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BÜRGERSCHAFT
DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG
Drucksache
21/2972
Neufassung
03.03.16
21. Wahlperiode
Schriftliche Kleine Anfrage
der Abgeordneten Detlef Ehlebracht, Dirk Nockemann und Prof. Dr. Jörn Kruse
(AfD) vom 25.01.16
und
Betr.:
Antwort des Senats
Somalier bedrängt Zehnjährige in Hamburg Ohlstedt
Am 7. Januar 2016 hat ein 23-jähriger Flüchtling aus Somalia, der zum
damaligen Zeitpunkt in der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung „Ohlstedter
Platz“ in Hamburg untergebracht war, den Schulhof des Ohlstedter Gymnasiums in der Sthamerstraße betreten, wo er eine Zehnjährige ansprach. In ihrer
kindlichen Naivität nicht dazu in der Lage, die Absichten des Mannes zu
durchschauen, gab das Mädchen schließlich ihre Telefonnummer heraus.
Nichts ahnend teilte es dem Somalier mit, am nächsten Tag um 14 Schulschluss zu haben. Als die Schülerin daraufhin in ihre Klasse zurückkehren
wollte, nahm der Mann das Mädchen bei der Hand, berührte seine Hüfte und
küsste es auf den Mund. Nachdem die Mutter des Kindes von dem Vorfall
erfahren und noch am selben Tag die Polizei verständigt hatte, konnte der
Somalier am nächsten Tag gegen 14 Uhr auf dem Gelände der Schule
gefasst werden.1
Die Reaktionen auf diese Tat, die von den Medien als sexueller Missbrauch
kolportiert wurden, fielen eindeutig aus. Andreas Dessel, Vorsitzender der
SPD-Bürgerschaftsfraktion, forderte gar, den Mann unverzüglich auszuweisen, da jemand, der Kinder missbrauche, mit der vollen Härte des Gesetzes
zu bestrafen sei und sein Bleiberecht in Deutschland verwirkt habe.2 Auch
der kürzlich aus dem Amt geschiedene Innensenator Michael Naumann meldete sich unverzüglich zu Wort, indem er am 11.01.2016 gegenüber der
Presse erklärte, straffällig gewordene Asylbewerber künftig schneller
abschieben zu wollen, und falls nötig, die dafür erforderlichen Rahmen abzusenken. Bürgermeister Scholz deutete daraufhin an, diese Möglichkeit
umgehend prüfen zu lassen.
Angesichts des enormen medialen Widerhalls, den der Vorfall auslöste, dürften die Konsequenzen für Ernüchterung gesorgt haben, die sich aus diesem
für den Täter ergeben. Denn nachdem der Beschuldigte die ihm zur Last
gelegten Anschuldigungen eingeräumt hatte und daraufhin einer erkennungsdienstlichen Behandlung unterzogen worden war, setzte man ihn wieder auf freien Fuß. In der Begründung für diese Entscheidung erklärte die
1
2
Confer „Sicherer Kiez – neue Übergriffe“. „Hamburger Abendblatt“ vom 11.01.2016.
Confer „SPD-Politiker fordert Abschiebung nach mutmaßlichem Missbrauch einer Zehnjährigen“. „FOCUS Online“ vom 10.01.2016.
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Staatsanwaltschaft, dass in der Sache kein dringender Tatverdacht wegen
sexuellen Missbrauchs und damit auch kein Haftgrund vorliege.3
Durch die milde Verfahrensweise der Staatsanwaltschaft gegenüber dem
Beschuldigten fühlen sich viele Menschen in Hamburg von der Justiz im Stich
gelassen; dies gilt insbesondere für Eltern mit minderjährigen Kindern.
Obwohl bekannt ist, dass die Hamburger Staatsanwaltschaft ihre Verantwortung stets gewissenhaft wahrnimmt, besteht in dieser Sache zusätzlicher Klärungsbedarf.
Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat:
1.
Welche Straftat wird dem mutmaßlichen Täter vorgeworfen?
Sexueller Missbrauch von Kindern und Beleidigung auf sexueller Basis.
2.
Treffen die Medienberichte zu, denen zufolge der mutmaßliche Täter
geständig ist?
Der Beschuldigte hat die Aussage des Kindes teilweise bestätigt.
3.
Wenn ja, treffen die Medienberichte zu, denen zufolge der geständige
Täter nach Aufnahme der Personalien wieder auf freien Fuß gesetzt
wurde?
Ja. Im Übrigen siehe Drs. 21/2818.
4.
Sind die Personalien des Täters zweifelsfrei festgestellt worden?
Wenn ja, anhand welcher Belege?
Ja. Der Beschuldigte hat sich mit einer befristeten Aufenthaltserlaubnis ausgewiesen.
5.
Welche Maßnahmen wurden im Rahmen der erkennungsdienstlichen
Behandlung durchgeführt?
Die erkennungsdienstliche Behandlung des Beschuldigten bei der Polizei umfasste:
 Fertigung von Lichtbildern,
 Abnahme von Finger- und Handflächenabdrücken,
 Dokumentation äußerlich wahrnehmbarer Merkmale,
 freiwillige Abgabe einer Speichelprobe.
6.
Gibt es ein Ermittlungsverfahren gegen den mutmaßlichen Täter?
Wenn nein, warum nicht?
Wenn ja, wie ist der Stand der Ermittlungen?
Es ist ein Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten bei der Staatsanwaltschaft
Hamburg anhängig. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. Die Akte liegt der
Staatanwaltschaft derzeit zur weiteren Prüfung und Bewertung vor.
7.
Steht der mutmaßliche Täter unter polizeilicher oder sonstiger Beobachtung seitens der öffentlichen Hand oder muss dieser einer regelmäßigen
Meldepflicht nachkommen?
Wenn nein, warum nicht?
8.
Wie wird gewährleistet, dass der mutmaßliche Täter sich den weiteren
Ermittlungen nicht entzieht?
Eine Meldepflicht im Hinblick auf das Strafverfahren käme nur in Betracht, wenn ein
Haftbefehl erlassen, sodann aber dessen Vollzug gemäß § 116 Absatz 1 Nummer 1
3
2
Confer „Schülerin geküsst – warum der Verdächtige noch frei ist“. „Hamburger Abendblatt“Online vom 11.01.2016.
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StPO ausgesetzt worden wäre. Die Voraussetzungen für die Verhängung der Untersuchungshaft liegen jedoch nicht vor. Vor diesem Hintergrund unterliegt der Beschuldigte keiner strafprozessualen Meldepflicht.
9.
Wie wird seitens des Senats gewährleistet, dass der mutmaßliche Täter
keine weiteren Taten dieser oder vergleichbarer Art begeht?
Siehe Drs. 21/2818.
10. Trifft es zu, dass der mutmaßliche Täter in ein anderes Asylantenheim
verlegt worden ist?
Wenn ja, warum?
Der Betroffene wurde am 8. Januar 2016 in eine andere Erstaufnahmeeinrichtung
verlegt, um einen möglichen weiteren Kontakt zu dem Mädchen zu unterbinden.
11. Ist der etwaige neue Standort der Polizei bekannt und wie lautet dieser?
Ja. Darüber hinaus sieht der Senat aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes von
näheren Angaben ab.
12. Wenn ja, ist das dort beschäftigte Personal entsprechend informiert und
sensibilisiert worden?
Wenn nein, warum nicht?
Ja.
13. Wie viele Straftaten sind der Polizei seit dem 01.01.2015 gemeldet worden, bei denen ein Sexualdelikt vorliegt und es sich bei dem oder den
Täter(n)/Verdächtigen (Beschuldigten) um Asylant(en)/Asylbewerber/
Flüchtling(e) oder eine Person mit Migrationshintergrund handelt? Bitte
anhand der Monate und innerhalb des Monats nach Asylant und „Person
mit Migrationshintergrund“ unterscheiden.
Die Polizei erfasst Straftaten gemäß dem Straftatenkatalog der Richtlinien für die
Erfassung und Verarbeitung der Daten in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS). Die
Aussagekraft der PKS ist auf Jahresauswertungen ausgelegt. Innerhalb eines
Berichtsjahres unterliegt der PKS-Datenbestand einer ständigen Pflege, zum Beispiel
durch Hinzufügen von nachträglich ermittelten Tatverdächtigen oder der Herausnahme von Taten, die sich im Nachhinein nicht als Straftat erwiesen haben. Der Hamburger PKS-Datenbestand für das Jahr 2015 wird aktuell im Abgleich mit dem Datenbestand des Bundeskriminalamtes (BKA) qualitätsgesichert. Erst nach Abschluss von
Qualitätsprüfungen und Freigabe durch das BKA gelten die PKS-Daten eines
Berichtsjahres für Fall- und Tatverdächtigenzahlen als gültig. Die Jahreszahlen 2015
liegen daher noch nicht vor. Zur begrenzten Aussagekraft unterjähriger Daten siehe
im Übrigen Drs. 16/4616.
Ein Migrationshintergrund ist kein Erfassungskriterium in der PKS und wird nicht erhoben. Für ermittelte nicht deutsche Tatverdächtige wird der Aufenthaltsstatus „Asylbewerber“ in der PKS unter der Kategorie „Anlass des erlaubten Aufenthalts“ erfasst.
Der Aufenthaltsgrund „Asylant/Flüchtling“ wird unter der Unterkategorie „sonstiger
erlaubter Aufenthalt“ zwar erfasst, kann jedoch im Rahmen der Auswertung nicht
gesondert ausgewiesen werden.
Der Begriff „Flüchtling“ wird erst seit dem Jahr 2016 als Sondermarker erfasst.
Straftaten im Sinne der Frage werden unter dem PKS-Straftatenschlüssel 1000 (Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung) erfasst. Die erfragten Daten für das Jahr
2015 werden zur Gewährleistung eines Minimums an Validität als kumulative Dreivierteljahreszahlen (1. Januar bis 30. September 2015) dargestellt.
In dem Zeitraum wurden in der PKS 940 Fälle von Straftaten gegen die sexuelle
Selbstbestimmung erfasst, von denen 742 Fälle (78,9 Prozent) aufgeklärt wurden.
Insgesamt wurden 503 Tatverdächtige ermittelt. Unter diesen befanden sich 216 nicht
deutsche Tatverdächtige (42,9 Prozent), von denen 213 erlaubt in Deutschland auf-
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hältig waren. Unter den 213 Tatverdächtigen mit erlaubtem Aufenthalt sind zwölf als
„Asylbewerber“ sowie 83 Tatverdächtige mit „sonstiger erlaubter Aufenthalt“ erfasst.
14. Welche seelsorgerischen, psychologischen oder sonstigen Hilfestellungen oder Angebote wurden dem Opfer und dessen Familie seitens der
öffentlichen Hand konkret angeboten? Wenn es keine Hilfestellungen
oder Angebote der öffentlichen Hand gibt, warum nicht?
Von der ermittelnden Dienststelle der Polizei sind den Erziehungsberechtigten – wie in
solchen Verdachtsfällen üblich – zahlreiche Informationsbroschüren zu Opferhilfeeinrichtungen übergeben und die Hilfsangebote ausführlich erläutert worden. Im Übrigen
siehe Drs. 21/2818.
15. Sind die Umstände, unter denen es zu diesem Sexualdelikt kam, vollständig geklärt und welche Präventivmaßnahmen gibt es seitens der
Polizei und anderen öffentlichen Einrichtungen, wie zum Beispiel Schulen, um derartigen Straftaten vorzubeugen?
Siehe Antwort zu 6.
Zu den Präventivmaßnahmen siehe Drs. 21/2829 und Drs. 21/2818.
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