzial sehr schnell in Bereiche, wo
Umnutzungen zur renditesichernden und
risikoreduzierenden Option werden. In
Genf betrifft das zum Beispiel die Gegend
südöstlich der Innenstadt sowie die südwestlich angrenzenden Gemeinden. In
­Basel sticht das Quartier Gundeldingen heraus. In Zürich, wo sich das grösste Potenzial verbirgt, sind es die Kreise 9, 10, 6 und
12. Sie fallen hinsichtlich ihrer Standortattraktivität für Geschäftsflächen gewissermassen zwischen Stuhl und Bank der
Hauptgeschäftsgebiete City, Zürich Nord
und Wallisellen.
Das richtige Produkt
am richtigen Ort
Die Entscheidung, eine Umnutzung anzustreben, muss letztlich mit einer genauen
Produktdefinition fundiert werden. Im Falle von Fehlkonzeptionen nützt das grösste Marktpotenzial nichts. Dabei werden
Potenziale häufig zu stark auf die Ertragsseite reduziert. Die Kosten spielen eine
zentrale Rolle. Diese werden häufig falsch
eingeschätzt. So müssen vom zukünftigen
Mehrertrag zum Beispiel nur die wertvermehrenden Umnutzungskosten getragen
werden, nicht jedoch die zum Teil hohen
Instandsetzungskosten älterer Liegenschaften. Denn die Instandsetzung müsste
auch erfolgen, wenn die Objektstrategie
eine Fortführung als Bürofläche vorsehen
würde.
Erfolgsfaktoren für langfristig rentable
Umnutzungen sind letztlich gute lokale
Marktkenntnisse, klare Vorstellungen von
Zielgruppen, realistische Einschätzungen
zukünftiger Ertragspotenziale, innovative
und kreative Ideen zur Schaffung attraktiver Flächen und Räume und frühe Kostensicherheit. n
Der Text entstammt der Modernisierungsstudie
2015 von Implenia in Zusammenarbeit mit Jones
Lang LaSalle. Die Studie ist erhältlich bei Implenia
Schweiz AG – Modernisation & Development, Binzmühlestrasse 11
, 8050 Zürich,
Tel. 058 474 75 00.
«Leerstände halten sich in Grenzen»
Für Adrian Wyss, Leiter Modernisiation und Development bei Implenia, ist das Umnutzungspotenzial von Büros und Wohnungen gross. Es
brauche aber viel Erfahrung, um die Risiken richtig einzuschätzen und
das Projekt umzusetzen.
Angesichts der vielen leer stehenden Bürogebäude wird oft von Fehlplanungen gesprochen. Wurden in den letzten Jahren zu viele Büroflächen
gebaut?
Adrian Wyss: In den letzten Jahren wurde aufgrund der tiefen Zinsen
viel gebaut. Das ist aber nur eine Seite der Medaille. Gleichzeitig haben die Finanzbranche und viele andere Dienstleistungsunternehmen ihren Flächenbedarf optimiert und Personal auf bestehenden
oder neuen Flächen zusammengezogen. Das Beschäftigungswachstum im Dienstleistungssektor war dabei insgesamt zu schwach, um
die alten Flächen wieder füllen zu können. Angesichts dessen würde
ich sagen, dass sogar gut geplant wurde. Trotz der ungünstigen Kombination von Anlagenotstand und Nachfrageschwäche halten sich die
Leerstände in Grenzen.
Eine Umnutzung von Büroflächen in Wohnungen ist für viele Leute die
offensichtlichste und effizienteste Möglichkeit, das Problem zu lösen. Wo
machen Umnutzungen Sinn?
Für eine sinnvolle Umnutzung müssen viele Faktoren zusammenpassen. Es gibt Bürogebäude in attraktiven Misch- oder Wohnzonen, die
jedoch verkehrstechnisch schlecht erschlossen sind oder deren Ausstattung nicht mehr zeitgemäss ist. Hier ergibt sich allenfalls eine Differenz zwischen Büro- und potenziellem Wohnertrag und es lohnt
sich, genauer hinzuschauen. Stimmen zudem die Gebäudegeometrie
und die Ausrichtung mit den Wohnanforderungen überein, ist dies ein
aussichtsreicher Kandidat. Was aber viele Leute nicht sehen, ist, dass
der Teufel beim Umbauen im Detail steckt. Es braucht viel Erfahrung,
um die Risiken richtig einzuschätzen und das Projekt umzusetzen.
Sie erarbeiteten Kostenberechnungen darüber, welche Strategie die finanziell tragbarere ist: ein Ersatzbau oder ein komplizierter Umbau. Wie
lautet Ihr Fazit?
Wenn sich die Bausubstanz nicht für attraktive Wohnungen eignet,
wenn sogar Gesundheitsrisiken bestehen oder wenn man durch
einen Ersatzneubau deutlich mehr Fläche generieren kann, ist die
Antwort einfach: Neu bauen. Aber oft ist man baurechtlich eingeschränkt oder aber man würde durch Zonenplanrevisionen mit einem
Neubau gar Fläche verlieren. In der Regel hilft für die Entscheidung
nur eine fundierte Analyse.
Umnutzungen machen vor allem in Zentrumslagen Sinn. Doch viele Investoren scheuen die regulatorischen Hürden, die bei einer Umnutzung
in innerstädtischen Lagen entstehen und bauen lieber in der Peripherie.
Dort steigt aber das Leerstandsrisiko. Wie gewichten Sie die beiden
­Risiken?
«Für eine
sinnvolle
Umnutzung
müssen viele
Faktoren
zusammenpassen.»
Adrian Wyss,
Leiter Modernisiation
und Development
bei Implenia
Regulatorische Hürden kann man, sofern sie nicht unüberwindbar
sind, ebenso bewältigen, wie bauliche Risiken im Bestand. Dafür erhält der Kunde eine langfristig vermietbare Liegenschaft an einer
nachhaltig guten Lage. Die Leerstandsrisiken in der Peripherie werden dagegen viel stärker vom zukünftigen Bevölkerungswachstum
und vom Bau von Konkurrenzprojekten beeinflusst. Es entsteht ein
Verdrängungswettbewerb, in dem die Häuser mit der schlechteren
Mikrolage das Nachsehen haben. Dieses Risiko lässt sich kaum beeinflussen.
Welche Schweizer Städte sind punkto Umnutzungen von Büros in Wohnungen vorbildlich?
Die Stadt Basel beschäftigt sich seit längerem mit Umnutzungsmöglichkeiten. Aber schon frühere Analysen sind zum Schluss gekommen,
dass es stark auf Einzelfälle ankommt. Aus Wohnungsmarktsicht würden sich Umnutzungen anbieten, denn Basel hat Wohnungsknappheit. Aber auf der anderen Seite geht es dem Büroflächenmarkt in
Basel viel besser als in Zürich oder in Genf. Insofern ist das Potenzial
limitiert. In Genf versucht man durch eine Lockerung der Gesetzgebung im Bereich Umbau (LDTR) Umnutzungen zu fördern: So werden
Mieten von Wohnungen, die aus Büros entstehen, nicht mehr staatlich
reguliert.
Interview: Remi Buchschacher
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