02.02.2016 Reform des Bauvertragsrechts: Abschlagszahlung Executive Summary > Die Höhe einer Abschlagszahlung soll sich nicht mehr nach dem – streitanfälligen – Terminus des „Wertzuwachses für den Auftraggeber“ richten, sondern nach dem „Wert der vom Unternehmer erbrachten und nach dem Vertrag geschuldeten Leistung“. > Bei wesentlichen Mängeln können Abschlagszahlungen nicht mehr vollständig verweigert werden, sondern – wie bei unwesentlichen Mängeln – nur anteilig gekürzt werden. > Insgesamt erfolgt eine inhaltliche Annäherung der BGB-Regelungen an die VOB/B-Regelungen. Nach der gesetzlichen Grundkonzeption des Bauvertragsrechts ist die Vergütung eines Werkunternehmers erst dann fällig, wenn er das gesamte Werk hergestellt hat und wenn das gesamte Werk auch abgenommen wurde. Der Unternehmer muss damit grundsätzlich mit seinen Arbeiten sowie auch mit seinem Materialeinsatz in Vorleistung und Vorfinanzierung gehen und trägt somit insbesondere das Risiko der Insolvenz seines Auftraggebers. Um diese Vorleistungspflicht und das mit ihr einhergehende Ausfallrisiko abzumildern, eröffnet die Regelung des § 632a BGB – seit ihrer Einführung im Jahr 2000 – dem Unternehmer unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit vom Besteller der Bauleistung (= Auftraggeber) Abschlagszahlungen zu verlangen. Allerdings weist die Bestimmung des § 632a BGB zwei zentrale Schwächen auf: Einerseits knüpft das Recht auf Abschlagszahlungen an den streitanfälligen Terminus des „Wertzuwachses beim Besteller“ an, andererseits erlaubt § 632a BGB dem Auftraggeber beim Vorliegen wesentlicher Mängel die vollständige Verweigerung von Abschlagszahlungen. Auseinandersetzungen über die korrekte Bezifferung des Wertzuwachses sowie Zank darüber, ob Mängel „wesentlich“ sind oder nicht sind damit vorprogrammiert. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat nun einen Referentenentwurf für eine Reform des Bauvertragsrechts vorgelegt, die bereits Anfang 2017 umgesetzt werden soll. Darin enthalten ist auch ein Vorschlag zu einer Neuregelung der Vorschriften zur Abschlagszahlung. Die geplanten Änderungen und deren Auswirkungen für die Bauwirtschaft stellen wir in diesem GSK Update vor. 1. Höhe einer Abschlagszahlung bemisst sich künftig nach dem Wert der vom Unternehmer erbrachten Leistungen a) Hintergrund Im Rahmen des Forderungssicherungsgesetzes (FoSiG) wurde § 632a mit Wirkung zum 01.01.2009 zuletzt dahingehend abgeändert, dass die Höhe einer Abschlagszahlung danach berechnet wird, welcher „Wertzuwachs“ auf Seiten des Bestellers durch die bisher erfolgten Leistungen eingetreten ist. Diese – aktuell gesetzlich vorgegebene – Bemessungsgröße birgt in der Praxis Probleme, da die Werthaltigkeit von durch den Unternehmer vorgenommenen Leistungen für den Auftraggeber im Einzelfall schwer zu ermitteln und daher zwischen den Parteien häufig umstritten ist. Insbesondere dann, wenn es zur Feststellung des Wertzuwachses auch noch sachverständiger Hilfe bedarf, erhält der vorleistende Unternehmer – entgegen der Intention der gesetzlichen Regelungen – zeitnah erst einmal keine Abschlagszahlung für die von ihm erbrachten Arbeiten. Dem möchte der Gesetzgeber nunmehr entgegentreten. 1 Reform des Bauvertragsrechts: Abschlagszahlung b) Neuregelung Um einerseits den Unternehmer in die Lage zu versetzen, die Höhe des jeweiligen Abschlags unkompliziert zu berechnen, andererseits dem Besteller der Werkleistung eine einfachere Überprüfung dieser Berechnung zu ermöglichen, soll sich die Höhe der Abschläge künftig nach dem Wert der vom Unternehmer erbrachten und nach dem Vertrag geschuldeten Leistungen bemessen. Der Referentenentwurf erläutert hierzu, dass durch die Gesetzesänderung der vom Besteller bezahlte Abschlag den bei ihm gleichzeitig erfolgten Wertzuwachs im Einzelfall zwar geringfügig übersteigen mag, da beispielsweise bei einem Bauvorhaben in bestimmten Bauphasen die Kosten für die Bauleistungen höher sind als der durch sie bewirkte Wertzuwachs an dem Grundstück. Entsprechendes werde sich jedoch mit den folgenden Abschlagszahlungen ausgleichen bzw. gegebenenfalls auch umkehren, weshalb „diese minimale und nur punktuell eintretende Risikoerhöhung für den Besteller … mit Blick auf die damit einhergehende wesentliche Vereinfachung der Berechnung der Abschlagszahlungen … hinnehmbar“ sei. Hinweis: Für Verträge zwischen Unternehmern wird die beabsichtigte Gesetzesänderung vielfach keine Auswirkungen haben, da den entsprechenden Bauverträgen regelmäßig die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) ganz oder teilweise zugrunde liegen dürfte. § 16 Absatz 1 Nummer 1 VOB/B sieht aber bisher schon vor, dass Abschlagszahlungen in Höhe des Wertes der jeweils nachgewiesenen vertragsgemäßen Leistung zu zahlen sind, d.h. mit der geplanten Gesetzesänderung wird nunmehr ein – weitgehender – Gleichlauf der Vorschrift des BGB mit der Regelung in der VOB/B hergestellt. 2. Auch wesentliche Mängel berechtigen künftig nur zur Kürzung der Abschlagszahlung a) Hintergrund § 632a Absatz 1 Satz 2 BGB (im Umkehrschluss) erlaubt dem Besteller gegenwärtig, Abschlagszahlungen vollständig zu verweigern, wenn an der bereits erbrachten Teilleistung wesentliche Mängel bestehen. Diese „Ganz oder Gar-Nicht-Regelung“ führt in der Praxis zwangsläufig zu – häufig missbräuchlichen – Streitigkeiten bei der Abgrenzung zwischen wesentlichen Mängeln, die zu einer Verweigerung der Ab- GSK Update / 02.02.2016 schlagszahlung berechtigen, und unwesentlichen Mängeln, die zu keiner Verweigerung der Abschlagszahlung berechtigen. Überdies steht die Regelung in einem gewissen Widerspruch zu einem wesentlichen Prinzip des Werkvertragsrechts: Erst zum Zeitpunkt der Abnahme ist der Unternehmer verpflichtet, ein mangelfreies Werk zu übergeben; wann und wie er während der Herstellungsphase entstandene Mängel beseitigt, unterliegt hingegen grundsätzlich seiner Disposition. Den vorstehend genannten Praxisproblemen und Wertungswidersprüchen beabsichtigt der Gesetzgeber nunmehr abzuhelfen. b) Neuregelung Künftig soll der Besteller die Zahlung eines Abschlags nicht mehr vollständig verweigern dürfen, wenn sich das Werk wegen wesentlicher Mängel in keinem vertragsgemäßen Zustand befindet. Angemessene Teile der geltend gemachten Abschlagszahlung soll er aber weiterhin einbehalten dürfen, und zwar bei allen Abweichungen vom vertragsgemäßen Zustand, also bei wesentlichen und bei unwesentlichen Mängeln. Hinsichtlich dessen, was in der Regel als angemessener Einbehalt anzusehen ist, bleibt es bei dem Verweis auf die Vorschrift des § 641 Absatz 3 BGB, wonach im Regelfall das Doppelte der voraussichtlichen Kosten der Beseitigung des nicht vertragsgemäßen Zustands als angemessen anzusehen ist. Hinweis: Auch betreffend die Kürzung von Abschlagszahlungen infolge von Mängeln folgt der Referentenentwurf den seit Langem bewährten, durch die Rechtsprechung gefestigten, Regelungsinhalten der VOB/B. Für Verträge zwischen Unternehmern wird auch dieser Aspekt der beabsichtigten Gesetzesänderung demnach vielfach keine Auswirkungen haben. Dr. Maximilian Schilling Rechtsanwalt Standort München [email protected] Kerstin Franke Rechtsanwältin Standort München [email protected] 2 Urheberrecht GSK Stockmann + Kollegen - Alle Rechte vorbehalten. Die Wiedergabe, Vervielfältigung, Verbreitung und/oder Bearbeitung sämtlicher Inhalte und Darstellungen des Beitrages sowie jegliche sonstige Nutzung ist nur mit vorheriger schriftlicher Zustimmung von GSK Stockmann + Kollegen gestattet. Haftungsausschluss Diese Mandanteninformation enthält ausschließlich allgemeine Informationen, die nicht geeignet sind, den besonderen Umständen eines Einzelfalles gerecht zu werden. 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